L 4 KA 48/14

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 12/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 48/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 4. Juni 2014 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) bis 7) und 9) bis 11), zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Rahmen einer aktiven Konkurrentenklage um die Vergabe eines Vertragsarztsitzes für einen Gynäkologen bzw. eine Gynäkologin im Planungsbereich D Stadt nach partieller Öffnung.

Die Klägerin ist eine als Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Ärztin. Sie ist Mitglied einer seit 1996 bestehende Berufsausübungsgemeinschaft mit Praxissitz in A-Stadt. Der Berufsausübungsgemeinschaft gehörten zunächst die Klägerin und Frau Dr. H., letztere ebenfalls Gynäkologin, an. Nachdem Frau Dr. med. H. mit Wirkung zum 31. Dezember 2013 auf ihre Zulassung verzichtet hatte, trat an ihrer Stelle Frau J. als Nachfolgerin in die Berufsausübungsgemeinschaft ein.

Der Beigeladene zu 8) und der Beigeladene zu 10) sind als Fachärzte für Frauenheilkunde und Geburtshilfe zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in D-Stadt zugelassen, der Beigeladene zu 10) lediglich mit einem hälftigen Versorgungsauftrag. Sie führen eine überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft. Der Beigeladene zu 8) beschäftigt als angestellte Ärztin Frau K., die ebenfalls Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe ist. Die Beigeladene zu 9) ist als Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in F-Stadt zugelassen. Für sie ist Frau L. als angestellte Ärztin tätig. Auch Frau L. ist Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe.

Mit Beschluss vom 15. November 2012, veröffentlicht im Hessischen Ärzteblatt, Heft 1/2013, Bl. 58 f., änderte der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen u.a. für den Planungsbereich D-Stadt und für die Fachgruppe der Frauenärzte, die bestehende Zulassungsbeschränkung mit der Maßgabe ab, dass ein weiterer Facharzt/Fachärztin dieser Gruppe zugelassen werden könne. Zulassungsanträge seien mit den erforderlichen Unterlagen innerhalb von 6 Wochen nach Erscheinen der Veröffentlichung einzureichen. Hinsichtlich des weiteren Inhalts des Beschlusses wird auf dessen Text, Bl. 220 der Gerichtsakte, verwiesen.

In diesem Zeitpunkt, also vor Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens, gab es am Standort A-Stadt 9 Gynäkologen mit 9 Versorgungsaufträgen, am Standort F-Stadt 1 Gynäkologe mit einem Versorgungauftrag und am Standort D-Stadt 4 Gynäkologen mit 3 Versorgungsaufträgen.

Die Berufsausübungsgemeinschaft, der die Klägerin angehört, beantragte daraufhin am 4. Februar 2013 mit im Namen ihrer beiden damaligen Mitglieder unterschriebenem Formularantrag die Genehmigung zur Anstellung der Frauenärztin Frau Dr. med. M. mit einem Tätigkeitsumfang von 32 Wochenstunden. Die Beigeladene zu 9) beantragte am 7. Februar 2013 die Genehmigung zur Anstellung der Frauenärztin Frau L. mit einem Tätigkeitsumfang von 30 Wochenstunden. Der Beigeladene zu 8) beantragte am 12. Februar 2013 die Genehmigung zur Erhöhung des Arbeitszeitrahmens von Frau K. von 20 auf 40 Wochenstunden, und der Beigeladene zu 10) beantragte unter dem gleichen Datum die Erweiterung der Beschränkung seines Versorgungsauftrages. Ebenfalls Anträge stellt die Ärzte Dr. med. N., Frau Dr. O. und Dr. med. P ...

Für die Ärztinnen Dr. med. M., L., K. sowie für den Beigeladenen zu 10) ergeben sich im Einzelnen folgende Daten:

Es folgt eine Tabelle, die aus technischen Gründen nicht dargestellt werden kann.
Arzt bzw. Ärztin Datum der Approba-tion Datum der Facharzt-zulassung (Fach-)ärztliche Tätigkeit Elternzeit Zeitpunkt der Eintragung in die Warteliste gemäß § 103 Abs. 5 S. 1 SGB V K. 25.5.2000 4.9.2007 - durchgängig ab 4.9.2007 - 4.9.2007 bis 30.6.2010 20 Stunden pro Woche - im Juli 2010 in Vollzeit - 1.8.2010 bis 31.3.2014 20 Stunden pro Woche - ab 1.4.2014 34 Stunden pro Woche Keine nicht eingetragen L. 1.10.2004 18.6.2009 - 18.6.2009 bis 11/2009 in Vollzeit - 7/2011 bis 10/2012 und 11/2013 bis 2/2015 20 Stunden pro Woche - 7/2010 bis 6/2011, 10/2012 bis 10/2013 und 3/2015 bis 11/2015 Seit Januar 2013 Beige-ladener zu 10) = Dr. G. 10.10.2006 18.1.2010 - durchgängig ab 18.1.2010 in Vollzeit Keine nicht eingetragen Dr. M. 1.9.2004 21.5.2008 - von 11/2010 bis 5/2011 mit 12 Stunden pro Woche - 7/2013 20 Stunden pro Woche - seit 1/2014 bis zu 20 Stunden pro Woche 5/2008 bis 10/2010 und ab 6/2011 bis 12/2013 nicht eingetragen
Tabellen-Ende

Mit Schreiben vom 16. April 2013 erklärte die Berufsausübungsgemeinschaft, der die Klägerin angehört, Frau Dr. med. M. solle ihr, der Klägerin, vertragsarztrechtlich zugeordnet werden.

Der Zulassungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen gab mit Beschluss vom 17. Mai 2013 dem Antrag der Klägerin statt und lehnte die übrigen Anträge ab. Der klägerische Antrag sei zu favorisieren unter Abwägung der aufgrund einer Gesamtschau festgestellten Auswahlmerkmale unter Berücksichtigung der vorgestellten Praxiskonzepte und Fallzahlen.

Hiergegen legte die Beigeladenen zu 8) und 10), denen der obige Beschluss am 3. Juli 2013 zuging, am 2. August 2013 Widerspruch ein. Die Beigeladene zu 9) erklärte mit E Mail vom 12. August 2013, sie halte ihren Antrag aufrecht. Dr. med. N. und Dr. med. P. teilten mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 14. August 2014 mit, sie zögen ihre Anträge zurück. Frau Dr. O. äußerte sich nicht.

Der Beklagte beteiligte die Klägerin und die übrigen Antragsteller, soweit sie ihren Antrag nicht zurückgezogen hatten, am Widerspruchsverfahren.

Mit Beschluss vom 6. November 2013, ausgefertigt am 5. Dezember 2013, hob er dann den Beschluss des Zulassungsausschusses auf. Dem Widerspruch des Beigeladenen zu 8) gab er statt, indem er die Erhöhung des Arbeitszeitrahmens der angestellten Frauenärztin K. von Teilzeit (20 Stunden/Woche, Faktor 0,5) auf Vollzeit (40 Stunden/Woche, Faktor 1,0) genehmigte. Auch dem Widerspruch der Beigeladenen zu 9) gab er insoweit statt, als er die Anstellung der Frauenärztin L. in Teilzeit (20 Stunden/Woche, Faktor 0,5) unter der Bedingung der Einreichung eines modifizierten Arbeitsvertrages genehmigte. Den Widerspruch des Beigeladenen zu 10) wies er zurück. Ferner ordnete er den Sofortvollzug der gesamten Entscheidung an. Der Beschluss wurde der Klägerin am 6. Dezember 2013 zugestellt.

Zur Begründung führte der Beklagte aus, auf Grund der eingelegten Widersprüche sei die Entscheidung des Zulassungsausschusses nicht in Bestandskraft erwachsen, auch nicht gegenüber demjenigen, die keinen Widerspruch eingelegt hätten, soweit sie nicht ihren Antrag zurückgezogen hätten. Frau Dr. O. habe eine Zulassung in einem anderen Planungsbereich erhalten, sodass er davon ausgehe, dass sie ihren Antrag nicht weiter verfolge. Die Entscheidung habe daher nur noch die Anträge der Klägerin und der Beigeladenen zu 8) bis 10) zu berücksichtigen.

Der Antrag der Klägerin sei nur von Frau Dr. med. H. unterzeichnet worden. Mit weiteren Schreiben der Berufsausübungsgemeinschaft vom 16. April 2013, welches beide Gesellschafterinnen unterzeichnet hätten, werde um Zuordnung des Arbeitsverhältnisses der Frau Dr. med. M. zu Frau Dr. med. A. gebeten. Für das weitere Verfahren sei daher davon auszugehen, dass Frau Dr. med. H. die Berufsausübungsgemeinschaft vertrete, innerhalb derer Frau Dr. med. A. eine Anstellungsgenehmigung für Frau Dr. med. M. erhalten habe.

Alle anzustellenden Ärztinnen besäßen die notwendige Eignung für eine vertragsärztliche Anstellung. Frau K. verfüge über eine wesentlich längere Dauer der Facharzttätigkeit als Frau Dr. med. M. Dies gelte auch für Frau L. Beide hätten mehrere Jahre als Frauenärztinnen gearbeitet, Frau Dr. med. M. nach ihrer Facharztanerkennung lediglich ca. ein halbes Jahr und hierbei lediglich mit 12 Wochenstunden. Kindererziehungszeiten seien hinsichtlich der Berufstätigkeit nicht zu berücksichtigen. Hinsichtlich der beruflichen Erfahrung sei der Beigeladene zu 10) mit den anzustellenden Ärztinnen L. und K. gleichzustellen. Da sich aus diesen Kriterien keine abschließende Bewertung ergebe, sei auf die weiteren Aspekte der Versorgungssituation und Konzeption der Praxis abzustellen. Die gynäkologische Versorgung der Stadt A-Stadt sei deutlich vorteilhafter als diejenige in F-Stadt und D-Stadt. Die Lage der Praxis der Beigeladenen zu 9) in F-Stadt mit ca. 14.000 Einwohnern sei isoliert, die Auslastung der Praxis aus diesem Grunde auch äußerst erheblich. Dies gelte zwar auch für die Praxis der Klägerin, allerdings sei hier zu beachten, dass für die Versicherten auf Grund der Tatsache, dass in A-Stadt eine ganze Reihe von Frauenärzten niedergelassen sei, Alternativen bestünden, was für die Praxis der Beigeladenen zu 9) nicht gelte. Für den Standort D-Stadt sei zu bemerken, dass gegenüber A-Stadt ein geringerer gynäkologischer Versorgungsgrad festzustellen sei, insbesondere, wenn man die Mitversorgungseffekte für die Bereiche Q-Stadt und R-Stadt einbeziehe, in welchen überhaupt keine gynäkologische Praxen existierten. Unter Versorgungsgesichtspunkten sei damit den Standorten F-Stadt und D-Stadt eindeutig der Vorrang zu geben vor dem Bereich A-Stadt. Im Ergebnis seien daher die Standorte F-Stadt und D-Stadt zu bevorzugen. Im Hinblick auf die längere Berufserfahrung der Frau K. sei der Antrag des Beigeladenen zu 8) gegenüber dem des Beigeladenen zu 10) zu bevorzugen. Beide Beigeladenen hätten auch selbst eine Präferenz für den Antrag des Beigeladenen zu 8) festgelegt.

Die Klägerin hat am 6. Januar 2014 Klage beim Sozialgericht Marburg erhoben und vorgetragen, so lange der Beklagte räumliche Versorgungsgesichtspunkte an Stelle der von ihr dargelegten Auslastungskapazitäten gestellt habe, liege ein Ermessensfehlgebrauch vor. Der Beklagte habe dem abwegigen Gesichtspunkt der "räumlichen Wahl des Vertragsarztsitzes" einen uneingeschränkten Vorzug eingeräumt, obwohl sich dieser vorrangig nicht aus der Bedarfsplanungsrichtlinie ergebe. Der Beklagte hätte die räumliche Lage der jeweiligen Praxen in der Abwägung gewichten können, nicht aber vom Abwägungsvorgang an sich abweichen dürfen. Der Planungsbereich umfasse den gesamten Landkreis. Ein Vertragsarzt könne seine Praxis im gesamten Landkreis verlegen. Die Lage der Gemeinde F-Stadt müsse das umliegende Siedlungsgebiet berücksichtigen. Sie liege in einem der dichtest besiedelten Regionen Deutschlands. Verschiedene Frankfurter Stadtteile könnten von hieraus besser erreicht werden als die südlichen Gemeinden des Landkreises D-Stadt. Dies gelte auch für die Städte S-Stadt und T-Stadt sowie die Gemeinde U-Stadt, die auf der anderen Mainseite lägen. Da in und um A-Stadt herum fast 2/3 der Einwohner des Landkreises wohnten, sei es nicht ungewöhnlich, dass sich die meisten Frauenärzte im nördlichen Teil des Landkreises niedergelassen hätten. Auch liege D-Stadt nicht im südlichen Teil, sondern in der Mitte des Landkreises. Jedenfalls habe der Beklagte seine Entscheidung nicht auf einer statistischen und demographischen Grundlage sachgerecht getroffen. Es müsse die örtliche Struktur berücksichtigt werden. Die Stadt A-Stadt sei in der Regionalplanung als Mittelzentrum mit oberzentralen Teilfunktionen eingestuft. Auf Grund der Anbindung komme ihr eine herausgehobene Stellung zu. Für den Bereich der Frauenärzte werde eine wohnortnahe fachärztliche Versorgung nicht privilegiert. Auch bevorzuge rund die Hälfte der berufstätigen Personen einen Arzt in der Nähe ihrer Arbeitsstätte und nicht am Wohnort.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 4. Juni 2014, der Klägerin zugestellt am 20. Juni 2014, abgewiesen und die Klägerin verpflichtet, neben den Gerichtskosten auch die außergerichtlichen Kosten des Beklagten und des Beigeladenen zu 8) zu tragen.

Die Kammer habe in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handele (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Sie habe dies trotz des Ausbleibens eines Vertreters der Beigeladenen zu 2) bis 7), 9) und 10) tun können, weil diese ordnungsgemäß geladen und auf diese Möglichkeit hingewiesen worden seien (§ 110 Abs. 1 SGG).

Die Klage sei zulässig, denn sie sei insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden. An der Bevollmächtigung der Prozessbevollmächtigten bestünden keine Zweifel. Soweit die Vollmacht vom 27. Dezember 2013 die Unterschriften von Frau Dr. med. H. und Frau Dr. med. A. ausweise, so entspreche dies der damaligen Zusammensetzung der Berufsausübungsgemeinschaft. Nach Ausscheiden der Frau Dr. med. H. und Eintreten der Frau J. habe die Vollmacht weiter gegolten. Anhaltspunkte dafür, dass sie widerrufen worden sein könnte, seien nicht ersichtlich. Sei ein Rechtsanwalt Prozessbevollmächtigter, so sei im Übrigen der Mangel einer Vollmacht nicht von Amts wegen zu berücksichtigen (§ 73 Abs. 6 Satz 5 SGG). Auch könne eine Vollmacht jederzeit nachgereicht werden (§ 73 Abs. 6 Satz 2 SGG). Von daher sei die Klage auch nicht verfristet.

Die Klage sei aber unbegründet. Der angefochtene Beschluss vom 6. November 2013 sei rechtmäßig und nicht aufzugeben. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Neubescheidung der Beigeladenen zu 8) und 10) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.

Rechtsgrundlage für Entscheidungen der Zulassungsgremien über Anträge auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung in einem bislang überversorgten Planungsbereich seien § 95 Abs. 2 i. V. m. § 103 Abs. 3 SGB V sowie die konkretisierenden Bestimmungen des § 16b Ärzte-ZV und des § 26 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung in der Neufassung vom 20. Dezember 2012, veröffentlicht im Bundesanzeiger AT vom 31. Dezember 2012 B7, zuletzt geändert am 19. Dezember 2013, veröffentlicht im Bundesanzeiger AT vom 25. Februar 2014 B3, hier anzuwenden in der Fassung mit der letzten Änderung vom 20. Juni 2013, veröffentlicht im Bundesanzeiger AT vom 29. Juli 2013 B3, in Kraft getreten am 30. Juli 2013 (BedarfsplRL).

Um die Zulassung als Vertragsarzt könne sich jeder Arzt bewerben, der seine Eintragung in ein Arztregister nachweise (§ 95 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Die Landesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen stellten fest, ob eine Überversorgung vorliegt. Wenn dies der Fall sei, habe der Landesausschuss nach den Vorschriften der Zulassungsverordnungen und unter Berücksichtigung der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses Zulassungsbeschränkungen anzuordnen (§ 103 Abs. 1 SGB V). Die Zulassungsbeschränkungen seien aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für eine Überversorgung entfallen seien (§ 103 Abs. 3 SGB V).

Der Landesausschuss habe von Amts wegen zu prüfen, ob in einem Planungsbereich eine ärztliche Überversorgung vorliege. Überversorgung sei anzunehmen, wenn der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad um 10 vom Hundert überschritten ist. Hierbei seien die in den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vorgesehenen Maßstäbe, Grundlagen und Verfahren zu berücksichtigen (§ 16b Abs. 1 Ärzte-ZV). Stelle der Landesausschuss fest, dass eine Überversorgung vorliege, so habe er mit verbindlicher Wirkung für einen oder mehrere Zulassungsausschüsse nach Maßgabe des § 103 Abs. 2 SGB V Zulassungsbeschränkungen anzuordnen (§ 16b Abs. 2 Ärzte-ZV). Entfielen die Voraussetzungen, so habe der Landesausschuss mit verbindlicher Wirkung für die Zulassungsausschüsse die Zulassungsbeschränkungen unverzüglich aufzuheben (§ 16b Abs. 3 Satz 2 Ärzte-ZV). Die Anordnung und Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen sei in den für amtliche Bekanntmachungen der Kassenärztlichen Vereinigungen vorgesehenen Blättern zu veröffentlichen (§ 16b Abs. 4 Ärzte-ZV). Komme der Landesausschuss nach einer erstmaligen Feststellung von Überversorgung aufgrund der weiteren Entwicklung und seiner Prüfung zu der Folgerung, dass Überversorgung nicht mehr bestehe, so sei der Aufhebungsbeschluss hinsichtlich der Zulassungsbeschränkungen mit der Auflage zu versehen, dass Zulassungen nur in einem solchen Umfang erfolgen dürften, bis für die Arztgruppe Überversorgung eingetreten sei (§ 26 Abs. 1 Satz 1 BedarfsplRL).

Über den Antrag befinde der Zulassungsausschuss durch Beschluss. Wegen Zulassungsbeschränkungen könne ein Antrag nur dann abgelehnt werden, wenn diese bereits bei Antragstellung angeordnet gewesen seien (§ 19 Abs. 1 Ärzte-ZV). Nur dann, wenn bei Antragstellung die Anordnung der Zulassungsbeschränkung angeordnet gewesen sei, könne - von besonderen Konstellationen abgesehen, die hier nicht vorlägen die Zulassung verweigert werden (vgl. BSG, Urteil vom 17. Oktober 2007 B 6 KA 45/06 R - juris Rdnr. 10 und 19).

Die Veröffentlichung der Anordnung von Zulassungsbeschränkungen sei nicht Voraussetzung für ihre Wirksamkeit. Der für die Wirksamkeit von Zulassungsbeschränkungen maßgebliche Zeitpunkt sei derjenige der Anordnung seitens des Landesausschusses und nicht der Tag ihrer Veröffentlichung in den Publikationsorganen der Kassenärztlichen Vereinigung (vgl. BSG, Urteil vom 2. Oktober 1996 - 6 RKa 52/95; LSG Bayern, Urteil vom 16. Februar 2005 - L 12 KA 436/04).

Ausgehend hiervon sehe sich der Beklagte an die zum Zeitpunkt der Antragstellung bestehende Teilentsperrung zu Recht gebunden. Allerdings sei der entsprechende Beschluss des Landesausschusses von den Gerichten im Klageverfahren zu überprüfen. Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Vorgaben des Landesausschusses seien nicht ersichtlich und würden von den Beteiligten nicht vorgebracht.

Nach § 26 Abs. 4 Nr. 3 BedarfsplRL entscheide der Zulassungsausschuss nach Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen unter mehreren Bewerbern nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung folgender Kriterien:

- berufliche Eignung,
- Dauer der bisherigen ärztlichen Tätigkeit,
- Approbationsalter, &8722; Dauer der Eintragung in die Warteliste gemäß § 103 Absatz 5 Satz 1 SGB V,
- bestmögliche Versorgung der Versicherten im Hinblick auf die räumliche Wahl des Vertragsarztsitzes,
- Entscheidung nach Versorgungsgesichtspunkten (siehe z.B. Fachgebietsschwerpunkt, Barrierefreiheit, Feststellungen nach § 35).

Nach der Begründung des GBA ergäben sich Änderungen zur vorherigen Bedarfsplanungs-Richtlinie (§ 23 BedarfsplRL a.F. sei seinerzeit auf Grundlage von BSG, Urteil vom 23. Februar 2005 - B 6 KA 81/03 R - juris Rdnr. 29 ff. geändert worden) im Absatz 4 Nr. 3 vorletzter und letzter Spiegelstrich. Bei der Auswahl bei mehreren Bewerbern könne der Zulassungsausschuss nach pflichtgemäßem Ermessen neben den bislang definierten Kriterien seine Entscheidung auch von Versorgungsgesichtspunkten abhängig machen. Hierzu gehörten beispielsweise der geeignete Fachgebietsschwerpunkt bzw. auch Ausstattungsmerkmale der Praxis im Hinblick auf die Barrierefreiheit der Einrichtung. Bei der Bewertung der für die Versorgung erforderlichen Fachgebietsschwerpunkte könnten auch solche ermächtigten Ärzte einbezogen werden, die in der Bedarfsplanung berücksichtigt worden seien. Im Hinblick auf die Prospektivität der Bedarfsplanung eines Planungsbereiches sollten Möglichkeiten der Befristung von Zulassungen nach § 19 Abs. 4 Ärzte-ZV geprüft werden (vgl. Tragende Gründe, S. 17 f., www.gb-a.de).

