S 17 AY 3/17

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Halle (Saale) (SAN)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
17
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 17 AY 3/17
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 27. April 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Januar 2017 verurteilt, an den Kläger für den Zeitraum vom 1. Mai bis 6. September 2016 319,80 EUR zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger 35 % der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten sind Anspruchseinschränkungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) umstritten.

Der am ... 1993 in ... geborene Kläger reiste am ... 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Nach eigenen Angaben ist er syrischer Staatsangehöriger. Am 04. November 2015 wurde er der Stadt ... zugewiesen. Einen Asylantrag stellte er am 17. Dezember 2015.

Mit Bescheid vom 12. November 2015 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab dem 04. November 2015 Leistungen aufgrund von § 3 AsylbLG, ab dem Monat Januar 2016 iHv. 564,00 EUR monatlich. Die Leistungen wurden in bar ausgezahlt. Ausweislich des Buchungsprotokolls zahlte die Beklagte dem Kläger noch am 03. März 2016 Leistungen iHv. 564,00 EUR in bar aus. Mit Bescheid vom 03. März 2016 über die Änderung laufender Leistungen nach dem AsylbLG entschied die Beklagte, dass die monatlichen Leistungen iHv. 564,00 EUR ab dem Monat April 2016 auf das persönliche Konto des Klägers überwiesen werde.

Mit Bescheid vom 1. Februar 2016 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) den Asylantrag gemäß § 27a AsylG (idF. v. 02. September 2008) als unzulässig ab, ordnete die Abschiebung nach Portugal an und befristete das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate. Mit Beschluss vom 01. März 2016 lehnte das VG Halle (7 B 44/16 HAL) den Antrag des Klägers, die aufschiebende Wirkung der am 16. Februar 2016 vor dem VG Halle (7 A 45/16 HAL) Klage anzuordnen, ab. Am 02. März 2016 informierte das BAMF die Ausländerbehörde der Beklagten, dass die Abschiebungsanordnung nach dem unanfechtbaren Beschluss des VG Halle seit dem 01. März 2016 vollziehbar sei. Laut Mitteilung des BAMF vom 17. Mai 2016 wurde die Klage durch Urteil des VG Halle am 07. April 2016 rechtskräftig abgewiesen, die Rechtskraft sei am 13. Mai 2016 eingetreten.

Mit Schreiben vom 22. März 2016 informierte der Fachbereich Einwohnerwesen, Abteilung Einreise und Aufenthalt, der Beklagten den Kläger darüber, dass Maßnahmen zu seiner Überstellung nach Portugal eingeleitet worden seien. Zugleich wurde er aufgefordert, sich zur Erteilung einer Duldung in der Ausländerbehörde einzufinden. Am 05. April 2016 erteilte die Beklagte dem Kläger eine bis zum 31. Dezember 2016 befristete Duldung. Am 08. April 2018 informierte das BAMF den Fachbereich Einwohnerwesen, Abteilung Einreise und Aufenthalt, der Beklagten u.a. über den Ablauf der Überstellungsfrist am 01. September 2016. Durch ein Schreiben des Evangelischen ... wurde dieser am 22. April 2016 darüber informiert, dass dem Kläger ab demselben Tag Kirchenasyl gewährt werde.

Mit Bescheid vom 27. April 2016 stellte die Beklagte die Leistungen nach § 3 AsylbLG ab dem 01. Mai 2016 ein. Dagegen legte der Kläger mittels anwaltlichen Schriftsatzes vom 10. Mai 2016 Widerspruch ein.

In einer "Mitteilung über Kirchenasyl" an die "zuständige Ausländerbehörde", die "zuständige Außenstelle des Bundesamtes", die/den "zuständige/r Superintendent/in" und die "Migrationsbeauftragte der Landeskirche" informierte das Kirch ... über das dem Kläger seit dem 22. April 2016 gewährte Kirchenasyl. Mit Schreiben vom 05. September 2016 informierte das BAMF den Fachbereich Einwohnerwesen, Abteilung Einreise und Aufenthalt, der Beklagten darüber, dass der Bescheid vom 01. Februar 2016 wegen Ablaufs der Überstellungsfrist am 01. September 2016 aufgehoben und die Entscheidung über den Asylantrag nunmehr im nationalen Verfahren ergehe. Mit Bescheid vom 06. September 2016 hob das BAMF seinen Bescheid vom 01. Februar 2016 auf.

