S 8 KR 1011/18

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 8 KR 1011/18
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 KR 723/19
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der vom Kläger aufgewandten Kosten für eine Kniegelenksersatzoperation (6.482 EUR).

Bei dem 1953 geborenen Kläger bestand am linken Knie eine Chondrokalzinose, Außenmeniskusrandzerreißung, chronische Synovitis, multiple freie Gelenkskörper, degenerative IM-Hinterhornzerreißung und eine Gonarthrose Grad IV.

Er begab sich in die Behandlung der Orthopädischen Praxis und Gelenk-Klinik in H bzw. stellte sich dort am 30.03.2017 in der orthopädischen Sprechstunde vor. Empfohlen wurde ihm eine Arthroskopie, im Wesentlichen zur Entfernung der freien Gelenkskörper sowie zu einer Meniskusteilresektion sowie gegebenenfalls der Einsatz einer medialen Teilprothese in einer zweiten Sitzung. Die entsprechenden Vereinbarungen zur Kostenübernahme durch den Patienten vom 13.04.2017 (Arthroskopie: 2.245 EUR; Knieteilprothese nach Repicci: 6.482 EUR) unterzeichnete der Kläger am 03.08.2017. Die Operationen wurden in der Gelenk-Klinik H am 07.08.2017 (Arthroskopie, Aufenthalt 07.-08.08.2017) und am 18.09.2017 (Teilgelenksersatz, Aufenthalt 18.-22.09.2017) durchgeführt.

Mit Schreiben vom 04.08.2017, eingegangen bei der Beklagten am 08.08.2017, beantragte der Kläger unter Vorlage der beiden Kostenübernahmeerklärungen und eines Arztbriefes der Gelenk-Klinik H die Übernahme der Kosten für die geplanten Behandlungen. Die Behandlung würde laut ärztlicher Information wahrscheinlich in drei Phasen ablaufen: Arthroskopie am 07.08.2017, TEP-OP am 18.09.2017, und danach 3-wöchiger Aufenthalt in einer Reha-Klinik in C L. Er werde zumindest die Operation erst einmal selbst bezahlen. Er beantrage eine Bezuschussung zu den Kosten. Die Beklagte wies den Kläger am 11.08.2017 telefonisch darauf hin, dass es sich bei der Gelenk-Klinik in H um kein zugelassenes Vertragskrankenhaus handele, dass nach der Internetseite der Klinik auch Behandlungsmöglichkeiten in öffentlichen Häusern bestünden, wo die gleichen Ärzte operierten, und dass es bundesweit eine größere Anzahl von Spezialkliniken gebe. Mit E-Mail vom 21.08.2017 führte die Beklagte aus, dass, wie im Telefongespräch besprochen, eine Kostenübernahme mangels Vertragsverhältnisses nicht möglich sei. Gegebenenfalls müsste mit Vorlage aller relevanten Unterlagen eine eingehende Prüfung durchgeführt werden. Der Kläger teilte mit, dass er sich bewusst für die renommierte Gelenksklinik in H entschieden habe. Mit Bescheid vom 28.08.2017 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Bezuschussung von Operationskosten im privaten stationären Bereich der Orthopädischen Praxis und Gelenk-Klinik in H ab. Die Klinik verfüge nicht über die erforderliche Zulassung oder einen Vertrag mit der Beklagten. Es lägen auch keine besonderen medizinischen oder sozialen Gründe dafür vor, die Knieoperationen in einer Privatklinik durchführen zu lassen. Zudem sei eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V für den bereits stattgefundenen stationären Aufenthalt am 07.08.2017 nicht möglich, da die Maßnahme vor der Entscheidung der Krankenkasse durchgeführt worden sei (Nichteinhaltung des sog. Beschaffungsweges).

Den gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch des Klägers wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 06.06.2018 zurück.

Der Kläger hat gegen die ablehnenden Bescheide Klage erhoben, mit der er die Erstattung der für die zweite Operation und stationäre Behandlung aufgewandten Kosten i.H.v. 6.482 EUR weiterhin geltend macht. Der Erstattungsanspruch stehe ihm bereits gemäß § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V zu. Die Beklagte habe seinen Antrag nicht innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Frist von 3 Wochen beschieden. Die verschiedenen E-Mails nach seiner Antragstellung wurden keine Verwaltungsakte im Sinne eines wirksamen Bescheides darstellen. Der Bescheid vom 28.08.2017 sei ihm dann im Original seines Wissens nach frühestens zwei Tage später zugegangen. Mit E-Mail vom 28.08.2017 sei er lediglich darüber informiert worden, dass "zum jetzigen Zeitpunkt" ein Bescheid erstellt worden sei, welcher ihm auch noch im Original zugestellt werden würde. Unter Berücksichtigung der medizinischen Notwendigkeit der durchgeführten Behandlung habe er die Leistung auch für erforderlich halten dürfen und läge sie nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV. Im Übrigen ergebe sich sein Anspruch auch aus §§ 13, 27 SGB V. Für den zweiten stationären Aufenthalt vom 18.09. bis zum 22.09.2017 habe der Kläger hingegen erst nach Antragstellung und zwar am 18.09.2017 die Kostenübernahmevereinbarung unterzeichnet. Die stationäre Behandlung im September 2017 sei aus medizinischen Gründen notwendig und erforderlich gewesen. Aufgrund der Schwere der Kniegelenksbeschwerden sei ein Aufschub auch nicht mehr möglich gewesen.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28.08.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2018 dazu zu verurteilen, an den Klägers 6.482,00 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Bescheide aus den dort ausgeführten Gründen für rechtmäßig. Die Genehmigungsfiktion gemäß § 13 Abs. 3a SGB V sei nicht eingetreten, da dem Kläger der ablehnende Bescheid fristgerecht am 28.08.2017 per E-Mail bekannt gegeben worden sei. Bereits in einem Telefonat vom 11.08.2018 sei der Kläger von der Beklagten darüber informiert worden, dass die stationären Behandlungskosten in einer Privatklinik nicht übernommen werden könnten. Per E-Mail sei er sowohl am 21.08.2017 als auch am 28.08.2017 nochmals darüber informiert worden, dass die Kostenübernahme in der privaten Orthopädischen Gelenk-Klinik H nicht möglich sei. Ein Verwaltungsakt könne nach dem Willen des Gesetzgebers unter anderem mündlich, als auch elektronisch übermittelt werden, bedürfe aber der schriftlichen Bestätigung. Dies sei durch die Beklagte unter anderem in Form der E-Mail vom 28.08.2017, der die Entscheidung der Beklagten beigefügt war, erfolgt. Es bestehe auch kein Kostenerstattungsanspruch aufgrund der ersten Fallalternative des § 13 Abs. 3 S. 1 SGB V. Der Kläger könne sich nicht auf eine dringende Operationsindikation berufen. Dies ergebe sich bereits daraus, dass nach der Erstbehandlung am 30.03.2017 die resultierende stationäre Behandlung erst im September 2018, nach einem Zeitraum von über fünf Monaten, stattgefunden habe. Damit könne von einer Unaufschiebbarkeit der stationären Behandlung keine Rede sein.

