L 4 KA 63/16

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 535/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 63/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 14. September 2016 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2., 5. und 6. hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine Honorarberichtigung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise und eine sachlich-rechnerische Berichtigung in den Quartalen III/2009, IV/2009, II/2010 und III/2010 in Höhe von insgesamt 9.795,22 EUR.

Der Kläger ist als Zahnarzt zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.

Der Gemeinsame Ausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen in Hessen wählte im November 2010 und Februar 2011 die Praxis des Klägers bezüglich der genannten Quartale zur Prüfung aus. Daraufhin leitete die Gemeinsame Prüfungsstelle der Zahnärzte und Krankenkassen in Hessen für die streitbefangenen Quartale ein Prüfverfahren ein, worüber sie den Kläger unter Datum vom 24. November 2010 und 2. März 2011 informierte.

Die Prüfungsstelle lud den Kläger unter Datum vom 12. Dezember 2011 unter Beifügung einer Patientenliste mit Patientennamen und der Bitte, Aufzeichnungen für diese vorzulegen, zu einer Prüfsitzung am 15. Februar 2012 bezüglich der Quartale III/2009, IV/2009, II/2010 und III/2010, an der der Kläger teilnahm.

Der Kläger trug vor, die Fallzahlstatistik sei nicht aussagefähig, da er nur ungefähr 100 Patienten im Quartal behandele, der Durchschnitt aber bei 400 bis 500 Patienten liege. Auch habe er in den letzten Jahren sehr viele Notdienste übernommen.

Die Prüfungsstelle setzte mit Bescheid vom 26. Juni 2012 bzgl. der III/2009, IV/2009, II/2010 und III/2010 eine Honorarkorrektur in Höhe von insgesamt 2.652,81 EUR fest und erteilte verschiedene Hinweise. Neben einer sachlich-rechnerischen Berichtigungen nahm sie Einzelkorrekturen i.H.v. 1.722,62 EUR vor. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Absetzungsliste zu Punkt 2 zum Bescheid der Prüfstelle verwiesen. Honorarberichtigungen wegen Unwirtschaftlichkeit in den Einzelleistungsbereichen auf der Basis einer Hochrechnung nahm sie bezüglich der Leistungen Nr. Ä1 BEMA-Z (Ber), Nr. 8 BEMA-Z (ViPr) und Nr. 12 BEMA-Z (bMF) i.H.v. 930,19 EUR vor.

Hiergegen legten der Kläger am 27. Juli 2012 und die Verbände der Krankenkassen in Hessen am 30. Juli 2012 Widerspruch ein. Zur Begründung führte der Kläger zu Nr. 12 BEMA-Z (bmF) aus, eine erschwerte Trockenlegung beinhalte den Einsatz von Kofferdam und auch das Legen eines Fadens zur Stillung des subgingivalen Blutungsflusses und dies stelle eine besondere Maßnahme dar. Die Umwandlung der Nr. 45 und 47a BEMA-Z in X1/X3 erscheine willkürlich, da die Entscheidung dafür in vielen Fällen nur im Laufe der klinischen Behandlung getroffen werden könne. Eine Nachkontrolle sei nicht in allen Fällen notwendig. Eine Exz1 könne auch ohne Anästhesie mittels Laser erfolgen oder mit Oberflächenanästhesie. Die Abrechnung der Nr. Ä1 BEMA-Z vor der Nr. 03 BEMA-Z sei nur ausnahmsweise im Notdienst oder zur prothetischen Beratung erfolgt.

Der Beklagte wies mit Beschluss vom 28. April 2015, ausgefertigt am 15. September 2015 den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück Dem Widerspruch der Verbände der Krankenkassen gab er statt. Er setzte die Honorarkürzung auf insgesamt 9.795,22 EUR fest, wovon auf eine sachlich-rechnerische Berichtigung 246,11EUR, auf den KCH-Bereich aufgrund einer repräsentativen Einzelfallprüfung mit Hochrechnung 9.322,43 EUR und die PAR-Behandlung (1 Behandlungsfall) 226,68 EUR entfielen. Hinsichtlich der Absetzungen im KCH-Bereich aufgrund einer repräsentativen Einzelfallprüfung mit Hochrechnung wird auf die Absetzungslisten und Zusammenstellungen als Anlagen 1-3 zum Bescheid (Bl. 235-261 der Verwaltungsakte Band II des Beklagten verwiesen).

