S 16 KR 33/15

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Halle (Saale) (SAN)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 16 KR 33/15
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über das Ruhen eines Krankengeldanspruchs während eines Auslandsaufenthaltes nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).

Der 1986 geborene Kläger ist Gerüstbauer und bei der Beklagten pflichtversichert. Bei ihm wurde durch die Fachärzte für Innere Medizin/Allgemeinmedizin ..., ... und ... am 28.7.2014 eine bis zum 29.7.2014 andauernde Arbeitsunfähigkeit (AU) wegen sonstiger Rückenschmerzen im Zervikothorakalbereich (M 54.83 G) sowie wegen Gelenkschmerzen im Unterarm (M 25.53 G) festgestellt. Am 1.8.2014 wurde durch die Fachärzte für Allgemeinmedizin Dr ... und ... eine zunächst bis zum 8.8.2014 andauernde AU wegen eines Zervikobrachial-Syndroms (M53.1 G) und einer Radikulopathie im Lumbalbereich (M 54.16 G) festgestellt, die am 8.8.2014 bis zum 3.9.2014 und am 1.9.2014 bis zum 29.9.2014 verlängert wurde. Die Beklagte gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 28.8.2014 Krankengeld ab dem 29.7.2014 in Höhe von brutto 43,59 EUR je Kalendertag.

Der Kläger informierte die Beklagte über seinen geplanten Auslandsaufenthalt in ..., ... vom 8. bis zum 12.9.2014. Er gab an, mit dem Auto die Reise antreten zu wollen. Eine Behandlung sei während des Aufenthalts nicht nötig.

Die Beklagte befragte den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK), ob der Reise aus medizinischen Gründen zugestimmt werden könne. MDK-Gutachter Dr ... schätzte in seiner sozialmedizinischen Fallberatung ein, dass aufgrund der muskuloskelettalen Problematik eine Urlaubsreise mit einer derart langen Autofahrt und den damit verbundenen Zwangshaltungen nicht zu empfehlen sei. Außerdem sei nicht plausibel, dass eine Behandlung in dieser Zeit nicht nötig sei.

Die Beklagte teilte dem Kläger mit Bescheid vom 16.9.2014 mit, dass wegen der langen Autofahrt zum Urlaubsort und der damit verbundenen Wirbelsäulenzwangshaltungen der Reise nicht zugestimmt werden könne und der Anspruch auf Krankengeld in der Zeit vom 8. bis zum 12.9.2014 ruhen werde.

Hiergegen legte der Kläger am 24.9.2014 Widerspruch ein. Der Urlaub sei bereits im Februar 2014 gebucht worden. Seine Ärztin habe keine Einwände gegen die Kurzreise. Es seien während der Autofahrt – auch wegen des Hundes – alle 1,5 bis 2 Stunden Pausen eingelegt worden. Er selbst sei nur Beifahrer gewesen. Zweck der gesetzlichen Vorschrift des Ruhens des Krankengeldanspruchs seien die Schwierigkeiten bei der Feststellung der AU sowie eine Missbrauchsgefahr. Beides liege nicht vor.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21.1.2015 zurück. Bei den vorliegenden Diagnosen sei davon auszugehen, dass sich die innerhalb kurzer Zeit erforderlichen langen Autoreisen zum Urlaubsort und zurück nicht gesundheitsfördernd auswirken würden. Die Zwangshaltungen stünden vielmehr einer Besserung der gesundheitlichen Beschwerden entgegen und es bestehe die Gefahr, der Verschlimmerung und damit der Verlängerung der AU.

Der Kläger hat am 10.2.2015 Klage vor dem Sozialgericht Halle erhoben. Die Beklagte habe abweichend von der Vorstellung des Gesetzgebers darauf abgestellt, ob die Autoreise der Gesundheit des Klägers schade. Der Gesetzgeber wolle aber allenfalls einen Missbrauch vermeiden, der nicht vorliege, da die AU ordnungsgemäß bescheinigt wurde.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

den Bescheid vom 16.9.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.1.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für den Zeitraum vom 8. bis zum 12.9.2014 Krankengeld in Höhe von brutto 43,59 EUR zu zahlen,

hilfsweise

den Bescheid vom 16.9.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.1.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Antrag des Klägers erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie führt ergänzend zu ihren bisherigen Ausführungen aus, es seien sowohl die Aspekte des Versicherten als auch der Solidargemeinschaft berücksichtigt worden. Die 5-tägige Urlaubsreise habe innerhalb eines kurzen Zeitraums zwei langen Autofahrten zwischen ... und ... beinhaltet. Im Rahmen ihres Ermessens habe die Beklagte ihre Zustimmung zu der Reise nicht erteilt, so dass der Anspruch auf Krankengeld ruhe.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten, die sämtlich Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit übereinstimmend einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid vom 16.9.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.1.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Zu Recht hat die Beklagte den Antrag des Klägers auf Zustimmung zum Auslandsaufenthalt während des Bezugs von Krankengeld abgelehnt und das Ruhen des Krankengeldanspruchs festgestellt.

Gemäß § 44 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht.

Nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V ruht der Anspruch auf Leistungen, solange Versicherte sich im Ausland aufhalten. Dies ist vorliegend der Fall. Der Kläger hielt sich im Zeitraum vom 8. bis zum 12.9.2014 in ... auf.

Die Ausnahme von der gesetzlichen Ruhensanordnung nach § 16 Abs. 4 SGB V ist nicht einschlägig. Danach ruht der Anspruch auf Krankengeld nicht, solange sich Versicherte nach Eintritt der AU mit Zustimmung der Krankenkasse im Ausland aufhalten. Es fehlt vorliegend an der Zustimmung der Beklagten zum Auslandaufenthalt.

Bei der Entscheidung über die Erteilung der erforderlichen Zustimmung der Krankenkasse, die im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten gemäß § 39 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) steht, hat die Krankenkasse alle Umstände des Einzelfalles abzuwägen. Wie der Kläger zu Recht ausführt, hat die Krankenkasse zu berücksichtigen, ob die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit im Ausland zweifelhaft ist oder ob eine missbräuchliche Inanspruchnahme ausgeschlossen werden kann. Nach dem Zweck der Norm steht dabei entgegen der Auffassung des Klägers jedoch auch im Vordergrund, ob durch den Auslandsaufenthalt die Gefahr einer Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit besteht, etwa weil eine notwendige medizinische Behandlung dadurch unterbrochen wird oder weil die Reise dem Genesungsprozess abträglich ist. Auch der Zweck der Reise ist zu prüfen.

Die Ermessensentscheidung der Beklagten ist dabei nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar. Das Gericht darf bei der Ermessensüberprüfung nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Verwaltungsermessens setzen. Bei der Überprüfung der eigentlichen Ermessensentscheidung findet nur eine Rechtskontrolle, keine Zweckmäßigkeitsüberprüfung statt. Das Gericht überprüft lediglich, ob ein Ermessensfehler vorliegt und ob der Kläger durch diesen beschwert ist. Für die Rechtskontrolle durch das Gericht ist die Begründung des Bescheides und des Widerspruchsbescheides wesentlich. Dass von dem Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht worden ist, muss sich aus ihr ergeben; sie muss die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Verwaltung ausgegangen ist. Die Berücksichtigung und Angabe der Besonderheiten des Einzelfalls kennzeichnet eine ordnungsgemäße Ermessensausübung (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 54 SGG, Rn 28; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21.7.2015 – L 11 KR 1257/15 –, juris).

Zu den Ermessenfehlern zählen Ermessensnichtgebrauch, Ermessensunterschreitung, Ermessensüberschreitung und Ermessensfehlgebrauch. Ein Ermessensfehlgebrauch liegt vor, wenn die Behörde ein unsachliches Motiv oder einen sachfremden Zweck verfolgt, ferner wenn sie nicht alle maßgebenden Ermessensgesichtspunkte in die Entscheidung einbezogen oder wenn sie die abzuwägenden Gesichtspunkte fehlerhaft gewichtet oder einen unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat (BSG, Urteil vom 9.11.2010 – B 2 U 10/10 R –, juris).

Zur Überzeugung der Kammer liegt kein Ermessensfehler vor. Im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren hat die Beklagte ihr Ermessen ausgeübt und im Widerspruchs-bescheid die wesentlichen zu Grunde gelegten Gesichtspunkte für und wider eine Zustimmung dargelegt. Sie führt aus, dass während der innerhalb kürzester Zeit erforderlichen, langen Autofahrten Wirbelsäulenzwangshaltungen entstünden, die trotz Pausen nicht zu vermeiden seien. Dies sei nicht gesundheitsfördernd, sondern stünde vielmehr einer Besserung entgegen. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass keine Behandlung während der Zeit erforderlich sei.

Die Beklagte hat zugunsten des Klägers den Zweck der Reise als Urlaubsreise erkannt und auch berücksichtigt, dass diese bereits im Februar gebucht wurde. Ebenso wurde in die Ermessensprüfung eingestellt, dass die behandelnde Ärztin keine Einwände mitgeteilt hatte. Dennoch berücksichtigte die Beklagte zugunsten der Solidargemeinschaft, dass der MDK die Reise aufgrund der zwanghaften Sitzhaltung als Beifahrer bei den langen Autofahrten innerhalb der fünf Tage medizinisch nicht befürwortet hat. Dies sei auch durch die Pausen nicht ausreichend kompensierbar. Ein gesundheitsfördernder Aspekt sei nicht zu erkennen. Vielmehr seien eine Verschlimmerung und eine Verlängerung der AU zu befürchten.

Ein Ermessensfehlgebrauch ist darin nicht erkennbar. Ins Ermessen darf als Belang der Solidargemeinschaft eingestellt werden, mit welchen Aussichten die AU im Inland besser bzw. schneller beseitigt werden könnte, ob eine notwendige medizinische Behandlung durch die Reise unterbrochen wird oder die Reise dem Genesungsprozess abträglich ist. Die Versagung der Zustimmung zum Auslandsaufenthalt des Klägers in ... darf vorliegend darauf gestützt werden, dass durch die beiden Fahrten im Auto am 8. und am 12.9.2014 die Gefahr einer Verschlimmerung des Rückenleidens besteht.

Mangels Ermessensfehlern bleibt auch der Hilfsantrag erfolglos.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Berufung wird nicht zugelassen. Die Berufung ist zulassungsbedürftig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 EUR nicht überschreitet (vgl. § 144 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache kein grundsätzliche Bedeutung hat (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG) und das Urteil auch nicht von den Entscheidungen der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG benannten Gerichte abweicht.
Rechtskraft
Aus
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