S 6 AS 251/19

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 6 AS 251/19
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 444/19 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt

Gründe:

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt voraus, dass die Antragsteller nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen können, das Begehren hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (SS 73 a Sozialgerichtsgesetz - SGG -, 114 Zivilprozessordnung – ZPO -).

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil die Klage mutwillig im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen (§§ 73 a SGG, 114 Satz 1 a.E. ZPO) ist.

Die Kammer geht mit der 7. Kammer des Sozialgerichts Kassel (vgl. ebenso mit ausführlicher Begründung Beschluss vom 6.3.2019 - S 7 AS 643/18) davon aus, dass eine verständige Partei, deren persönliche Verhältnisse die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht rechtfertigen würde und die anfallende Kosten selbst zu tragen hätte, in vergleichbarer Situation keine mit dem Kostenrisiko der eigenen Rechtsanwaltskosten behaftete Klage erhoben hätte, obwohl ein Ruhen des Widerspruchsverfahrens angeboten war. Vielmehr hätte ein das Kostenrisiko würdigender Beteiligter zur vollen Überzeugung des Gerichtes das zuvor mit Schriftsatz des Antragsgegners vom 21.3.2019 angebotene Ruhen des Widerspruchsverfahrens angesichts des bei derselben Kammer des Sozialgerichts Kassel über den unmittelbar vorangegangen Zeitraum zur gleichen Rechtsfrage anhängigen Klageverfahren mit dem Az. S 6 AS 322/18 angenommen.

Streitgegenständlich in vorliegendem Klageverfahren ist - wie auch in dem anhängigen Parallelverfahren der 6. Kammer - sowie derzeit bei dem BSG als Nichtzulassungsbeschwerde anhängigen Verfahren - das "schlüssige Konzept" des Antragsgegners. Der Antragsgegner hatte mit Schreiben vom 21.3.2019 - ausdrücklich zur Verringerung des Kostenrisikos - angeboten, das Widerspruchsverfahren bis zum Abschluss des Parallelverfahrens ruhend zu stellen und dessen Ergebnis dann auch für die Unterkunftskostenfestsetzung für den hier streitgegenständlichen Zeitraum ab Februar 201918 der Klagepartei zu übertragen. Hiermit hat sich der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller nicht einverstanden erklärt.

Hinreichende Gründe hierfür sind nicht zu erkennen, da die Rechtsposition der Antragsteller durch ein für sie kostengünstigeres Ruhen des Widerspruchsverfahrens nicht beeinträchtigt worden wäre. Denn auch ohne Zusicherung des Antragsgegners wären die Ausgänge der bereits in derselben Rechtsfrage anhängigen anderen Rechtsstreite auf das Verfahren der Antragsteller übertragbar, geht es doch in ihnen vornehmlich oder ausschließlich um die Frage, ob das neuere Konzept des Antragsgegners zur Angemessenheit der Unterkunftskosten schlüssig oder nicht schlüssig ist (für die Vergangenheit unter Annahme der Unschlüssigkeit: Urteil des Hess. LSG vom 21.11.2018, L 6 AS 185/18). Von besonderem Gewicht hat zur Überzeugung der Kammer, dass es sich nicht lediglich um ein anderes Verfahren desselben Prozessbevollmächtigten handelt, sondern sogar um ein unmittelbares Folgeverfahren derselben Partei.

Die Kammer hat bei dieser Entscheidung ausdrücklich in ihre Erwägungen einbezogen, dass der Antragstellerin effektiver Rechtsschutz zu gewähren ist. Negative Effekte für einen wirkungsvollen Rechtsschutz sind angesichts der dargestellten Umstände jedoch nicht zu erkennen. Es ist vielmehr üblich, gerichtliche Einzelfallentscheidungen auf eine Vielzahl anderer, rechtlich gleichgelagerter Fälle zu übertragen, was hier zusätzlich vom Antragsgegner noch schriftlich zugesichert ist. Hierdurch erleiden ruhende Verfahren weder sachlich noch zeitlich einen Nachteil.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes reicht es aus verfassungsrechtlicher Sicht aus, wenn dem Betroffenen nach Ergehen von "Musterentscheidungen" noch alle prozessualen Möglichkeiten offenstehen, umfassenden gerichtlichen Schutz zu erlangen (vgl. BVerfGE 54, 39 (41 f.)). Solange ein Betreiben des eigenen Verfahrens in zumutbarer Weise zurückgestellt beziehungsweise auch formell ruhend gestellt werden kann, ist es hiernach nicht zu beanstanden, wenn die Fachgerichte davon ausgehen, dass eine anwaltliche Vertretung nicht erforderlich ist (BVerfG, Beschluss von 18.11.2009, 1 BvR 2455/08, juris, Rn. 11; ähnlich gelagert vgl. auch Beschlüsse des Sächsischen Landessozialgerichtes vom 22.2.2016, L 7 AS 1267/15 B PKH, und des Landesssozialgerichtes Niedersachsen-Bremen vom 20.3.2013, L 15 AS 477/12 B, beide nach juris). Dabei kommt es zur Überzeugung der erkennenden Kammer nicht darauf an, ob ein oder mehrere sog, "Musterverfahren" im Sinne der Definition geführt werden, solange eine vergleichbare prozessuale Situation - anhängiges Berufungs- oder Revisionsverfahren zu der identischen rechtlichen Frage - vorliegt, wie hier. Aus Beteiligtensicht kommt vorliegend erschwerend hinzu, dass eine abweichende Entscheidung der in beiden Fällen erkennenden Kammer in den Parallelverfahren im Hinblick auf die identische zu klärende Rechtsfrage von vornherein ausgeschlossen ist, das Führen mehrerer identischer Klageverfahren also unter Kostengesichtspunkten nicht sinnvoll ist.
Rechtskraft
Aus
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