Hiergegen hat der Kläger am Montag, den 19. Oktober 2015 Klage erhoben.

Einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung lehnte das Sozialgericht mit Beschluss vom 25. November 2015 - S 12 KA 636/15 ER - ab.

Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger vorgetragen, der Bescheid sei offensichtlich rechtswidrig. Es sei die Antragsfrist gemäß der Prüfvereinbarung nicht eingehalten worden. Die Prüfungsstelle habe den Prüfbescheid nicht innerhalb der Verwirkungsfrist erlassen. Seine Praxisbesonderheiten seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Er habe die Leistungen ausreichend begründet, womit sich der Beklagte nicht auseinandersetze. Er benötige die 100-Fall Statistik, die auch die Quartale vor und nach dem Prüfzeitraum erfasse. die ZE-, PAR-‚ KFO- und KB-Statistiken und alle zur Prüfung relevanten Statistiken und Unterlagen. Die Behauptung des Beklagten, dass ihm die angeforderten Behandlungsfälle nicht vorgelegt worden seien, könne nicht nachvollzogen werden. Die 20 %-Quote werde nicht erfüllt. Soweit die Behandlungsfälle nicht vorgelegt worden sein sollten und die erforderliche Anzahl nicht erreicht werde, müsse der Beklagte andere Maßnahmen ergreifen.

Der Beklagte hat vorgetragen, zur Auffüllung auf 100 Behandlungsfälle habe er weitere Behandlungsfälle bei dem Kläger angefordert. Der Kläger sei aber seiner Anforderung nicht nachgekommen. Dies könne sich nicht zugunsten des Klägers auswirken. In den Quartalen IV/2010 und I/2011 habe er keine statistische Einzelfallprüfung mit Hochrechnung, sondern eine statistische Prüfung von Einzelleistungen durchgeführt. Eine Mindestprüfzahl sei hierfür nicht erforderlich.

Die Beigeladenen zu 2), 3), 5) und 6) (beigeladen mit Beschluss vom 22. Oktober 2016) haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 14. September 2016 abgewiesen. Die zulässige Klage sei unbegründet. Zur Begründung hat das Sozialgericht auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid und dem Beschluss vom 25. November 2015 im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes verwiesen und ergänzend darauf hingewiesen, besondere Fristen für eine Prüfung stellte die Prüfvereinbarung (PV) nicht auf. § 5 PV unterscheide zwischen Zufälligkeitsprüfung (Abs. 2) und Auffälligkeitsprüfung (Abs. 3). Die Zufälligkeitsprüfung erfolge aufgrund der von der KZV zu ziehenden Stichprobe. Für die Einleitung der Auffälligkeitsprüfung sei die Auswahl im gemeinsamen Ausschuss erforderlich. Durch Übersendung der Aufstellung der in der Zufälligkeits- und Auffälligkeitsprüfung ermittelten Vertragsärzte an die Prüfungsstelle werde das Prüfverfahren eingeleitet (§ 5 Abs. 4 S. 1 PV). Fristen hierfür nenne die PV nicht, weder für die Auswahl durch den gemeinsamen Ausschuss noch für die Übersendung der Aufstellung. Verlangt werde lediglich, dass der betroffene Vertragszahnarzt, die Krankenkassen sowie die KZV Hessen über die Einleitung des Prüfverfahrens informiert würden (§ 5 Abs. 4 S. 2 PV). Darüber hinaus bestehe ein Antragsrecht der KZV Hessen, einer Krankenkasse oder ihres Verbands bezogen auf einzelne Behandlungsfälle, zahnärztlich verordnete/ veranlasste Leistungen, sonstige Schäden und als Folge einer Überprüfung nach § 106a SGB V (§ 5 Abs. 5 S. 1 PV) und auf Prüfung der Wirtschaftlichkeit i. S. von § 106 Abs. 3 S. 3 1. Alternative SGB V und als Folge einer Überprüfung nach § 106a SGB V (§ 5 Abs. 6 S. 1 PV). § 5 Abs. 6 S. 1 PV nenne nicht ausdrücklich die Antragsbefugten, beziehe sich insofern aber offensichtlich auf die in Abs. 5 Genannten. Die PV unterscheide damit zwischen dem "regulären", von Amts wegen, d. h. aufgrund der Stichprobe und der Auswahl des gemeinsamen Ausschusses durchzuführenden Prüfverfahren, und dem besonderen, auf Antrag der in Abs. 5 genannten Antragsbefugten. Nur für das Antragsverfahren nach § 5 Abs. 6 S. 1 PV werde eine Frist aufgestellt. Anträge nach § 5 Abs. 6 S. 1 PV könnten nur bis zum Ablauf des 4. Kalendermonats nach Übersendung sowohl der Quartalsrechnungen als auch der Statistiken schriftlich gestellt werden. Bereits aus der PV folgt daher, dass Fristen für die Einleitung einer Auffälligkeitsprüfung durch den gemeinsamen Ausschuss nicht bestünden. Der Bescheid der Prüfungsstelle sei auch innerhalb der Ausschlussfrist von vier Jahren ergangen.