In einer schriftlichen Erklärung vom 29. Dezember 2016 gab Herr Pfarrer ... vom Evangelischen ... an: Der Kläger habe vom 22. April 2016 bis 02. September 2016 Kirchenasyl erhalten. Das Kirch ... habe außer Unterkunft keine weiteren Leistungen finanzieller oder andere Art gewährt, weil es einen privaten Unterstützerkreis gegeben habe. Mit Bescheid vom 13. Oktober 2016 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab dem 07. September 2016 wieder Leistungen nach § 3 AsylbLG. Den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid der Beklagten vom 27. April 2016 wies das Landesverwaltungsamt mit Widerspruchsbescheid vom 11. Januar 2017 zurück. Dagegen richtet sich die am 03. Februar 2017 erhobene Klage.

Der Kläger hat vorgetragen: Zum Zeitpunkt der Leistungseinstellung durch die Beklagte sei die weitere Finanzierung des Lebensunterhalts des Klägers noch in keinster Weise geplant gewesen. Um einer weiteren Belastung der Kirchengemeinde entgegen zu wirken, habe sich die Schwester des Klägers, ... , mit der er vor dem Kirchenasyl in einer Wohnung gelebt habe, bereit erklärt, dem Kläger ein entsprechende Darlehen zu gewähren. Das sei auch vor dem Hintergrund geschehen, dass der Kläger und seine Schwester davon ausgingen, auch im Kirchenasyl bestehe grundsätzlich ein Leistungsanspruch. Die Schwester habe ausreichende Finanzmittel zur Verfügung gehabt, um ihn zu unterstützen. Als leistungsstarke Studentin habe sie vom 01. Oktober 2015 bis 30. September 2016 ein Stipendium iHv. 300,00 EUR monatlich von der Stiftung ... erhalten. Außerdem habe sie bereits während des Studiums bei der ... AG gearbeitet und dort ein durchschnittliches Monatseinkommen iHv. 1.197,06 EUR erzielt. Als durchschnittlicher monatlicher Bedarf des Klägers an Lebensmitteln habe sich im Laufe des Zusammenwohnens mit seiner Schwester ein Betrag von 150,00 EUR erwiesen. Für die Dauer des Kirchenasyls von 132 Tagen habe die Schwester durchschnittlich pro Tag 4,93 EUR aufgewandt. Sie habe dem Kläger 650,00 EUR geliehen. Für den Zeitraum vom 1. Mai bis 6. September 2016 macht der Kläger keine Kosten für Unterkunft und Heizung geltend.

Der Kläger beantragt zu erkennen:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Zeitraum vom 1. Mai bis 6. September 2016 unter Abänderung des Bescheides vom 27. April 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Januar 2017 in gesetzlicher Höhe nach § 1a Abs. 2 Asylbewerberleistungsgesetz zu zahlen.

Die Beklagte beantragt zu erkennen:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig. Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass er während des Kirchenasyls seinen Lebensunterhalt durch ein Darlehen seiner Schwester bestritten habe. Außerdem sei davon auszugehen, dass anderenfalls die Evangelische Kirche den Kläger in dieser Zeit finanziell unterstützt habe.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung von Frau ... als Zeugin.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Leistungsakten der Beklagten und der Akte der Ausländerbehörde ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

Der prozessuale Anspruch (Streitgegenstand) ist der Höhe nach auf die Gewährung von Leistungen zur Deckung des notwendigen Bedarfs iS. von § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 AsylbLG für die Zeit vom 1. Mai bis 6. September 2016 gerichtet. Der Kläger begehrt keine Leistungen für Unterkunft und Heizung, wie der Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung vom 23. Oktober 2018 klargestellt hat.

Gegenstand der Klage (§ 95 SGG) ist der Bescheid vom 27. April 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Januar 2017.

Der Kläger hat für den Zeitraum vom 1. Mai bis 6. September 2016 Anspruch auf Leistungen iHv. insgesamt 319,80 EUR gemäß § 1a Abs. 3 Satz 1 iVm. Abs. 2 Satz 2 und 3 AsylbLG. Insoweit ist die Aufhebung der Leistungen ab dem 1. Mai 2016 teilweise rechtswidrig und der angefochtene gemäß § 54 Abs. 1 SGG abzuändern.

Rechtsgrundlage für die Entscheidung der Beklagten vom 27. April 2018 ist § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 AsylbLG iVm. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Sie hätte die Leistungsbewilligung jedoch nicht vollständig aufheben dürfen. Die Leistungsbewilligung war vielmehr nach Maßgabe des § 1a Abs. 3 Satz 1 iVm. Abs. 2 Satz 3 AsylbLG abzuändern und dem Kläger nur noch Leistungen zur Deckung des notwendigen Bedarfs iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG, ohne Leistungen für Unterkunft und Heizung, unter Berücksichtigung von Einkommen des Klägers iHv. 150,00 EUR für die Monate Mai bis August 2016 zu gewähren.

Nach § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 AsylbLG iVm. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Das ist hier der Fall. Mit der Inanspruchnahme des Kirchenasyls ab dem 22. April 2016 sind wesentliche Änderungen sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht gegenüber den Verhältnissen bei Erlass des Bescheides über die Bewilligung von Leistungen aufgrund von § 3 AsylbLG vom 12. November 2015 eingetreten.

Der Kläger war am 22. April 2016 vollziehbar ausreisepflichtig, weil die Ablehnung des Asylantrages als unzulässig durch den Bescheid des BAMF vom 1. Februar 2016 vollziehbar iSd. § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG war. Das gilt auch soweit über die Klage vom 16. Februar 2016 vor dem VG Halle (7 A 45/16 HAL) noch nicht rechtskräftig entschieden war, denn gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG haben Widerspruch und Klage im Falle der Ablehnung von Aufenthaltstiteln keine aufschiebende Wirkung. Die Versagung von Aufenthaltstiteln ist nach § 84 Abs. 1 AufenthG sofort vollziehbar.

Mit der Inanspruchnahme des durch das Evangelische ... gewährte Kirchenasyl konnten aufenthaltsbeendende Maßnahmen, wie die Abschiebung, aus von dem Kläger selbst zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden, weil er sich faktisch dem Zugriff der staatlichen Vollstreckungsorgane entzogen hatte. Kirchliche Räumlichkeiten sind zwar keine rechtsfreien Räume, die dem Zugriff der Staatsgewalt entzogen sind (vgl. auch Kirchenasyl, Handreichung für die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland [EKM], Seite VI, 1.7.2.). Die gewaltsame Räumung kirchlicher Räume gilt jedoch in der Regel als unverhältnismäßig, das heißt Kirchenasyle werden normalerweise von den Behörden in bestimmten Grenzen respektiert (vgl. Handreichung aaO.). Für einen Mangel am notwendigen Vollstreckungswillen der Ausländerbehörde und eine darauf beruhende Nichtvollziehbarkeit von Vollstreckungsmaßnahmen fehlt es an Anhaltspunkten.

Die Abschiebungsanordnung des BAMF nach § 34a Abs. 1 AsylG vom 01. Februar 2016 war außerdem nach dem unanfechtbaren Beschluss des VG Halle (7 B 44/16 HAL) vom 01. März 2016 am 22. April 2016 vollziehbar.

Mit der Inanspruchnahme des Kirchenasyls durch den Kläger entfielen deshalb gemäß § 1a Abs. 3 Satz 2 AsylbLG dessen Ansprüche nach § 3 AsylbLG. Die Leistungsansprüche richteten sich vielmehr nur nach § 1a Abs. 3 Satz 1 iVm. Abs. 2 Satz 2 AsylbLG. Danach haben Leistungsberechtigte, wie der Kläger, die eine Duldung nach § 60a AufenthG besitzen, oder die vollziehbar ausreisepflichtig sind, auch wenn eine Abschiebungsandrohung noch nicht oder nicht mehr vollziehbar ist, und bei denen aus von ihnen selbst zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können, nur noch Anspruch auf Leistungen zur Deckung ihres Bedarfs an Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege. Nur soweit im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, können ihnen gemäß § 1a Abs. 3 Satz 1 iVm. Abs. 2 Satz 3 AsylbLG auch andere Leistungen im Sinne von § 3 Absatz 1 Satz 1 AsylbLG gewährt werden. Das sind Leistungen für Kleidung, Gesundheitspflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts. Was der Gesetzgeber unter "besonderen Umständen" versteht, kann weder dem Gesetzeswortlaut noch der Gesetzesbegründung entnommen werden (vgl. Deibel in Deibel/Hohn, AsylbLG aktuell, § 1a AsylbLG, Rn 19). Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen inhaltliche Bedeutung durch Auslegung zu ermitteln ist. Die Erbringung dieser anderen Leistungen iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG ist nach dem Wortlaut des § 1a Abs. 2 Satz 3 AsylbLG zudem in das Ermessen des Leistungsträgers gestellt. Wegen der Ausstrahlungswirkung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2012 (– 1 BvL 10/10 –, juris, Rn. 64: das gesamte Existenzminimum ist durch eine einheitliche grundrechtliche Garantie gewährleistet, die sowohl die physische Existenz des Menschen, also Nahrung, Kleidung, Hausrat, Unterkunft, Heizung, Hygiene und Gesundheit, als auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben umfasst), ist § 1a Abs. 2 Satz 3 AsylbLG dahingehend auszulegen, dass die Leistungsträger, außer in atypischen Fallkonstellationen, Leistungen auch für Kleidung, Gesundheitspflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts zu erbringen haben (vgl. zur Frage der Ausstrahlungswirkung auch Oppermann in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl., § 1a AsylbLG, Rn 106; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl., § 1a AsylbLG, Rn 71).

Kirchenasyl stellt in diesem Sinne keine atypische Fallkonstellation dar. Es handelt sich vielmehr um eine kirchliche Praxis, bei der Hilfesuchende auf dem Gelände einer Kirche oder eines Klosters Aufnahme bzw. Zuflucht finden und dadurch vor dem Vollzug staatlicher Gewalt geschützt werden sollen (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 11. November 2016 – L 8 AY 28/16 B ER –, Rn. 30, juris). Bedarfsreduzierungen bezüglich der Leistungen für Kleidung, Gesundheitspflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts ergeben sich dadurch nicht.

Der streitgegenständliche Anspruch ist auch nicht schon dem Grunde nach gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG ausgeschlossen. Aufgrund der Gewährung von Kirchenasyl besteht für die Kirchen keine rechtliche Verpflichtung zur Deckung des Lebensunterhaltes der Hilfesuchenden (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 11. November 2016 – L 8 AY 28/16 B ER –, Rn. 32, juris), so auch im Falle des dem Kläger durch das Evangelische ... gewährte Kirchenasyl. Die EKM empfiehlt, im Gemeindekirchenrat Fragen der Finanzierung zu besprechen und zu prüfen, wie viel Geld von der Gemeinde zur Verfügung gestellt werden kann, auch durch Spenden (vgl. Kirchenasyl, Handreichung für die EKM, Seite X, 2.2.). Eine Verpflichtung zur Leistungserbringung kann daraus indessen nicht abgeleitet werden. Soweit dem Kläger im Rahmen des Kirchenasyls seitens des Evangelischen ... Unterkunft gewährt wurde, ist das für die Entscheidung des Falles unerheblich, weil Leistungen für Unterkunft und Heizung nicht streitgegenständlich sind.

Der nach § 1a Abs. 3 Satz 1 iVm. Abs. 2 Satz 2 und 3 AsylbLG zu deckende Bedarf an Ernährung, Kleidung, Gesundheitspflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts beträgt entsprechend § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AsylbLG iVm. d. Bek. nach § 3 Abs. 4 AsylbewerberleistungsG 2016 vom 26. Oktober 2015 für alleinstehende Leistungsberechtigte 219,00 EUR.

Auf diesen Bedarf sind gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme als Einkommen für die Monate Mai bis September 2016 monatlich 150,00 EUR anzurechnen, die die Zeugin dem Kläger, ihrem Bruder, zuwandte. Bei den von ihr aufgewandten finanziellen Mitteln während des Kirchenasyls handelte es sich nicht um ein Darlehen. Im Rahmen eines Darlehensvertrages (§ 488 Abs. 1 BGB) verpflichtet sich der Darlehensgeber, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen, und der Darlehensnehmer zumindest, bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuzahlen. Die Beweisaufnahme hat vielmehr ergeben, dass der Kläger zur Rückzahlung der von der Zeugin zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel nicht vertraglich verpflichtet war.

Gegen eine vertragliche Verpflichtung ihres Bruders spricht, dass die Zeugin die Erwartung hatte, das Sozialamt werde auch während des Kirchenasyls mit Ausnahme der Unterkunft Leistungen an ihren Bruder erbringen, so dass sie das Geld von ihm hätte zurückerhalten können. Das drückt aus, dass eine Rückzahlungserwartung hatte für den Fall einer Finanzierung aus Mitteln der Beklagten. Damit korrespondiert, dass eine Abrede über die Rückzahlung des Geldes für den Fall, dass das Sozialamt keine Leistungen erbringt, zwischen der Zeugin und dem Kläger nicht getroffen worden war. Es ging der Zeugin allein darum, ihren Bruder während des Kirchenasyls zu unterstützen und diese Zeit zu überstehen, eine Zeit, die nach ihrer glaubhaften Aussage sehr emotional gewesen ist. Die Zeit danach war, was ohne weiteres plausibel ist, für beide kein besonderes Thema.

Soweit die Zeugin auf Frage des Prozessbevollmächtigten des Klägers bestätigte, die Erwartung gehabt zu haben, ihr Bruder werde ihre Unterstützungsleistung auch zurückzahlen, ergibt sich daraus keine rechtlich verbindliche Rückzahlungsvereinbarung, auch nicht konkludent. Letztlich hat sie nämlich auf Nachfrage des Kammervorsitzenden auch bestätigt, über die Frage, was mit ihren Unterstützungsleistungen geschehe, falls das Sozialamt keine Leistungen erbringt, mit ihrem Bruder so nicht gesprochen zu haben. Die Darlehensabrede muss zwar nicht ausdrücklich getroffen werden, Voraussetzung ist aber, dass zumindest eine übereinstimmende, wechselseitig zum Ausdruck gebrachte Vorstellung darüber bestanden haben muss, eine Rückzahlungsverpflichtung bestehe unabhängig davon, ob die Mittel dazu von Dritten, hier der Beklagten, zur Verfügung gestellt werden. Das war nach der Aussage der Zeugin nicht der Fall.

Von der Aufwendung finanzieller Mittel durch die Zeugin zum Unterhalt ihres Bruders ist auszugehen, ebenso dass dies iHv. monatlich 150,00 EUR erfolgte. Die Beweisaufnahme hat nichts Gegenteiliges ergeben. Nach der glaubhaften Aussage der Zeugin entsprach dieser Betrag Erfahrungswerten, aus Zeiten einer gemeinsamen Wohngemeinschaft vor dem Kirchenasyl, den sie aus den Mitteln ihres Stipendiums aufbrachte.

Rechnerisch ergibt sich für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 01. Mai 2016 bis 06. September 2016 ein verbleibender ungedeckter Anspruch iHv. insgesamt 319,00 EUR. Dieser setzt sich unter Berücksichtigung von § 3 Abs. 6 Satz 2 AsylbLG wie folgt zusammen: (219,00 EUR - 150,00 EUR * 4 = 276,00 EUR) + (219,00 EUR / 30 * 6 = 43,60 EUR) = 319,80 EUR. Für die Zeit vom 01. bis 06. September 2016 ist kein Einkommen anzurechnen. Der Kläger hat vorgetragen, seine Schwester habe für ihn in 132 Tagen Kirchenasyl finanzielle Mittel aufgewandt. Ausgehend von dem Beginn des Kirchenasyls am 22. April 2016 umfasst der Zeitraum bis zum 31. August 2016 insgesamt 132 Tage.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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