S 4 AL 23/98

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Köln (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 4 AL 23/98
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AL 101/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 24.09.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.01.19998 verurteilt, der Klägerin weitere 533,37 DM nebst 4 91 Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der der Klägerin für ein Vorverfahren zu erstattenden außergerichtlichen Kosten. Gegenstand dieses Verfahrens war ein sog. Grundlagenbescheid nach § 128 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG). Der im Jahre 1940 geborene Arbeitnehmer T meldete sich am 05.02. mit Wirkung zum 01.04.1997 arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg). Nach der Ar-beitsbescheinigung war er vom 01.01.1988 bis zum 31.03.1997 bei der Klägerin beschäftigt, zuletzt als Organisator und Opera-tor/Datenverarbeitung. Das Arbeitsverhältnis endete durch eine Kündigung der Klägerin vom 16.05.1996 zum 31.03.1997. Mit Urteil vom 12.12.1996 hatte das Arbeitsgericht C die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers T abgewiesen (Az.: 3 Ca 1540/96). Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Kündigung nicht sozial ungerechtfertigt gemäß § 1 Abs. 2 und 3 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) sei. Mit. Bescheid vom 0.04.1997 bewilligte die Beklagte dem Arbeitnehmer T ab dem 01.04.1997 Alg für 832 Leistungstage. Nach Anhörung (Schreiben vom 03.04.1997) teilte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 28.05.1997 mit, dass sie verpflichtet sei, das ihrem ehemaligen Arbeitnehmer T gezahlte Alg/Arbeitslosenhilfe (Alhi) sowie die hierauf entfallenen Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung ab dem 10.09.1998 für längstens 624 Tage zu erstatten. Der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis nach Vollendung des 56. Lebensjahres beendet worden sei, sei bei ihr innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit mindestens 720 Kalendertage beitragspflichtig beschäftigt gewesen. Er erfülle derzeit nicht die Voraussetzungen für eine der in § 118 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 - 4 AFG genannten Leistungen oder für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit.

Mit ihrem Widerspruch wies die Klägerin darauf hin, dass die dem Arbeitnehmer T ausgesprochene Kündigung aus betriebs-bedingten Gründen unvermeidlich gewesen sei. Dies habe das Arbeitsgericht. Bonn mit Urteil vom 12.12.1996 rechtskräftig bestätigt. Mit Schreiben vom 05.08.1997 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die angefochtene Entscheidung aufgehoben werde und dem Widerspruch damit in vollem Umfang stattgegeben werde. Die Entscheidung vom 28.05.1997 über die Erstattungspflicht sei daher als gegenstandslos zu betrachten. Die der Klägerin im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten würden auf Antrag erstattet, soweit sie notwendig gewesen seien und nachgewiesen würden. Mit Schreiben vom 25.08.1997 reichten die Bevollmächtigten der Klägerin die Kostenrechnung ein. Sie wiesen darauf hin, dass bei der Festsetzung des Gegenstandswertes angenommen werde, dass bei Bestandskraft des angefochtenen Bescheides die Klägerin für 624 Tage das Tlg für Herrn T zu erstatten gehabt habe. Der Erstattungsbetrag habe insgesamt 35.736,48 DM betragen, dies sei deshalb der Streitwert des Verfahrens gewesen. Hieraus folge eine Gebühr in Höhe von insgesamt 1.137,12 DM (7,5/10 Prozeßgebühr gemäß §.§ 11, 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO 948,80 DM, Postgebührenpauschale gemäß § 26 BRAGO 40,00 DM, 15 % Umsatzsteuer 148,32 DM). Mit Bescheid vom 24.09.1997 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Kostenrechnung nur in Höhe von 603,75 DM anerkannt werden könne, weil gemäß § 8 Abs. 2 S. 2 2. Halbsatz der Gegenstandswert in einem Verfahren nach § 128 AFG 8.000,00 DM betrage. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.01.1998 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass es sich bei dem Grundlagenbescheid zu § 12R AFG um eine Angelegenheit handele, bei der aus der Sache heraus kein Gegenstandswert festgelegt werden könne, weil lediglich die Grundlage für eine eventuelle Forderung gelegt werden solle. Eine Festsetzung nach der Kostenordnung sei somit nicht möglich. Es müsse daher der für nicht vermögensrechtliche Verfahren geltende Wert von 2.000,00 DM als Gegenstandswert herangezogen werden. Die Prozeßgebühr (7,5/10) sei daher zutreffend auf 485,00 DM festgesetzt worden; zuzüglich der Postgebührenpauschale sowie der Umsatzsteuer ergebe sich ein Erstattungsbetrag von 603,75 DM. Es bestünden im übrigen Zweifel am Ansatz der Umsatzsteuer, da die Klägerin vermutlich zum Vorsteuerabzug berechtigt sei und es sich somit hei der Umsatzsteuer nicht um Kosten des Widerspruchsverfahrens handele. Gegen den am 02.02.1998 zugestellten Widerspruchsbescheid richtet sich die am 06.02.1998 erhobene Klage. Die Klägerin verbleibt bei ihrer Auffassung, dass die Beklagte zu Unrecht von einem Gegenstandswert in Höhe von 8.000,00 DM ausgehe. Der Grundlagenbescheid habe nämlich, falls dagegen nicht Widerspruch eingelegt worden wäre, ein Belastungsvolumen von 624 Tagen Alg zur Folge gehabt. Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des Bescheides vom 24.09.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.01.1998 die Beklagte zur Zahlung von weiteren 533,37 DM nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie verbleibt bei ihrer Auffassung. Ergänzend weist sie darauf hin, dass nach der Entscheidung des BSG vom 03.03.1998 (11 RAr 103/96) klar sei, dass es sich bei der im Grundlagenbescheid getroffenen Regelung um einen nicht vermögensrechtlichen Gegenstand handele. Auf Anfrage des Gerichts hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 04.01.2000 die Höhe einer möglichen Erstattungsforderung nach § 128 AFG für den Zeitraum vom 10.09.1998 bis zum 27.11.1999 mit insgesamt 74.250,44 DM beziffert. Die Klägerin hat auf Anfrage mitgeteilt, dass sie vorsteuerabzugsberechtigt sei. Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Rechtsstreites ohne mündliche Verhandlung zugestimmt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Leistungsakte des Arbeitnehmers T verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden er¬klärt haben (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetze§ - SGG -). Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 24.09.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.01.1998 beschwert die Klägerin im Sinne von 5 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Dieser Bescheid ist rechtswidrig. Die Beklagte hat die der Klägerin für das Widerspruchsverfahren zustehenden Kosten zu Unrecht auf 603,75 DM festgesetzt, der Klägerin stehen die von ihr geltend gemachten weiteren 533,37 DM zu. Die Beklagte geht zu Unrecht von einem Gegenstandswert des Vorverfahrens in Höhe von 8.000,00 DM aus. Als Streitwert dieses Verfahrens ist vielmehr 80 v. H. der Erstattungsforderung, die nach dem Grundlagenbescheid vom 28.05.1997 zu erwarten war, festzusetzen.

Festzustellen ist zunächst, dass die Erstattungspflicht der Beklagten dem Grunde nach unstreitig ist. Die Voraussetzungen des § 63 Abs. 1 S. 1 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch (SGB X) liegen vor. Auch hat die Beklagte mit dem Abhilfebescheid vom 05.08.1997 der Klägerin zugesagt, die ihr im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten zu erstatten, soweit sie notwendig gewesen und nachgewiesen worden seien. Auch die Voraussetzungen des § 63 Abs. 2 SGB X liegen vor. Hiernach sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwaltes oder eines sonstigen Bevollmächtigten im Vorverfahren erstattungsfähig, wenn die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten notwendig gewesen ist. Diese Notwendigkeit hat bestanden, weil das Widerspruchsverfahren weder rechtlich noch tatsächlich einfach gewesen ist. Die Beklagte hat im übrigen mit dem Bescheid vom 24.09.1997 konkludent die Zuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig anerkannt. Der Umfang der notwendigen Aufwendungen für den Rechtsanwalt ergibt sich aus der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (SS 25 - 30, 126 BRAGO); die Höhe der Gebühren ergibt sich aus § 18 i. V. m. § 116 BRAGO. Gemäß § 116 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BRAGO werden die Gebühren in Verfahren aufgrund öffentlich-rechtlicher Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und der Bundesanstalt für Arbeit nach dem Gegenstandswert berechnet. Um einen derartigen Rechtsstreit handelt es sich vorliegend. Die Beklagte hat gegen die Klägerin einen Erstattungsanspruch nach § 128 AFG geltend gemacht. Der Gegenstandswert ist gemäß § 8 Abs. 2 S. 1 BRAGO nach billigem Ermessen zu bestimmen, weil er sich nicht aus den in § 8 Abs. 2 S. 1 BRAGO aufgeführten und sinngemäß für anwendbar erklärten Vorschriften der Kostenordnung ergibt. Unter ergänzender Heranziehung der Vorschrift des § 13 des Gerichtskostengesetzes (GKG) ist deshalb der Gegenstandswert des Verfahrens nach billigem Ermessen zu bestimmen. Maßgeblich hierbei ist die Bedeutung der Sache für die Klägerin bzw. die Widerspruchsführerin. Der Bedeutung der Sache für die Klägerin entspricht in der Regel ihr wirtschaftliches Interesse an der Entscheidung und ihren Auswirkungen.

Gegenstand des Widerspruchsverfahrens war der sog. Grundlagenbescheid der Beklagten vom 28.05.1997. Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten handelte es sich jedoch nicht um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit. Der von ihr nach § 8 Abs. 2 S. 2 BRAGO genannte Regelstreitwert von 8.000,00 DM konnte deshalb nicht angesetzt werden. Von diesem Streitwert kann nur in Ermangelung genügend tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung sowie bei nichtvermögensrechtlichen Gegenständen ausgegangen werden. Die Feststellung der Erstattungspflicht nach § 128 AFG durch einen sog. Grundlagenbescheid stellt aber einen vermögensrechtlichen Gegenstand dar, dessen wirtschaftliche Bedeutung für den Er-stattungsverpflichteten auch feststellbar ist. Denn als wirtschaftlicher Hintergrund ist der Betrag anzusehen, der durch einen nachfolgenden Leistungsbescheid gefordert würde (Beschlüsse des LSG NRW vom 11.12.1998 - L 9 B 27/98 AL - sowie vom LSG Baden-Württemberg vom 14.12.1998 - L 12 AL 2237/98 W-B -). Die Kammer folgt daher nicht der Auffassung des BSG, dass es sich bei einem Grundlagenbescheid um einen nichtvermögensrechtlichen Gegenstand handele (Beschluss vom 03.03.1998 - 11 RAr 103/96 -). Das LSG Baden-Württemberg weist zu Recht darauf hin, dass das BSG seine Entscheidung insoweit nicht näher begründet habe. Vielmehr kann einem Grundlagenbescheid wegen des drohenden nachfolgenden Lei-stungsbescheides die vermögensrechtliche Relevanz nicht abgesprochen werden. Außerdem gibt es, da die voraussichtliche Höhe der Erstattungsforderung berechnet werden kann, genügend tatsächliche Anhaltspunkte für eine Schätzung des Gegenstandswertes. Festzustellen ist jedoch, dass ein sog. Grundlagenbescheid den Erstattungsverpflichteten weniger stark belastet als ein Bescheid, der bereits die Höhe der Erstattungsforderung im einzelnen festsetzt und daher auch vollstreckbar ist. Die Kammer folgt der Auffassung des LSG NRW (a. a. 0.), dass bei einem sog. Grundlagenbescheid nach § 128 AFG ein Abschlag von 20 v. H. angemessen sei. Entscheidend hierfür ist, dass Erstattungsbeträge nach § 128 AFG keinen größeren Schwankungen unterliegen, sondern durch die Höhe des gezahlten Arbeitslosengeldes bestimmt werden.

Entscheidend ist daher zunächst die Höhe der Erstattungsforderung, die die Beklagte voraussichtlich nach Bestandskraft des Bescheides vom 28.05.1997 festgesetzt hätte. Auf Anfrage des Gerichts hat die Beklagte hier für den Zeitraum vom 10.09.1998 bis zum 27.11.1999 eine Erstattungsforderung in Höhe von 74.250,44 DM angegeben (Alg sowie Beiträge zur Kranken-, Renten- sowie Pflegeversicherung). Ob dieser Betrag im einzelnen zutreffend ist, brauchte die Kammer nicht festzustellen, da die Klägerin lediglich einen Gegenstandswert in Höhe von 35.736,48 DM geltend macht. Nach Abzug des Abschlages in Höhe von 20 v. H. (14.850,09 DM) verbleiben 59.400,35 DM, die den Gegenstandswert des Widerspruchsverfahrens darstellen. Bei diesem Gegenstandswert beträgt die 7,5/10 Prozeßgebühr gemäß §5 ii, 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO 1.173,80 DM - zuzüglich der Postgebührenpauschale gemäß § 26 BRAGO in Höhe von 40,00 DM ergibt sich somit eine Gebühr in Höhe von 1.213,80 DM. Nicht entschieden werden braucht, ob dieser Gebühr die Umsatzsteuer von 15 % hinzuzurechnen ist. Die Beklagte hat dem Kläger lediglich den Betrag in Höhe von 603,75 DM erstattet, so dass auch ohne Berücksichtigung der Umsatzsteuer zumindest noch der Betrag in Höhe von 610,05 DM zu übernehmen ist. Bereits dieser Betrag übersteigt die Klageforderung.

Nach alldem war der Klage mit der Kostenfolge aus § 193 SGG stattzugeben.
Rechtskraft
Aus
Saved