Der Beklagte habe in allen streitbefangenen Quartalen im KCH-Bereich eine repräsentative Einzelfallprüfung mit Hochrechnung vorgenommen. Dies setze voraus, dass, um eine mathematisch-statistisch verwertbare Aussage über die gleichgelagerte Verhaltensweise des Arztes zu erhalten, pro Quartal und Kassenbereich ein prozentualer Anteil von mindestens 20% der abgerechneten Fälle, der jedoch zugleich mindestens 100 Behandlungsfälle umfassen müsse, überprüft werde. Es müsse dabei sichergestellt sein, dass die so zu prüfenden Einzelfälle nach generellen Kriterien ermittelt würden. Der Kläger habe in allen Quartalen 110 bis 152 Fälle abgerechnet. Die repräsentative Einzelfallprüfung mit Hochrechnung setze daher die Prüfung von 100 Behandlungsfällen in jedem Quartal voraus. Um diese Mindestgröße zu erhalten, habe der Beklagte weitere Behandlungsausweise angefordert, die ihm aber vom Kläger nicht übersandt worden seien. Der Kläger habe dies nur allgemein durch seinen Prozessbevollmächtigten bestritten, ohne einen Nachweis über die Übersendung einzureichen. Insofern fehle es schon an einer substantiierten Behauptung über eine Übersendung der angeforderten Unterlagen. Von daher sei der Beklagte nicht in der Lage, jeweils mindestens 100 Behandlungsfälle in die Prüfung einzubeziehen. Ein Abweichen von der 20 %-Quote komme jedenfalls dann in Betracht, wenn die Gründe für deren Unterschreitung zumindest auch in der Sphäre des Arztes lägen und er einer Mitwirkungspflicht nicht nachkomme (Hinweis auf BSG, Urteil vom 13. März 2014 - B 6 KA 41/13 R -, Rn. 21 f.). Dies müsse aber auch für das Nichterreichen der Mindestzahl von 100 Behandlungsfällen gelten. Verletze der Vertrags(zahn)arzt seine Mitwirkungspflicht, so könnten die Prüfgremien auf den ihnen vorliegenden und erreichbaren Unterlagen die Prüfung vornehmen und auf dieser Grundlage die Schätzung der Unwirtschaftlichkeit vornehmen. Andernfalls hätte es der Vertrags(zahn)arzt in der Hand, durch Verletzung seiner Mitwirkungspflicht eine Prüfung der Wirtschaftlichkeit seiner Behandlungsweise zu verhindern. Daraus folge jedenfalls, dass eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids bezüglich der repräsentativen Einzelfallprüfung mit Hochrechnung nicht vorliege, soweit der Beklagte die Hochrechnung auf ca. 25 % des Abrechnungsvolumens stütze. Praxisbesonderheiten seien, soweit sie bei einer repräsentative Einzelfallprüfung mit Hochrechnung überhaupt von Bedeutung sind, anhand der im Einzelnen geprüften Fälle deutlich zu machen. Der Kläger habe sich jedoch mit keinem der geprüften Fälle konkret auseinandergesetzt. Gleichfalls sei nicht ersichtlich, weshalb die verschiedenen Statistiken vom Kläger benötigt würden, da kein statistischer Kostenvergleich durchgeführt worden sei. Die sachlich-rechnerische Berichtigung und die Prüfung des PAR-Falls würden nicht angegriffen. Fehler seien auch nicht zu erkennen.

Die gegen das am 21. September 2016 zugestellte Urteil gerichtete Berufung des Klägers ist am 20. Oktober 2016 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangen.

Der Kläger ist der Rechtsauffassung, dass eine reformatio in peius im Widerspruchsverfahren nicht zulässig sei. Eine solche sei nur unter den Voraussetzungen des § 45 SGB X zulässig (Hinweis auf BSG, Urteil vom 2. Dezember 1992 – 6 RKa 33/90), dessen Voraussetzungen nicht vorlägen.

Der Bescheid vom 28. April 2015 sei nicht innerhalb der Ausschlussfrist von 4 Jahren ergangen. Auf den Bescheid vom 26. Juni 2012 könne sich der Beklagte nicht stützen, da dieser Bescheid durch den Bescheid vom 28. April 2015 ersetzt worden sei.

Voraussetzung für eine statistische Vergleichsprüfung sei, dass eine ausreichend hohe Fallzahl abgerechnet worden sei, mindestens 100 Fälle, damit ein statistischer Vergleich möglich sei. Das Bundessozialgericht habe bei Fallzahlen, die nur 20 % des Fallzahldurchschnitts der Vergleichsgruppe oder weniger betrügen, eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nach statistischem Vergleich für unzulässig erklärt (Hinweis auf Urteil vom 9. September 1998 – B 4 KA 50/97 R).

Als Praxisbesonderheit müsse berücksichtigt werden, dass der Kläger nur 20 % Kassenpatienten behandele. Die durchschnittliche Fallzahl liege bei etwa 100 anstatt 400 500. Hieraus ergebe sich ein anderer Punktwert, da bei einer größeren Fallzahl die Abweichung im Verhältnis zu Vergleichsgruppe geringer sei. Als Praxisbesonderheit sei zu berücksichtigen gewesen, dass der Kläger überproportional viele Notdienste leiste, so etwa im Jahr 10-12. Viele der Patienten würden dann in der Praxis des Klägers weiterbehandelt. Dies führe zu vermehrten Abrechnungen.

Der Kläger trägt vor, er habe es nicht versäumt, die angeforderten Unterlagen zu übersenden. Der Beklagte habe nicht dargelegt, wann er welche Unterlagen angefordert und angeblich nicht erhalten habe. Dies sei vom Beklagten selbst vorzutragen und nachzuweisen, erst danach trage der Kläger die Pflicht, die Übersendung der angeforderten Unterlagen substantiiert darzulegen.

Der Beklagte und das Sozialgericht hätten sich mit den Einwänden zu Nr. 12 BEMA-Z nicht auseinandergesetzt. Es sei nicht erkennbar, was noch zusätzlich hätte dokumentiert werden sollen. Die Umwandlung der Nr. 45 und Nr. 47a in X1/X3 sei willkürlich gewesen, auch mit diesem Vortrag habe sich der Beklagte und das Sozialgericht nicht auseinandergesetzt. Insoweit werde auf das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 3. Juni 2009 – S 12 KA 521/08 – verwiesen. Auch mit dem Vortrag zur nur ausnahmsweisen Abrechnung der Nr. Ä1 vor Nr.03 hätten sich der Beklagte und das Sozialgericht nicht auseinandergesetzt.

Ein etwaiger Mangel in der Dokumentation könne nicht zu einer pauschalen Streichung sämtlicher Positionen führen.

Der Kläger regt an, den Bescheid durch einen Sachverständigen überprüfen zu lassen und trägt mit Schriftsatz vom 21. August 2017 ergänzend zu einzelnen Behandlungsfällen vor.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 14. September 2016 und den Bescheid des Beklagten vom 28. April 2015 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladenen zu 2., zu 5. und 6. beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, das Verbot der reformatio in peius greife nicht, da auch die Verbände der Krankenkassen in Hessen Widerspruch eingelegt hätten.

Es sei auch keine Verjährung eingetreten. Das Sozialgericht habe zutreffend festgestellt, dass der Bescheid der Prüfstelle innerhalb der Ausschlussfrist ergangen sei. Der Bescheid des Beklagten unterliege nicht dieser Ausschlussfrist. Anhaltspunkte für eine Verwirkung lägen nicht vor.

Der Beklagte habe seinerzeit den Kläger mit Schreiben vom 29. Januar 2015 aufgefordert, sämtliche Aufzeichnungen (Kopie der Originalkartei, Röntgenaufnahmen und gegebenenfalls begleitende Dokumente) für die namentlich im Einzelnen in einer Liste zusammengefassten Patientenfälle vorzulegen. Angesichts dieser klaren und substantiierten Anforderung des Beklagten im Verwaltungsverfahren könne der Kläger nicht mit dem Argument gehört werden, die Anforderung sei zu ungenau gewesen.

Der Vortrag des Klägers zum statistischen Vergleich gehe an der Sache vorbei, da keine statistische Vergleichsprüfung durchgeführt worden sei.

Irrelevant sei das Argument, dass der Kläger nur etwa 20 % Kassenpatienten behandele, da alleiniger Anknüpfungspunkt die Versorgung von Versicherten der GKV sei. Die Tatsache, dass der Kläger überdurchschnittlich viele Notdienste absolviere, spiele im Rahmen der Einzelfallprüfung mit Hochrechnung keine Rolle. Der Beklagte habe sich mit der Argumentation bezüglich Nr. 12 BEMA-Z auseinandergesetzt. Die vom Kläger angeführten Aspekte seien zutreffend. Allerdings seien sie nicht in dieser pauschalen Form berücksichtigungsfähig. Vielmehr müsse bei Dokumentation eines jeden Einzelfalls die Indikationen nachvollziehbarer Weise niedergelegt sein. Dies sei durchgängig nicht der Fall gewesen. Dasselbe gelte hinsichtlich der Umwandlung der Leistungen in X1/X3. Die geschilderten Aspekte könnten im Einzelfall durchaus berücksichtigungsfähig sein, wenn dies aus der jeweiligen Einzeldokumentation des Arztes ersichtlich sei. Dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen. Diese fehlende Dokumentation betreffe auch die Abrechnung der Leistungen nach Nr. Ä 1 vor Nr. 03 BEMA-Z.

Eine weitere Beweisaufnahme sei entbehrlich, da das Sozialgericht fachkundig besetzt gewesen sei und im Übrigen dem Beklagten bei der Bewertung der Fälle ein Beurteilungsspielraum zustehe. Hinsichtlich der Erwiderung des Beklagten zum Vortrag des Klägers zu den einzelnen Behandlungsfällen wird auf den Schriftsatz vom 29. September 2017 Bezug genommen.

Wegen des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12. Juni 2019 verwiesen. Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Alleiniger Gegenstand der statthaften Anfechtungsklage ist der Beschluss des Beklagten vom 28. April 2015, ausgefertigt am 15. September 2015 (vgl. auch das Urteil vom heutigen Tage im Berufungsverfahren L 4 KA 62/16).

1. Rechtsgrundlage der Honorarberichtigung auf der Grundlage der Wirtschaftlichkeitsprüfung ist § 106 SGB V in der hinsichtlich der hier anzuwendenden Teilnormen vom 23. Juli 2009 bis 31. Dezember 2016 geltenden Fassung in Verbindung mit der zwischen der Beigeladenen zu 1) und den Verbänden der Krankenkassen auf Landesebene geschlossenen Prüfvereinbarung vom 26. Juni 2008 (PV).

Der Beklagte unterlag bei der Überprüfung des Bescheids der Prüfstelle keinen Beschränkungen nach dem Grundsatz des Verbots der reformatio in peius. Zutreffend weist der Beklagte darauf hin, dass auch die Verbände der Krankenkassen Widerspruch eingelegt haben, so dass der Prüfungsumfang nicht auf die Einwände des Klägers beschränkt war und die Rüge der Beigeladenen, es sei eine weitaus höhere unwirtschaftliche Abrechnungsweise zu vermuten, ebenso zu prüfen war. Die Widerspruchseinlegung durch die Beigeladene mit dem Ziel, den Bescheid im Hinblick auf eine Verschärfung der Entscheidung zu überprüfen, führt dazu, dass das Verbot der reformatio in peius außer Kraft gesetzt wird (vgl. auch BSG, Urteil vom 18. August 2010 – B 6 KA 14/09 R –, SozR 4-2500 § 106 Nr. 29, Rn. 42).

Hinsichtlich der Verfristung bzw. Verjährung und Verwirkung wird mit der nachfolgenden Ergänzung auf die angegriffene Entscheidung Bezug genommen: Maßgeblich für die Fristberechnung ist allein der Erlass und die Bekanntgabe des Bescheides der Prüfstelle (BSG, Urteil vom 18. August 2010 - B 6 KA 14/09 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 29, Rn. 39; BSG, Urteil vom 14. Mai 2014 - B 6 KA 13/13 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 44, Rn. 25; Clemens in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 106 SGB V Rn. 239). Zeit- und Umstandsmoment einer Verwirkung sind nicht substantiiert vorgetragen und auch nicht ersichtlich: Der Kläger hat seinen Widerspruch erst im Dezember 2012 begründet; danach standen die Beteiligten in Vergleichsverhandlungen, deren Ende allerdings nicht aus den Verwaltungsakten hervorgeht. Im Januar 2015 stellte der Beklagte weitere Ermittlungen an. Allein eine fehlende dokumentierte Tätigkeit der Beklagten im Widerspruchsverfahren von zwei Jahren lässt angesichts des Umstandes, dass ein Teil dieses Zeitraums durch die Prüfung eines Vergleichsvorschlages ausgefüllt war, nicht auf ein Zeit- und/oder Umstandsmoment der Verwirkung schließen.

Die vom Beklagten durchgeführte Prüfung genügt methodisch den rechtlichen Anforderungen und wahrt die Grenzen des Beurteilungsspielraums hinsichtlich der Methodenwahl.

Der Beklagte hat – wie im streitgegenständlichen Bescheid klargestellt wurde – auf der Basis eine repräsentativen Einzelfallprüfung (§ 6 1. b) PV) vorgenommen. Die diesbezüglichen Erwägungen zur Methodenauswahl im Bescheid vom 28. April 2015 sind zwar denkbar knapp; aufgrund der Rechtslage seit 2004 ist aber davon auszugehen, dass die Prüfmethode auf der Grundlage von repräsentativen Einzelfällen keine nachrangige Prüfmethode ist, was bei der Überprüfung des Beurteilungsspielraums beim erforderlichen Begründungsaufwand seinen Niederschlag findet.

Die eingeschränkte Einzelfallprüfung mit Hochrechnung setzt voraus, dass sich bei der Überprüfung (der Behandlungsweise) eine ständige wiederkehrende Verhaltensweise des Arztes feststellen lässt, die von den Prüfgremien als unwirtschaftlich beurteilt wird (auch zum Folgenden ausf. BSG, Urteil vom 8. April 1992 – 6 RKa 27/90 –, BSGE 70, 246, 255). Zudem ist es erforderlich, pro Quartal einen prozentualen Anteil von mindestens 20 % der abgerechneten Fälle - bezogen auf die Gesamtzahl der vom geprüften Arzt behandelten Patienten - zu überprüfen, die zugleich mindestens 100 Behandlungsfälle umfassen müssen. Dabei ist sicherzustellen, dass die zu prüfenden Einzelfälle nach generellen Kriterien ermittelt werden. Der bei dieser Prüfung ermittelte unwirtschaftliche Behandlungsumfang kann auf die Gesamtheit der Fälle hochgerechnet werden, doch ist wegen der mit dieser Methode einhergehenden Unsicherheiten bei der Bemessung des Kürzungsbetrages ein Sicherheitsabschlag von 25 % des danach als unwirtschaftlich ermittelten Gesamtbetrages vorzunehmen.

Diese Vorgaben für die Anwendung dieser Methode hat der Beklagte beachtet.

Der Sicherheitsabschlag wurde vorgenommen (Seite 7 des Bescheides vom 28. April 2018).

Soweit der Kläger sinngemäß eine zu geringe Fallzahl einwendet und aus den Akten der Beklagten in der Tat keine 100 Behandlungsfälle pro Quartal zu entnehmen sind, hat das Sozialgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass dies nicht zu Lasten des Beklagten gehen kann.

Bei der eingeschränkten Einzelfallprüfung mit Hochrechnung kann die Zahl der in die Prüfung einbezogenen Behandlungsfälle weniger als ein Fünftel der Gesamtzahl der Fälle betragen, wenn der Arzt aus Gründen, die zumindest auch in seiner Sphäre liegen, außerstande ist, die angeforderten Akten vollzählig zu übersenden (BSG, Urteil vom 13. August 2014 – B 6 KA 41/13 R –, SozR 4-2500 § 106 Nr. 46).

Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V treffen den geprüften Arzt besondere Mitwirkungspflichten, die über die allgemeinen Mitwirkungspflichten nach § 21 Abs. 2 SGB X hinausgehen (st. Rspr., zum Folgenden zusammenfassend BSG, Urteil vom 13. August 2014 – B 6 KA 41/13 R –, SozR 4-2500 § 106 Nr. 46, Rn. 22). Diese - von der Darlegungs- und Feststellungslast zu trennende - besondere Mitwirkungspflicht ergibt sich daraus, dass dem Arzt ein Vergütungsanspruch nur dann zusteht, wenn er die Leistung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung erbringen durfte; es ist daher seine Angelegenheit, die zur Begründung seines Anspruchs dienenden Tatsachen so genau wie möglich anzugeben und zu belegen, vor allem, wenn er sich auf für ihn günstige Tatsachen berufen will, die allein ihm bekannt sind oder nur durch seine Mithilfe aufgeklärt werden können. Die Vorlage der zur Prüfung benötigten Unterlagen gehört zu diesen besonderen Mitwirkungspflichten des Arztes; dies gilt jedenfalls, solange die für den jeweiligen Prüfungszeitraum maßgeblichen Ausschlussfristen noch nicht abgelaufen sind.

Dieser Mitwirkungspflicht hat der Kläger nicht genügt; mit Schreiben vom 29. Januar 2015 wurde der Kläger aufgefordert, die Kopie der Originaldatei, Röntgenaufnahmen und ggf. begleitender Dokumente für weitere 76 Patientinnen und Patienten des Quartals III/2009, 73 Patientinnen und Patienten des Quartals IV/2009, 69 Patientinnen und Patienten des Quartals II/2010 und 78 Patientinnen und Patienten des Quartals III/2010 vorzulegen (vgl. die Listen Bl. 173 ff. der Verwaltungsakte). Dem ist der Kläger nicht nachgekommen.

Auch die weiteren Rügen des Klägers bezüglich einzelner Positionen bleiben ohne Erfolg.

Die Einwände gegen die Beanstandung von Nr. 12 BEMA-Z der Umwandlung der Leistungen nach Nr. 45 und Nr. 47a BEMA-Z in X1/X3 und die Beanstandung der Abrechnung der Leistungen nach Nr. Ä 1 vor Nr. 03 greifen nicht durch. Der Beklagte hat bereits im angegriffenen Bescheid die Beanstandung auch auf Dokumentationsmängel gestützt. Dies begegnet hinsichtlich des Beurteilungsspielraumes keinen Bedenken. Auch die mit den Berufungserwiderungen seitens des Beklagten ergänzend erläuterten Substantiierungsanforderungen unterliegen keinen rechtlichen Zweifeln. Aus dem vom Kläger in Bezug genommenen Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 3. Juni 2009 – S 12 KA 521/08 – ergibt sich nichts anderes. Zum einen ist die Entscheidung zur sachlich-rechnerischen Berichtigung und nicht zur Wirtschaftlichkeitsprüfung ergangen. Sie trifft daher keine Aussage zur hier grundsätzlich maßgeblichen Frage über die fehlende Notwendigkeit oder Unwirtschaftlichkeit. Zum anderen wird auch dort ausgeführt, dass zwar im Regelfall der Nachweis durch ein Röntgenbild hinreichend sei; indes ist auch das Sozialgericht der Auffassung, dass in uneindeutigen Fällen der Nachweis insbesondere durch einen OP-Bericht erforderlich werden kann. Daraus folgt, dass gerade die vom Kläger angeführten Fälle, in denen erst im Laufe der klinischen Behandlung die Entscheidung zur Durchführung einer Osteotomie getroffen werden könne, als Zweifelsfall erhöhten Anforderungen an die Dokumentation zur Prüfung der Notwendigkeit bzw. Wirtschaftlichkeit unterliegt.

Weiterhin ist der bezüglich der Absetzung von Nr. 49 BEMA-Z (Exz1) erhobene abstrakte Einwand, dass eine Exz1 auch ohne Anästhesie mittels Laser oder mit Oberflächenanästhesie erfolgen könne, ohne konkreten Tatsachenvortrag nicht hinreichend substantiiert; eine weitere Substantiierung ist auch nicht mit der Klage erfolgt.

Im Übrigen führt der neue Tatsachenvortrag mit der Klage und der Berufung bezüglich der weiteren Absetzungen nicht zu einer Überprüfung, da der Kläger insoweit präkludiert ist. Einwände, die der Arzt erst im gerichtlichen Verfahren vorbringt, bleiben als verspätet unberücksichtigt, weil der Arzt nicht berechtigt ist, das Prüfverfahren zu unterlaufen und die den Prüfgremien vorbehaltenen Prüfung in das gerichtliche Verfahren zu verlagern; nur Einwände, die das Prüfverfahren selbst oder Aspekte betreffen, die auf der Basis der im Prüfverfahren vorliegenden Unterlagen so offenkundig sind, dass die Prüfgremien dem schon von Amts wegen nachgehen müssen, kann ein Vertragsarzt auch noch nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens geltend machen. (BSG, Urteil vom 20. September 1988 – 6 RKa 22/87 –, SozR 2200 § 368n Nr. 57, S. 193, 197 f.; BSG, Urteil vom 21. März 2012 – B 6 KA 17/11 R –, SozR 4-2500 § 106 Nr. 35, Rn. 39 ff.¸ Engelhard in: Hauck/Noftz, SGB, Stand: 11/17, § 106 SGB V Rn. 547).

2. Die sachlich-rechnerische Berichtigung ist nicht zu beanstanden, wie das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat.

Die Prüfstelle und der Beklagte waren für die sachlich-rechnerische Berichtigung zuständig. Zeigt sich erst aufgrund einer näheren Untersuchung der Abrechnung im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung, dass bestimmte Überschreitungen bei der statistischen Vergleichsbetrachtung auf einen Fehlansatz einzelner Gebührenpositionen zurückgehen, so sind die Prüfgremien berechtigt, sachlich-rechnerische Richtigstellungen vorzunehmen, wenn diese neben der eigentlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung von untergeordneter Bedeutung sind (BSG, Urteil vom 6. September 2006 – B 6 KA 40/05 R , SozR 4-2500 § 106 Nr. 15, juris Rn. 19 m.w.N.). Nur wenn der Schwerpunkt der Beanstandungen bei einer fehlerhaften Anwendung der Gebührenordnung liegt, müssen die Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung das Prüfverfahren abschließen und der KÄV Gelegenheit geben, sachlich-rechnerische Richtigstellungen vorzunehmen.

So liegt es hier. Die sachlich-rechnerische Berichtigungen beläuft sich im streitgegenständlichen Bescheid auf lediglich 246,11EUR.

Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Berichtigung sind nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.

Die Kostengrundentscheidung folgt aus § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved