S 9 U 276/15

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Landshut (FSB)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 9 U 276/15
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 25.02.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.09.2015 wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer entschädigungspflichtigen Berufskrankheit nach Nr. 2108 bzw. nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) - BK 2108 - bzw. - BK 2110 - streitig.

Der am ...1961 geborene Kläger arbeitete zunächst vom 01.07.1979 bis 11.09.1998 in Ungarn verschiedentlich als Traktorfahrer sowie im Transportwesen. Vom 15.09.1998 bis 31.07.1999 nahm er eine Tätigkeit als Hauswart im Hotel W., St. auf, in deren Rahmen er auch Maurerarbeiten durchführen musste. Ab August 1999 bis Januar 2009 war er mit einer Unterbrechung bei verschiedenen Firmen als Lkw-Fahrer mit Ladetätigkeit beschäftigt; im Einzelnen: vom 02.08.1999 bis 30.09.2002 bei der Firma Textilpflege L., St.; vom 01.10.2002 bis 30.11.2009 bei der Firma K ... Logistik; vom 02.11.2005 bis 30.04.2008 bei der Firma S. Papierlogistik, F.; vom 01.05.2008 bis 31.01.2009 bei der Firma S. und S., F. Es folgten Tätigkeiten als Arbeiter in der chemischen Reinigung des Hotels V., P. (vom 01.09.2010 bis 04.07.2011) und als Reinigungskraft im Hotel R., P. (vom 19.10.2011 bis 18.04.2012). Im August 2013 nahm er für 4 Tage eine Beschäftigung als Tankwart bei der Firma R. S. auf. Wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten wurden nach Angaben des Klägers im Rahmen der Tätigkeit bei der Firma Textilpflege L., St, bei der Firma M. S. Papierlogistik, F. und bei der letzten Tätigkeit, der Firma R. S. angegeben (vgl. Formblattanfrage vom 24.06.2014).

Mit E-Mail-Nachricht vom 19.06.2014 legte der Kläger dar, dass er an unheilbaren Krankheiten wie einem "Bandscheibenvorfall im Rücken und in der Halswirbelsäule, sowie einem starken Kopfzittern und Kopfschmerzen" leiden würde. Da es sich um eine im Beruf erworbene Krankheit handeln würde, stellte er die Frage nach der Zuständigkeit der Berufsgenossenschaft.

Nach Auskunft der AOK Baden-Württemberg vom 18.09.2014 lag Arbeitsunfähigkeit wegen eines LWS-Syndroms im Zeitraum vom 31.03.1999 bis 01.04.1999 und wegen einer Lumboischialgie im Zeitraum vom 06.04.1999 bis 09.04.1999 vor. Im weiteren Verlauf wurden Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen Gastritis mit Kreuzschmerzen in den Zeiträumen 30.07.2002 bis 29.08.2002 und 10.05.2004 bis 01.06.2004 festgehalten. Eine Cervikalneuralgie fand erstmals 2010 Erwähnung (vgl. Auskunft der Kaufmännischen Krankenkasse vom 19.09.2014).

Der Neurologe Dr. L. (P.) beschrieb in seinem ärztlichen Bericht vom 09.12.2013 ein chronisches Lumbalsyndrom ohne Radiculopathie. Laut Röntgenbefund vom 09.12.2013 läge eine fortgeschrittene spondylodegenerative Veränderung und leichte Retrolisthese des Lumbosakralbereiches vor.

Nach Auswertung der bildgegebenden Befunde durch den Beratungsarzt Dr. K. (Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie) (vgl. Stellungnahme vom 19.12.2014) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25.02.2015 die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 oder 2110 der Berufskrankheiten-Liste (bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule) ab. Zudem wurde ein Anspruch auf besondere Leistungen oder Maßnahmen, die dem Entstehen einer Berufskrankheit entgegenwirkten, ausgeschlossen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass kein Krankheitsbild vorläge, das einer Berufskrankheit entspräche. Die Röntgenaufnahmen der Lendenwirbelsäule zeigten keine altersvorauseilenden Verschleißumbauten der Zwischenwirbelgelenke. Es könnten lediglich angedeutete spondylotische Ausziehungen der Wirbelkörperabschlussplatten im Bereich des 3. und 4. Lendenwirbelkörpers festgestellt werden. Eine bandscheibenbedingte Erkrankung mit Nachweis von altersvorauseilenden Bandscheibenverschleißumbauten im Sinne einer Chondrose mindestens Grad II und/oder eines Bandscheibenvorfalls seien den Aufnahmen nicht zu entnehmen.

Der Kläger widersprach dieser Beurteilung und machte unter Vorlage einer Kernspintomographie der Lendenwirbelsäule vom 23.03.2015 sowie einer Kernspintomographie des Schädels vom 08.06.2015 geltend, dass der bestehende Kopftremor auf 2 Schlaganfälle zurückzuführen sei, die durch die unmenschlichen Arbeitsbedingungen bei der Firma M. S. Papierlogistik aufgetreten seien.

Dr. W. (Fachärztin für Chirurgie und Unfallchirurgie) legte in ihrer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 11.08.2015 dar, dass in der MRT-Untersuchung der Lendenwirbelsäule vom 23.03.2015 kein zu forderndes Krankheitsbild einer BK 2108/2110 dargestellt sei. Es läge weder ein bildgebender Nachweis einer altersunüblichen Höhenminderung, im konkreten Fall entsprechend einer Chondrose Grad II, noch das Vorliegen eines Bandscheibenvorfalls vor.

Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 25.02.2015 blieb erfolglos und wurde mit Widerspruchsbescheid vom 16.09.2015 zurückgewiesen. In der Begründung wurde darauf hingewiesen, dass kein für die BK 2108 bzw. BK 2110 der Berufskrankheiten-Liste typisches (belastungskonformes) Schadensbild vorläge und insoweit nicht als infolge von Arbeitsbelastungen verändert angesehen werden könne.

Mit der Klage vom 15.10.2015 hat der Kläger seinen Antrag auf Anerkennung einer berufsbedingten Bandscheibenerkrankung der Lendenwirbelsäule im Sinne der BK 2108 bzw. 2110 weiterverfolgt und erneut geltend gemacht, dass der bestehende Kopftremor als berufsbedingte Erkrankung zu werten sei (vgl. Schriftsatz vom 15.10.2015 und 20.10.2015).

Das Sozialgericht Landshut hat einen Behandlungsbericht und bildgebende Befunde von den Dres. B. und K. (Fachärzte für Orthopädie und Chirurgie) sowie von Dr. Z. (Allgemeinarzt) eingeholt und die Akte der Beklagten beigezogen.

Am 03.05.2016 hat Dr. R.(Facharzt für Chirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie)im Auftrag des Gerichts ein Gutachten erstellt. Dr. R. hat zusammenfassend nachfolgende Gesundheitsstörungen diagnostiziert: 1. chronisch rezidivierendes lokales Lumbalsyndrom ohne sensomotorische Ausfallserscheinungen bei 6-Lendigkeit und Spondylolysthesis vera bei Spondylolyse L6/S1 ohne maßgeblichen Versatz der Wirbelkörper; mäßige osteochondrotische und initiale spondylotische, jedoch nicht altersvorauseilende Veränderungen; diskrete Bandscheibenprotrusionen L4/L5 und L6/S1; keine Spinalkanalstenose; keine Foramenstenose; kein Anfangsverdacht einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule 2. chronisch rezidivierendes lokales HWS-Syndrom ohne sensomotorische Ausfallserscheinungen bei mäßigen Osteochondrosen, Spondylosen und Spondylarthrosen der unteren beiden Segmente; kein Hinweis für eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Halswirbelsäule. Es bestünde kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit des Klägers und den genannten Gesundheitsstörungen. Eine BK 2108 bzw. 2110 läge nicht vor. Zudem habe kein Zwang zur Aufgabe aller gefährdenden Tätigkeiten bestanden. Hinsichtlich der weiteren Ausführungen wird auf das Gutachten vom 03.05.2016 verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 11.07.2016 hat der Kläger über seine Prozessbevollmächtigte sich gegen diese Feststellung gewandt und gleichzeitig den gerichtlich bestellten Gutachter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung ist im Wesentlichen darauf hingewiesen worden, dass Dr. R. das klägerische Vorbringen komplett unberücksichtigt gelassen habe und eindeutige ärztliche Befunde ignoriert habe (vgl. Schriftsatz vom 11.07.2016).

Dr. R. hat hierzu am 24.07.2016 ergänzend Stellung genommen und seine bisherigen Ausführungen bestätigt.

Das Sozialgericht Landshut hat mit Beschluss vom 03.08.2016 das Ablehnungsgesuch gegen den gerichtlichen Sachverständigen Dr. R. wegen Besorgnis der Befangenheit zurückgewiesen. In der Begründung ist darauf hingewiesen worden, dass keine Gründe geltend gemacht worden seien, die die Ablehnung des gerichtlichen Sachverständigen rechtfertigen würden. Die Prozessbevollmächtigte habe allein die inhaltliche Richtigkeit des Gutachters gerügt. Sachliche Mängel eines Gutachtens, wie sie vorgebracht worden seien, führten aber lediglich dazu, die Rechte des Prozessrechts in Anspruch zu nehmen, insbesondere ein neues Gutachten einzuholen. Die inhaltliche Bewertung des Gutachtens obliege dem entscheidenden Gericht im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 28 Abs. 1 Satz 1 SGG) und können nicht in ein Verfahren wegen Besorgnis der Befangenheit vorgezogen werden.

Die Prozessbevollmächtigte hat im weiteren Verlauf geltend gemacht, dass bezüglich der Beschwerden des Klägers (Kopftremor) ein weiteres Gutachten auf neurologisch/neuro-radiologischem/psychiatrischem Fachgebiet veranlasst sei. Sie hat außerdem vorgetragen, dass Dr. R. das Schadensbild des Klägers in seinem Gutachten vom 03.05.2016 schlicht falsch und entgegen der bisherigen ärztlichen Feststellungen dargestellt habe. Eine altersvorauseilende Höhenminderung sei - unter Verweis auf die Stellungnahme von Dr. W. vom 11.08.2015 - selbst durch die Beklagte festgestellt worden. Auf die weiteren Ausführungen in den Stellungnahmen vom 09.08.2016 und 02.09.2016 wird verwiesen.

Die Beklagte hat hierzu ausgeführt, dass erstmalig am 09.12.2013 Röntgenaufnahmen der Wirbelsäule angefertigt worden seien. Diese Aufnahmen, wie auch später angefertigte Aufnahmen, ließen eine bandscheibenbedingte Erkrankung im Sinne der BK 2108 bzw. 2110 der Anlage zu BKV nicht erkennen. Bei dem Kläger könne anhand des vorliegenden bildgebenden Materials kein Bandscheibenvorfall und auch keine Chondrose mindestens Grad II objektiviert werden. Es fehle somit das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen. Im Übrigen könne ein Kopftremor nach wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht durch eine Erkrankung der Lendenwirbelsäule verursacht werden.

Die Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 25.02.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.09.2015 aufzuheben und festzustellen, dass bei dem Kläger eine Berufskrankheit nach der Ziffer 2108 bzw. 2110 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung vorliegt.

Der Vertreter der Beklagten beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen gem. § 136 Absatz 2 SGG auf das Vorbringen der Beteiligten und den gesamten Akteninhalt Bezug genommen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind und bei der Entscheidung vorgelegen haben.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, aber in der Sache nicht erfolgreich.

Unter welchen Voraussetzungen eine BK als entschädigungspflichtiger Versicherungsfall anzuerkennen ist, ergibt sich aus §§ 7 und 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Danach sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeiten erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung ausgesetzt ist; sie kann Berufskrankheiten auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten versehen.

Die hier infrage stehende Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV wird definiert als bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen hat, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Die Berufskrankheit Nr. 2110 setzt voraus, dass eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule vorliegt, die durch langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkungen von Ganzkörperschwingungen im Sitzen hervorgerufen wurde.

Für die Feststellung einer Erkrankung als Berufskrankheit ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erforderlich, dass die Verrichtung einer versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und diese Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Verrichtung, die Einwirkungen und die Krankheit im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen. Für die Einwirkungskausalität und die haftungsbegründende Kausalität, welche nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, genügt hingegen die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 04.07.2013, B 2 U 11/12 R). Die hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn nach aktueller wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen den Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden.

Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben hat die Beklagte zu Recht mit Bescheid vom 25.02.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.09.2015 die Anerkennung der geklagten Beschwerden als Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII i.V.m. Nr. 2108 und Nr. 2110 der Anlage 1 zu BKV, sowie die Gewährung von Leistungen abgelehnt. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird diesbezüglich abgesehen, da das Gericht die Klage aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 136 Abs. 3 SGG).

Ergänzend hierzu ist lediglich darauf hinzuweisen, dass die Beweisaufnahme im Klageverfahren keine andere Bewertung rechtfertigt. Die Kammer stützt sich hierbei auf die schlüssigen und aufgrund der vorliegenden Beweisunterlagen nachvollziehbaren Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. R. Der medizinische Sachverständige hat ein ausgeprägtes Schadensbild sowohl im Bereich der Lendenwirbelsäule, als auch im Bereich der Halswirbelsäule attestiert. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dieser Wirbelsäulenerkrankung und der Tätigkeit des Klägers ist aber nicht zu begründen, da eine belastungskonforme Bandscheibenerkrankung als Indiz einer stattgehabten Belastung im Sinne der BK 2108 und der BK 2110 nicht erhoben werden kann. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen - gegebenenfalls unter Berücksichtigung einer gegenseitigen Potenzierung durch Belastungen im Sinne der BK 2108 und der BK 2110 - erfüllt wären.

Hinsichtlich der medizinischen Voraussetzungen ist anzumerken, dass die Bandscheibendegeneration multifaktoriell beeinflusst wird und u. a. den natürlich ablaufenden Degenerationsvorgängen unterliegt. Körperliche Belastungen durch das Heben und Tragen schwerer Lasten während einer langjährigen beruflichen Tätigkeit können durch übermäßige Beanspruchung der bardytrophen Bandscheiben zu einer Beschleunigung der etwa ab dem 3. Lebensjahrzehnt ablaufenden regressiven Prozesse führen. In der Literatur ist dabei allgemein anerkannt, dass die unteren Bandscheiben der Lendenwirbelsäule in cranio-caudaler Richtung einer zunehmenden Belastung und Schädigung unterliegen (vgl. Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung der auf Anregung des HVBG eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe I, Ziffer 1.4). Als morphologische Schadensbilder sind hierbei die Bandscheibenerniedrigung (Chondrose) mit einer Protrusion oder einem Bandscheibenvorfall zu nennen. Vorausgehend oder parallel dazu ablaufend finden sich jedoch Anpassungsvorgänge der Wirbelsäule an die Belastung. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass bei den unteren Lendenwirbelsäulensegmenten, die überwiegend einer axialen Belastung unterliegen, die Grund- und Deckplatten verstärkt werden (sog. osteochondrotische Veränderungen). In den oberen Lendenwirbelsäulensegmenten und den unteren Brustwirbelsäulensegmenten überwiegen dagegen die Zugkräfte durch Translationsbewegungen, so dass infolge der ligamentären Zugkräfte vornehmlich knöcherne Anbauten (sog. Spondylophyten) entstehen. Diese Veränderungen sind als physiologische Reaktion des Organismus auf die Belastung und zugleich als Indiz für die stattgehabte Belastung zu werten.

Vorliegend ist eine Schädigung in diesem Sinne nicht gegeben. Wie Dr. R. überzeugend ausführt, ergibt sich unter Einbeziehung der Röntgenaufnahme vom Dezember 2013 und dem MRT-Befund vom März 2015 keine als pathologisch zu bezeichnende Chondrose (Bandscheibenerniedrigung). Ausweislich der Berechnung nach Hurxthal II können in Übereinstimmung mit den Feststellungen der beratenden Ärzte Dr. W. und Dr. K. eine die Altersnorm überschreitende Erniedrigung der Bandscheiben ausgeschlossen werden. Zudem kam auch keine maßgeblich altersvorauseilende Osteochondrose oder Spondylose zur Darstellung, so dass auch keine Begleitspondylose im Sinne der Konsensempfehlungen festgestellt werden kann (vgl. Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung der auf Anregung des HVBG eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe I, Ziffer 1.4). Unter Berücksichtigung der fehlenden Bandscheibenerniedrigung ist die Verschleißerkrankung der kleinen Wirbelgelenke als degenerativ einzuschätzen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass zwischen L6 und S1 ein Wirbelgleiten (Spondylolysthesis vera Grad Meyerding I) besteht, d. h. eine anlagedingte Instabilität der Wirbelsäule, bei der das obere Teilstück der Wirbelsäule mit dem Gleitwirbel über den darunter liegenden Wirbelkörper nach vorne gleitet. Eine vordergründige berufliche Verursachung der festgestellten knöchernen Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule kann nicht abgeleitet werden.

Im Ergebnis geht die Kammer zweifelsfrei davon aus, dass vorliegend eine berufsbedingte Lendenwirbelsäulenerkrankung i. S. der BK 2108 bzw. BK 2110 nicht zu begründen ist. Es ist von einer schicksalhaften degenerativen Erkrankung der Lendenwirbelsäule auszugehen. Gesicherte radikuläre Ausfallserscheinungen sind zu keinem Zeitpunkt dokumentiert. Der Nachweis einer berufsbedingten bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule gelingt damit nicht. Eine gutachterliche Stellungnahme hinsichtlich des bestehenden Kopftremors als berufsbedingte Erkrankung ist nicht veranlasst.

Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig und deshalb nicht zu beanstanden. Die Klage ist als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz.

Rechtsmittelbelehrung:

Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden. Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Bayer. Landessozialgericht, Ludwigstraße 15, 80539 München, oder bei der Zweigstelle des Bayer. Landessozialgerichts, Rusterberg 2, 97421 Schweinfurt, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder beim Bayer. Landessozialgericht in elektronischer Form einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist beim Sozialgericht Landshut, Seligenthaler Straße 10, 84034 Landshut, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder beim Sozialgericht Landshut in elektronischer Form eingelegt wird. Die elektronische Form wird nur durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der "Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in der Sozialgerichtsbarkeit - ERVV SG" an die elektronische Gerichtspoststelle des Bayer. Landessozialgerichts oder des Sozialgerichts Landshut zu übermitteln ist. Über das Internetportal des elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs (www.egvp.de) können weitere Informationen über die Rechtsgrundlagen, Bearbeitungsvoraussetzungen und das Verfahren des elektronischen Rechtsverkehrs abgerufen werden. Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben. Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden; dies gilt nicht im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs.
Rechtskraft
Aus
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