Die Kriterien Approbationsalter und Dauer der ärztlichen Tätigkeit habe das BSG auf fünf Jahre beschränkt (vgl. BSG, Urteil vom 8. Dezember 2010 - B 6 KA 36/09 R - juris Rdnr. 39), wobei es für die Dauer der ärztlichen Tätigkeit auf die Zeit nach Abschluss der Weiterbildung ankomme (vgl. BSG, Urteil vom 20. März 2013 - B 6 KA 19/12 R).

Die Klägerin habe nicht der Feststellung des Beklagten widersprochen, Frau Dr. med. M. habe lediglich ca. ein halbes Jahr als Frauenärztin im Umfang von lediglich 12 Wochenstunden gearbeitet. Diese Feststellung stimme mit den Angaben im Arztregister überein. Lediglich im von der Klägerin eingereichten Lebenslauf wird eine Dauer von 1 ½ Jahren angegeben (11/2010 - 05/2012). Letztlich treffe aber die weitere Feststellung des Beklagten zu, dass Frau K. und Frau L. über eine wesentlich längere Facharzttätigkeit verfügten. Nach den unbestrittenen Angaben im angefochtenen Beschluss sei Frau K. nach der Facharztanerkennung im September 2009 durchgehend im Krankenhaus oder halbtags - bei der Klägerin beschäftigt gewesen. Frau L. sei nach der Facharztanerkennung im Juni 2009 mit Ausnahme des Zeitraums Juli 2010 bis Juni 2011 in verschiedenen Anstellungen oder seit September 2011 als Praxisvertreterin der Beigeladenen zu 9) tätig gewesen.

Für die Berücksichtigung der Versorgungssituation komme es nicht auf die Situation einer einzelnen Praxis, sondern auf die Situation der Versicherten im Planungsbereich an. Selbst für den Begriff der "Versorgungsverbesserung" im Sinne einer Zweigpraxisgenehmigung (§ 24 Abs. 3 Ärzte-ZV) habe das Bundessozialgericht klargestellt, dass ein Versorgungsbedarf nicht mit der Situation der eigenen Praxis begründet werden könne. Die Frage der Versorgungsverbesserung sei nicht für die spezielle Patientenschaft einer Praxis zu beurteilen, sondern abstrakt bezogen auf die im Einzugsbereich lebenden Versicherten als solche (vgl. BSG, Urteil vom 5. Juni 2013 - B 6 KA 29/12 R - juris Rdnr. 30). Von daher sei der Hinweis des Beklagten auf die Versorgungsalternativen aufgrund der Vielzahl der niedergelassenen Ärzte in A-Stadt nicht zu beanstanden.

Es sei auch grundsätzlich die räumliche Verteilung der Frauenärzte im Planungsbereich zu berücksichtigen. Dies werde von den in § 26 BedarfsplRL genannten Kriterien nunmehr ausdrücklich vorgegeben. Das Kriterium "bestmögliche Versorgung der Versicherten im Hinblick auf die räumliche Wahl des Vertragsarztsitzes" nehme gerade das Konzept der wohnortnahen Versorgung auch hinsichtlich der fachärztlichen Versorgung, insbesondere der frauenärztlichen Versorgung, auf. Gleiches gelte für den Hinweis auf die Kriterien einer Sonderbedarfszulassung (§ 35 BedarfsplRL). Eine ungleiche Verteilung würde wiederum einen weiteren Bedarf für eine Sonderbedarfszulassung hervorrufen. Von daher könne die Auffassung der Klägerin nicht geteilt werden, eine Praxisverlegung sei innerhalb des gesamten Planungsbereichs zulässig. Insofern habe der Gesetzgeber jüngst klarstellend § 24 Abs. 7 Ärzte-ZV geändert. Die Kammer habe hierzu bereits entschieden, dass die Zulassungsgremien eine Praxisverlegung auch in einem wegen Überversorgung gesperrten Planungsbereich ablehnen könnten, wenn der Sitz aus einem Teil mit geringerer Versorgungsdichte in einen Teil mit wesentlich höherer Versorgungsdichte verlegt werde, auch wenn der Teil mit geringerer Versorgungsdichte nach den Anhaltszahlen der BedarfsplRL nach Sitzverlegung noch ausreichend versorgt wäre (vgl. SG Marburg, Beschluss vom 5. Februar 2014 - S 12 KA 36/14 ER - juris).

Die Verhältniszahlen (ein Arzt je Anzahl Einwohner) der Arztgruppen der allgemeinen fachärztlichen Versorgung bestimmten sich für Frauenärzte nach § 12 Abs. 3 und 4 und Anlage 3.2 Bedarfsplanungs-Richtlinie, wobei für Frauenärzte Bezugsgröße die weibliche Bevölkerung (§ 12 Abs. 4 Satz 3 BedarfsplRL und § 8 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 Anl. 5 BedarfsplRL) sei, wie folgt:

Typ 1 Typ 2 Typ 3 Typ 4 Typ 5
3.733 5.619 6.606 6.371 6.042

Der Planungsbereich D-Stadt werde dem Kreistyp 2 zugeordnet. Nach der hessischen Gemeindestatistik 2013, Ausgewählte Strukturdaten aus Bevölkerung und Wirtschaft 2012 (Vorabbericht), hrsg. vom Hessischen Statistischen Landesamt, Wiesbaden 2013 (http://www.statistik-hessen.de/publikationen/download/496/index.html) seien zum Stichtag 31. Dezember 2012 von 254.883 Einwohnern des Landkreises 129.101 (50,7 %) weiblich gewesen. In A-Stadt seien von 60.229 Einwohnern 30.563 (50,7 %) weiblich gewesen, in F-Stadt von 13.810 Einwohnern 6.849 (49,6 %) und in D-Stadt von 23.941 Einwohnern 12.106 (50,6 %). Ausgehend von den Anhaltszahlen für den Kreistyp 2 ergebe sich ein rechnerischer Bedarf, bezogen auf die weibliche Einwohnerzahl der jeweiligen Stadt, für A-Stadt von 5,4, für F-Stadt von 1,2 und für D-Stadt von 2,2 gynäkologischen Vertragsärzten. Selbst wenn man A-Stadt dem großstädtischen Versorgungstyp 1 zuordne, ergebe sich ein rechnerischer Bedarf von 8,2, der immer noch durch die tatsächliche Versorgung mit neun Vertragsarztsitzen gedeckt gewesen wäre. Von daher sei von der Kammer die Feststellung des Beklagten, die gynäkologische Versorgung der Stadt A-Stadt sei deutlich vorteilhafter als diejenige in F-Stadt und D-Stadt, nicht zu beanstanden und bewege sie sich jedenfalls im Rahmen des Beurteilungsspielraums des Beklagten. Dies gelte auch für die weitere Annahme des Beklagten, in den Standort D-Stadt seien die Mitversorgungseffekte für die Bereiche der benachbarten, ca. 4 km entfernten Stadt Q-Stadt (13.892 Einwohner, davon 7.076 (50,9 %) weiblich) und der ca. 9 km entfernten Stadt R-Stadt (13.068 Einwohner, davon 6.602 (50,5 %) weiblich), auch wenn diese nur 8 km von A-Stadt entfernt lägen, einzubeziehen, in welchen überhaupt keine gynäkologische Praxen existierten. Insgesamt zeigten sich aufgrund der Verdichtung und Vernetzung des Planungsbereichs in der nördlichen Planungshälfte keine gravierenden Versorgungsunterschiede, sei aber die Versorgung dennoch unterschiedlich, was vom Beklagten habe berücksichtigt werden können. Insofern seien die Ausführungen des Beklagten zur Versorgungssituation in F Stadt, A-Stadt und D-Stadt sachgerecht. Ermessensfehler seien nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruhe auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen seien nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlege (§ 197a SGG i. V. m. § 162 Abs. 3 VwGO). Von dieser Möglichkeit sei Gebrauch zu machen, wenn der Beigeladene erfolgreich Anträge gestellt, wenn er allein oder mit anderen Beteiligten gesiegt oder das Verfahren wesentlich gefördert habe (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl. 2004, § 197a, Rdnr. 29). Zu berücksichtigen sei, ob der Beigeladene sich während des Verfahrens geäußert und auch Anträge gestellt habe (vgl. BSG, Urteil vom 14. November 2002 – B 13 RJ 19/01 R - juris Rdnr. 44). Der Beigeladene zu 8) habe in der mündlichen Verhandlung einen Klageabweisungsantrag gestellt und sich zur Sache entsprechend geäußert. Von daher bestehe für ihn ein Kostenerstattungsanspruch.

Die Klägerin hat am 21. Juli 2014 (einem Montag) Berufung gegen das sozialgerichtliche Urteil eingelegt.

Die Klägerin ist der Ansicht, die erstinstanzliche Entscheidung sei rechtswidrig.

Bei der Dauer der fachärztlichen Tätigkeit müsse § 103 Abs. 4 S. 7 SGB V beachtet werden. Auch seien der Beschluss des Zulassungsausschusses sowie dessen Begründung übergangen worden. In dem dortigen Verfahren habe die Klägerin mit ihren Darlegungen zu ihrer individuellen Praxisstruktur (Versorgungsschwerpunkt in der gynäkologischen Heimversorgung, Betreuung von Patientinnen mit einem gesteigerten Altersdurchschnitt) überzeugt. Diese Aspekte seien dem in § 26 Abs. 4 Nr. 3 Bedarfsplanungsrichtlinie-Ärzte genannten Punkt "Entscheidung nach Versorgungsgesichtspunkten" zuzuordnen, der gleichrangig zu den anderen dort genannten Punkten sei. Der Beklagte habe seine Entscheidung alleine auf die örtliche Lage der Praxis gestützt und es versäumt, die tragenden Gesichtspunkte der Ermessensausübung des Zulassungsausschusses zu würdigen. Sie müsse sich zudem nicht mit einer Ermessensentscheidung zufrieden geben, die auf unzureichend objektivierter Grundlage (hinsichtlich des tatsächlichen Versorgungsgrades durch frauenärztliche Praxen) getroffen worden sei. Die vom Sozialgericht in der angefochtenen Entscheidung aufgeführten Daten seien nicht Gegenstand des angefochtenen Verwaltungsaktes. Ermessen könne nicht das Gericht, sondern nur die Verwaltung ausüben. Auch fehle es an einer Abwägung der im gegenseitigen Wettbewerb stehenden Versorgungskonzepte. Im Übrigen seien die vom Sozialgericht genannten Zahlen nicht stimmig: wären sie richtig, stellte sich die Frage, weshalb es zwingend gewesen sei, ausgerechnet einem Bewerber aus D-Stadt eine weitere halbe frauenärztliche Zulassung zuzusprechen. Nach den Urteilsgründen bestehe in D-Stadt ein Bedarf an 2,2 gynäkologischen Facharztsitzen, und 2 Frauenärzte mit Vollzulassung gebe es zurzeit. Es ergebe sich der Eindruck, man wolle eine halbe Zulassung aus A-Stadt abziehen, um dort eine vermeintliche Überversorgung ab- und in D-Stadt aufzubauen. Auch der Rückgriff des Sozialgerichts auf die Beschlüsse über die Verlegungsmöglichkeiten von Praxen innerhalb eines Planungsbereichs gehe fehl. Zwar möge es sein, das nach dem Inkrafttreten des Versorgungsstrukturgesetzes die örtliche Verteilung der niedergelassenen Praxen mehr unter stärkerer Gewichtung des Aspekts der wohnortnahen Versorgung zu regulieren seien. Wenn dies aber so sei, hätte beim hiesigen Vergabeverfahren, welches schon unter Geltung dieser neuen Rechtslage begonnen habe, dieser Gesichtspunkt schon bei der Bekanntmachung der partiellen Entsperrung des Planungsbezirkes bekannt gemacht werden müssen. Insofern stelle sich die Frage, warum der Beklagte das Vergabeverfahren überhaupt mit dem ursprünglichen Kreis der Bewerber abgeschlossen habe. Richtigerweise hätte das Verfahren nach dem Konkurrentenwiderspruch komplett neu begonnen werden müssen, damit sich auch Praxen aus Gebieten mit statistischer Unterversorgung (z. B. V-Stadt oder W-Stadt) hätten bewerben können. Auch bleibe es dabei, dass D-Stadt in der Mitte des Landkreises liege und ein dortiger zusätzlicher halber Arztsitz, die Lage im südlichen Teil des Versorgungsgebietes nur mittelbar verbessere. Gleiches könne durch einen halben Arztsitz in A-Stadt erreicht werden. Bei dem Ermessensspielraum des Beklagten sei zu berücksichtigen, dass sie eine sie belastende Ermessensentscheidung angreife. Schließlich hätte der Beklagte seine Entscheidung aus sachfremden Erwägungen getroffen, wenn sein Motiv bei der Vergabe gewesen wäre, "nicht noch eine gynäkologische Zulassung nach A-Stadt zu vergeben".

Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Marburg vom 4. Juni 2014 sowie des Beschlusses des Beklagten vom 6. November 2013 zu verurteilen, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden, die Zuziehung der Bevollmächtigten im Verfahren vor dem Zulassungsausschuss für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Der Beigeladene zu 8) beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, die erstinstanzliche Entscheidung sei rechtmäßig.