Zur weiteren Sachdarstellung wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze und Unterlagen der Beteiligten einschließlich der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung in Abwesenheit der Beteiligten entscheiden, da diese sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt (Schriftsätze der Beklagte vom 28.01.2019 und des Klägers vom 19.07.2019), § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Die Klage ist unbegründet.

Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Erstattung der für die stationäre Behandlung im September 2017 in der Gelenk-Klinik H durchgeführte Behandlung, Operation und stationäre Maßnahme, zu, § 13 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V).

Es besteht kein Anspruch auf Kostenerstattung aufgrund einer eingetretenen Genehmigungsfiktion, § 13 Abs. 3a S. 7 SGB V. Die Beklagte hat den Antrag des Klägers fristgerecht beschieden. Die am 08.08.2017 (Eingang des Antrags des Klägers bei der Beklagten) beginnende Dreiwochenfrist endete am 28.08.2017. An diesem Tag hat die Beklagte dem Kläger den ablehnenden Bescheid vom 28.08.2017 wirksam bekannt gegeben. Es trifft zu, dass Verwaltungsakte nicht nur schriftlich, sondern auch mündlich bzw. in anderer Form bekannt gegeben werden können. Insofern kann dahingestellt bleiben, ob die im Rahmen der vorangegangenen Kontakte zwischen der Beklagten und dem Kläger wiederholten deutlichen Hinweise auf die fehlende Möglichkeit der Übernahme von Kosten einer Privatklinik bereits eine ablehnende Entscheidung über den Antrag darstellen.

Ein Kostenerstattungsanspruch besteht für den Kläger auch außerhalb der Genehmigungsfiktion aufgrund materieller Anspruchsvoraussetzungen nicht. Insofern ist der Standpunkt der Beklagten zutreffend, dass vorliegend der erforderliche Beschaffungsweg nicht eingehalten worden ist, § 13 Abs. 3 Alt. 2 SGB V. Danach kommt eine Kostenerstattung nur in Betracht, wenn die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und dem Versicherten "dadurch" für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Dies bedeutet, dass vor der Entstehung von Kosten die (ablehnende) Entscheidung der Beklagten ergangen sein muss, was vorliegend nicht der Fall ist: Aus den aktenkundigen Unterlagen ergibt sich, dass der Kläger bereits am 03.08.2017 eine Kostenübernahmeerklärung für eine gegebenenfalls notwendige Operation (zweite Operation) am 03.08.2017 und damit vor der Bescheiderteilung am 28.08.2017, und nicht erst am 18.09.2017, erklärt hat. Auch im Übrigen geht aus den Stellungnahmen des Klägers und seinem Verhalten deutlich hervor, dass er unabhängig von der Entscheidung der Beklagten die Behandlung jedenfalls in der Gelenk-Klinik H durchführen lassen wollte (vgl. insbesondere Telefongespräch vom 11.08.2017).

Von einer Unaufschiebbarkeit der Behandlungsmaßnahme kann mit den Ausführungen der Beklagten ebenfalls nicht ausgegangen werden, § 13 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 SGB V. Insoweit weist die Beklagte zutreffend auf den Zeitablauf zwischen der ersten Untersuchung und dem Beginn der Behandlung hin. Der Hinweis ist auch zutreffend, wenn man auf die bereits Anfang August 2017 durchgeführte Arthroskopie abstellt. Darüber hinaus handelt es sich vorliegend auch um eine degenerative Gesundheitsstörung, die nicht akut, sondern in einem langsamen Verlauf entstanden ist und in der Regel auch keiner umgehend unaufschiebbaren kurzfristigen operativen Maßnahme bedarf.

Insgesamt ist aus dem Verhalten des Klägers auch ersichtlich, dass er sich durchaus bewusst war, keinen gesetzlich begründeten Rechtsanspruch gegenüber seiner Krankenkasse zu haben. So hat er von Beginn an einen "Zuschuss erwartet" und geltend gemacht, während im Gesundheitssystem, insbesondere im Rahmen des grundsätzlichen Sachleistungsanspruchs, Behandlungen von der Krankenkasse ganz oder gar nicht zur Verfügung gestellt werden.

Die Kostentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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