L 1 KR 15/19

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 9 KR 2024/16
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 15/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Kostenübernahme/Kostenerstattung für eine sogenannte Elektro- Cancer Therapie (ECT), bei welcher Tumorzellen durch Gleichstrom abgetötet werden sollen. Diese Therapie nahm der Kläger ab Februar 2014 im Naturheilzentrum bei einem Heilpraktiker wahr.

Bei dem Kläger besteht eine Krebserkrankung, erstmals diagnostiziert im Oktober 2007, konkret ein "Adenoidzystisches Karzinom der Trachea". Dieses wurde bestrahlt im März 2008. Außerdem bestehen Metastasen insbesondere in der Lunge seit April 2008. Resektionen wurden im Juni 2008 und im Januar 2009 durchgeführt. Eine Chemotherapie wurde bis 2013 durchgeführt und sodann von dem Kläger abgebrochen wegen einer Niereninsuffizienz. Eine anschließende weitere Chemotherapie seit Juni 2013 sowie eine weitere bis Juni 2014 beendete der Kläger sodann bei weiterbestehenden Lungenmetastasen.

Im März 2014 beantragte der Kläger die Kostenübernahme für die ECT-Tumortherapie, die er ab Februar 2014 in Anspruch nahm. Im Rahmen des Antrags bezog er sich auf den sogenannten "Nikolaus Beschluss" des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2005 (Az. 1 BvR 347/98).

Mit Bescheid vom 12. März 2015 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab und verwies darauf, dass Kosten für die Behandlung durch Heilpraktiker nicht im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung abgerechnet werden könnten. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 1. September 2016).

Die Klage hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 15. Januar 2019 abgewiesen und ausgeführt, Anspruchsgrundlage für den Kostenerstattungsanspruch könne nur § 13 Absatz 3 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sein. Nach dieser Vorschrift hätten Versicherte Anspruch auf Erstattung von Kosten für eine notwendige, selbstbeschaffte Leistung, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig habe erbringen können oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt habe und dem Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden seien. In beiden Fällen setze ein Anspruch nach dieser Vorschrift einen entsprechenden Primärleistungsanspruch voraus, also einen Sach- oder Dienstleistungsanspruch der Versicherten gegen ihre Krankenkasse, und gehe auch in der Sache nicht weiter als ein solcher Anspruch; er setze daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehöre, die die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen hätten. Einen solchen Primärleistungsanspruch habe der Kläger indes nicht. Nach § 27 Absatz 1 Satz 1 SGB V hätten Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig sei, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 a SGB V, nach welchem Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung stehe, gemäß § 2 Absatz 1a Satz 1 SGB V auch abweichend von dem in § 2 Absatz 1 Satz 3 SGB V geregelten Qualitätsgebot Leistungen beanspruchen könnten, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehe, lägen indes nicht vor, denn auch in einem solchen Fall gelte der in § 15 Absatz 1 Satz 1 SGB V zum Ausdruck kommende Grundsatz, dass Leistungen nur von Ärzten und Zahnärzten erbracht werden dürfen. Versicherte könnten daher grundsätzlich ärztliche Leistungen, die durch nichtärztliche Leistungserbringer erbracht würden, nicht beanspruchen, Krankenkassen dürften sie nicht bewilligen. Das ergebe sich unmittelbar aus § 15 Absatz 1 Satz 1 und Satz 2 SGB V. Nach dieser Vorschrift werde ärztliche Behandlung (nur) von Ärzten erbracht, soweit nicht in Modellvorhaben nach § 63 III c SGB V etwas Anderes bestimmt sei. Soweit Hilfeleistungen anderer Personen erforderlich seien, dürften sie nur erbracht werden, wenn sie von Arzt angeordnet und verantwortet seien. Ein solches Modellvorhaben existiere für die Erbringung der Galvanotherapie durch Heilpraktiker nicht.

Die Ausnahmeregelung in § 15 I Satz 1 SGB V sei abschließender Natur, so dass weitere Ausnahmen nicht in Betracht kämen und auch im Wege der Auslegung nicht hergeleitet werden könnten. Hätte der Gesetzgeber eine weitere Durchbrechung des Arztvorbehaltes im Zusammenhang mit den von § 2 Absatz 1a SGB V erfassten Fällen gewollt, wäre eine entsprechende Ausnahmeregelung in § 15 Absatz 1 SGB V erforderlich gewesen. Insbesondere Heilpraktiker seien nach dieser Regelung und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts von der selbständigen und eigenverantwortlichen Behandlung der Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen ausgeschlossen. Auch das Bundesverfassungsgericht habe in dem sog. "Nikolausbeschluss", den der Gesetzgeber zur Aufnahme der heute in § 2 Absatz 1a SGB V verankerten Regelung veranlasst habe, den Arztvorbehalt ausdrücklich bestätigt und die erweiterte Leistungspflicht der Krankenkassen in den Fällen einer lebensbedrohlichen Erkrankung erkennbar auf Behandlungen beschränkt, die durch Ärzte vorgenommen würden. Der Arztvorbehalt gelte nach dem ausdrücklichen und im Gesetz hinreichend zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers im Übrigen auch für Fälle der Kostenerstattung. Demgemäß seien die Voraussetzungen für die begehrte Kostenerstattung nicht erfüllt. Zwar handele es sich bei der Krankheit des Klägers um eine lebensbedrohliche Erkrankung im Sinne von § 2 Absatz 1a Satz 1 SGB V, jedoch sei die Galvanotherapie hier durch einen nichtärztlichen Heilpraktiker durchgeführt worden, der mangels ärztlicher Approbation zur Durchführung von Krankenbehandlungen im Sinne des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung nicht berechtigt sei. Nach alledem könne dahinstehen, ob die durchgeführte Galvanotherapie auch die von § 2 Absatz 1 Satz 1 SGB V geforderte nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf biete und ob der von der Mutter des Klägers gestellte Antrag auf Kostenerstattung bereits vor Beginn der bei dem Kläger durchgeführten Therapie gestellt worden sei.

Der Kläger hat gegen den seinem damaligen Bevollmächtigten am 17. Januar 2019 zugestellten Gerichtsbescheid am 1. Februar 2019 Berufung eingelegt, mit welcher er auf die Begründung im erstinstanzlichen Verfahren verweist. Dort hatte der Kläger sich insbesondere in Anbetracht des Umstandes, dass er schulmedizinisch austherapiert sei und seiner Einschätzung nach die Erkrankung unter der streitigen Therapie zum Stillstand gekommen sei, auf § 2 Abs. 1a SGB V bzw. auf den sogenannten "Nikolausbeschluss" berufen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 15. Januar 2019 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. März 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 1. September 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Kosten der Behandlung des Klägers durch den Heilpraktiker S. ab Antragstellung fortlaufend zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 12. Dezember 2019 zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten und Unterlagen.

Entscheidungsgründe:

Die Berichterstatterin konnte zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern an Stelle des Senats entscheiden, da das Sozialgericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden hat und der Senat ihr durch Beschluss vom 5. August 2019 die Berufung übertragen hat (§ 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz – SGG –). Die Entscheidung konnte auch in Abwesenheit der Beteiligten aufgrund mündlicher Verhandlung ergehen, weil diese unter entsprechendem Hinweis ordnungsgemäß geladen worden waren.

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid vom 15. Januar 2019 ist nach §§ 143, 144 SGG statthaft und zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Sie ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Senat sieht nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage nach § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, da die Berufung aus den in dem Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 15. Januar 2019 dargelegten Gründen als unbegründet zurückgewiesen wird. Weiteren Einlassungen des Klägers liegen nicht vor, auch nicht in Ansehung des negativen Prozesskostenhilfebeschlusses des Senats vom 24. April 2019. Schließlich hat auch das Bundessozialgericht den Arztvorbehalt erst jüngst erneut bestätigt und ausgeführt:

"Zwingende Voraussetzung ärztlicher Krankenbehandlung als ein zentraler Bestandteil des GKV-Leistungskatalogs ist, dass der Behandler Arzt im berufsrechtlichen Sinne ist. Ärztlicher Behandler ist nur, wer über eine staatliche Approbation verfügt. Die Anknüpfung an die Approbation als von anderen staatlichen Stellen durchgeführte Prüfung und Bestätigung der berufsrechtlichen Mindestqualifikation bei Krankenbehandlung durch Behandler in eigener Verantwortung ist ein prägendes Merkmal der GKV von Anbeginn Der in §§ 15 Abs. 1 und 27 Abs. 1 SGB V geregelte Arztvorbehalt beinhaltet einen generellen Ausschluss nichtärztlicher Heilbehandler von der nicht ärztlich angeleiteten selbstständigen und eigenverantwortlichen Behandlung der Versicherten der GKV" (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2018 – B 1 KR 34/17 R –, Juris)

Dem schließt sich auch der Senat, wie schon das Sozialgericht zuvor, nach eigener Prüfung an. Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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