Zur Begründung werde zunächst auf den Inhalt des Beschlusses vom 6. November 2013 sowie des sozialgerichtlichen Urteils verwiesen. Er habe anders entscheiden und gewichten dürften als der Zulassungsausschuss. Dessen Entscheidung sei nicht mehr Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens. Er sei daher auch nicht verpflichtet gewesen, die tragenden Erwägungen in der Entscheidung des Zulassungsausschusses in seinem Beschluss zu würdigen. Im Übrigen treffe es nicht zu, dass er diese Erwägungen nicht berücksichtigt habe. Zwar unterfielen sowohl der Aspekt der gynäkologischen Heimversorgung und der Versorgung von Patientinnen mit einem gesteigerten Altersdurchschnitt als auch der bedarfsplanerische Gesichtspunkt der Verteilung fachärztlicher Kapazitäten innerhalb eines Planungsbereichs dem Kriterium der "Entscheidung nach Versorgungsgesichtspunkten". Es obliege jedoch ihm im Rahmen seines Ermessens, abschließend eine Schwerpunktsetzung vorzunehmen. Weiter treffe es nicht zu, dass er auf einer unzureichend objektivierten Grundlage entschieden habe. Vielmehr habe er ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die gynäkologische Versorgung in A-Stadt deutlich günstiger sei als in F-Stadt und D-Stadt. Auch habe er im Hinblick auf D-Stadt auf die Mitversorgungsaspekte für Q-Stadt und R-Stadt hingewiesen. Die vom Sozialgericht genannten Zahlen untermauerten und bestätigten die Richtigkeit des von ihm zugrunde gelegten Sachverhalts nur. Dass dem Standort D-Stadt gegenüber A-Stadt der Vorzug zu geben sei, folge aus den vorliegenden Verhältniszahlen. Selbst unter Zuordnung des hier streitgegenständlichen halben Sitzes nach D-Stadt, wo dann 2,5 Sitze vorhanden seien, sei die "Überversorgung" in A-Stadt mit neun Sitzen immer noch deutlich höher. Soweit gerügt werde, die Vorrangstellung der örtlichen Verteilung der gynäkologischen Praxen unter Versorgungsgesichtspunkten im Planungsbereich habe schon bei der Bekanntmachung der partiellen Entsperrung des Planungsbereichs deutlich gemacht werden müssen, verkenne sie die Struktur der Bedarfsplanung. Auch wäre es hier schon verfahrensrechtlich unzulässig gewesen, das Vergabeverfahren aufgrund der eingegangenen Widersprüche abzubrechen und neu aufzurollen. Soweit die Klägerin meine, eine Mitversorgung des südlichen Teils des Planungsbereich sei von A-Stadt aus genauso gut möglich wie von D-Stadt aus, sei dies unzutreffend, denn D-Stadt liege in der Mitte, A-Stadt aber am nördlichen Rand des Landkreises. Schließlich sei der Klägerin auch nichts "weggenommen" worden, denn sie habe zu keinem Zeitpunkt eine gesicherte Rechtsposition innegehabt.

Der Beigeladene zu 1) hat sich den Ausführungen des Beklagten angeschlossen.

Der Beigeladene zu 8) ist ebenfalls der Auffassung, die erstinstanzliche Entscheidung sei rechtmäßig. Wie der Beklagte zutreffend ausgeführt habe, habe er sich in dem Beschluss nicht mit den Ermessenserwägungen des Zulassungsausschusses auseinandersetzen müssen. Der Beschluss des Zulassungsausschusses habe auch schon deswegen keinen Bestand haben können, weil Frau Dr. med. M. im Hinblick auf die Dauer der Facharzttätigkeit allen anderen Bewerbern unterlegen gewesen sei. Dass bei der Ermessensausübung entscheidend auf die Versorgungssituation abgestellt worden sei, sei korrekt. Die Auffassung der Klägerin, die Patientinnen in der Südhälfte des Kreises könnten auch durch A-Stadter Praxen versorgt werden, treffe nicht zu. Die dortigen Orte (X-Stadt, W-Stadt, Y-Stadt) seien 40 km von A-Stadt entfernt und hätten nach dort auch keine direkte Anbindung durch öffentliche Verkehrsmittels. Die in X-Stadt, W-Stadt und Y-Stadt vorhandenen gynäkologischen Einzelpraxen seien sehr klein und hätten sich mangels weiterer Kapazitäten sowieso nicht um den halben Arztsitz beworben. Dass die Vergabe nach D-Stadt für den Versorgungsbedarf zielführend gewesen sei, zeige auch der sprunghafte Anstieg seiner überörtlichen Praxis um 1.000 Scheine im Quartal III/14.

Mit Beschluss vom 31. März 2016 hat das Gericht Frau Dr. med. O. zu dem Verfahren beigeladen. Nachdem Frau Dr. med. O. eine Erklärung eingereicht hat, dass sie ihren Antrag auf Zulassung zurückziehe, hat das Gericht den Beiladungsbeschluss mit Beschluss vom 6. April 2016 wieder aufgehoben.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Behördenvorgänge. Sämtliche dieser Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung war zurückzuweisen.

Sie ist zwar zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt worden, aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen und auf Verpflichtung des Beklagten, sie neu zu bescheiden. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Beschluss des Beklagten vom 6. November 2013 ist rechtmäßig.

Gegenstand der Prüfung ist allein der Beschluss des Beklagten, nicht dagegen der Beschluss des Zulassungsausschusses, wie das Sozialgericht zutreffend erläutert hat.

Hinsichtlich der anzuwendenden Rechtsnormen und der maßgeblichen verfahrensrechtlichen Vorgaben des Zulassungsverfahrens bei der Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen wird zunächst, zur Vermeidung von Wiederholungen, auf die Ausführungen in der erstinstanzlichen Entscheidung verwiesen.

Wie das Sozialgericht ebenfalls bereits dargelegt hat, ist Grundlage für die Entscheidung des Beklagten § 26 Abs. 4 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung (Bedarfsplanungs-Richtlinie; im Folgenden: BedarfsplRL). Die Regelung genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen, insbesondere denen, die sich aus Art. 12 Grundgesetz (GG) ergeben (zur Verfassungswidrigkeit der Vorgängerregelung, die für die Auswahlentscheidung allein auf den Zeitpunkt des Antragseingangs abstellte, s. nur BSG, Urteil vom 23. Februar 2005 B 6 KA 81/03 R –, juris, Rn. 29 f.).

Die formalen Vorgaben wurden eingehalten. Der Beschluss des Landesausschusses zur Teilentsperrung vom 15. November 2012 ist in den für amtliche Bekanntmachungen der Kassenärztlichen Vereinigung vorgesehenen Blättern veröffentlicht worden, nämlich im Hessischen Ärzteblatt Heft 1/2013 (S. 58 f.). In diesem Beschluss wurden auch die Entscheidungskriterien nach Nummer 3 und die Frist bekannt gemacht, innerhalb der potentielle Bewerber ihre Zulassungsanträge abzugeben und die hierfür erforderlichen Unterlagen gemäß § 18 Ärzte-ZV beizubringen haben. Sowohl die Klägerin als auch die Beigeladenen haben ihre Anträge innerhalb dieser Frist in vollständiger Form eingereicht.

Der Beschluss ist darüber hinaus auch inhaltlich nicht zu beanstanden.

Die Entscheidung über die Teilentsperrung war rechtmäßig. Der Landesausschuss war insbesondere nicht verpflichtet, im Rahmen der Veröffentlichung mitzuteilen, wie er die einzelnen Kriterien zueinander gewichtet. Das folgt schon aus § 26 Abs. 4 Nr. 2 BedarfsplRL, der nur fordert, dass die nach § 26 Abs. 4 Nr. 3 BedarfsplRL für die Auswahlentscheidung maßgeblichen Kriterien benannt werden. Eine solche Benennung hat hier stattgefunden, wie sich aus dem Text des Beschlusses vom 15. November 2012 ergibt.

Die vom Beklagten getroffene Auswahlentscheidung ist ebenfalls rechtmäßig.

§ 26 Abs. 4 Nr. 3 BedarfsplRL ordnet an, dass die Auswahl bei mehreren Bewerbern nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Kriterien der beruflichen Eignung, der Dauer der bisherigen ärztlichen Tätigkeit, des Approbationsalters, der Dauer der Eintragung in die Warteliste gemäß § 103 Absatz 5 Satz 1 SGB V, der bestmögliche Versorgung der Versicherten im Hinblick auf die räumliche Wahl des Vertragsarztsitzes sowie nach Versorgungsgesichtspunkten (z.B. Fachgebietsschwerpunkt, Barrierefreiheit, Feststellungen nach § 35) zu erfolgen hat.

Weil es sich um eine Ermessensentscheidung handelt, ist die gerichtliche Überprüfung darauf beschränkt ist, ob das Ermessen fehlerhaft ausgeübt wurde und der Kläger durch den oder die Ermessensfehler beschwert ist. Das Gericht hat insoweit (nur) festzustellen, ob die Behörde von einem vollständigen und richtigen Sachverhalt ausgegangen ist, die rechtlichen Grenzen ihres Ermessensspielraums eingehalten und von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (s. § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG). Es darf nicht anstelle der Zulassungsgremien eine eigene Auswahlentscheidung treffen (BSG, Urteil vom 20. März 2013 – B 6 KA 19/12 R –, juris, Rn. 45).

Allerdings wird die Ermessensausübung des Beklagten durch die in § 26 Abs. 4 Nr. 3 BedarfsplRL aufgeführten Kriterien eingegrenzt. Diese Kriterien muss der Zulassungsausschuss bei der Entscheidung in seine Überlegungen miteinbeziehen. Aus der Formulierung "Berücksichtigung" folgt jedoch zugleich, dass die aufgeführten Gesichtspunkte weder abschließend sind noch dass es verboten ist, von ihnen aus Sachgründen abzuweichen (ebenso - für den insoweit vergleichbar formulierten § 103 Abs. 4 S. 5 SGB V - BSG, Urteil vom 20. März 2013 – B 6 KA 19/12 R –, juris, Rn. 44). Auch liegt es im Ermessen des zuständigen Gremiums, wie es die Kriterien im konkreten Fall zueinander gewichtet (s. nur BSG, Urteil vom 20. März 2013 – B 6 KA 19/12 R –, juris Rn. 47). Demzufolge ist ohne weiteres zulässig, bei der Abwägung einem oder auch mehreren der genannten Merkmale eine erheblich höhere Bedeutung zuzumessen als den übrigen. In Fällen in denen, wie zum Teil hier, nicht der jeweilige Antragsteller, sondern ein von diesem angestellter Arzt die Stelle, um die konkurriert wird, aufnehmen soll, kommt es für die Erfüllung der persönlichen Auswahlkriterien allein auf die Person des angestellten Arztes an.

Von diesen Vorgaben ausgehend, liegen keine Ermessensfehler vor, durch die die Klägerin in ihren Rechten verletzt wird.

Klarstellend ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es insoweit nur auf Fehler bei der Auswahl im Verhältnis der Klägerin (Frau Dr. M.) zu den Beigeladenen zu 8) (Frau K.) und zu 9) (Frau L.), die die begehrten Zulassungen erhalten haben, ankommt. Ohne rechtliche Bedeutung ist dagegen, ob der Beklagte den bei der angegriffenen Auswahlentscheidung ebenfalls erfolglos gebliebenen Beigeladenen zu 10) im Verhältnis zu der Klägerin und diesen beiden Beigeladenen zutreffend bewertet hat. Das folgt daraus, dass Streitgegenstand in diesem Verfahren ausschließlich die Entscheidung des Beklagten, die Beigeladenen zu 8) und 9) zuzulassen, ist. Insbesondere hat er in dem angefochtenen Bescheid keine (zusätzliche) Entscheidung des Inhalts, dass auch die anderen Bewerber für die Zulassung in Frage kommen und – beispielsweise für den Fall, dass ein zugelassener Bewerber auf die Zulassung verzichtet oder seine Tätigkeit tatsächlich nicht aufnimmt - überhaupt und gegebenenfalls dann in einer bestimmten Reihenfolge zuzulassen wären, getroffen (s. hierzu allgemein nur BSG, Urteil vom 15. Juli 2015 B 6 KA 31/14 R – juris, Rn. 13; Urteil vom 5. November 2003 – B 6 KA 11/03 R, juris, Rn. 26).

Der Beklagte hat das ihm zustehende Ermessen ausgeübt, denn er hat in dem angegriffenen Bescheid der Sache nach erkennbar eine Ermessensentscheidung getroffen.

Ohne Ermessensfehler hat der Beklagte Frau Dr. M. als genauso geeignet eingestuft wie alle anderen Bewerber. Dafür, dass sie besser geeignet sein könnte als ihre Konkurrenten, gibt es keine Anhaltspunkte.

Ebenso wenig ist es zu beanstanden, dass der Beklagte im Hinblick auf das Approbationsalter sowie die Dauer der bisherigen ärztlichen Tätigkeit Frau K. und Frau L. gegenüber Frau Dr. M. im Vorteil sieht. Nach zutreffender höchstrichterlicher Rechtsprechung kommt es für diese beiden Kriterien ausschließlich auf die Dauer der ärztlichen Tätigkeit ab Abschluss der Weiterbildung an (s. nur BSG, Urteil vom 20. März 2013, B 6 KA 19/12 R, juris, Rn. 49). Zu berücksichtigen sind jedoch nur Tätigkeiten von bis zu 5 Jahren, weil davon auszugehen ist, dass ein Arzt mit einem Tätigwerden in diesem Umfang einen Erfahrungsstand erworben hat, der sich durch noch längere berufliche Aktivitäten nicht zusätzlich verbessert (BSG, Urteil vom 20. März 2013, a.a.O., juris, Rn. 48). Legt man diese Vorgaben zugrunde, ist die Einstufung des Beklagten korrekt, denn Frau K. und Frau L. wiesen bei Erlass des angefochtenen Beschlusses im November 2013 eine erheblich längere ärztliche Tätigkeit ab dem Zeitpunkt ihrer Facharztzulassung auf als Dr. M. Letztere war nach Beendigung ihrer Weiterbildung im Mai 2008 lediglich in dem Zeitraum von November 2010 bis Mai 2011, also sechs Monate lang, beruflich aktiv, sowie ca. einen weiteren Monat bei der Klägerin, während die beiden erstgenannten Ärztinnen Tätigkeiten von 5 Jahren (Frau K.) bzw. von mehr als 21 Monaten (Frau L.) ab ihrer Facharztzulassung vorweisen konnten.

Aus § 103 Abs. 4 S. 7 SGB V, der anordnet, dass die Dauer der ärztlichen Tätigkeit um Zeiten zu verlängern ist, in denen die ärztliche Tätigkeit wegen der Erziehung von Kindern oder der Pflege pflegebedürftiger naher Angehöriger in häuslicher Umgebung unterbrochen wurde, folgt nichts abweichendes. Die Bestimmung ist auf den vorliegenden Fall nämlich nicht anwendbar, denn sie gilt nur für Verfahren, bei denen es um die Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes geht. Die Bedarfsplanungsrichtlinie enthält keine entsprechende Regelung.

Auch aus Verfassungsrecht ergibt sich keine Verpflichtung, Erziehungs- oder Pflegezeiten so umfassend zu berücksichtigen.

Zwar sind die Vorgaben des Art. 3 Abs. 2 sowie des Art. 6 Grundgesetz (GG) selbstverständlich auch bei der Anwendung des § 26 BedarfsplRL zu beachten. Diese verlangen aber keine so weitgehende Anrechnung von Erziehungs- und Pflegezeiten, wie sie in § 103 Abs. 4 S. 7 SGB V enthalten ist. Bei der Frage, in welchem Ausmaß eine Anrechnung dieser Zeiten notwendig ist, ist zu berücksichtigen, dass mit dem Kriterium der Dauer der ärztlichen Tätigkeit nach Facharztzulassung die berufliche Erfahrung des Arztes und der dadurch erworbene Standard bewertet werden sollen (vgl. BSG, Urteil vom 20. März 2013, a.a.O., juris, Rn. 48), so dass dieses gesetzliche Merkmal auch Aspekte der fachlichen Eignung aufweist. Die fachliche Eignung ist bei der Auswahlentscheidung ein ganz wesentlicher Gesichtspunkt. Führt man sich nun vor Augen, dass die Anrechnung von Erziehungs- und Pflegezeiten nach § 103 Abs. 4 S. 7 SGB V unter Umständen dazu führt, dass ein Bewerber, der nach Facharztzulassung gar nicht mehr beruflich tätig war, mit Bewerbern gleichzusetzen ist, die über die volle fünfjährige Berufserfahrung nach Abschluss ihrer Facharztausbildung verfügen, wird deutlich, dass der Aspekt "Dauer der ärztlichen Tätigkeit" durch eine so weitgehende Anrechnungsregelung, wie sie diese Norm enthält, seine Funktion vollständig verlieren kann. Ein solches Ergebnis ist aber weder sachgerecht noch verfassungsrechtlich geboten. Sichergestellt sein muss vielmehr, ungeachtet einzubeziehender Erziehungs- oder Pflegezeiten, wenigstens ein Mindestmaß an fachärztlicher Erfahrung, die ein Arzt nach Auffassung des Senats nur bei einer ärztlichen Tätigkeit (nach Facharztzulassung) von wenigstens einem Jahr besitzt. Ein solcher Umfang an fachärztlicher Tätigkeit bestand bei Dr. M. im Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den Beklagten im November 2013 nicht, so dass ihre Konkurrentinnen L. und K. - die diese Voraussetzung erfüllen - zu Recht unter diesem Gesichtspunkt besser bewertet wurden.

Es schadet weiter nicht, dass der Beklagte das Kriterium "Zeitpunkt der Eintragung in die Warteliste" nicht ausdrücklich in seiner Entscheidung angesprochen hat. Denn auch bei einer Berücksichtigung dieses Merkmals könnte sich keine Entscheidung zugunsten der Klägerin ergeben, da Frau Dr. M. – anders etwa als Frau L. – gar nicht in der Warteliste eingetragen war.

Ermessensfehlerfrei ist der angegriffene Beschluss schließlich auch, soweit der Beklagte den Praxen des Beigeladenen zu 8) und 9) unter Versorgungsgesichtspunkten den Vorzug gegenüber der Praxis der Klägerin eingeräumt hat. Dies gilt sowohl unter Zugrundelegung von § 26 Abs. 4 Nr. 3 SGB V in seiner alten als auch seiner aktuellen Fassung.

Zwar ist die nunmehrige Fassung des § 26 Abs. 4 Nr. 3 SGB V an sich günstiger für die Klägerin, denn nach dem bis zum 3. Juli 2013 geltenden Wortlaut der Bestimmung kam es auf (räumliche und sonstige) Versorgungsgesichtspunkte erst an, wenn nach den übrigen Kriterien (Eignung, Dauer der ärztlichen Tätigkeit, Approbationsalter, Eintragung in die Warteliste) alle Bewerber gleichermaßen geeignet waren. Bei konsequenter Anwendung der alten Fassung der Vorschrift hätte der Beklagte daher, weil er Frau K. und Frau L. nach den vier in der Bestimmung zuerst genannten Merkmalen als besser geeignet eingestuft hatte als die Frau Dr. M., gar keine weitere Prüfung unter Versorgungsaspekten mehr vorzunehmen brauchen. Er hat eine solche weitere Prüfung jedoch in dem angegriffenen Beschluss durchgeführt und damit in der Sache die Auswahlentscheidung nach der aktuellen Normfassung getroffen. Damit liegt jedenfalls kein Fehler zu Lasten der Klägerin vor.

Seine Einschätzung, im Hinblick auf die räumliche Versorgung der Versicherten sei den Praxisstandorten D-Stadt (Beigeladener zu 8) und F-Stadt (Beigeladene zu 9) gegenüber A-Stadt (Klägerin) der Vorzug einzuräumen, weil A-Stadt gynäkologisch deutlich besser versorgt sei als die beiden anderen Lagen, ist ebenso wenig zu beanstanden. Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, ist für die Beurteilung des räumlichen Versorgungsbedarfs nicht auf die Patientenschaft einer Praxis, sondern abstrakt auf die im Einzugsbereich der Praxis lebenden Versicherten abzustellen (s. BSG, Urteil vom 5. Juni 2013, B 6 KA 29/12 R, juris, Rn. 30). Der rechtliche Ansatz des Beklagten, die jeweilige Versorgungssituation an den Praxisstandorten im Hinblick auf Einwohnerzahl der Orte und Anzahl der vorhandenen Vertragsarztsitze miteinander zu vergleichen, war daher korrekt. Das Sozialgericht hat in dem angegriffenen Urteil, unter Rückgriff auf die Vorgaben der Bedarfsplanungsrichtlinie, überzeugend dargelegt, dass in A-Stadt ein Bedarf an 5,4, in F Stadt an 1,2 und in D-Stadt an 2,2 gynäkologischen Fachärzten bestand. Da es - vor der Nachbesetzung - in A-Stadt schon 9 Vertragsärzte dieser Fachrichtung gab, in F-Stadt aber nur einen, ist gegen die Feststellung des Beklagten, in F-Stadt und D-Stadt bestehe ein Bedarf, in A-Stadt dagegen nicht, nichts einzuwenden. Auch, soweit der Beklagte im Hinblick auf den Standort D-Stadt die Mitversorgungseffekte für die Städte Q-Stadt und R Stadt mitberücksichtigt und unter diesem Aspekt einen weiteren Bedarf angenommen hat, hat er sich innerhalb des ihm zustehenden Ermessensspielraums gehalten. Anders als die Klägerin meint, hat der Beklagte seine Entscheidung zudem auf ausreichend objektivierter Grundlage getroffen. Zwar sind die Ausführungen in dem angegriffenen Beschluss knapper gehalten als in dem erstinstanzlichen Urteil, alle wesentlichen Umstände und Argumente werden aber benannt. Dies genügt (noch) den Anforderungen.

Schließlich ist es auch ohne Ermessensfehler, dass der Beklagte in dem Beschluss vom 6. November 2013 den Aspekt der sonstigen Versorgungsgesichtspunkte, wie Fachgebietsschwerpunkt und Barrierefreiheit, nicht weiter diskutiert hat. Es ist vertretbar, wenn nicht sogar zwingend, dem Kriterium der räumlichen Versorgung gegenüber den sonstigen Versorgungsgesichtspunkten den Vorrang in dem Sinne einzuräumen, dass letztere nur dann noch relevant sind und geprüft werden, wenn bei den Konkurrenten im Hinblick auf die räumliche Versorgung keine unterschiedliche Eignung besteht. Ein solcher Fall gleicher Eignung lag hier nach der rechtlich nicht zu beanstandenden Einschätzung des Beklagten nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Klägerin hat, weil ihre Berufung erfolglos war, auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 8). Die Verpflichtung zur Übernahme dieser Kosten ist sachgerecht, denn der Beigeladene 8) hat einen Antrag auf Zurückweisung der Berufung gestellt und sich so seinerseits dem Risiko der Kostentragung nach § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt. Gegenüber den übrigen Beigeladenen, die keine Anträge gestellt haben, hat die Klägerin dementsprechend keine Kosten zu übernehmen.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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