S 5 KR 366/16

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 5 KR 366/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 23.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.03.2016 verurteilt, der Klägerin eine laparoskopische Magen-Bypass-Operation als Sachleistung zur Verfügung zu stellen. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten für eine Magen-Bypass-Operation zu übernehmen.

Die am 00.00.1973 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert. Bei ihr besteht seit vielen Jahren ein Übergewicht. Darüber hinaus haben sich bei der Klägerin ein Diabetes Typ II sowie ein arterieller Hypertonus entwickelt.

Im Juli 2015 begab sich die Klägerin in das Franziskushospital in die adipositaschirurgische Sprechstunde. Zu diesem Zeitpunkt betrug ihr Körpergewicht 112 kg bei einer Größe von 164 cm (BMI: 41,1). Die Klägerin berichtete, dass sie bereits über viele Jahre hinweg versucht habe, ihr Körpergewicht zu reduzieren. Dies sei ihr auf konservativem Wege nicht nachhaltig gelungen. Außerdem leide sie unter einer Refluxerkrankung, einem Schlafapnoe-Syndrom und einem Lipödem. Der Facharzt für Endokrinologie Prof. Dr. S bescheinigte bereits am 01.10.2012 das Vorliegen eines metabolischen Syndroms.

Von Seiten des Franziskushospitals wurde die Indikation für die Durchführung einer laparoskopischen Magen-Bypass-Operation gesehen. Dies wurde in einem Bericht für die Beklagte vom 06.07.2015 ausführlich begründet.

Die Klägerin reichte den Bericht am 10.07.2015 mit weiteren Anlagen bei der Beklagten zur Prüfung ein. Beigefügt waren eine Bescheinigung von einem Fitness-Studio, ausgefüllte Fragebögen zur Adipositas, ein Selbsteinschätzungsbogen sowie ein Ernährungstagebuch von November 2014 bis März 2015.

Die Beklagte schaltete am 13.07.2015 den MDK ein und teilte dies ebenfalls am 13.07.2015 der Klägerin mit.

In seiner Stellungnahme vom 16.07.2015 kam der MDK zu dem Ergebnis, dass zurzeit eine psychiatrische Stellungnahme bezüglich etwaiger Kontraindikationen fehle.

Die Beklagte forderte mit Schreiben vom 23.07.2015 die psychiatrische Stellungnahme bezüglich einer etwaigen Kontraindikation beim Franziskushospital an.

Ebenfalls mit Schreiben vom 23.07.2015 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass die für die Beurteilung der Behandlung erforderliche psychiatrische Stellungnahme nicht beigelegen habe. Die stationäre Krankenhausbehandlung könne aus diesem Grund vorerst nicht befürwortet werden. Die Beklagte führte ferner aus: "Sobald uns die erforderlichen Unterlagen vorliegen, werden wir ihren Antrag erneut prüfen. Eine Kostenübernahme für die geplante stationäre Krankenhausbehandlung ist uns daher leider derzeit nicht möglich."

Am 29.07.2015 teilte die Klägerin mit, dass sie die erforderlichen Schritte eingeleitet habe, um die noch fehlende psychiatrische Stellungnahme nachzuliefern. Da die Kosten hierfür zwischen 150 und 200 EUR liegen und ferner einer Gebühr hinzu komme, fragte sie bei der Beklagten an, wer diese Kosten zu tragen habe. Eine weitere Anfrage der Klägerin diesbezüglich erfolgte am 03.08.2015.

Mit E-Mail vom 05.11.2015 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass die Unterlagen nun an den Medizinischen Dienst weitergeleitet worden seien. Das psychologische Gutachten war offenbar zwischenzeitlich erstellt worden.

Mit Gutachten vom 05.11.2015 kam der MDK zu dem Ergebnis, dass eine behandlungsbedürftige Adipositas zwar vorliegt. Es sei aber nicht erkennbar, dass die Klägerin sämtliche konservative Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft habe. Es solle zunächst ein konsequentes Basisprogramm mit multimodalem Behandlungskonzept erstellt werden.

Mit Bescheid vom 23.11.2015 wurde der Antrag der Klägerin abgelehnt. Die Beklagte stützte sich zur Begründung auf die Ausführungen des MDK.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Zur Begründung verwies sie auf eine weitere Stellungnahme des Franziskus-Hospitals. Dort war sie im Dezember 2015 erneut in der ambulanten Sprechstunde. In dem Bericht wurde darauf verwiesen, dass die Klägerin mehrfach Ernährungsberatung in Anspruch genommen habe. Der durch die konservative Therapie erreichte Gewichtsverlust sei nicht ausreichend. Nach wie vor sei darauf hinzuweisen, dass ein ausgeprägtes metabolisches Syndrom vorliegt, das dringend therapiebedürftig sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31.03.2016 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung bezieht sich die Beklagte auf die Einschätzung des MDK. Mit einer multimodalen konservativen Therapie sei es der Klägerin möglich, eine einschneidende und anhaltende Gewichtsabnahme zu erreichen. Eine chirurgische Maßnahme der ausgeprägten Adipositas stelle sich nicht als Ultima-ratio (letztes Mittel, letzter Ausweg) dar. Die drei Säulen des Gesamtbehandlungskonzeptes bestehend aus Ernährungsberatung, Bewegungs- und Verhaltenstherapie seien noch nicht gleichzeitig und koordiniert sowie überwacht über einen längeren Zeitraum umgesetzt worden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 02.05.2016 bei Gericht eingegangene Klage, mit der die Klägerin weiterhin die adipositaschirurgische Maßnahme als Sachleistung begehrt. Zur Begründung macht sie u.a. geltend, die Genehmigung der Leistung sei durch die Fiktion nach § 13 Abs. 3a Sozialgesetzbuch, 5. Buch (SGB V) gegeben. Eine Prüfung der medizinischen Notwendigkeit sei daher nicht mehr erforderlich. Im Übrigen lägen aber auch die Voraussetzungen nach § 27 SGB V vor.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.03.2016 zu verurteilen, der Klägerin eine laparoskopische Magen-Bypass-Operation als Sachleistung zur Verfügung zu stellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, § 13 Abs. 3 a S. 6 SGB V finde keine Anwendung. Die Klägerin sei am 23.07.2015 darüber informiert worden, dass gegenwärtig eine Kostenübernahme nicht erfolgen könne. Richtiges Antragsdatum sei daher der 30.10.2015. Eine Information darüber, dass die Unterlagen dem MDK vorgelegt werden, erfolgte am 05.11.2015. Mit Bescheid vom 23.11. 2015 sei dann der gestellte Antrag fristgerecht abgelehnt worden.

Das Gericht hat Befund- und Behandlungsberichte von den Fachärzten für Allgemeinmedizin Dr. I und Dr. C angefordert. Auf Inhalt und Ergebnisse der am 29.08.2016 und 15.09.2016 eingegangenen Berichte nebst Anlagen wird verwiesen.

Die Klägerin hat in der Zeit vom 05.06.2018 bis zum 26.06.2018 eine Rehabilitationsmaßnahme absolviert. Aus dem Entlassungsbericht ergibt sich, dass die Klägerin eine Gewichtsreduktion von 7 kg erreichen konnte. Ferner wird in dem Bericht auf einen inzwischen insulinpflichtigen Diabetes verwiesen, weshalb in der jüngeren Vergangenheit eine Gewichtszunahme von weiteren 10 kg zu verzeichnen war.

Das Gericht hat mit den Beteiligten einen Erörterungstermin durchgeführt.

Wegen der weiteren Einzelheiten im Sach- und Streitstand nimmt die Kammer Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gem. § 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 i.V.m. Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Die Klage ist auch begründet.

Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid vom 23.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.03.2016 beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 1 SGG, denn der Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Magen-Bypass-Operation im Sinne eines Naturalleistungsanspruchs. Dieser Anspruch ist durch das Vorliegen der Voraussetzungen für die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V gegeben.

Nach dieser Vorschrift hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden (§ 13 Abs. 3a S. 1 SGB V). Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (§ 13 Abs. 3a S. 2 SGB V). Der MDK nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (§ 13 Abs. 3a S. 3 SGB V). Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung (§ 13 Abs. 3a S. 4 SGB V). Kann die Krankenkasse Fristen nach S. 1 oder S. 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (§ 13 Abs. 3a S. 5 SGB V). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (§ 13 Abs. 3a S. 6 SGB V). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (§ 13 Abs. 3a S. 7 SGB V). Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostener-stattungen vorgenommen wurden (§ 13 Abs. 3a S. 8 SGB V). Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14, 15, 9. Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) zur Zuständigkeitserklärung und Erstattung selbstbeschaffter Leistungen (§ 13 Abs. 3a S. 9 SGB V).

Die Vorschrift wurde mit dem am 26.02.2013 in Kraft getretenen Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20.02.2013 (Patientenrechtegesetz, BGBl I 2013, 277) eingefügt. Durch die Auferlegung von Fristen im Verwaltungsverfahren sollen die Entscheidungsprozesse der Krankenkasse beschleunigt werden, damit Versicherte nicht unzumutbar lange auf eine Entscheidung warten müssen.

Die Klägerin beantragte zunächst hinreichend bestimmt eine Magen-Bypass-Operation. Die Fiktion kann nur dann greifen, wenn der Antrag so bestimmt gestellt ist, dass die auf Grundlage des Antrags fingierte Genehmigung ihrerseits iS von § 33 Abs 1 SGB X hinreichend bestimmt ist (vgl BSG Urteil vom 11.7.2017 - B 1 KR 26/16 R - Juris RdNr 17 mwN,). Diese Voraussetzung ist vor dem Hintergrund der klar und eindeutig formulierten Empfehlung von Prof. Dr. G vom Franziskus-Hospital erfüllt. Er verweist auf die Notwendigkeit einer laparoskopischen Magen-Bypass-Operation und begründet den Kostenübernahmeantrag ausführlich. Sowohl die durchzuführende Operationsmethode steht dabei fest wie auch der medizinische Hintergrund, wie er sich im Falle der Klägerin darstellt. Das Behandlungsziel wird eindeutig benannt.

Insoweit genügt der Antrag der Klägerin vom 10.07.2015 den Anforderungen zur Bestimmtheit im Sinne des § 13 Abs. 3 Buchst. A SGB V.

Angesichts des seit Jahren bestehenden Übergewichts, das die Klägerin versucht hat mit konservativen Maßnahmen zu behandeln, betrifft der Antrag auch eine Leistung, die die Klägerin für erforderlich halten durfte. Der Umstand, dass – wie die Beklagte es darstellt – es sich um eine Ultima-ratio-Maßnahme handelt, führt nicht dazu, dass sich der Antrag auf eine (offensichtlich) außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung liegende Behandlungsmethode bezieht. Maßgebend ist insoweit ein subjektiver Maßstab, den die Klägerin vorliegend erfüllt, denn sie ging von Beginn an davon aus, auf Kosten der Krankenkasse eine chirurgische Behandlung der bei ihr vorliegenden Adipositas zu erhalten.

Inzwischen steht nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich die Kammer anschließt, fest, dass die Genehmigungsfiktion nicht lediglich bei Kostenerstattungsansprüchen, sondern auch bei Sachleistungsansprüchen zum Tragen kommen kann (BSG, Urteil v. 08.03.2016 - B 1 KR 25/15 R juris, Rn. 25; Urteil vom 26. September 2017 – B 1 KR 8/17 R –, Rn. 21 juris).

Die Beklagte beschied den Antrag nicht innerhalb der ab 10.07.2015 beginnenden Fünf-Wochen-Frist. Die längere Frist galt vor dem Hintergrund, dass die Beklagte der Klägerin mitgeteilt hatte, den medizinischen Dienst einzuschalten.

Entgegen der Auffassung der Beklagten war allerdings kein Antrag der Klägerin vom 30.10.2015 für den Lauf der Frist maßgeblich, sondern vielmehr der ursprüngliche Antrag vom 10.07.2015.

Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass sie in ihrem Schreiben vom 23.07.2015 auf die noch fehlende psychiatrische Stellungnahme verwiesen hat. Ein ablehnender Verwaltungsakt ist hierin nicht zu sehen. Mit diesem Schreiben hat die Beklagte nämlich nicht zum Ausdruck gebracht, dass das Verwaltungsverfahren beendet werden sollte. Vielmehr wurde es auch unter Berücksichtigung der weiteren Vorgehensweise der Beklagten allein deshalb allenfalls unterbrochen, weil nach Auffassung des MDK die fachpsychiatrische Stellungnahme des Krankenhauses im Hinblick auf etwaige Kontraindikationen noch fehlte. Dies brachte die Beklagte in ihrem Schreiben vom 23.07.2015 sowohl gegenüber der Klägerin zum Ausdruck als auch durch den Umstand, dass sie eigenständig im Wege der ihr obliegenden Amtsermittlungspflicht bei den Ärzten des Franziskus-Hospitals nachfragte, ob eine entsprechende Einschätzung an den MDK weitergeleitet werden könne. Auch die von der Beklagten gewählte Formulierung spricht gegen einen das Verwaltungs-verfahren abschließenden Bescheid, sondern eher für eine Zwischennachricht, um über den Stand des Verfahrens Auskunft zu geben. Denn allein vor diesem Hintergrund ist nachvollziehbar, dass die Beklagte eine derzeitige Kostenübernahme für die geplante stationäre Krankenhausbehandlung abgelehnt hat. Wenn sie gleichzeitig darauf hinweist, dass der Antrag erneut geprüft wird, wenn die erforderlichen Unterlagen vorliegen, so bringt sie hiermit zum Ausdruck, dass für einen ordnungsgemäßen Abschluss des Verfahrens eine umfassende Prüfung noch nicht möglich ist.

Damit steht für die Kammer fest, dass über den Ursprungsantrag vom 10.07.2015 erst am 23.11.2015 entschieden wurde. Hierfür spricht auch, dass diese Entscheidung eine Rechtsmittelbelehrung enthält und die Beklagte auf den von der Klägerin gestellten Antrag Bezug nimmt.

Dabei liegt es neben der Sache, dass die Klägerin – wie von der Beklagten dargestellt – am 30.10.2015 einen erneuten Antrag auf Kostenübernahme für eine Magen-Bypass-Operation gestellt haben soll. Ein solches Begehren ist den Unterlagen nicht zu entnehmen und kann insbesondere nicht aus dem Umstand hergeleitet werden, dass die Klägerin sich um Vorlage der nach Auffassung des MDK noch fehlenden psychologischen Unterlagen und Befunde gekümmert und diese an die Beklagte weitergeleitet hat. Unter Berücksichtigung eines objektiven Empfängerhorizontes durfte die Klägerin davon ausgehen, dass das Verwaltungsverfahren gerade nicht beendet war, denn aus ihrer Sicht wäre in diesem Fall die Anfrage beim Franziskus-Hospital nicht erforderlich gewesen. Umgekehrt zeigte das Verhalten der Klägerin gegenüber der Beklagten, dass sie von einer Fortsetzung des Verfahrens ausgeht. Sie hat wiederholt bei der Beklagten nachgefragt, wer die Kosten für die noch durchzuführende psychiatrische Untersuchung tragen wird und gegenüber der Beklagten signalisiert, dass sie sich um Vorlage der Unterlagen kümmern werde. Sofern die Beklagte hierfür keine Veranlassung gesehen hätte, weil sie ohnehin bereits eine definitive Ablehnung erteilt hätte, hätte eine entsprechende Klarstellung gegenüber der Klägerin nahegelegen. Auf diese Weise hätte ihr verdeutlicht werden können, dass sie erneut einen Antrag auf die entsprechende Sachleistung stellen kann, wenn die nötigen Untersuchungen durchgeführt sind.

Die Kammer gibt im Übrigen zu bedenken, dass die Amtsermittlungspflicht der Beklagten als gesetzlicher Krankenkasse auch nach Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes uneingeschränkt fortgilt. Die Krankenkasse kann sich dieser Pflicht nicht dadurch entziehen, dass sie innerhalb der Entscheidungsfrist auf das Fehlen von Unterlagen verweist, Auf diese Weise würde der Schutzzweck des § 13 Abs. 3a SGB V ins Leere laufen.

Ebenso wenig kann das Schreiben vom 23.07.2015 als Mitteilung eines hinreichenden Grundes im Sinne des § 13 Abs. 3a S. 5 SGB V gewertet werden. Auch wenn zu diesem Zeitpunkt feststand, dass ohne die Informationen über etwaige psychiatrische Kontraindikationen eine Sachentscheidung nach Auffassung der Beklagten nicht ergehen konnte, entspricht die Mitteilung hierüber – unabhängig davon, dass die Beklagte hierin eine endgültige Entscheidung sieht – nicht den Anforderungen der oben genannten Vorschrift. Aus der Rechtsprechung des BSG ergibt sich nämlich, dass die Krankenkasse exakt mitteilen muss, für welchen Zeitraum sie vom Vorliegen eines die Entscheidung des Antrags hin-dernden Grundes ausgeht. Dieser Zeitraum ist taggenau zu prognostizieren. Sofern eine entsprechende Mitteilung erfolgt, bewirkt das Vorliegen eines solchen Grundes, dass die Leistung trotz Ablaufs der Frist noch nicht als genehmigt gilt (BSG, Urteil vom 08. März 2016 – B 1 KR 25/15 R –, BSGE 121, 40-49, SozR 4-2500 § 13 Nr 33, Rn. 20). Eine solche Mitteilung hat die Beklagte gerade nicht versandt. Sie kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Einzelheiten zur Auslegung und Umsetzung des § 13 Abs. 3 a SGB V im Zeitpunkt der Entscheidung im Jahr 2015 noch nicht bekannt waren. Auch ohne obergerichtliche oder höchstrichterliche Rechtsprechung ist die Beklagte an Recht und Gesetz gebunden. Eine Unsicherheit bei der Auslegung und Anwendung neuer Bestimmungen ist unserem Rechtssystem immanent und kann nicht zu einer irgendwie gearteten Rücksichtnahme führen.

Die endgültige Entscheidung der Beklagten vom 23.11.2015 war daher verspätet. Die Klägerin hat somit aufgrund des Eintritts der Genehmigungsfiktion Anspruch auf eine Magen-Bypass-Operation als Sachleistung.

Die fingierte Genehmigung hat auch weiterhin Bestand. Sie wurde nicht zurückgenommen, widerrufen oder aufgehoben und hat sich auch nicht durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt (BSG, Urteil vom 11.07.2017, B 1 KR 26/16 R, juris, Rn. 35).

Über die Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB V hatte die Kammer nicht zu entscheiden, wobei unter Berücksichtigung der in den Akten befindlichen medizinischen Unterlagen nach Auffassung der Kammer einiges für die Notwendigkeit der Magen-Bypass-Operation im Falle der Klägerin spricht.

Die Beklagte war dementsprechend zu verurteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved