S 14 SO 108/07 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Wiesbaden (HES)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
14
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 14 SO 108/07 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 SO 121/07 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Der Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz vom 11.08.2007 wird abgelehnt.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

Das Eilverfahren des Antragstellers hat keinen Erfolg. Sein Antrag vom 11.08.2007, den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, die monatlichen SGB XII-Unterhaltsleistungen ohne Einbehaltungen von zwei Raten zu je 20,00 Euro für ein Kautions- und ein Umzugsdarlehen zu gewähren, ist abzulehnen. Die Notwendigkeit einer vorläufigen gerichtlichen Regelung gemäß § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) des zwischen den Beteiligten streitigen Rechtsverhältnisses ist nicht gegeben.

Die vom Antragsteller begehrte einstweilige Anordnung ist nicht zu treffen. Das Gericht kann auf Antrag nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1); es kann eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Satz 2). Neben dem Anordnungsgrund, das ist: der Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, setzt die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz nach herrschender Meinung (vgl. Meyer-Ladewig, a. a. O., Randnr. 26c zu § 86b) den Anordnungsanspruch, das ist: der materiell-rechtliche Anspruch auf die Leistung, voraus, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System gegenseitiger Wechselbeziehung: Ist etwa die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an einen Anordnungsgrund (wie vor, Randnr. 29). Alle Voraussetzungen des einstweiligen Rechtsschutzes sind – unter Beachtung der Grundsätze der objektiven Beweislast – glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO -); die richterliche Überzeugungsgewissheit in Bezug auf die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes erfordert insoweit eine lediglich überwiegende Wahrscheinlichkeit (Meyer-Ladewig, a.a.O., Randnr. 16b). Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden, wenn die grundrechtlichen Belange des Antragstellers berührt sind, weil sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen müssen. Sind Grundrechte tangiert, ist die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12.05.2005 -1 BvR 569/05).

Der Anordnungsgrund der Eilbedürftigkeit der begehrten Gerichtsentscheidung ist vorliegend nicht glaubhaft gemacht, weil die seitens des Antragstellers geltend gemachte Unterdeckung seines Existenzminimums ab Antragstellung im Eilverfahren nicht mehr als 10 v. H. der monatlichen Regelleistungen zum Lebensunterhalt beträgt (vgl. Landessozialgericht Hamburg vom 10.01.2007, L 5 B 531/06 ER AS).

Weiter sind auch die Voraussetzungen für einen Anordnungsanspruch auf Auszahlung der vollen zustehenden SGB XII-Leistungen ab Antragstellung im Eilverfahren ohne Einbehaltung von 34,70 Euro monatlich nicht glaubhaft gemacht. Nach summarischer Prüfung im Eilverfahren stehen der Annahme des geltend gemachten Anspruchs verfahrensrechtliche Bedenken entgegen: Der für einen solchen Anspruch maßgebliche letzte Bewilligungsbescheid des Antragsgegners vom 15.06.2007 ist bindend geworden, nachdem gegen ihn innerhalb der Widerspruchsfrist kein Widerspruch eingelegt wurde. Durch den letztgenannten Bescheid waren dem Antragsteller SGB XII-Leistungen für den Zeitraum 01.07.2007 – 30.06.2008 in Höhe von 173,16 Euro monatlich gewährt worden, wovon je 20,00 Euro Kautionsdarlehensrückzahlung und Umzugskostendarlehensrückzahlung von dem Antragsgegner einbehalten worden waren. Durch den Änderungsbescheid vom 25.06.2007 wurde der Leistungsbetrag auf 173,92 Euro ab 7/2007 heraufgesetzt, wobei ein erhöhter Regelbedarf (347,00 Euro statt 345,00 Euro) sowie ein erhöhtes Renteneinkommen (449,13 Euro statt 446,74 Euro) zugrunde gelegt wurden. (Der Widerspruch des Antragstellers vom 121.07.2007 gegen den Bescheid vom 25.06.2007 wurde durch Widerspruchsbescheid vom 30.07.2007 zurückgewiesen wurde; über die dagegen am 11.08.2007 bei dem Sozialgericht Wiesbaden parallel zum Eilverfahren erhobene Klage (S 14 SO 109/07) wurde noch nicht entschieden.) Durch Rücknahmebescheid vom 20.09.2007 wurden die Darlehenseinbehaltungen auf 2 x 17,35 Euro monatlich statt bisher 2 x 20,00 Euro monatlich reduziert und die Bescheide vom 02.11.2006 sowie vom 15.12.2006 teilweise zurückgenommen, wogegen der Antragsteller am 24.09.2007 Widerspruch einlegte. Danach ist die den Antragsteller belastende Einbehaltung durch den Bescheid vom 15.06.2007 und weder durch den Änderungsbescheid vom 25.06.2007, noch durch Rücknahmebescheid vom 20.09.2007 geregelt worden; die letztgenannten Verwaltungsakte enthalten vielmehr Regelungen zu Gunsten des Antragstellers. "Die übrigen Bestimmungen des Erstbescheides bleiben weiterhin bestehen", bestimmt der Änderungsbescheid vom 25.06.2007 ausdrücklich.

Die Bestandskraft des Bewilligungsbescheides vom 15.06.2007 ist auch nicht durch eine Verwaltungsentscheidung gemäß § 44 SGB X durchbrochen. Der Überprüfungsbescheid vom 20.09.2007 erfasst den Bescheid vom 15.06.2007 ausweislich seines Wortlautes nicht. Der Überprüfungsantrag des Bevollmächtigten des Antragstellers vom 11.07.2007 "wegen dieser Punkte hinsichtlich der vorangegangenen bestandskräftigen Bescheide" ist mangels Konkretisierung der zu überprüfenden Bescheide zu unbestimmt und nennt insbesondere den Bescheid vom 15.06.2007 nicht. Danach kann es auf inhaltliche Aspekte der Einbehaltung von Darlehensrückzahlungen (vgl. Hessisches Landessozialgericht vom 05.09.2007 – L 6 AS 145/07 ER –) im vorliegenden Verfahrensstadium nicht ankommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved