L 1 SF 533/17 B

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
-
Aktenzeichen
S 9 SF 15/17 E
Datum
-
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 SF 533/17 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG Meiningen vom 5. April 2017 (S 9 SF 15/17 E) wird zurückgewiesen. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Vergütung für ein Berufungsverfahren vor dem Thüringer Landessozialgericht (L 3 U 565/06) streitig.

Die Klägerin erhob am 23. August 2004 Klage (S 1 U 1326/04) vor dem Sozialgericht Meiningen (SG) und begehrte unter Aufhebung der entgegen stehenden Bescheide die Weiterzahlung der Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v.H. über den 31. Mai 2002 hinaus. Mit Urteil vom 27. April 2006 hob das SG die angefochtenen Bescheide auf und verurteilte die Beklagte antragsgemäß. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 10. Juni 2010 bewilligte der 1. Senat des Thüringer Landessozialgerichts (LSG) der Klägerin Prozesskostenhilfe (PKH) ab Antragstellung unter Beiordnung des Beschwerdegegners. Die Beteiligten schlossen zur Beendigung des Rechtsstreits einen Vergleich. Die Beklagte erklärte sich bereit, die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu übernehmen.

Mit Kostenrechnung vom 15. Januar 2015 (Eingang am 19. Januar 2015 beim Justizzentrum in Erfurt) beantragte der Beschwerdegegner die Festsetzung folgender Kosten für das Verfah-ren: Verfahrensgebühr Nr. 3204 VV RVG 372,00 EUR Terminsgebühr Nr. 3205 VV RVG 240,00 EUR Einigungsgebühr Nr. 1007 VV RVG 250,00 EUR Dokumentenpauschale Nr. 7000 Nr. 1a VV RVG (211 Kopien) 49,15 EUR

Fahrtkosten Nr. 7003 VV RVG 52,20 EUR Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV RVG 35,00 EUR Pauschale für Post-und Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Zwischensumme 1.018,35 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 193,49 EUR Gesamtbetrag 1.211,84 EUR

Mit "Kostenfestsetzungsbeschluss" vom 21. Mai 2015 veranlasste die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) des SG die Auszahlung der beantragten Vergütung. Mit Kostennachricht vom 21. Mai 2015 forderte das SG die Beklagte auf, 605,92 EUR an die Staatskasse zu überweisen. Dise erhob die Einrede der Verjährung.

Mit Verfügung vom 18. Januar 2016 teilte die UdG dem Beschwerdegegner mit, dem PKH- Erstattungsantrag sei unrichtigerweise entsprochen worden. Es sei Verjährung eingetreten. Er möge mitteilen, ob er bereit sei, den fälschlich gezahlten Betrag ohne förmlichen Aufhebungsbeschluss zurückzuzahlen. Dieser weigerte sich und führte aus, nach § 214 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) bleibe die verjährte Forderung erfüllbar. Ebenso könne das zur Befriedigung eines verjährten Anspruchs Geleistete nicht zurückgefordert werden, auch wenn in Unkenntnis der Verjährung geleistet worden sei. Soweit - wie hier -Sondervorschriften fehlten, begründe die Verjährung im öffentlichen Recht nur eine Einrede. Mit Beschluss vom 4. Februar 2016 hob die UdG ihren Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 22. Mai 2015 auf.

Hiergegen erhob der Beschwerdegegner am 24. Februar 2016 Erinnerung (S 9 SF 39/16 E). Der Beschwerdeführer beantragte am 29. November 2016, die Erinnerung zurückzuweisen. § 214 Abs. 2 BGB sei auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch auf eine zu viel gezahlte Vergütung des Sachverständigen weder direkt noch entsprechend anwendbar. Entsprechendes gelte für die Vergütung des PKH-Anwaltes nach §§ 45 ff. des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG). Zudem sei die UdG zur Änderung der Vergütungsfestsetzung vom 22. Mai 2015 nach § 197 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), § 59 RVG nicht zuständig gewesen sei. Er lege gegen die antragsgemäße Zahlung der Vergütung des Beschwerdegegners vom 22. Mai 2015 über 1.211,84 EUR Erinnerung nach § 56 RVG ein und beantrage, die aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung des Beschwerdegegners auf 0,00 EUR festzusetzen. Er erhebe die Einrede der Verjährung. Der Vergütungsanspruch sei am 10. Juni 2010 fällig geworden. Die 3-jährige Verjährungsfrist habe mithin am 31. Dezember 2010 begonnen und am 31. Dezember 2013 geendet. Der Staatskasse stehe mithin ein Leistungsverweigerungsrecht zu, dass auch im Erinnerungsverfahren nach § 56 RVG geltend gemacht werden könne.

Das SG hat mit Beschlüssen vom 5. April 2017 auf die Erinnerung des Beschwerdegegners den "Abänderungsbeschluss" vom 4. Februar 2016 aufgehoben (S 9 SF 39/16 E) und die Erinnerung des Beschwerdeführers gegen die Kostenfestsetzung vom 22. Mai 2015 zurückgewiesen. Die Erhebung der Verjährungseinrede sei nicht mehr möglich, da der Schuldner (= Staatskasse) den verjährten Anspruch befriedigt habe. Dies ergebe sich aus § 214 Abs. 2 BGB. Eine verjährte Forderung bleibe erfüllbar, d.h. der Schuldner könne Leistung nicht mehr zurückverlangen, auch wenn er in Unkenntnis der Verjährung geleistet habe. Für weitere, bisher nicht vorgetragene Einwendungen sei das Erinnerungsrecht der Staatskasse verwirkt. Im Übrigen sei nicht klar, ob der Beschwerdeführer überhaupt die Kostenfestsetzung durch die UdG der Höhe nach angreifen wollte, da sein alleiniger Vortrag sich auf die Erhebung der Verjährungseinrede gestützt habe.

Im Beschwerdeverfahren vertritt der Beschwerdeführer weiterhin die Ansicht, § 214 Abs. 2 BGB sei auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch auf eine zu viel gezahlte Vergütung weder direkt noch entsprechend anwendbar. Hilfsweise werde die Höhe der ausgezahlten Vergütung beanstandet, denn die Vergütungszahlung sei insgesamt beanstandet worden. Das Erinnerungsrecht sei nicht verwirkt. Vorliegend werde insbesondere die Gebührenbestimmung der Verfahrensgebühr Nr. 3204 VV RVG alter Fassung (a.F.) für unbillig gehalten. Es sei lediglich die Mindestgebühr (50,00 EUR) angemessen.

Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 25. April 2017) und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Zuständig für die Entscheidung ist nach dem aktuellen Geschäftsverteilungsplan des Thüringer Landessozialgerichts der 1. Senat. Die Berichterstatterin hat ihm mit Beschluss vom 12. August 2019 das Verfahren übertragen.

Anzuwenden ist das RVG in der Fassung bis 31. Juli 2013, denn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit im Sinne des § 15 RVG ist vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung am 1. August 2013 (§ 60 Abs. 1 Satz 1 RVG) erteilt worden. Die Beschwerde ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft und zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 EUR.

Die Beschwerde ist unbegründet. Der Beschwerdeführer kann die bereits gezahlte Vergütung nicht zurückfordern. Der Rückzahlung des auf die verjährte Forderung Geleisteten steht § 214 Abs. 2 BGB entgegen. Die mit Kostenrechnung vom 15. Januar 2015 geltend gemachte Vergütung des Beschwerdegegners war verjährt, was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist. Zur Vollständigkeit wird darauf hingewiesen, dass die UdG 2016 von Amts wegen zur Herabsetzung der Vergütung und Geltendmachung der Rückforderung nicht zuständig war (vgl. Thüringer LSG, Beschluss vom 19. April 2014 - L 6 SF 193/14 B).

Nach § 214 BGB ist der Schuldner nach Eintritt der Verjährung berechtigt, die Leistung zu verweigern (Absatz 1), das zur Befriedigung eines verjährten Anspruchs Geleistete kann nicht zurückgefordert werden, auch wenn in Unkenntnis der Verjährung geleistet worden ist. (Absatz 2 Satz 1).

Die vollendete Verjährung begründet ein dauerndes Leistungsverweigerungsrecht. Da der Anspruch trotz Verjährungsvollendung bestehen bleibt, ist er weiterhin erfüllbar. Der Schuldner kann nicht zurückverlangen, was er in Unkenntnis der Verjährung geleistet hat (vgl. Lakkis in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Auflage 2017, § 214 BGB, Rn. 3 und Rn. 23). Die UdG veranlasste trotz Verjährung des Vergütungsanspruchs des Beschwerdegegners die Auszahlung der Vergütung in beantragter Höhe. Dass dies in Unkenntnis der Verjährung getätigt wurde, ist nach § 214 Abs. 2 BGB ohne Belang.

Im öffentlichen Recht sehen zwar einige Vorschriften vor, dass die Verjährung zum Erlöschen des Anspruchs führt (z.B. §§ 232, 47 AO). Anders als z.B. in § 2 des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG; vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 12. Juni 2007 - L 6 B 131/06 SF) existiert im RVG keine solche Spezialregelung. Die Rückforderung der gezahlten Vergütung in Höhe von 1.211,84 EUR ist damit nach § 214 Abs. 2 BGB ausgeschlossen (so auch Bayerisches LSG, Beschluss vom 23. Mai 2018 - L 12 SF 25/17 E, nach juris).

Soweit der Beschwerdeführer die Höhe der ausgezahlten Vergütung beanstandet, ist dies unerheblich, weil die Rückforderung - wie ausgeführt - ausgeschlossen ist.

Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG). Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
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