L 15 VG 26/16

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 VG 14/15
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 VG 26/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Der Beweismaßstab des § 15 KOVVfG findet keine Anwendung, wenn Beweisnot dadurch entsteht, dass ohne nach vollziehbaren Grund erste viele Jahrzehnte nach Erreichen der Volljährigkeitsgrenze und Beendigung einer Heimunterbringung Antrag auf Opferentschädigung sowie Strafanzeige wegen sexuellen Mißbrauchs während der Zeit der Heimunterbringung gestellt werden.

 

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 11. März 2016 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine Beschädigtenversorgung nach dem Gesetz über Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz -OEG) in Form einer Beschädigtenrente auf der Grundlage eines Grades der Schädigung (GdS) von mindestens 50.

Der im Februar 1960 geborene Kläger begehrte mit Antrag vom 16. Juli 2014 Opferentschädigung für Taten während seiner Heim-Zwangsunterbringungen zwischen ca. 1968 und 1978. Laut seiner Erinnerung hätten die sexuellen und körperlichen Übergriffe im Winter 1968, im Sommer 1973, im Winter 1974 sowie im Herbst 1976 stattgefunden. Die Namen der ausführenden Sexualtäter seien G. (Geschäftsführer, damals Vormund des Klägers) und F. (Erzieher).

Er leide unter schweren gesundheitlichen Folgeerkrankungen aus der Vormundschaft durch den K. e.V. und der Heimerziehung (starke posttraumatische Belastungsstörungen, Aggressionen, Schlaf- und Traumpsychosen). Er legte ein Attest des Psychiaters Dr. O. vom 23. Juli 2014 vor, in dem als Diagnosen eine depressive Störung sowie der Verdacht auf eine komplexe Traumafolgestörung angegeben sind. Im Vordergrund stünde die chronische depressive Symptomatik mit reduziertem Antrieb, Freudlosigkeit, pessimistischer Einstellung bezüglich der Zukunft sowie eingeschränkter Vitalität und Belastbarkeit. Im weiteren Verlauf der Erkrankung seien traumatische Kindheitserlebnisse aufgedeckt worden. Der Kläger habe berichtet, während der Aufenthalte in Kinderheimen körperlich und sexuell missbraucht worden zu sein. Der Kläger gab in einem ihm übersandten Formblattantrag weiter an, die Taten hätten von 1967 bis Winter 1976 stattgefunden. Strafanzeige sei nicht erstattet worden. Sie, die Kinder, hätten die Taten dem Heimleiter erzählt. Man habe es nicht der Polizei gemeldet, weil man ihnen nicht geglaubt hätte. Auch sei das Heim geschlossen worden. Täter sei Herr F ... Ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren habe wegen der Gesamtsituation der Heimunterbringung stattgefunden. Durch die Taten sei es zu einer Gastritis (1969), einem Ulcus duodeni et ventrikulis (1971) und einer Notübernähung der Magenwand (Oktober 1978) und selektiv prox. Vakotomie mit Pyloroplastik (Winter 1979) gekommen. Heute lägen noch seelische Gesundheitsstörungen vor. Zu den einzelnen Übergriffen machte der Kläger folgende Angaben:

1. 1967 SOS-Kinderdorf D-Stadt "Sexspiele einer Mutter. Ich lag im Bett einer Mutter, die Spielereien endeten an ihren Genitalien."
2. 1968 M.-Kinderheim (katholische Nonnen), S-Straße "Prügel, nächtliche Reinigungsarbeiten, um 4 oder 5 Uhr morgens mussten wir vor einem großen Kranz beten. Hierbei kam es vor, dass sich Schwestern auf unsere Köpfe setzten und sich auf unseren Köpfen selbst befriedigten. Die Schwestern hatten unter ihren Roben nichts an."
3. 1969 S. (evangelisches Kinderheim), S-Straße "Ein Erzieher hat mir mit einem Stein eine Kopfverletzung zugeführt."
4. 1973 A.-Kinderheim für Schwererziehbare, H-Stadt "1973 + 1974 sexuell orientierte Berührungen durch Herrn F., er stand nachts in meinem Zimmer oder saß an meinem Bett und hat sich dabei selbst befriedigt und meine Genitalien angefasst (ca. 3-4 Vorfälle)."
5. 1975 Ausflug zu einem Sportfest bei G-Stadt (vermutlich) auf dem Grundstück eines Freundes von Herrn F. (Herr R. E.) "Wir (D., E. L. und ich) wurden überredet, nackt im Garten zu duschen. Evtl. kam es hier ebenfalls zu einem sexuellen Übergriff. Nachdem wir einen Kuchen bekommen haben, bin ich eingeschlafen, ich erinnere mich an nichts weiter. Diese Vorfälle haben wir der damaligen Psychologin im Heim, Frau B. (heute E., Dipl. Psych. in E-Stadt) gemeldet. Sie behauptet, dies an Herrn G. weitergegeben zu haben, was er bestreitet. Heute gibt sie an, sich nicht mehr zu erinnern."
6. 1976 "Im Winter fuhr ich mit dem Fahrrad zum Bahnhof. An einem zugefrorenen Bahngleis in der F-Straße. in H-Stadt, am Übergang zur N-Straße. bin ich gestürzt und habe mir erhebliche Schürfwunden zugefügt. Weil ich, obwohl in eigener Wohnung in E., Z-Straße, wohnend, zählte ich noch zu den Heimkindern und musste mich zur nächst gelegenen Außenstelle des Heims begeben, die ca. 200 m entfernt war (in der N-Straße., Reiheneckhaus, Hs. Nr.30? der Unfall war ca. bei Hs Nr. 18). Dort kam es zu einem weiteren Übergriff durch Hrn. F ... Ich war am Anfang allein mit Herrn F. im Haus, sonst lebten hier H. B., H., C. L., J. B. und C. F ... Hr. F. hat zuerst die Wunden mit Jod und Alkohol desinfiziert. Ich sollte gegen den Schock auch etwas Alkohol trinken, ich wurde dann betrunken gemacht. Dann hat er mir eine Zigarette gedreht. Ich habe danach ein bisschen geraucht. Mir wurde dann schwarz vor den Augen, ich habe dann einen Filmriss. Dann kamen E. und C. zurück und haben Hrn. F. in eindeutiger Pose über mir (Vergewaltigung von hinten) ertappt. C. hat ihn dann verprügelt. C. hat Hrn. F. nach meiner Erinnerung mehrfach verprügelt, meist, um D. vor Übergriffen zu schützen."

Der Kläger legte folgende eidesstattliche Versicherungen vor:

1. H. B., geboren 1956, Angestellter der Stadtverwaltung B-Stadt, eidesstattliche Erklärung vom 23. Dezember 2009, bereits verstorben: Herr B. erklärte, er sei lange Jahre im A.-Kinderheim in H-Stadt untergebracht gewesen. Er wünsche dem Kläger viel Erfolg dabei, gerichtlich gegen den ehemaligen Vormund G. und den Erzieher F. vorzugehen. Viele von den Heimkindern trauten sich das bis heute nicht. Da sehe man, wie stark sie eingeschüchtert worden seien. Der Kläger sei ca. eineinhalb Jahre in der Heimgruppe in der P.-Straße gewesen, seine Erzieher seien F. sowie ca. weitere 5 Erzieherinnen und Erzieher gewesen. Im Frühjahr 1974 seien 2 Außengruppen als Modellversuch gegründet worden. Herr F. sei Haupterzieher in der N-Straße 28 gewesen. Er habe eines Tages gefragt, weshalb der Kläger und der noch jüngere W. S. ganz weit entfernt am anderen Ende der Stadt H. untergebracht worden seien. Beide Schüler hätten dadurch einen sehr weiten und gefährlichen Schulweg (ca. 4 km) gehabt. Er habe Herrn F. nach den Gründen gefragt. Dieser habe geantwortet, die Unterbringung des Klägers und des W. S. sei von ihm aus Gründen des Selbstschutzes nicht erwünscht. Eines Tages hätten ihm seine Mitbewohner gesagt, es sei im Winter des Jahres 1974 gewesen, dass der Kläger fast unmittelbar vor der Außengruppe mit dem Fahrrad gestürzt gewesen sei. Herr F. habe ihn dann medizinisch versorgt und habe dem Kläger auch Schnaps zum Trinken gegeben. Als er dann betrunken gewesen sei, soll Herr F. sich an ihm sexuell vergriffen haben. Hinzukommende Heimkinder hätten dann Herrn F. verhauen. Überwiegend habe dabei C. L. zugehauen. Es sei unter den Heimkindern bekannt gewesen und mehrmals vergeblich bei der Heimleitung angezeigt worden, dass der Erzieher F. schwul sei und auf Heimkinder losgehe. Aber niemand habe eingegriffen. Sie hätten sich auch nichts zu sagen getraut, weil gesagt worden sei, dass nun die Volljährigkeit schon mit 18 Jahren eingeführt werde. Jeder fliege aus dem Kinderheim, der über solche Sachen spreche, sobald er den 18. Geburtstag habe. Da viele noch keinen abgeschlossenen Beruf gehabt hätten, hätten sie sich einen Rauswurf aus dem Heim finanziell nicht leisten können. Sein Heimfreund F. P., der mit dem Kläger in der Außengruppe gewesen sei, habe Herrn F. an die Wand gestellt und ihm gedroht, dass er ihn in der Amper versenken würde, wenn er sich noch ein einziges Mal an einem Jungen vergreifen würde. Auch der Mitbewohner E. H. habe Herrn F. Prügel angedroht.

2. H., geboren 1958, Frührentner, Erklärung vom 4. April 2014 Herr H. erklärt, er sei viele Jahre im A.-Kinderheim H-Stadt untergebracht gewesen. Seine Außengruppe sei in einem Reihenhaus in der N-Straße gewesen. Erzieher sei F. gewesen. Unter den Heimkindern sei er oft der "schwule F." genannt worden. Herr F. sei mit ihnen paarweise oder einzeln zu seinen privaten Veranstaltungen als Langläufer gefahren. Einmal erinnere er sich an einen Ausflug ins Allgäu. Er, der Zeuge H., habe Kopfweh gehabt. Herr F. habe ihm Tabletten gegeben. Daraufhin sei er eingeschlafen. Dann sei er aufgewacht, Herr F. sei neben ihm gelegen und habe ihn unsittlich an seinem Geschlechtsteil berührt. Er, Herr H., habe sich gewehrt, Herrn F. weggeschubst. Es sei nicht ausgeschlossen, dass Herr F. ihn vergewaltigt habe, mindestens aber habe er es versucht. Das sei ca. 1973 bei einem seiner Freunde bei K-Stadt im Allgäu gewesen. Herr F. habe ihm auch bei anderer Gelegenheit, beim Baden in einem See, versucht, an die Genitalien zur greifen. Dies sei mehrmals auch dem Heimkind W. F. geschehen. F. P. (Heimkind) habe Herrn F. wegen dessen sexueller Übergriffe gedroht, C. L. (Heimkind) habe Herrn F. sogar deshalb einmal verhaut. Dies sei sogar wegen dem Kläger gewesen. Da solle was entweder 1974 oder 1975 vorgefallen sein. Der Kläger sei in die Realschule gegangen, welche sich gegenüber seiner Außengruppe befunden habe. In Besprechungen sei es auch darum gegangen, wer in ihre Gruppe dürfe. Sie hätten öfter den Kläger vorgeschlagen, weil der doch gleich gegenüber in diese Schule gegangen sei. Aber Herr F. sei immer dagegen gewesen. Wahrscheinlich habe er schon damals gewusst, dass er sich sexuell nicht zurückhalten könne, wenn dieser hübsche Junge bei ihm in der Gruppe sei. Herr F. habe ihn, Hr. H., jedenfalls mehrfach unfreiwillig und ohne sein Einverständnis unsittlich sexuell berührt und versucht, ihn herum zu bekommen. Die stärkeren Heimkinder hätten die schwächeren, die älteren die jüngeren Kinder beschützt. Er sei einer der Beschützer des Klägers gewesen.

3. Eidesstattliche Versicherung des Klägers zur Vorlage beim Landgericht München I im Verfahren K. e.V. gegen den Kläger, Az. , vom 18. März 2014: Der Kläger erklärte, der ehemalige Verein K. e.V. (im Folgenden Verein) habe von ca. 1967-1978 die so genannte Amts-Vormundschaft über ihn und seine 3 Geschwister gehabt. Sein späterer persönlicher Vormund, Herr G., sei wegen Falschaussage gerichtlich belangt worden, gelte seitdem als vorbestraft. Dennoch sei er nach seinem Dienstende Ehrenvorstand beim Verein geworden. Herr G. habe bis 1978 die amtliche Vormundschaft behalten. Er habe ihn, den Kläger, mehrmals unsittlich an den Innenseiten seiner Oberschenkel und an den Genitalien unsittlich berührt, seine damals langen schwarzen Haare intensiv und belästigend gestreichelt, ihn mit hohem Druck umarmt, mit Worten wie "mein guter liebster M." verunglimpft und teils beleidigt und oft durch aggressives Verhalten gegen seine heute 81-jährige Mutter verunsichert und dadurch verängstigt sowie traumatisiert. 1973 sei er von seinem Vormund in das damalige A.-Kinderheim, H-Stadt, verbracht worden. Sein dortiger leitender Erzieher sei Herr F. gewesen. Herr F. habe ihn, also den Kläger, mehrmals unsittlich gegen seinen Willen, auch nachts, wenn er geschlafen habe, berührt, sich vor ihm entblößt und auf ihn bzw. seine Bettdecke onaniert. Er habe auch mehrfach versucht, ihn sowie andere Kinder des Heims zu vergewaltigen. E. L. und D. sowie er, der Kläger, seien bei Leichtathletikveranstaltungen mitgenommen und dann seinem Vereinskollegen "E." nackt in dessen Garten präsentiert worden, angeblich um dort "zu duschen". Auch habe er ihn nach einem Fahrradunfall auf einer Heimfahrt im Zeitraum Ende 1974 bis in die ersten Monate 1975 betrunken gemacht. Dann habe er ihn, den Kläger, entkleidet und in der N-Straße im Erzieherzimmer oder im Wohnzimmer sexuell missbraucht. Da er vom Alkohol bewusstlos gewesen sei, könne er die begangenen Handlungen nicht explizit beschreiben. Später habe er aber im Analbereich oft Schmerzen gehabt und seine Zwölffingerdarm-Geschwüre hätten begonnen. Dies habe 1978 in einer fast tödlichen Perforation des Magens und einer weiteren Operation (selektiv proximaleVagotomie mit Pyloroplastic) gemündet. Er und andere Kinder/Jugendliche hätten den Heimleiter (wohl Herr S.) sowie die am Heim tätige Diplom-Psychologin E. informiert. Man habe ihnen aber keinen Glauben geschenkt und gesagt, sie würden das nur erfinden, weil sie den Erzieher F. nicht leiden könnten. In der Außengruppe N-Straße seien dort wohnende Heimkinder hinzugekommen und hätten Herrn F. nackt und in eindeutiger Lage über ihm, dem Kläger, angetroffen. Sie hätten ihn sogar geschlagen. Die Kinder seien dann zu Einzelgesprächen bei der Heimpsychologin E. eingeladen worden. Dort seien sie dann unter Druck gesetzt worden. Wenn sie das behaupten würden, würden die begehrten Außengruppen nicht mehr betrieben und für die Kinder sei dann kein Platz mehr. Jedem von ihnen sei gesagt worden, wenn nur ein Einziger rede, komme diese Konsequenz. Deshalb habe er geschwiegen. Er leide mit stärker werdender Tendenz unter diesen traumatischen Erlebnissen und sei deshalb seit über einem Jahr in psychologischer und psychiatrischer Behandlung bei Dr. O ...

Aktenkundig wurde auch eine eidesstattliche Versicherung des G. vom 26. März 2014:

Herr G. gab an, er sei 1993 wegen uneidlicher Falschaussage zu einer Strafe von 5 Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Die Strafe sei getilgt. Er sei zu keiner Zeit Ehrenvorstand des Vereins gewesen. Er habe sich zu keiner Zeit Kindern und Jugendlichen oder Schutzbefohlenen in unsittlicher oder sexueller Weise genähert, weder im beruflichen noch im privaten Kontext. Die ihn betreffenden Schilderungen des Klägers in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 18. März 2014 entbehrten jeglicher Realität und seien frei erfunden. Soweit er sich erinnere, sei ihm über Verfehlungen von Herrn F. gegenüber Schutzbefohlenen seinerzeit nichts bekannt geworden. Auch die Diplom-Psychologin E. habe ihm nichts Derartiges berichtet. Insoweit könne er zu den Aussagen zu diesem Themenkomplex nichts sagen.

Die seit Dezember 1992 mit dem Kläger zusammenlebende und seit Dezember 2003 mit ihm verheiratete Ehefrau H.-A., Grundschullehrerin (in der ehemaligen DDR) und nunmehr staatlich anerkannte Erzieherin, gab unter dem 1. April 2014 ebenfalls eine eidesstattliche Versicherung ab. Hierin schildert sie Vorfälle in Bezug auf ihre Tochter M., die unter Diabetes I leidet und in einer vom K. e.V. betriebenen Wohnung wohnt. Sie erhebt Vorwürfe gegen den Verein in Bezug auf unterlassene Hilfeleistung und zu hohe Kosten für das Appartement. Abschließend erklärt sie, sie verstehe, weshalb ihr Ehemann 24 Jahre haarsträubende Tatsachen über seine Kindheit und die vielen negativen Erfahrungen mit dem K. e.V. berichtet habe. Aus der eidesstattlichen Versicherung der im Juni 2014 verstorbenen Mutter des Klägers, A. S., ohne Datum, geht insbesondere hervor, dass Herr G. ca. 1972 zum Vormund für den damals zwölfjährigen Kläger bestellt worden sei. Als Familie hätten sie sich von Herrn G. nicht beschützt, sondern mehr bedroht gefühlt. Der Kläger habe dann oft Magenschmerzen gehabt. Herr G. habe ihn verunglimpft. Der Kläger sei im Waisenhaus in G., im katholischen C.-Kinderheim in der S-Straße in B-Stadt, im S. in B-Stadt, im SOS-Kinderdorf in D-Stadt im M.-Heim in B-Stadt und im A.-Heim in H-Stadt gewesen. Der Kläger sei in einer Realschule ganz in der Nähe des damaligen Büros des Vereins K. gewesen. Herr G. habe auf dem Pausenhof mit M. mehrmals Kontakt aufgenommen und ihn in die Räumlichkeiten des Vereins eingestellt. Der Kläger sei immer zerrissener geworden, habe häufig Magenschmerzen gehabt. 1972 sei dann ein Magen- oder Zwölffingerdarmgeschwür diagnostiziert worden. Mit 18 Jahren habe er dann einen Magendurchbruch erlitten, mit 19 Jahren habe er sich einer weiteren Magenoperation unterzogen.

Am 28. Januar 2014 stellte der Kläger gegen die Bundesrepublik Deutschland, die Jugendämter B-Stadt und H-Stadt, den Verein K. e.V. Strafanzeige. Es sei zu zahlreichen, von den Heimkindern dem Vorstand und Jugendämtern angezeigten sexuellen Gewaltübergriffen zwischen 1969 und 1975 gekommen, welche durch die Aufsichtsbehörden nicht verfolgt worden seien. Das Strafverfahren wurde gemäß § 152 Abs. 2 StPO mangels zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte für verfolgbare Straftaten eingestellt.

Eine Anzeige des K. e.V. sowie der Herren G. und F. durch den Kläger bei der Staatsanwaltschaft B-Stadt II wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen vom März 2014 wurde ausweislich der vom Beklagten beigezogenen Akten wegen Verjährung eingestellt.

Der K. e.V., die Heimaufsicht der Regierung von Oberbayern, das Landratsamt H-Stadt, der evangelische Waisenhausverein e.V. und der SOS-Kinderdorf e.V. teilten mit, dass keine Aufzeichnungen über die Heimaufenthalte des Klägers vorliegen würden.

Der Kläger legte diverse Diplome und Zeugnisse und sein Impfbuch vor. Aus einer von der BKK A.T.U. eingeholten Auskunft geht hervor, dass der Kläger dort seit 1. Januar 2009 Mitglied ist und keine Erkrankungen/Leistungen verzeichnet sind. Aus einem weiteren, vom Beklagten angeforderten Befundbericht des Dr. O. lässt sich entnehmen, dass der Kläger dort seit 2013 in Behandlung ist. Anfangs habe ein depressives Syndrom mit Störung des Affekts und Antriebs bestanden. Es seien dann seine traumatisierenden Kindheitserlebnisse aufgedeckt worden. Diese Entwicklung habe ihn erheblich destabilisiert. Zuletzt habe der Kläger von wiederkehrenden Erinnerungen an die Kindheit sowie Schlafstörungen berichtet.

In einer E-Mail vom 19. Oktober 2014 erklärte der Kläger, er sei von F. Mitte 1976 in einer Notsituation vergewaltigt worden. Er habe vom 5. August bis 25. August 1976 einen erfolgreichen Sprachkurs in England absolviert. Kurz davor oder danach sei er von Herrn F. missbraucht worden. Dies stehe in einer eidesstattlichen Versicherung. Da dort Herbst 1976 stehe, sei davon auszugehen, dass es nach seiner England-Rückkehr nach dem Beginn des neuen Schuljahres geschehen sei. Er sei damals 16 Jahre jung gewesen und mit dem Fahrrad gestürzt. Es könne Spätherbst, eventuell schon mit Schneefall, gewesen sein.

In einer weiteren E-Mail vom 19. Oktober 2014 an Frau Rechtsanwältin G. gab der Kläger an, die ersten Szenen mit F. liefere sein Gehirn aus dem Sommer/Herbst 1973, weitere aus dem Jahr 1974 und die letzte in der ehemaligen Außengruppe in der N-Straße in H-Stadt nach seinem Fahrradsturz. Durch ein gefundenes Zeugnis vom Sprachkurs in England könne er schlussfolgern, dass die Tat kurz vor dem 5. August 1976 oder kurz nach dem 25. August 1976 stattgefunden habe, also zum Ende des Schuljahres 1975/1976 oder am Anfang des Schuljahres 1976/1977. Mit E-Mail vom 22. Oktober 2014 erklärte der Kläger, er sei nach Angaben des K. e.V. am 24. Juni 1965 unter Vormundschaft gestellt worden. Herr G. habe ausweislich einer Erklärung des K. e.V. vom 27. August 2014 seine Vormundschaft von 1972-1978 angegeben.

Aus einem Schreiben des Richters am Amtsgericht B-Stadt vom 1. Oktober 2014 geht hervor, dass mit Gerichtsbeschluss vom 24. Juni 1965 die Übertragung der Vormundschaft für den Kläger auf den K. e.V. erfolgt sei. Die Berichte über die persönlichen Verhältnisse des Klägers seien vom August 1965 bis April 1971 von Frau/Herrn S., bis Juli 1973 von Herrn G. und bis Juli 1977 von Herrn B. gefertigt worden. Weitere Hinweise, wer die Vormundschaft übernommen habe, enthalte die Akte nicht. Mit Eintritt der Volljährigkeit sei die Vormundschaft beendet worden. Auf Nachfrage des Beklagten vom 28. Oktober 2014, welchen Personen der Kläger erstmals Näheres über die jeweiligen Übergriffe erzählt habe und ob er noch Namen der Beschuldigten aus den Heimen vor dem A.-Heim benennen könne, erklärte der Kläger, insoweit seien keine Angaben mehr möglich. Die Gewalttaten hätten sich, vor allem die Vergewaltigung, nach dem 16. Mai 1976 ereignet.

Aktenkundig wurden weiter die Akten des Amtsgerichts B-Stadt (Betreuungsgericht, früher Abteilung Vormundschafts- und Nachlassgericht) mit dem Az ... Hierin enthalten sind Berichte des Vormunds S. über den Aufenthalt des Klägers im Haushalt der Mutter von August 1965 bis Februar 1967 und Februar 1969 bis April 1971 und des Vormunds G. über die Zeit bis Juli 1973. Aus letzterem Bericht vom 27. Juli 1973 geht hervor, dass der Kläger wegen eines Magengeschwürs 3 Wochen im Krankenhaus war. Der Kläger führe sich psychosomatisch. Die psychosomatische Erkrankung habe den K. und M. e.V. dazu veranlasst, beim Stadtjugendamt B-Stadt Antrag auf Heimunterbringung und heilpädagogische Behandlung zu stellen. Die Mutter des Klägers sei erneut schwanger. Der Kläger sei von ihr häufig auf die Straße gesetzt worden. Er sei im Berichtszeitraum kurzzeitig im Heim untergebracht gewesen, dann wieder bei der Mutter, dann beim Vater und dann wieder bei der Mutter. Dieser für den Kläger ungünstige Zustand solle nun beendet werden. Aus einem Bericht des Vormunds B. von 19. Juli 1977 geht hervor, dass der Kläger im Sommer 1976 einen Englandaufenthalt und die Abschlussprüfung zur mittleren Reife absolviert hat.

In seiner E-Mail vom 21. November 2014 berichtete der Kläger von dem Abschluss der Verhandlung und des Mediationsverfahrens vor dem Landgericht München II. Hier hatte der K. e.V. den Kläger auf Unterlassung bestimmter negativer Aussagen über den K. e.V. verklagt. Darin haben sich nach den Worten des Klägers die heutigen Vorstände des K. e.V. im Namen des Vereins beim Kläger für empfundenes und nachvollziehbares Unrecht entschuldigt. Durch das in zwei schwersten Magenoperationen endende Krankheitsbild habe er seine Berufsausbildung bei K. abbrechen müssen und sei nicht bei der Bundeswehr angenommen worden. Folge seien eine Bauchnarbe sowie eine schwere posttraumatische Belastungsstörung aufgrund der mangelhaften Leistung des Vereinsvormunds und der unhygienischen Unterbringung in ca. 7 oder 8 verschiedenen Kinderheimen in Bayern. Mit seiner E-Mail vom 29. November 2014 teilte der Kläger mit, dass die ehemaligen Mitschüler F. P. und C. L. schon verstorben seien. Die Adresse des Mitschülers W. F. sei unbekannt. Es sei widerrechtlich in seine Herkunftsfamilie eingegriffen worden und er sei sieben- bis achtmal unnötig in diversen Kinderheimen untergebracht worden. Auch ohne den sexuellen Missbrauch sei heftiges, die Menschenrechte grob missachtendes Unrecht vom Bayerischen Staat und seinen Institutionen an ihm verübt worden. Dies gelte es jetzt wenigstens wirtschaftlich durch eine Opferrente gutzumachen.

Der Beklagte zog die noch vorhandenen Unterlagen des Klägers der K. e.V. über die Aufenthalte des Klägers am 17./18. Januar 1966 und vom 25. Dezember 1967 bis 12. Januar 1968 im C.-Kinderheim bei. In Bezug auf letzteren Aufenthalt geht hervor, dass die Aufnahme des Kindes in der Anstalt als notwendig und dringend erachtet wurde, weil die Mutter wegen Selbstmordversuchs im Krankenhaus H. war. Der Kläger wurde am 12. Januar 1968 zur Mutter entlassen.

Der Beklagte hörte schriftlich Frau E., Herrn F., Herrn H. und Hr. G. als Zeugen an.

Die Zeugin E. teilte in ihrer Aussage vom 16. Dezember 2014 mit, sie sei von 1971-1976 im A.-Heim als Psychologin angestellt gewesen. Der Kläger sei wegen psychosomatischer Beschwerden (Ulcus) mehrmals mit ihr in einer Klinik zur ambulanten medizinischen Betreuung gewesen. Der Kläger habe an einer erheblichen narzisstischen Störung gelitten, er sei sehr ehrgeizig und angespannt gewesen. Herr F. sei als Erziehungsleiter Mitglied der Heimleitung gewesen. Gemeinsam mit ihm habe sie Eltern der Heimkinder abends oder an Wochenenden besucht. Zusammen mit Herrn F. und Kollegen hätten sie die K.-Wohngruppen gegründet. Hier seien Jugendliche, die nach der Heimentlassung aus unterschiedlichen Gründen nicht nachhause konnten, pädagogisch betreut worden. Die Gruppe von Herrn F. sei sehr beliebt gewesen. Er sei Marathonläufer gewesen und die Jugendlichen hätten das Angebot zum Mittrainieren und zur Teilnahme an internationalen Läufen gerne angenommen. Ihr seien leider keine Übergriffe bekannt geworden. Im Winter 1976 habe sie die Wohngruppen der Familie R., in der Herr A. lebte, und von Herrn F. betreut. Der Kläger habe in die Gruppe von Herrn F. wechseln wollen. Hierzu sei es ihres Wissens jedoch nicht gekommen. In den Gruppengesprächen mit den Jugendlichen seien Fantasien erwachsen, auch zu Herrn F., und oft Thema gewesen. Da Herr F. nicht verheiratet gewesen sei und die Beziehung zu einer jungen Erzieherin sehr diskret gehalten habe, gingen Spekulationen der Jugendlichen in die Richtung, Herr F. sei schwul. Das sei hängen geblieben. Trotz aller Versuche, persönliche Grenzen - vor allem Intimitätsgrenzen - in ihrer Bedeutung und die schädlichen Konsequenzen von Ressentiments zu vermitteln, habe sich dieses Vorurteil gehalten. Weiterhin könne sie sich an einen Telefonanruf von Herrn G. 1976 mit der Frage erinnern, ob sie sich vorstellen könne, dass Herr F. schwul sei und sexuelle Übergriffe auf Jugendliche zu verantworten habe. Sie habe dies zurückgewiesen, sicher, dass es sich um üble Nachrede handelte. Sie habe sich an den damaligen, mittlerweile bereits verstorbenen Schulleiter, Herrn S., gewandt. Dieser sei angewidert von dem Telefonat gewesen und habe sinngemäß gesagt: "Wenn jemand sich so einsetzt für die Entwicklung und das Wohlergehen von Kindern und jungen Menschen, dann gibt es für ihn eine gewisse Lebenserotik in der Aufgabe. Aber dass er ein Kind belästigt und missbraucht, hat damit nichts zu tun. Das ist etwas Anderes".

Der Zeuge F. erklärte unter dem 15. Dezember 2014, er sei von August 1969 bis Juni 1978 als Sozialpädagoge, im A.-Heim tätig gewesen. Dabei sei er vom 1. Oktober 1971 bis 1. Dezember 1973 als stellvertretender Heimleiter, anschließend bis März 1973 als kommissarischer Heimleiter, von April 1973 bis 1974 wieder als stellvertretender Heimleiter und ab 1974 mit Gründung der ersten Außengruppe als Erzieher und stellvertretender Heimleiter, 1977 mit Gründung der zweiten Außengruppe als Teamleiter tätig gewesen. Der Kläger sei am 28. August 1973 im Heim aufgenommen worden. Er könne sich an zwei Touren erinnern, bei denen der Kläger und andere Jugendliche ihn beim Training (laufen) mit dem Rad begleitet hätten. Da er bereits 1974 die erste Außengruppe (ohne den Kläger) übernommen habe, habe er später nur insofern Kontakt gehabt, dass der Kläger oft bei den wöchentlichen Teamsitzungen erwähnt worden sei (Probleme). Er sei nie mit einem Jugendlichen allein beim Laufen o.ä. unterwegs gewesen. Seine Anwesenheit in der Außenwohngruppe in H-Stadt, P-Straße, die von Herrn und Frau R. geleitet worden sei, habe sich auf die Teamgespräche beschränkt, die dort regelmäßig einmal pro Woche am Vormittag stattgefunden hätten.

Auf Vorhalt des vom Kläger geltend gemachten sexuellen Übergriffs im Winter 1976 nach einem Radunfall auf dem Rückweg von der Schule zu seiner Wohngruppe sowie weiterer Übergriffe bereits ab 1973 im A.-Heim und bei Ausflügen erklärte der Zeuge, dass es von seiner Seite aus weder körperlichen und schon gar keinen sexuellen Kontakt zum Kläger gegeben habe. Er sei zu keiner Zeit mit dem Kläger allein mit dem Rad oder anderweitig unterwegs auf Ausflügen gewesen.

Auf Frage, ob dem Zeugen etwas von sexuellen Übergriffen durch den Vormund G. auf den Kläger bekannt sei, gab der Zeuge an, er habe den Kläger vor ca. 2 Jahren in A-Stadt zufällig getroffen. Dabei habe der Kläger etwas davon erwähnt. Da er den Kläger aus vielen Schilderungen seiner Erzieher gekannt habe, sei das eine weitere seiner wenig glaubwürdigen Geschichten gewesen. Bei diesem Treffen habe der Kläger auch mit keinem Wort die jetzt geschilderten Übergriffe erwähnt. Mit Herrn G. habe ihn keine besonders gute Zusammenarbeit verbunden. Aber trotzdem habe er den Erzählungen des Klägers keinen Glauben schenken können. Wenn sexuelle Übergriffe in der damaligen Zeit stattgefunden hätten, wäre der Kläger sicher schon damals darangegangen, Vorteile für sich zu holen. Beim Verein K. und M. seien nicht wie in anderen Einrichtungen Misshandlungen bzw. sexuelle Übergriffe vertuscht worden. So sei der Heimleiter und Sonderschullehrer (Herr T.) wegen Gewalt gegenüber Schülern zu einem halben Jahr Gefängnis verurteilt worden. Ein weiterer Lehrer habe wegen ähnlicher Delikte kurz vor einer Anzeige gestanden.

Der Zeuge H. gab unter dem 20. Dezember 2014 an, er sei von 1972-1976 im A.-Heim untergebracht gewesen. Der Kläger sei sein "Heimkumpel" gewesen. Auf Vorhalt der Angaben des Klägers zu den sexuellen Übergriffen nach einem Radunfall erklärte er, er bestätige die Angaben des Klägers. Er habe es selbst mitbekommen. Herrn G. habe er nicht gekannt, zu sexuellen Übergriffen durch Herrn G. könne er nichts sagen.

Der Zeuge G. erklärte unter dem 9. Februar 2015, er sei zum 1. Januar 1972 beim K. und M. e.V. eingetreten und mit der Übernahme von Vormundschaften beauftragt gewesen. Ihm seien 120 Vormundschaften zur Sachbearbeitung übertragen worden, unter anderem auch über den Kläger. Sein Kontakt zum Kläger sei aufgrund der großen Fallzahl sehr gering gewesen. Im Laufe des Jahres 1972 oder 1973 habe er vom Kläger einen Anruf erhalten, dass ihn seine Mutter soeben aus der Wohnung geworfen habe. Er sei dann zur Wohnung gefahren. Dort habe er den Kläger heulend angetroffen. Die Mutter des Klägers habe dann mit einem Grillspieß auf ihn eingestochen und ihn in der linken Schulter verletzt. Es sei zu einem Strafverfahren gekommen, bei dem auch die psychische Erkrankung berücksichtigt worden sei. Der Rausschmiss des Klägers habe ihn dazu veranlasst, für eine sofortige Fremdunterbringung durch Einschaltung des Jugendamts B-Stadt zu sorgen. Der Kläger sei auch in einer Wohngruppe in H-Stadt untergebracht gewesen, zu welcher Zeit genau, könne er, der Zeuge, nicht mehr sagen. Der Kontakt habe sich stets auf das Notwendige beschränkt. Der Vorwurf des Klägers, er habe ihn mehrfach unsittlich an den Innenseiten der Oberschenkel und an den Genitalien berührt, sei abwegig und treffe nicht zu. Er habe zu keiner Zeit den Kläger oder eine andere Person sexuell belästigt. Von sexuellen Übergriffen durch Herrn F. habe er keine Kenntnis.

Mit angefochtenem Bescheid vom 3. März 2015 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers vom 16. Juli 2014 ab. Gegenstand des Verfahrens sei das Vorbringen des Klägers, im Zeitraum von 1967 bis zum Winter 1976 in verschiedenen Kinderheimen körperlich misshandelt und sexuell missbraucht worden zu sein. Im Schreiben vom 16. Juli 2014 habe der Kläger als schädigendes Ereignis Taten während seiner ca. 8 Heim- Zwangsunterbringungen zwischen 1968 und 1978 angeführt. Körperliche Misshandlungen hätten im C.-Kinderheim sowie im Kinderheim S. stattgefunden. Dort sei es auch zu einer Verletzung am Kopf durch einen Erzieher mittels eines Steins gekommen.

Die schädigenden Ereignisse müssten im Vollbeweis nachgewiesen sein. Nähere Angaben zu den beteiligten Personen habe der Kläger nicht gemacht, die Zeugen hätten sich nur zu den Vorfällen im Zeitraum der Unterbringung im A.-Heim geäußert. Auch seien die jeweiligen Heimaufenthalte vor der Unterbringung im A.-Heim nur kurzfristig gewesen. Zu den erlittenen Übergriffen trage der Kläger sehr knappe Schilderungen vor. Letztlich seien endgültige Feststellungen zu den erlittenen Übergriffen aus heutiger Sicht nicht mehr möglich. Soweit das Vorbringen sexuelle und körperliche Übergriffe im SOS-Kinderdorf D-Stadt und im C.-Heim betroffen hätten, fehle es an erfolgversprechenden Ermittlungsansätzen. Es lasse sich nicht mehr zuverlässig aufklären, was damals geschehen sei. Die vom Kläger vorgebrachten sexuellen Übergriffe durch G. habe der Beschuldigte bestritten. Unbeteiligte Zeugen seien nicht zu ermitteln. Keine Aussage der Beteiligten komme ein höherer Beweiswert zu. Die insoweit vorgebrachten Übergriffe konnten nicht festgestellt werden.

In Bezug auf den Vorwurf des sexuellen Missbrauchs durch F. nach einem Radunfall in der Außenwohngruppe in der N-Straße bestünden zu viele Ungewissheiten und Zweifel, so dass auch nicht von einem Vollbeweis ausgegangen werden könne. Unter Bezugnahme auf die verschiedenen Aussagen des Klägers im Rahmen der eidesstattlichen Versicherung vom 18. März 2014, bei einem Beratungsgespräch mit Herrn B. vom 2. September 2014 in den E-Mails vom 19. Oktober und 21. November 2014, die Angaben der Zeugen F., H., G., B. und E. sei zu berücksichtigen, dass keiner der Zeugen angegeben habe, unmittelbar bei dem Vorfall anwesend gewesen zu sein. Der Zeuge L. sei nicht mehr zu ermitteln. Die Angaben in der eidesstattlichen Versicherung des Zeugen H. seien wenig ausführlich und bezögen sich im Wesentlichen auf den Umstand, dass der Beschuldigte F. durch C. L. wegen eines Übergriffs verhauen worden sei. In Bezug auf das Kerngeschehen stünde damit die Aussage des Klägers der Aussage des Beschuldigten gegenüber. Keiner der Aussagen komme ein wesentlich höherer Beweiswert zu. Die Beweiskraft der Aussagen des Klägers würde auch dadurch eingeschränkt, dass keine zuverlässige zeitliche Einbettung vorliege. Nach der Schilderung vom 18. März 2014 solle sich der Vorfall im Zeitraum 1974 bis in die ersten Monate 1975 zugetragen haben. Im Beratungsgespräch mit Herrn B. werde als Zeitpunkt Winter 1976 angegeben. In den beiden E-Mails werde von einem Zeitpunkt im Sommer 1976 gesprochen. Dies sei nicht damit vereinbar, dass der Fahrradunfall durch ein eingefrorenes Bahngleis verursacht worden sei. Einmal habe der Kläger angegeben, mit dem Fahrrad zu seiner Außenwohngruppe in der H-Straße in H-Stadt unterwegs gewesen zu sein, ein anderes Mal habe er angegeben, auf dem Weg zum Bahnhof gewesen zu sein, um zu der Wohnung in E. zu fahren. Es liege auch keine detailreiche Schilderung mit Komplikationen, Interaktionen oder wörtliche Wiedergabe von Gesprächen vor. Auffallend sei vielmehr ein starker Belastungseifer, der über die eigentlichen vorgebrachten Vorfälle hinausgehe. Auch werde der eigentliche Übergriff als nicht selbst miterlebt geschildert. Eine weitere Befragung des Klägers komme nicht Betracht, da dieser angegeben habe, ihm fehle die Erinnerung, nachdem er damals Schnaps zu sich genommen habe.

Auch habe die Zeugin E. bestritten, dass ihr ein derartiger Vorfall gemeldet worden sei. Bei ihr sei keine einseitige Parteinahme für den Beschuldigten zu erkennen gewesen oder eine Tendenz, die eigene Verantwortung zu leugnen. Es könne zwar nicht ausgeschlossen werden, dass es zu dem Vorfall gekommen sei. Es sei auch nicht auszuschließen, dass sie Aussage des Beschuldigten, der die Vorfälle bestreite, zutreffe. Eine Entschädigung nach dem OEG für den Vorgang einer Heimunterbringung an sich sei nicht möglich.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, 9 vom Beklagten festgestellte Heimunterbringungen in der Zeit von 1965-1972 seien ein Verbrechen des bayerischen Staates und seiner Behörden sowie ein Verstoß gegen die Menschenrechte. Es sei sogar noch eine weitere Heimunterbringung im M.-Heim zu berücksichtigen. Er sei grundlos in diesen Heimen gewesen. Man habe ihn dann von B-Stadt nach H-Stadt zur Vergewaltigung abgeschoben. Seinem hauptberuflichen Vormund, dem wegen Meineids langjährig vorbestraften G., müsse der Verdacht gekommen sein, dass der staatliche anerkannte Erzieher, Mitarbeiter beim K. wohl schwul sei und zudem mehrere Dinge vorgefallen sein müssen. Ansonsten hätte dies nicht die Diplom-Psychologin E. erwähnt. Der als pädophil-schwul verdächtigte Erzieher F. hätte von den Kindern nach deren mehrfachen Klagevorbringen entfernt werden müssen. Ein bloßer Anruf des Herrn G. bei Frau E. habe nicht ausgereicht. Die Aussage des Zeugen H. belege, dass F. nicht nur ihn, den Kläger, allein missbraucht habe. Die Angabe des F., er sei nie sein Erzieher gewesen, sei falsch. So sei er 1973 und 1974 sein Erzieher im Anbau P.-Straße des A.-Kinderheims (Gruppe 5 oder 13) gewesen. Auch habe Herr H. bestätigt, dass seine Angaben, also die Angaben des Klägers, zutreffend seien. Auch habe er das Jahr 1976 als Tatzeit bestätigt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 2. April 2015 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Es sei der Vollbeweis erforderlich. Im vorliegenden Fall stünde Aussage gegen Aussage, ohne dass Anhaltspunkte dafür vorhanden seien, weshalb man der einen oder anderen Sachverhaltsdarstellung den Vorzug geben sollte und ein höheres Maß an Beweiskraft beimessen könnte. Es komme auch nicht darauf an, ob möglicherweise die Unterbringung in Kinder- und Jugendheimen rechtmäßig gewesen seien oder nicht. Allein entscheidend sei, ob es zu tätlichen Angriffen gekommen sei. Dies könne in Gesamtschau aller aktenkundigen Umstände jedoch nicht als bewiesen angesehen werden. Zwar gebe es den einen oder anderen Anhaltspunkt, der die Angaben des Klägers stütze. Aber es könnten auch die Zeugenaussagen der vom Kläger angeschuldigten Täter nicht wegdiskutiert werden und allein die zudem nicht widerspruchsfreien Angaben des Klägers der Entscheidung zu Grunde gelegt werden. Auch spiele der Zeitablauf eine Rolle, da der Kläger erst fast 40 Jahre nach dem letzten Vorfall einen Antrag auf Leistungen nach dem OEG gestellt habe.

Nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens ging beim Beklagten ein für die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund erstelltes ärztliches Gutachten der Psychiaterin Dr. B. ein. Hieraus geht hervor, dass beim Kläger die Erlebnisse seiner Kindheit und Jugend im Jahre 2014 wieder hochgekommen seien, da seine Tochter den gleichen Betreuer beim ehemaligen Vormundschaftsverein bekommen habe, der auch ihn betreut habe. Damit seien die Kindheitserinnerungen des sexuellen Missbrauches und der Gewalt wieder hochgekommen. Diese Erinnerungen seien für ihn präsent, im Rahmen von Albträumen als auch täglichen Wiedererscheinungen. Die Albträume bezögen sich jedoch nicht auf seine Erlebnisse. Dem Kläger wird noch ein Leistungsvermögen von 6 Stunden und mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sowie in der letzten Tätigkeit als Anwendungstechniker bescheinigt. Gegen den ablehnenden Widerspruchsbescheid hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben und vorgetragen, er sei ohne ausreichende Gründe unter Vereinsvormundschaft gebracht worden. Der Verein K. e.V. habe sich im Rahmen der Mediationsverhandlung vor dem Landgericht München I bei ihm entschuldigt, insbesondere für tätliche Übergriffe auf ihn als Kind wie Essen von Erbrochenem, Schlägen, nächtliches Knien vor Heiligenfiguren, nächtliches Aufwecken, um Fußböden des Kinderheims unter Stockschlägen zu reinigen und zu bohnern sowie mehrfachem sexuellen Missbrauch. Er habe bereits 9.000.- Euro aus dem Fonds ehemaliger Heimkinder erhalten, weitere 1.000.- Euro stünden noch aus. Wie sich aus eidesstattlichen Versicherungen anderer Heimkinder ergebe, sei es unter den Pädagogen üblich gewesen, über Kindesmisshandlung und Kindesmissbrauch unter einander zu reden. Im Herbst des Jahres 1976 sei er tatsächlich von F. sexuell missbraucht worden. Ihm seien massive gesundheitliche, wirtschaftliche und körperliche Folgeschäden entstanden (2 schwere Magenoperationen 1978 und Anfang 1979 verbunden mit einem Wechsel der Lehrstelle, Verweigerung der Teilnahme an einer damals von ihm gewünschten 8-jährigen Verpflichtungszeit bei der Bundeswehr als Berufssoldat). Die langfristigen, erst vor kurzer Zeit massiv eingetretenen psychischen Dauerschäden seien durch das Attest des Psychiaters Dr. O. belegt. Es sei daher ein Grad der Schädigung (GdS) von 50 sowie eine Opferrente auf Dauer anzuerkennen.

Er hat umfangreiches Material vorgelegt, u.a. auch eine Stellungnahme der Rechtsanwältin G. vom 20. März 2014 im Verfahren vor dem Landgericht München I (Az. ) in dem Verfahren K. e.V. gegen den Kläger wegen Unterlassung übler Nachrede. Hieraus geht hervor, dass der ehemalige Geschäftsführer G. bestätigt habe, dass es Gerichtsverfahren wegen Gewalttaten von Mitarbeitern gegen Kinder gegeben habe. Er, Herr G., sei wegen Falschaussage verurteilt worden, weil er Tatsachen erklärt habe, bei denen sich im Nachhinein herausgestellt hatte, dass diese lediglich seinem damaligen Erkenntnisstand, aber nicht der sich im weiteren Verlauf herausgestellten gesamten Wahrheit entsprochen hätten. Aktenkundig ist auch der im Rahmen des Mediationsverfahrens abgeschlossene Vergleich geworden. Hierin entschuldigten sich die anwesenden Vorstände des Vereins K. e.V. in dessen Namen beim Kläger ausdrücklich für empfundenes und nachvollziehbar dargelegtes Unrecht. Die Vorgänge im Zusammenhang mit dem vom Kläger nachvollziehbar dargelegten Unrecht sollen weiter aufgeklärt werden durch ein vom Verein eingesetztes internes und unabhängiges Gremium. Der Kläger hat angeboten, den Verein K. e.V. in etwaigen beabsichtigten Veröffentlichungen nicht namentlich zu benennen. Er hat auch Unterlassungserklärungen in Bezug auf u.a. folgende Äußerungen abgegeben: K. e.V. sei ein Täterverein, der Verein K. e.V. vergewaltige tagtäglich Kinder in Deutschland und treibe sein Unwesen an Kindern.

Durch seinen Bevollmächtigten hat der Kläger schließlich vorgetragen, in Fällen sexuellen Missbrauchs von Kindern komme es nicht darauf an, welche innere Einstellung der Täter zum Opfer hatte und wie das Opfer die Tat empfunden habe. Entscheidend sei allein, dass die Begehungsweise, also die sexuellen Handlungen, eine Straftat gewesen sei. Soweit Kinder Opfer körperlicher Gewalt ihrer Eltern bzw. Erzieher würden, die die Erheblichkeitsschwelle überschreite, liege regelmäßig eine Körperverletzung im Sinne des § 223 StGB und damit ein tätlicher Angriff nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG vor. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen seien unzulässig. Die Anforderungen an die Darlegung eines tätlichen Angriffs seien im Falle des Missbrauchs niedriger als der Beklagte meine.

Außerdem komme § 15 KOV-VfG i.V.m. § 6 Abs. 3 OEG zum Tragen. Es gelte der herabgesetzte Beweismaßstab der Glaubhaftmachung. Die Beweiserleichterung gelte auch dann, wenn der angebliche Täter als Tatzeuge bekannt sei, die Tat aber leugne. Opfer gerieten in Beweisnot, wenn die Tat ohne Zeugen geschehen und sich der Täter seiner Feststellung entziehe oder die festzustellenden Tatsachen verschleiere oder leugne und sich damit der Feststellung entziehe.

Der Kläger habe folgende Angriffshandlungen geschildert:

1. 1967 Sex-Spiele einer Mutter im SOS-Kinderdorf
2. 1968 sexueller Missbrauch durch Ordensschwestern im M.-Kinderheim
3. 1969: gewalttätige Angriffe eines Erziehers im evangelischen Kinderheim S. (Prügel, Körperverletzung mit Stein)
4. 1973/1974 sexueller Missbrauch durch den leitenden Erzieher Herrn F. (ca. 3-4 Vorfälle: Anfassen, Selbstbefriedigung im Zimmer des Klägers)
5. 1975: Aufforderung zum Nacktduschen evtl. mit sexuellen Übergriff und eventuell Verabreichung von Betäubungsmitteln durch Herrn F. im Garten von Herrn R. E.
6. 1976, Winter/Herbst: Vergewaltigung durch Herrn F. in der Wohnung N-Straße, Reiheneckhaus (wohl Nr. 30).

Alle diese Schilderungen stellten tätliche Angriffe im Sinne des OEG dar. Lediglich der sexuelle Übergriff 1975 sei auch vom Kläger nicht definitiv behauptet worden, wohl aber die Aufforderung zum Nacktduschen. Die Angriffshandlungen der Nrn. 4-6 seien konkret genug geschildert, lediglich hinsichtlich der tätlichen Angriffe Nr. 1-3 könnte der Nachweis konkreter Taten nicht erfolgt sein. Der Kläger habe die tätlichen Angriffe im A.-Heim 1973/1974 sowie die Vergewaltigung im Herbst/Winter 1976 und ansatzweise auch den Vorfall Nr. 5 durch eidesstattliche Versicherung vom 18. März 2014 glaubhaft gemacht. Der Beklagte überspanne die Anforderungen an die Glaubwürdigkeit des Klägers bzw. die Glaubhaftigkeit seiner Aussagen, wenn er auf einzelne Widersprüche oder vermeintliche Widersprüche abstelle, welche sich nicht einmal auf die eigentliche Tat bezögen, sondern auf vorheriges Geschehen. Maßgeblich sei, dass keine Widersprüche hinsichtlich des Tatorts und des Tathergangs erkennbar seien. Es erscheine auch unerheblich, ob sich Vergewaltigung nach dem Fahrradunfall 1975 oder 1976 ereignet habe. Auch bei Strafverurteilungen würden Tatzeiträume nicht selten alternativ angegeben. Insoweit sei es überzogen, höhere Anforderungen an die zeitliche Bestimmtheit zu stellen. Darüber hinaus habe sich der Kläger noch einmal intensiv mit der zeitlichen Problematik auseinandergesetzt. Die Vergewaltigung habe sich nach dem Englandaufenthalt des Klägers ereignet, bei dem er einen Sprachkurs belegt habe. Dieser habe in den Sommerferien 1976 stattgefunden. Der zeitliche Bezugspunkt in seiner Erinnerung sei stets der Englandaufenthalt gewesen. Bis Ende 2014 sei der Kläger davon ausgegangen, dass er sich im Sommer 1975 in England aufgehalten habe. Wie sich jedoch nach Akteneinsicht beim Betreuungsgericht am 6. November 2014 herausgestellt habe, habe dieser Aufenthalt erst im Sommer 1976 stattgefunden. Im Schuljahr 1976/1977 habe der Kläger die 10. Klasse der Realschule in der S-Straße besucht. Von der Realschule bis zur Außenwohngruppe des Herrn F. seien es wenige 100 m gewesen. Nach den Sommerferien 1976 habe der Kläger in einer Wohnung bei M-Stadt in E. in der C-Straße gewohnt. Seine Vermieter seien offiziell seine Erzieher gewesen. Von hier sei er bei gutem Wetter täglich mit seinem Moped in die über 20 km entfernte Realschule in H-Stadt gefahren. In der kalten Jahreszeit sei er hingegen mit der Bahn von M-Stadt nach H-Stadt-Stadt gefahren. An jenem Bahnhof hatte er in altes Fahrrad stehen, mit dem er dann zur Realschule gefahren sei. Auf diesem Weg sei er damals im Übergang von der F-Straße zur N-Straße auf dem Rückweg zum Bahnhof auf den damals noch verlegten Schienen vom Bahnhof H-Stadt zu den ehemaligen KZ-Lagern gestürzt.

Auch in Bezug auf die unsittlichen Berührungen und die Selbstbefriedigungsaktionen seien keine Widersprüche zu erkennen. Am konkretesten durch Zeugenaussagen belegt sei die Vergewaltigung in der N-Straße. Herr H. habe angegeben, dass er die Ausführungen des Klägers bestätigen und als Zeuge zur Verfügung stehen werde. Auch der Zeuge H. B. habe erklärt, die Vergewaltigung habe sich so zugetragen, wie sie vom Kläger geschildert worden sei. Dies habe er zwar nur vom Hörensagen bezeugen können. Die Information habe er jedoch nicht vom Kläger, sondern von einem Dritten erhalten. Er sei somit nicht vom Kläger beeinflusst worden.

Auch könne dem Kläger nicht entgegengehalten werden, dass er ab einem bestimmten Zeitpunkt keine Erinnerung mehr an das Vergewaltigungsgeschehen gehabt habe. Vielmehr spreche das gerade für das schwere erlittene Trauma und damit den tätlichen Angriff. Selbst wenn man das fehlende Bewusstsein auf die Alkoholisierung oder sonstige Betäubung zurückführen sollte, so läge bereits darin ein rechtswidriger tätlicher Angriff und ein Indiz für eine Folgetat. Die Zeugen hätten auch pädophile Neigungen und Handlungen des bezichtigten Erziehers bestätigt, der Vereinsvorstand des Heimträgers Herr B. habe eingeräumt, dass in Fällen, in denen Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter beispielsweise sexuelle Übergriffe nachgewiesen worden seien, die entsprechenden personellen Konsequenzen gezogen worden seien. Die vom Kläger geschilderten Erlebnisse stünden also keineswegs im luftleeren Raum. Schließlich habe der Kläger auch eine Entschädigung vom Fonds Heimerziehung in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1949-1975 erhalten.

Durch die tätlichen Angriffe leide der Kläger unter einer depressiven Störung/mittelgradigen depressiven Episode. Zudem bestehe der Verdacht der komplexen Traumafolgestörung. Er befinde sich seit Anfang 2013 in psychiatrischer Behandlung des Traumaspezialisten Dr. O., zuvor sei er in Behandlung bei dem verstorbenen Nervenarzt Dr. S., vermutlich von 1976-1988, gestanden. Die Funktionsbeeinträchtigungen seien im Gutachten von Dr. B. beschrieben. Er leide unter nervösen Zuständen, mitunter unkontrollierten Reflexen, allgemeinen Erschöpfungszuständen, völliger Konzentrations- und Antriebslosigkeit, Albträumen und Angstträumen, Müdigkeit, Aggressionen insbesondere gegenüber Behörden und Ärzten (Hausverbot beim Finanzamt H-Stadt und Jugendamt H-Stadt) und Geruchswahrnehmungen in Arztpraxen, Brechreiz bei Behördenkontakt, Angst vor Menschenansammlungen oder in engen Räumen, schwere Depressionen gepaart mit unglaublicher Wut, Tränenausbrüchen und stärksten Emotionen, starken Angstgefühlen mit Abwehrmechanismen, ausgelöst beispielsweise durch Dunkelheit oder räumliche Enge. Der Kläger sei in keiner Hinsicht mehr belastbar und leide unter mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten, welche einen GdS von mindestens 50-70 rechtfertigt.

Die Leistungseinschätzung von Dr. B. überzeuge demgegenüber nicht. Hinsichtlich der vor Inkrafttreten des OEG begangenen Straftaten werde erklärt, dass auch die Voraussetzungen der §§ 10,10a OEG vorlägen. Der GdS betrage mehr als 50. Er sei auch bedürftig im Sinne des § 10a Abs. 2 OEG, nachdem er kaum mehr in der Lage sei, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Versagungsgründe lägen nicht vor. Insbesondere liege keine Verletzung der Mitwirkungspflicht der Unterlassung einer zeitnahen Strafanzeige vor. Als Jugendlicher sei der Kläger damals unter Druck gesetzt worden, die Vorfälle nicht zu melden. Aber auch einige Jahre später eine Strafanzeige zu erstatten, könne wohl nicht ernsthaft erwartet werden. Es hätte sich auch dann die Frage gestellt, weshalb der Kläger erst nach Jahren Strafanzeige erstatte.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 11. März 2016 abgewiesen. Der Kläger habe eine außerordentlich belastende und in mehrfacher Hinsicht defizitäre Kindheit und Jugend erlebt, mit großer Wahrscheinlichkeit auch mit dem Erleiden von Gewalt unter den Vorwänden einer verfehlten Pädagogik und in gewisser Wahrscheinlichkeit auch mit einer Komponente der sexuellen Belästigung und möglicherweise auch des sexuellen Missbrauchs. Es müssten aber mehrere konkrete Straftaten gegenüber dem Opfer mit einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein.

Eine persönliche Täterschaft einer hinreichend identifizierten Person und ein konkret vorstellbarer Tathergang in einem örtlich und zeitlich definierten Rahmen müssten bewiesen werden. Einen diesen Forderungen genügenden Vortrag habe der Kläger auch nach den Anforderungen des § 15 KOV-VfG nicht geliefert. Die Vorwurfskomplexe Sexspiele einer SOS-Kinderdorf-Mutter in D-Stadt, Selbstbefriedigung von Schwestern auf den Köpfen der Kinder 1968 im M. Kinderheim, Prügel und Kopfverletzung mit einem Stein 1969 im S., sexuell orientierte Berührungen durch F. während dessen Selbstbefriedigung 1973 im A.-Kinderheim in H-Stadt seien ohne jede Konkretisierung und ohne jedes Beweisangebot geblieben. Hinsichtlich des Vorwurfs der Vergewaltigung 1976 durch F. befolge der Kläger ein Schema der Eskalation von erwiesenen oder vermuteten Fakten zu daraus vermeintlich ableitbaren Tatbeweisen. Rechtsverletzungen bei Gelegenheit der Bestellung eines Vormunds für den Kläger müssten nicht verifiziert werden. Die strafrechtliche Verurteilung eines Bediensteten des A.-Heims belege eher die begrüßenswerte dortige Sensibilität schon zu früheren Zeiten. F. und G. hätten mit sachlichen Worten die Vorwürfe zurückgewiesen. E. habe sich ohne Eifer und Erregung gegen den Kläger und ohne erkennbaren Rechtfertigungsdruck für F. und G. geäußert. Die von ihr beschriebene Rollenverteilung im A.-Heim mache den Wahrheitsgehalt der Vorwürfe eher unwahrscheinlich. Von der Einvernahme des Zeugen H. habe das Gericht absehen können. Der Zeuge und der Kläger hätten sich gegenseitig die Übergriffe des F. bestätigt, ohne über kurze Floskeln nicht hinaus zu kommen.

Der Schilderung des Klägers habe der Beklagte bereits die auffällige Variantenbreite in der Datierung und der Zuschreibung zu Jahreszeiten entgegengehalten. Das Ausrutschen auf einem vereisten Bahnübergang sei nicht plausibel bei einer Datierung im Herbst 1976, zu der sich der Kläger unmittelbar nach Kenntnisnahme von der rechtlichen Zäsur des 16. Mai 1976 entschlossen habe. Auch bleibe völlig offen, wie viel Glühwein und Gläser reinen Schnaps welcher Art, aus welcher Flasche und aus welchen Gläsern F. dem zum damaligen Zeitpunkt 16 Jahre alte Kläger in welchem Zeitraum verabreicht habe. Es sei ohne Erläuterung geblieben, wie F. dem Kläger Alkohol ohne dessen Widerspruch oder Widerstand verabreicht haben sollte. Von einer Freiheitsberaubung sei nie die Rede gewesen. Auch wäre darzustellen gewesen, warum der Kläger von einer ohne weiteres möglichen Beendigung der Zweisamkeit bei Beginn der alkoholbedingten Übelkeit keinen Gebrauch gemacht habe. Auch hätten die sexuellen Aktivitäten sowie die davorliegenden Abläufe den Kläger wieder aufwecken und seine Widerstand mobilisieren können. Eine aussagepsychologische Begutachtung sei nicht anzuordnen gewesen, weil der Kläger sich vollständig in ein System der Verdächtigungen, Unterstellungen, Vorwürfe und Beschimpfungen eingerichtet habe, dass sein Zugang zu verwertbaren Realerinnerungen als verschüttet gelten müsse. Der Kläger sei schon Täter von zahllosen Delikten der Beleidigung und der üblen Nachrede geworden.

Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und ausgeführt, er pflege keineswegs Ressentiments gegen Homosexuelle. Es sei ein aussagepsychologisches Gutachten einzuholen. Es bleibe einem Sachverständigen vorbehalten, einzuschätzen, welche Realerinnerungen des Klägers verwertbar seien. Auch müsse ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt werden. Ein Befundbericht des Dr. O. vom 1. März 2017 ist vorgelegt worden.

Aktenkundig ist ferner ein Rentenbescheid der DRV Bund geworden, wonach der Kläger ab 1. Mai 2014 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit bis 30. Juni 2017 erhält. Beigefügt war ein nervenärztliches Gutachten von Dr. K. für die DRV Bund vom 23. Mai 2016, wonach das Leistungsvermögen des Klägers für die Tätigkeit als Handelsvertreter und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf 3 bis unter 6 Stunden täglich abgesunken sei. Als Diagnosen werden eine posttraumatische Belastungsstörung, eine ängstlich vermeidende Persönlichkeit, eine somatoforme Störung (Gastrointestinaltrakt und Kreislauforgane) sowie depressive Episoden mittleren Grades mitgeteilt. Der Zustand bestehe seit April 2016.

Aus dem Gutachten geht hervor, dass der Kläger bei der Testung mit der CAPS-Skala eine schwere posttraumatische Belastungssymptomatik geboten habe. Die Kriterien der Symptome des Wiedererlebens, der Vermeidung und Abflachung der allgemeinen Rigidität sowie des erhöhten Arousals und der Dauer des Störungsbilds seien erfüllt gewesen. Die Traumata hätten sich auf die Zeit zwischen 5. und 12. Lebensjahr mit körperlicher Bedrohung oder Verletzung und sexuellem Missbrauch erstreckt, wobei der Kläger von den Erzieherinnen mit dem Stock auf den Rücken geschlagen worden sei und die Erzieherinnen auf seinen Kopf masturbiert hätten.

In der mündlichen Verhandlung am 3. Juli 2018 hat der Senat die Zeugen C., H.-A., E., F., G. und H. uneidlich einvernommen. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Der Senat hat die Akten des Landgerichts (LG) B-Stadt I beigezogen.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 11. März 2016 und den Bescheid des Beklagten vom 3. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. April 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger eine Beschädigtenrente auf der Grundlage eines Grades der Schädigung von mindestens 50 entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren, hilfsweise ein aussagepsychologisches Sachverständigengutachten einzuholen, dass die vom Kläger gemachten Angaben zu den Tathergang, insbesondere dem Tathergang vom Herbst/Winter 1976, in hohem Maße wahrscheinlich glaubhaft oder wenigstens mit relativer Wahrscheinlichkeit glaubhaft zu beurteilen sind.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten des SG, des Beklagten und des LG B-Stadt I verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die auf die Gewährung einer Opferentschädigungsrente auf der Grundlage eines Grades der Schädigung (GdS) von mindestens 50 gerichtete Klage des Klägers zu Recht als unbegründet abgewiesen. Dem Kläger hat hierauf keinen Anspruch.

Wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 OEG wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes.

Bei der Beurteilung einer Handlung als vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 OEG geht der Senat (vgl. etwa Urteile vom 5. Februar 2013, Az. L 15 VG 42/09, vom 20. Oktober 2015, Az. L 15 VG 23/11, vom 26. Januar 2016, Az. L 15 VG 30/09, alle in juris) unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung von folgenden rechtlichen Maßgaben aus:

Als tätlicher Angriff ist grundsätzlich eine in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende gewaltsame Einwirkung zu sehen (BSG, Urteil vom 10. September 1997, Az. 9 RVg 1/96, vom 7. April 2011, Az. B 9 VG 2/10 R, zuletzt vom 15. Dezember 2016, B 9 V 3/15 R, alle in juris). Entscheidend ist dabei auf der einen Seite die Rechtsfeindlichkeit im Sinne vor allem einer Feindlichkeit gegen das Strafgesetz, wobei sich die Auslegung dieses Begriffs allerdings von subjektiven Merkmalen wie etwa einer kämpferischen oder feindseligen Absicht des Täters mit Rücksicht auf den das OEG prägenden Gedanken des lückenlosen Opferschutzes weitestgehend gelöst hat. Auf der anderen Seite genügt es nicht, dass die Tat gegen eine Norm des Strafgesetzes verstößt. Denn die Verletzungshandlung im OEG ist nach dem Willen des Gesetzgebers eigenständig und ohne direkte Bezugnahme auf das StGB geregelt. Dessen ungeachtet orientiert sich die Auslegung des Begriffs des "tätlichen Angriffs" an der im Strafrecht zu den §§ 113,121 Strafgesetzbuch (StGB) gewonnenen Bedeutung. Wesentlich ist die grundlegende gesetzgeberische Entscheidung, dass durch die Verwendung des Begriffs des tätlichen Angriffs der allgemeine Gewaltbegriff im strafrechtlichen Sinn begrenzt und grundsätzlich eine Kraftentfaltung gegen eine Person erforderlich sein soll (BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016, Az. B 9 V 3/15 R, in juris Rn. 23, unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung in BT-Drs 7/2706 S. 10).

In Fällen sexuellen Missbrauchs an Kindern kommt es für die unmittelbare Einwirkung auf den Körper des Kindes entscheidend darauf an, dass die Begehungsweise, nämlich die sexuelle Handlung, eine Straftat war, unabhängig davon, ob bei der Tatbegehung das gewaltsam handgreifliche (oder das spielerische) Moment im Vordergrund steht (BSG vom 7. April 2011, Az. B 9 VG 2/10 R, in juris).

Darüber hinaus muss der tätliche Angriff gemäß § 1 OEG vorsätzlich erfolgt und rechtswidrig sein.

Folgende, grundsätzlich als vorsätzliche, rechtswidrige tätliche Angriffe in Betracht kommende Handlungen sind streitgegenständlich

1. 1967 Sex-Spiele einer Mutter im SOS-Kinderdorf
2. 1968 Sexueller Missbrauch durch Ordensschwestern im M.-Kinderheim in Form der Selbstbefriedigung auf dem Kopf des Klägers
3. 1969: Gewalttätige Angriffe eines Erziehers im evangelischen Kinderheim S. (Prügel, Körperverletzung mit Stein)
4. 1973/1974 sexueller Missbrauch durch den leitenden Erzieher Herrn F. (ca. 3-4 Vorfälle: Anfassen, Selbstbefriedigung im Zimmer des Klägers)
5. 1975: Aufforderung zum Nacktduschen evt. mit sexuellen Übergriff und eventuell Verabreichung von Betäubungsmitteln durch Herrn F. im Garten von Herrn R. E.
6. 1976, Winter/Herbst: Vergewaltigung durch Herrn F. in der Wohnung N-Straße, Reiheneckhaus (wohl Nr. 30)
7. Sexuelle Belästigungen durch den ehemaligen Vormund G. (unsittliche Berührungen an den Innenseiten der Oberschenkel und an den Genitalien).

Der vorsätzliche, rechtswidrige tätliche Angriff muss nachgewiesen sein. Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen grundsätzlich im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen sein. Ausreichend und erforderlich ist ein so hoher Grad an Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 2000, Az. B 9 VG 3/99 R, in juris).

Nach Auffassung des Senats kommt die Beweiserleichterung des § 15 S. 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOV-VfG), die gemäß § 6 Abs. 3 OEG auch im Opferentschädigungsverfahren Anwendung findet, dem Kläger nicht zugute.

Nach dieser - sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im gerichtlichen Verfahren anzuwendenden (vgl. BSG, Urteil vom 31. Mai 1989, Az. B 9 RVg 3/89, in juris) - Bestimmung sind Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, der Entscheidung zu Grunde zu legen, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verloren gegangen sind. Mit dieser Verweisung wollte der Gesetzgeber der Beweisnot derjenigen Verbrechensopfer Rechnung tragen, bei denen die Tat ohne Zeugen geschehen ist und bei denen sich der Täter einer Feststellung entzogen hat, mithin andere Beweismittel als die eigenen Angaben des Betroffenen nicht zur Verfügung stehen. Die Bestimmung findet auch dann Anwendung, wenn für den schädigenden Vorgang keine Zeugen vorhanden sind, etwa weil der Täter unerkannt geblieben oder flüchtig ist (vgl. BSG, Urteile vom 31. Mai 1989, Az. B 9 RVg 3/89, vom 17. April 2013, Az. B 9 V 1/12 R, alle in juris), Zeugen vorhanden sind, diese aber von ihrem gesetzlichen Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen und auch dann, wenn eine als Täter in Betracht kommende Person als Zeuge aussagt, die schädigende Handlung aber bestreitet (BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016, B 9 V 3/15 R, in juris). Auch in letzterem Fall ist die Beweisnot des Opfers, so das BSG, nicht geringer als in den anderen Fällen.

Weder aus den schriftlichen Aussagen der Zeugen noch aus den Aussagen der vom Senat in der mündlichen Verhandlung einvernommenen Zeugen ergibt sich eine Bestätigung der konkret genannten Vorfälle gegenüber dem Kläger als selbst wahrgenommen. Zeugen wurden ohnehin vom Kläger nur benannt für den Vorfall Nr. 6 (Vergewaltigung durch den Zeugen F.). Für die übrigen Tatkomplexe wurden von vornherein keine Zeugen benannt. Die Zeugen F. und G. haben allerdings jegliche sexuellen Übergriffe abgestritten. Auch die Zeugin E. hat keinen konkreten Vorwurf des Klägers bestätigt. Dies gilt gleichermaßen für den Zeugen H ... In der Anhörung durch den Beklagten hat er in Bezug auf die vom Kläger behauptete Vergewaltigung durch den Zeugen F. im Anschluss an den Fahrradunfall des Klägers dargetan, er habe es selbst mitbekommen, ohne dies jedoch näher zu spezifizieren. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat er dann jedoch angegeben, dass er bei der eigentlichen vom Kläger behaupteten Tat nicht dabei gewesen sei. Dieser habe sich im Keller abgespielt, er sei jedoch nicht im Keller gewesen. Auch die anderen Zeugen ( H.-A., C.) konnten aus eigener Anschauung keine Angaben zu den Tatkomplexen des Klägers machen. Obwohl damit grundsätzlich der Anwendungsbereich des § 15 KOV-VfG für alle Tatkomplexe eröffnet ist, scheidet die Anwendung des § 15 KOV-VfG dennoch aus, da die Beweisnot des Klägers nicht unverschuldet gewesen ist. Es ist kein triftiger Grund ersichtlich, warum der Kläger nicht bereits früher etwa in den 80iger oder 90iger Jahren Strafanzeige erstattet oder einen Antrag auf Leistungen nach dem OEG gestellt hat. Damals wäre eine Beweiserhebung noch leichter möglich gewesen. So wären etwa noch weitere Zeugen (Mitschüler F. P. und C. L., die bereits verstorben sind) vorhanden oder für den Kläger erreichbar gewesen (Mitschüler W. F., über dessen Aufenthalt der Kläger keine Angaben mehr machen konnte). Darüber hinaus wären noch weitere, mittlerweile vernichtete Unterlagen über den Kläger im fraglichen Zeitraum in den Heimen zur Verfügung gestanden.

Die Regelung des § 15 KOV-VfG bringt den Rechtsgedanken zum Ausdruck, dass Beweiserleichterungen nur solange und soweit gewährt werden, wie sich der Antragsteller in einer unverschuldeten Beweisnot befindet. Dies macht § 15 KOV-VfG auch dadurch deutlich, dass die Angaben des Antragstellers der Entscheidung dann nicht zugrunde zu legen sind, wenn die Unterlagen durch sein Verschulden verloren gegangen sind. Die heute vorliegende Beweisnot des Klägers ist aber im Wesentlichen nicht durch die Gewalttat bedingt, sondern beruht auf dem Zeitablauf und dem damit verbundenen Wegfall der Beweismittel. Das BSG hat klargestellt, dass der Zeitablauf die Beweismöglichkeiten des Antragstellers beeinträchtigt und die Beweisnot verstärkt. Die Verstärkung der Beweisnot geht jedenfalls dann zulasten des Antragstellers, wenn kein Grund bestand, den Antrag nicht in einer Zeit zu stellen, als noch bessere Beweismöglichkeiten bestanden haben (BSG, Urteil vom 13. Dezember 1994, Az. 9/9a RV 9/92,( B.RS 1994, 30752276) auch in juris, vgl. auch LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. Juni 2016, Az. L 4 VG 2/16, in juris).

Es muss dem Kläger angelastet werden, wenn die Zweifel an dem Hergang der Schädigung mangels überzeugender Beweismittel nicht zu beseitigen sind. Der Kläger war nach Eintritt der Volljährigkeit nicht daran gehindert (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 3 BVG), eine Strafanzeige und/oder einen Antrag auf Gewährung von Versorgung nach dem OEG zu stellen, also zu Zeitpunkten, als eine Sachaufklärung noch eher möglich gewesen wäre. Es lassen sich aus den vom Senat beigezogenen medizinischen Unterlagen keine Hinweise auf eine fortdauernde psychische Erkrankung entnehmen, die den Kläger daran gehindert haben könnte, frühzeitiger Strafanzeige zu erstatten bzw. einen Antrag auf Opferentschädigung zu stellen. Auch lagen keine Gedächtnisstörungen des Klägers o.ä. vor. Wie sich aus der glaubwürdigen Aussage der Ehefrau des Klägers Frau H.-A. ergibt, hat der Kläger bereits ab Anfang der Beziehung im Jahr 1990 über 24 Jahre lang über seine, auch nunmehr hier geltend gemachten Erlebnisse in der Kindheit in den Heimen berichtet. Die aktenkundigen Angaben des Klägers gegenüber Dr. B. (Gutachten vom 28. März 2014 für die Deutsche Rentenversicherung Bund), der sexuelle Missbrauch und Gewalt seien im Jahre 2014 bei ihm wieder hochgekommen, da seine Tochter den gleichen Betreuer beim ehemaligen Vormundschaftsverein bekommen habe, der auch ihn betreut habe, ist damit wenig glaubwürdig. Dieser Angabe steht doch sehr deutlich die Aussage der Ehefrau entgegen, wonach ihr der Kläger 24 Jahre haarsträubende Tatsachen über seine Kindheit und die vielen negativen Erfahrungen mit dem K. e.V. berichtet habe, dabei auch von sexuellen Übergriffen. Dies belegt, dass der Kläger seine behaupteten Kindheitserinnerungen nicht verdrängt hatte.

Auch die vom Kläger dann in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf die Frage hin präsentierte Erklärung, warum er die Tat nicht bereits früher angezeigt habe, hält der Senat weder für glaubwürdig noch für entlastend.

Nach den Angaben des Klägers habe der damalige Polizeipräsident R., H-Stadt, ihn während eines Kaffees im Jahre 1980 gefragt, wie es ihm im A.-Heim ergangen sei, ob es ihm nicht gut ergangen sei. Dies habe der Kläger dann bejaht. Herr R. habe dann erklärt, er habe gerade jemanden vom A.-Heim eingesperrt. Es habe, so der Kläger, sich jetzt für ihn herausgestellt, dass es sich um den Heimleiter T. gehandelt habe. Wenn der Kläger aber Strafanzeige erstatte, habe er keine Chance. Auch ein anderer Bekannter habe ihm gesagt, er habe keine Chance. Es hätte ihm niemand geglaubt.

Für den Senat ist schon nicht nachvollziehbar, warum ein Polizist einerseits dem Kläger davon berichtet haben soll, dass Strafverfolgungsmaßnahmen gegen einen Mitarbeiter des A.-Heims erfolgreich abgeschlossen worden seien, ihm auf der anderen Seite aber bedeutet haben soll, dass der Kläger im Falle der Erstattung einer Strafanzeige hingegen keine Chance habe. Irgendeinen nachvollziehbaren Sinn vermag der Senat aus einer solchen Einlassung eines hochrangigen Polizisten nicht zu entnehmen. Die Verurteilung eines Lehrers des A.-Heims wegen Übergriffen gegenüber Zöglingen ist vielmehr ein Beleg dafür, dass auch damals schon Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte im Falle einer Anzeige ermittelt haben und es auch zu Verurteilungen kommen konnte. Der pauschale Verdacht, Mitte der siebziger Jahre seien alle Vorwürfe des (sexuellen) Missbrauchs von Heimzöglingen unter den Teppich gekehrt worden, trifft also nicht zu. Wäre keine Verurteilung des Heimleiters T. erfolgt und damit die Anzeige gegen ihn im Sande verlaufen, wäre eine dementsprechende Aussage des Polizeipräsidenten für den Senat nachvollziehbar, aber nicht in dem Falle einer gerade eben erfolgten erfolgreich abgeschlossenen Strafverfolgungsmaßnahme. Dies hätte vielmehr gerade Anlass für einen Polizisten, der ohnehin von Amts wegen Straftaten zu verfolgen hat, sein müssen, dem Kläger erst recht zu einer Anzeige zu raten, zumal das vom Kläger behauptete strafbare Verhalten insbesondere mit der Vergewaltigung durch den Zeugen F. wesentlich gravierender ist als die zur Verurteilung des Heimleiters T.s führende Körperverletzung in Form der Züchtigung von Kindern.

Darüber hinaus haben die behaupteten Ratschläge den Kläger dann aber nicht davon abgehalten, doch noch im März 2014 Strafanzeige gegen die Zeugen F. und G. zu erstatten, obwohl zu diesem Zeitpunkt die Erfolgsaussichten dieser Strafanzeigen viel geringer waren als etwa in den 80iger oder 90iger Jahren des letzten Jahrhunderts, da selbst eine Vergewaltigung nach einem derart langen Zeitablauf verjährt ist, wie auch von der Staatsanwaltschaft festgestellt wurde.

Davon abgesehen sind die vom Kläger behaupteten Ratschläge, selbst wenn sie erfolgt sein sollten, keine hinreichende Entschuldigung für eine unterlassene Strafanzeige bzw. unterlassene Antragstellung. Gerade weil die Anschuldigungen des Klägers insbesondere im Hinblick auf die behauptete Vergewaltigung durch den Zeugen F. so gravierend sind, sind bloße Ratschläge Dritter kein zureichender Grund, von einer Anzeige bzw. einer Antragstellung auf Leistungen nach dem OEG abzusehen. Es ist nicht ersichtlich, dass es für den Kläger aus anderen Gründen nach Erreichen der Volljährigkeitsgrenze und endgültiger Beendigung der Heimunterbringung unzumutbar gewesen wäre, eine Strafanzeige zu erstatten. Eine besondere Nähebeziehung des Klägers zu den Tätern oder das Bestehen von wirtschaftlicher Abhängigkeit von diesen - Umstände, die etwa im Falle des sexuellen Missbrauchs eines Elternteils an seinem Kind eine derartige Unzumutbarkeit begründen können - liegen hier nicht vor. Auch ist nicht ersichtlich, dass sich der Kläger bei einer Anzeige selbst der Gefahr einer Strafverfolgung ausgesetzt hätte, wenn man die Möglichkeit einer Anzeige wegen falscher Verdächtigung, die aber mit jeder Anzeige verbunden ist, außer Betracht lässt.

Zusammenfassend war es aus Sicht des Senats für den Kläger auch bei entsprechender Anlegung der Maßstäbe des § 2 Abs. 2 OEG in diesem Zusammenhang (vgl. hierzu Friedrich, Anmerkung zur Entscheidung des BSG vom 15. Dezember 2016, B 9 V 3/15 R, SGb 2018, 116 ff.) nicht unzumutbar gewesen, nach Erreichen der Volljährigkeit und Beendigung der Heimunterbringung Strafanzeige zu erstatten. Durch das am 1. Januar 1975 in Kraft getretene Gesetz zur Neuregelung des Volljährigkeitsalters vom 31. Juli 1974 wurde der Eintritt der Volljährigkeit vom vollendeten 21. Lebensjahr auf die Vollendung des 18. Lebensjahres herabgesetzt. Der im Februar 1960 geborene Kläger ist also im Februar 1978 volljährig geworden. Es wäre dem Kläger durchaus zuzumuten gewesen, in den 80iger oder 90iger Jahren des letzten Jahrhunderts Anzeige zu erstatten. Jedenfalls ein Abwarten hiermit bis zum Jahr 2014 ist in keiner Weise nachvollziehbar.

Damit ist § 15 KOV-VfG nicht anwendbar.

Der Senat hat keine volle richterliche Überzeugung davon gewinnen können, dass die geschilderten Vorfälle so stattgefunden haben, wie sie vom Kläger geschildert wurden. Zwar verlangt der Vollbeweis keine absolute Gewissheit, sondern lässt eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit ausreichen, da ein darüber hinausgehender Grad an Gewissheit so gut wie nie zu erlangen ist. Das bedeutet, dass auf dem Vollbeweis gewisse Zweifel innewohnen können und verbleibende Restzweifel bei der Überzeugungsbildung unschädlich sind, solange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten. Eine Tatsache ist aber nur dann bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016, Az. B 9 V 3/15 R, m.w.N., in juris).

Vernünftige Zweifel verbleiben aber in Bezug auf alle geschilderten Vorgänge.

Im Vordergrund steht als gravierendste Tat die behauptete Vergewaltigung durch den Zeugen F. nach dem vom Kläger geschilderten Fahrradunfall in der Außenwohngruppe des A.-Heims in der N-Straße in H-Stadt.

Der Senat hat nach Würdigung der Aussagen des Klägers und der Zeugen in der mündlichen Verhandlung sowie des gesamten Akteninhalts ganz erhebliche Zweifel daran, dass der Kläger tatsächlich vom Zeugen F. in der Außenwohngruppe in der N-Straße in H-Stadt vergewaltigt worden ist.

Die Aussagen des Klägers zu diesem Tatgeschehen sind nur sehr vage und wenig präzise. Eine Beschreibung des eigentlichen Vergewaltigungsaktes konnte der Kläger nicht abgeben. Begründet hat er dies damit, dass er einen Filmriss habe, da er betrunken gemacht worden sei. Bei seiner Antragstellung hat der zudem angegeben, nach seinem "Filmriss" seien E. und C. zurückgekommen und hätten den Zeugen F. in eindeutiger Pose über ihm (Vergewaltigung von hinten) ertappt. C. habe dann den Zeugen F. verprügelt. Die Tat habe im Erzieher- oder Wohnzimmer stattgefunden.

Diese Angaben sind für den Senat unglaubwürdig, da sie mit den Aussagen des Zeugen H. ("E.") in der mündlichen Verhandlung nicht vereinbar sind. Der Zeuge H. hat angegeben, er habe Schreie des Klägers aus dem Keller gehört. Zu dem eigentlichen Vorfall im Keller, was dort passiert sei, könne er keine Aussagen mehr machen. Er könne sich auch nicht daran erinnern, was ihm dann später darüber erzählt worden sei. Er könne auch nichts dazu sagen, ob der Kläger betrunken gewesen sei. Der Zeuge H. hat also gerade nicht bestätigt, dass der Zeuge F. in eindeutiger Pose über dem Kläger gewesen sei. Vielmehr konnte er zu dem eigentlichen behaupteten Vergewaltigungsgeschehen aus eigener Anschauung keinerlei Angaben machen. Er konnte sich noch nicht einmal erinnern, was ihm dann später darüber erzählt worden ist. Dies ist erstaunlich, da es sich, wenn man den Angaben des Klägers folgt, doch um einen außergewöhnlichen und ganz gravierenden Vorfall gehandelt hat, der, wenn er sich tatsächlich so abgespielt hätte, mit Sicherheit in allen Einzelheiten von den anwesenden Heimzöglingen erörtert worden wäre. Darüber hinaus konnte der Zeuge H. auch nicht bestätigen, dass der Kläger alkoholisiert gewesen sei. Dies ist ebenfalls nicht nachvollziehbar, da der Kläger, wenn man seinen Angaben Glauben schenkt, in einem sehr erheblichen Maße alkoholisiert gewesen sein muss, da er hierdurch einen "Filmriss" erlitten hat.

Schließlich sind die Angaben des Klägers zu der zeitlichen Einordnung dieses Vorfalls nicht konsistent und unglaubwürdig. Der Kläger hat in einer eidesstattlichen Versicherung gegenüber dem Landgericht München I vom 18. März 2014 von einem Zeitraum Ende 1974 bis in die ersten Monate 1975, also im Winter und jedenfalls vor dem Stichtag nach § 10a Abs. 1 OEG, gesprochen. Auch in seiner Anzeige gegen die Bundesrepublik Deutschland vom 28. Januar 2014 hat er nur Taten zwischen 1969 und 1975 behauptet. Die Datierung der Vergewaltigung durch den Kläger in einer E-Mail vom 19. Oktober 2014 dann später in das Jahr 1976 kurz vor oder kurz nach dem im Sommer 1976 stattgefundenen Englandaufenthalt erscheint angesichts dieser Umstände als wenig überzeugend. Denn im Antrag auf Gewährung von OEG-Leistungen vom 16. Juli 2014 hatte der Kläger behauptet, er sei auf einem zugefrorenen Bahngleis in H-Stadt gestürzt. Dies ist kurz vor oder kurz nach dem im Sommer 1976 stattgefundenen Englandaufenthalt nicht vorstellbar.

Im Klageverfahren wurde dann schriftsätzlich vorgetragen, die Vergewaltigung habe sich nach dem Englandaufenthalt des Klägers ereignet, bei dem er einen Sprachkurs belegt habe. Dieser habe in den Sommerferien 1976 stattgefunden. Der zeitliche Bezugspunkt in seiner Erinnerung sei stets der Englandaufenthalt gewesen. Bis Ende 2014 sei der Kläger davon ausgegangen, dass er sich im Sommer 1975 in England aufgehalten habe. Wie sich jedoch nach Akteneinsicht beim Betreuungsgericht am 6. November 2014 herausgestellt habe, habe dieser Aufenthalt erst im Sommer 1976 stattgefunden. Dies ist ebenfalls nicht nachvollziehbar, da der Kläger nicht erst seit dem 6. November 2014 unter Bezugnahme auf den Englandaufenthalt einen späteren Termin der Vergewaltigung durch den Zeugen F. geltend gemacht, sondern bereits vorher durch E-Mail vom 19. Oktober 2014. Der zeitlichen Einordnung in das Jahr 1976 steht im Übrigen auch die eidesstattliche Versicherung des H. B. entgegen, der in diesem Zusammenhang vom Winter des Jahres 1974 gesprochen hat und der nach den Angaben des Klägers diese Erklärung nicht aufgrund einer Beeinflussung seitens des Klägers abgegeben hat. Auch der Zeuge H. hat in seiner eidesstattlichen Versicherung auf die Jahre 1974 und 1975 verwiesen, in der mündlichen Verhandlung konnte er hierzu dann keine Angaben mehr machen.

Der angeschuldigte Zeuge F. hingegen hat für den Senat glaubwürdig bestritten, den Kläger vergewaltigt zu haben. Das Entsetzen über diese gravierende Anschuldigung war dem Zeugen F. ins Gesicht geschrieben. Es stand außerhalb der Vorstellungskraft des Senats, dass dieses Entsetzen gespielt sein könnte. Gerade auch weil der Zeuge F. in Bezug auf den Zeugen H. die Möglichkeit eines Fehlverhaltens (evtl. unsittliche Berührung ohne eigene Erinnerung daran) im Zustand der Trunkenheit mit dem deutlichen Ausdruck des Bedauerns ("die Sache mit dem Zeugen H. im Kloster W. tue ihm leid") eingeräumt, also nicht jeden Vorwurf pauschal abgestritten hat, hielt der Senat seine Einlassungen für glaubwürdiger als die Vorwürfe des Klägers.

Dem Senat erschien in diesem Zusammenhang auch völlig unplausibel, dass der Zeuge F. ein derart gravierendes Delikt wie eine Vergewaltigung eines Heimzöglings in einem Umfeld begeht, bei der eine Entdeckung der Tat nahezu sicher gewesen sein muss. Denn nach den Angaben des Zeugen H. war der Zeuge F. nicht allein mit dem Kläger in dem Reihenhaus in der N-Straße, sondern es waren andere Jugendliche vor Ort. Diese seien aufgrund der Schreie des Klägers in den Keller gelaufen. Aus Tätersicht ist es jedoch ausgesprochen irrational, in der nahen Gegenwart Dritter eine Vergewaltigung zu begehen. Für den, auf den Senat keinen irrationalen Eindruck machenden Zeugen F. hätte sich sicher, wenn er denn dies gewollt hätte, eine bessere Gelegenheit für eine derartige Tat geboten als am Nachmittag in einer Außenwohngruppe, in der mehrere andere Jugendliche anwesend sind.

Auch die Aussage der unbeteiligten Zeugin E. spricht gegen die Vergewaltigungsvorwürfe des Klägers. Die Zeugin E. hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat glaubhaft angegeben, sie habe damals keine Kenntnis von dem Vorfall (Vergewaltigung des Klägers nach einem Fahrradunfall in der N-Straße durch den Zeugen F.) gehabt. Sie wäre jedoch sicher von den Jugendlichen oder von den Erziehern R. hierüber informiert worden, wenn da etwas gewesen wäre. Für den Senat erschien diese Einlassung auch deshalb überzeugend, weil sich die Jugendlichen bereits wegen dem wesentlich geringfügigeren angeblichen Vorfall im Kloster W. an die Zeugin E. gewandt hatten. Gerade weil der Heimleiter T. strafrechtlich verfolgt worden ist, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Verantwortlichen des A.-Heims alle strafrechtlich relevanten Vorfälle der Gewalt gegenüber den anvertrauten Jugendlichen und insbesondere eine derart gravierende Straftat wie eine Vergewaltigung unter den Teppich gekehrt haben.

Die Zeugin H.-A. hat verständlicherweise aus eigener Anschauung keine verwertbaren Angaben hierzu machen können.

Die eidesstattliche Versicherung des bereits verstorbenen H. B. konnte den Senat schließlich auch nicht davon überzeugen, dass der Zeuge F. den Kläger vergewaltigt hat. Diese enthält nur vage Behauptungen, die auf Hörensagen beruhen. Eigene Wahrnehmungen zum Tatgeschehen werden von Herrn B. hierin ebenfalls nicht geschildert.

Damit konnte der Senat nicht die volle Überzeugung gewinnen, dass der Kläger tatsächlich von dem Zeugen F. vergewaltigt worden ist. Gleiches gilt auch für die weiteren Vorwürfe des Klägers gegen den Zeugen F. in Form der Selbstbefriedigung vor dem Kläger bzw. von unsittlichen Berührungen. Auch hier erschien dem Senat wenig plausibel, dass der Zeuge F. nach den Angaben des Klägers Taten begangen haben soll, die mit einem derart hohen Entdeckungsrisiko verbunden sind. Denn durch das Ejakulieren auf eine Bettdecke entstehen nicht mehr durch den Täter zu beseitigende Spuren. Auch soll der Zeuge F. unsittliche Berührungen in Anwesenheit Dritter (C. F.) begangen haben.

Der Zeuge F. hat für den Senat ebenso überzeugend wie beim Vorwurf der Vergewaltigung derartige Verhaltensweisen bestritten. Diese seien für ihn unvorstellbar. Sexuelle Kontakte zum Kläger habe es nicht gegeben. Er habe den Kläger nicht länger betreuen wollen, weil er gewusst habe, dass er ihm nicht gerecht werden könne. Er habe nicht das Gefühl gehabt, vorurteilsfrei mit dem Kläger umgehen zu können. Schließlich sei er auch 40 Jahre Trainer in Sportvereinen für Erwachsene und Jugendliche gewesen. Dort sei nie etwas vorgefallen, er sei auch nie wegen derartiger Straftaten verurteilt worden. Der Senat hat keine Veranlassung gesehen, diese Angaben des Zeugen in Zweifel zu ziehen. Diese passen jedoch nicht in das vom Kläger gezeichnete Bild des Zeugen F. als Intensiv-Sexualverbrecher, der zu mehrfachen, teils schwersten Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in der Lage sein soll.

Auch aus dem Umstand, dass der Zeuge F. dem Zeugen H. eine Geldzuwendung hat zukommen lassen, lassen sich keine relevante Rückschlüsse zugunsten des Klägers ziehen. Der Zeuge F. hat angegeben, dass er mehreren Zöglingen, denen es nicht so gut gehe, etwa auch einem Äthiopier, bereits jetzt helfen wolle. Er habe daher diesen, unter anderem auch dem Zeugen H., Geldzuwendungen aus einer Erbschaft gemacht. Dies ließe grundsätzlich die Vermutung zu, der Zeuge F. wollte damit seinem, auch in der mündlichen Verhandlung erkennbaren schlechten Gewissen gegenüber dem Zeugen H., abhelfen. Dem Kläger hat der Zeuge F. aber keine Geldzuwendung zukommen lassen. Der Umstand, dass an den Kläger Zuwendungen durch den Zeugen F. unterblieben sind, spricht dann sogar eher gegen Missbrauchshandlungen gegenüber dem Kläger als dafür.

Die gleichen Bedenken des Senats bestehen auch in Bezug auf die vom Kläger geltend gemachte Aufforderung zum Nacktduschen durch den Zeugen F ... Diese stellt davon abgesehen noch keinen tätlichen Angriff dar. Für die Annahme eines sexuellen Missbrauchs von Kindern genügen Handlungen nicht, die objektiv nicht sexualbezogen sind, selbst dann, wenn sie vom Täter als solche betrachtet werden sollten. Hierzu zählt auch die Aufforderung zum Nacktbaden (vgl. F., StGB, § 176 Rn. 11 m.w.N.). Ein darauffolgender sexueller Übergriff wird vom Kläger nicht konkret behauptet, sondern nur dargetan, dass eventuell ein solcher stattgefunden haben könnte. Dies reicht jedoch für die Annahme eines tätlichen Angriffs nicht aus.

Auch die Missbrauchsvorwürfe gegenüber dem Zeugen G. haben sich in der mündlichen Verhandlung in keiner Weise erhärtet. Der Zeuge G. hat einen Vorfall geschildert, bei dem er dem Kläger nähergekommen ist. Dies sei an dem Tag gewesen, als der Kläger angerufen hatte, weil er von seiner Mutter von der Wohnung verwiesen und die Schulsachen über die Treppe gekippt worden seien. Er, der Zeuge, sei dann sofort zum Kläger gefahren. Es sei die Mutter erschienen und habe ihn mit einem Grillspieß in den Oberarm gestochen. Er sei dann mit dem Kläger mit dem Auto zum Büro zurückgefahren. Der Kläger sei völlig aufgelöst gewesen. Da könne er nicht ausschließen, dass er den Kläger dann in seinem Arbeitszimmer auf seinen Schoß genommen und beruhigt habe, mehr jedoch nicht. Den Vorwurf des Klägers, er habe ihm auf der Autofahrt zwischen die Beine an die Genitalien gegriffen, hat er als völlig aberwitzig zurückgewiesen. Er hat für den Senat nachvollziehbar dargelegt, dass er bei Autofahrten seine Hände am Steuer habe. Der Zeuge G. hat auf den Senat einen ruhigen, glaubwürdigen und überzeugenden Eindruck gemacht. Er hat seine zu einer Verurteilung wegen Falschaussage in Zusammenhang mit der Verurteilung des Herrn T. zu einem halben Jahr Gefängnis erfolgte Falschaussage erläutert. Der Fehler, der ihm damals unterlaufen ist, lässt nicht darauf schließen, dass der Zeuge G. gegen besseres Wissen Herrn T. gedeckt hat. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass die Zeugin E. erklärt hat, ihr sei damals auch nicht bekannt geworden, dass Herr G. unsittliche Berührungen vorgenommen habe.

Schließlich hat auch der Zeuge C., derzeitiger Geschäftsführer beim K. e.V. ausgesagt, es sei damals eine Kommission gegründet worden zur Aufklärung von Vorkommnissen im Bereich des K. e.V ... Dieser habe ihre Arbeit ohne Ergebnis eingestellt. Die erfolgte Entschuldigung sei nur erfolgt, um den Streit zu beenden. Dies stützt die Vorwürfe des Klägers ebenfalls nicht.

Angesichts der vielen unglaubwürdigen Angaben des Klägers in Bezug auf die Vorgänge im A.-Kinderheim konnte sich der Senat auch nicht davon überzeugen, dass die sonstigen Anschuldigungen in Bezug auf Missbrauchshandlungen vor der Aufnahme des Klägers in das A.-Kinderheim zutreffend sind. Irgendwelche objektiven Belege für die dort geltend gemachten tätlichen Angriffe (Sex-Spiele einer Mutter im SOS-Kinderdorf, Selbstbefriedigung durch Ordensschwestern im M. Kinderheim in Form der Selbstbefriedigung auf dem Kopf des Klägers, Prügel, Körperverletzungen mit einem Stein) gibt es nicht. Es sind weder Zeugen noch sonstige Unterlagen über die Heimaufenthalte des Klägers vorhanden. Die Taten muten teilweise auch nach Auffassung des Senats so absonderlich an (Selbstbefriedigung von Nonnen auf den Köpfen von Kindern), dass erhebliche Zweifel bestehen, dass sie sich tatsächlich so zugetragen haben. Im Übrigen nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Beklagten und des SG und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG, § 153 Abs. 1 SGG i.V.m. § 136 Abs. 3 SGG).

Der Senat ist nach alledem nicht davon im Sinne des Vollbeweises davon überzeugt, dass der Kläger Opfer vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriffe geworden ist.

Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass für ihn sämtliche vom Kläger erhobenen Anschuldigungen auch nicht glaubhaft im Sinne des § 15 KOV-VfG erscheinen. Selbst bei der Anlegung dieses Beweismaßstabes kommt es nach Auffassung des Senats nicht zu einem anderen Ergebnis.

Bei dem "Glaubhafterscheinen" im Sinne des § 15 Satz 1 KOV-VfG handelt es sich um den mildesten Beweismaßstab des Sozialrechts. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit, d.h. der guten Möglichkeit, dass sich der Vorgang so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können. Dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaftzumachende Tatsache sprechen. Es reicht die gute Möglichkeit aus, d.h. es genügt, wenn bei mehreren ernstlichen Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht. Von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss einer den übrigen gegenüber ein gewisses (kein deutliches) Übergewicht zukommen. Wie bei den beiden anderen Beweismaßstäben reicht die bloße Möglichkeit einer Tatsache nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Das Gericht ist allerdings im Einzelfall grundsätzlich darin frei, ob es die Beweisanforderungen als erfüllt ansieht (BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016, Az. B 9 V 3/15 R, in juris, m.w.N.).

Aus Sicht des Senats ist es zwar möglich, dass sich die vom Kläger geschilderten Vorgänge so wie geschildert abgespielt haben. Von der guten Möglichkeit geht der Senat allerdings nicht aus. Es spricht nicht mehr dafür als dagegen, dass sich die Taten so zugetragen haben, wie sie vom Kläger behauptet werden. Angesichts der oben eingehend ausgeführten Ungereimtheiten in den Angaben des Klägers zu dem gravierendsten Tatkomplex der Vergewaltigung durch den Zeugen F. sah sich der Senat nicht mehr in der Lage, im Hinblick auf alle Vorwürfe des Klägers, die in keiner Hinsicht auf andere Weise zu objektivieren waren, zu der Annahme zu gelangen, dass besonders viel dafürspricht, dass die vom Kläger erhobenen Vorwürfe zutreffen. Der Senat geht ebenfalls davon aus, dass der Kläger eine schwierige Kindheit und Schulzeit durchlebt hat. Wie das SG zutreffend dargestellt hat, stellen die mit der Heimunterbringung verbundenen Belastungen als solche ohne hinreichende Glaubhaftmachung konkreter vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriffe jedoch keinen Entschädigungsgrund dar, auch wenn das Entschädigungsbegehren des Klägers insoweit sehr stark ausgeprägt ist.

Dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsantrag auf Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens war vom Senat nicht zu entsprechen. Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 17. April 2013, Az. B 9 V 3/12 R, in juris, deutlich herausgearbeitet, dass die Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Angaben grundsätzlich zu den Aufgaben des Tatrichters gehört. Die Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens komme daher nur ausnahmsweise in Betracht. Sie könne dann geboten sein, wenn die betreffenden Angaben das einzige das fragliche Geschehen belegende Beweismittel sind und Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie durch eine psychische Erkrankung der Auskunftsperson und deren Behandlung beeinflusst werden können.

Ein derartiger Fall ist hier nicht gegeben. Zwar stellen die Angaben des Klägers im Wesentlichen das einzige Beweismittel dar. Es sind aber keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass diese durch eine psychische Erkrankung oder deren Behandlung beeinflusst worden sind. Dies wurde vom Kläger selbst schon nicht geltend gemacht. Derartiges lässt sich aber auch weder aus den vorliegenden Befundberichten noch aus den Gutachten von Dr. K. und Dr. B. ableiten. Aus Sicht des Senats liegt hier kein Ausnahmefall, sondern der Regelfall vor, bei dem die Beurteilung der Glaubwürdigkeit sowohl des Klägers als auch der Zeugen einer der Kernaufgaben der richterlichen Tätigkeit ist, die nicht einem Sachverständigen überlassen werden kann (vgl. die ständige Rechtsprechung des Senats, z.B. Urteil vom 26.01.16, Az.: L 15 V 30/09, unter Verweis auf die Rechtsprechung d. BVerfG, in juris).

Die Kostenentscheidung (§ 193 Sozialgerichtsgesetz - SGG) berücksichtigt, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.

Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
Saved