L 1 KR 130/18

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 46 KR 2067/15
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 130/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung.

Die Klägerin ist bei der beklagten Krankenkasse freiwillig krankenversichert. In der Zeit vom 14. April 2015 bis 28. Januar 2016 befand sie sich in Elternzeit. Hierfür erhielt sie von der Freien und Hansestadt Hamburg Elterngeld nach dem Bundeselterngeldgesetz und zwar den Höchstbetrag von 1.800 EUR.

Mit Schreiben vom 1. April 2015 übersandte die beklagte Krankenkasse der Klägerin einen Fragebogen zur Versicherung von Ehe- und Lebenspartnern und eine damit verbundene Einkommensanfrage zur Bemessung der während des Elterngeldbezuges zu zahlenden Beiträge. Diese füllte die Klägerin am 29. April 2015 dahingehend aus, dass ihr Ehemann nicht gesetzlich krankenversichert sei.

Daraufhin übersandte die Beklagte der Klägerin eine Einkommensanfrage. Diese gab daraufhin an, ihr Ehepartner sei selbstständig und fügte den Einkommensteuerbescheid für 2013 bei. Der Einkommensteuerbescheid wies für das Jahr 2013 ein zu versteuerndes Einkommen von 174.704 EUR aus.

Mit Bescheid vom 4. Juni 2015 setzte die Beklagte die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 14. April 2015 auf insgesamt 353,72 EUR fest, wobei sie von beitragspflichtigen Einnahmen i.H.v. 2.062,50 EUR ausging. Hiergegen richtete sich der Widerspruch der Klägerin, mit welchem sie geltend machte, dass eine Mitberücksichtigung der Beiträge des Ehepartners das Rechtsverhältnis der Ehe benachteilige, wenn nicht auch bei nicht verheirateten Eltern im Falle des Elterngeldbezuges die Einkünfte zusammengerechnet würden. Das Rechtsverhältnis der Ehe stehe allerdings unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10. November 2015 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Die hiergegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 25. Oktober 2018 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, Rechtsgrundlage der angefochtenen Beitragsbescheide sei §§ 220 Abs. 1 S. 1, 223 Abs. 1 bis 3, 240 Abs. 1 S. 1 i.V.m. §§ 241, 242 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) i.V.m. den Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler [BtrVGs]). Gem. § 220 Abs. 1 S. 1 SGB V würden die Mittel der Krankenversicherung durch Beiträge und sonstige Einnahmen aufgebracht. Die Beiträge seien nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder zu bemessen. Die Klägerin sei gemäß § 9 SGB V freiwilliges Mitglied der beklagten Krankenkasse. Gemäß § 240 Abs. 1 S. 1 SGB V werde die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt. Dabei sei sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt.

Die Beklagte sei bei der Beitragsbemessung zu Recht davon ausgegangen, dass auch das Einkommen des Ehegatten der Klägerin als beitragspflichtige Einnahme zu berücksichtigen sei. Bei Mitgliedern, deren Ehegatte oder Lebenspartner nach dem LPartG nicht einer Krankenkasse (§ 4 Abs. 2 SGB V) angehöre, setzten sich die beitragspflichtigen Einnahmen aus den eigenen Einnahmen und den Einnahmen des Ehegatten oder Lebenspartners zusammen. Für die Beitragsbemessung seien nacheinander die eigenen Einnahmen des Mitglieds und die Einnahmen des Ehegatten oder Lebenspartners bis zur Hälfte der sich aus der nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Summe der Einnahmen, höchstens bis zu einem Betrag in Höhe der halben Beitragsbemessungsgrenze, zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 4 BtrVGs). Dabei sei, anders als die Klägerin meine, auch nicht zunächst das Elterngeld als zu verbeitragendes Einkommen zu berücksichtigen, denn § 224 S. 2 SGB V bestimme, dass diese Leistung als eine der in S. 1 der Vorschrift genannten Leistungen beitragsfrei sei. Die übrigen Beitragspflichten nach § 240 SGB V (also aus anderen beitragspflichtigen Einnahmen) blieben daneben jedoch bestehen. Auf Grund der Höhe des Einkommens des Ehegatten der Klägerin in Höhe von 14.558,67 EUR, von dem die Beklagte richtigerweise noch einen Pauschbetrag von 945 EUR (ein Drittel der monatlichen Bezugsgröße im Jahr 2015) abgesetzt habe, vgl. § 240 Abs. 5 i.V.m. § 10 Abs. 3 SGB V, habe sich ein zu verbeitragendes Einkommen in Höhe von 2.062,50 EUR (die Hälfte der Beitragsbemessungsgrenze im Jahr 2015) ergeben.

Die Verbeitragung des Ehegatteneinkommens bei fehlender Verbeitragung des Elterngeldes verstoße nicht gegen Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Art 6 Abs. 1 GG gebiete als verbindliche Wertentscheidung für den gesamten Bereich des die Ehe und die Familie betreffenden privaten und öffentlichen Rechts einen besonderen Schutz durch die staatliche Ordnung. Als Grundsatznorm lasse sich ihm eine allgemeine Pflicht des Staates zur Förderung der Familie durch geeignete Maßnahmen entnehmen. Dem Gesetzgeber stehe aber Gestaltungsfreiheit bei der Entscheidung darüber zu, auf welche Weise er den ihm aufgetragenen Schutz verwirkliche. Aus Art 6 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip lasse sich zwar die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, nicht aber die Entscheidung darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen sei. Konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen könnten aus dem Förderungsgebot des Art 6 Abs. 1 GG nicht hergeleitet werden. Das gelte auch für die Ausgestaltung des Beitragsrechts in der freiwilligen Krankenversicherung. Der Schutz von Ehe und Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG begründet keine konkrete Verpflichtung des Normgebers, das höhere Einkommen des privat krankenversicherten Ehegatten, eines freiwillig versicherten Mitglieds der GKV außer Acht zu lassen bzw. eine Entlastung des freiwillig versicherten Mitglieds der GKV in der von der Klägerin gewünschten Berücksichtigung der Beitragsleistung des privat versicherten Ehegatten zu privaten Versicherungen vorzusehen. Die Berücksichtigung des Ehegatteneinkommens in der gesetzlichen Krankenversicherung sei Ausdruck der die Ehegatten nach dem bürgerlichen Recht treffenden Unterhaltsverpflichtungen. Mangels einer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung könne dagegen eine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwillig versicherten Mitglieds durch die Einnahmen des Partners einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft nicht bestimmt werden. Der Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG beinhalte nicht, dass jede Vorschrift des einfachen Rechts, welche für den betroffenen Familienangehörigen nachteilige Auswirkungen besitzt, verfassungswidrig sei. Die Beklagte habe auch die Beitragssätze in den angefochtenen Bescheiden korrekt angesetzt.

Die Klägerin hat gegen den am 29. Oktober 2018 zugestellten Gerichtsbescheid am 16. November 2018 Berufung eingelegt, mit welcher sie vorträgt, ihrer Auffassung nach verstoße die Verbeitragung des Ehegatteneinkommens bei fehlender Verbeitragung des Elterngeldes gegen Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes. Sie fühle sich gegenüber Lebenspartnerschaften, die nicht unter den Schutz des Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz gestellt seien, schlechter behandelt. Eine Schlechterstellung von Ehegatten im Verhältnis zu einem unverheirateten Paar sei bei identischer Situation nicht zulässig. Dieses aber genau mache der Normgeber, wenn bei Ehegatten das gesamte Familieneinkommen herangezogen werde, um die Beiträge für das freiwillig versicherte Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung zu berechnen. Dies sei auch nicht durch die bürgerlich-rechtliche Unterhaltsverpflichtung von Ehegatten gerechtfertigt. Der Grundgesetzgeber habe bewusst Ehe und Familie unter einen besonderen Schutz gestellt, der ausgehöhlt werde, wenn man annehme, dass aufgrund der zivilrechtlichen Unterhaltsverpflichtungen eine staatliche Verbeitragung von Einkommen der Ehegatten gerechtfertigt sei. Auch sei es irrig anzunehmen, dass der Beitrag für die gesetzliche Krankenversicherung der Unterhaltsverpflichtung unterliege, denn die Klägerin sei in Ihrem Fall aufgrund des Bezuges des Elterngeldes in voller Höhe selbst in der Lage, die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung zu zahlen. Insoweit sei eine Verpflichtung zur Unterhaltsleistung für die Zahlung der Beiträge nicht notwendig.

Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg sowie den Bescheid der Beklagten vom 4. Juni 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. November 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts den Beitrag für die Krankenversicherung für den Zeitraum vom 14.4.2015 bis 31.08.2015 neu festzulegen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 12. Dezember 2019 zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten und Unterlag

Entscheidungsgründe:

Die Berichterstatterin konnte zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern an Stelle des Senats entscheiden, da das Sozialgericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden hat und der Senat ihr durch Beschluss vom 22. Februar 2019 die Berufung übertragen hat (§ 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid vom 25. Oktober 2018 ist nach §§ 143, 144 SGG statthaft und zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Sie ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Senat sieht nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage nach § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, da die Berufung aus den in dem Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 25. Oktober 2018 dargelegten Gründen als unbegründet zurückgewiesen wird. Die weiteren Einlassungen der Klägerin sind nicht geeignet, eine abweichende Beurteilung zu tragen. Die Klägerin wiederholt im Wesentlichen ihr Vorbringen aus der ersten Instanz. Wie das Sozialgericht indes zu Recht ausgeführt hat, können konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen aus dem Förderungsgebot des Art 6 Abs. 1 GG nicht hergeleitet werden. Dass dies auch für die Ausgestaltung des Beitragsrechts in der freiwilligen Krankenversicherung gilt, ist bereits höchstrichterlich entschieden (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 28. Mai 2015 – B 12 KR 15/13 R –,Juris). Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung an.

Auch dass die Beitragsbemessung für freiwillig versicherte Mitglieder nach der Hälfte der Einnahmen des Ehegatten selbst dann nicht gegen höherrangiges Recht verstößt, wenn die eigenen geringeren Einnahmen des Mitglieds dessen Lebensunterhalt decken können, hat das BSG bereits entschieden. Denn auch in diesem Fall prägen die höheren Einnahmen des Ehegatten die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds mit (BSG, Urteil vom 28. September 2011 – B 12 KR 9/10 R –, Juris). Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das vom Sozialgericht in Bezug genommene Urteil des LSG Hessen vom 10. August 2017 (L 8 KR 406/16 – Juris) schließlich hat das BSG nicht zur Entscheidung angenommen und dabei noch einmal auf die eigene Rechtsprechung hingewiesen, nach welcher eine Beitragsbemessung nach der Hälfte der Einnahmen des Ehegatten nicht gegen höherrangiges Recht verstößt (Beschluss vom 8. März 2018 – B 12 KR 89/17 B).

Die Berufung der Klägerin war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved