L 3 BA 1/19

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 4 R 841/14
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 BA 1/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Klägerin für die an einen ehemaligen Arbeitnehmer gezahlte Abfindung Beiträge zur Sozialversicherung zu entrichten hat.

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, dessen Gegenstand der Betrieb mehrerer Einzelhandelsgeschäfte im Modebereich ist. Sie beschäftigte unter anderem den am 14. April 1944 geborenen und mittlerweile verstorbenen Arbeitnehmer D. (D.). Sie teilte diesem unter dem 16. Februar 2009 mit, dass sein Arbeitsverhältnis am 30. April 2009 ende. Grund hierfür sei, dass sein Arbeitsvertrag vom 16. November 1976 auf den jeweils geltenden Manteltarifvertrag, der zwischen dem Gesamtverband des Hamburger Einzelhandels und den Gewerkschaften abgeschlossen worden sei, Bezug nehme. Danach ende das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats, in welchem das 65. Lebensjahr vollendet werde. Der Arbeitnehmer D. widersprach diesem Schreiben und vertrat unter anderem die Auffassung, dass die automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Diskriminierung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) sei und auch europarechtlichen Vorgaben widerspreche. Die Klägerin erhob daraufhin beim Arbeitsgericht Hamburg eine Klage auf Feststellung, dass das mit dem Arbeitnehmer D. bestehende Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30. April 2009 wegen Vollendung des 65. Lebensjahres ende (Az. 28 Ca 109/09). Der Rechtsstreit wurde im Gütetermin des Arbeitsgerichts am 24. April 2009 durch einen Vergleich mit folgendem Inhalt beendet:

"1. Die Parteien sind sich einig, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der vertraglichen und tarifvertraglichen Regelung mit Vollendung des 65. Lebensjahres des Beklagten am 30. April 2009 endet. 2. Die Parteien sind sich weiter darüber einig, dass ab dem 1. Mai 2009 ein neues Arbeitsverhältnis unter Anrechnung der bisherigen Betriebszugehörigkeit auf 400 EUR Basis (Minijob) begründet wird. Dieses Arbeitsverhältnis ist befristet bis zum 30. April 2010. 3. Die Klägerin verpflichtet sich, an den Beklagten für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung entsprechend §§ 9, 10 KSchG in Höhe von EUR 10.000,00 netto zu zahlen. Die Abfindung ist fällig zum 30. April 2009. 4. Damit ist dieser Rechtsstreit erledigt."

In Ausführung dieses Vergleichs schloss die Klägerin mit dem Arbeitnehmer D. unter dem 29. April 2009 einen Arbeitsvertrag als Aushilfe in der Logistikabteilung für die Zeit vom 1. Mai 2009 bis 30. April 2010 mit einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 8 Stunden (aufgeteilt auf zwei Tage) und einem Arbeitsentgelt von 400 EUR monatlich.

Die Beklagte führte am 12. Februar 2013 eine Betriebsprüfung für den Prüfzeitraum vom 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2011 durch. Mit Schreiben vom 21. Oktober 2013 hörte sie die Klägerin zu einer beabsichtigten Beitragsnachforderung in Höhe von insgesamt 5.371,36 EUR an. Hiervon entfiel ein Betrag von 3.089,93 EUR auf die hier allein (noch) streitige Beitragserhebung auf die dem Arbeitnehmer D. gezahlte Abfindung. Die Beklagte führte hierzu aus, dass als Abfindungen deklarierte Zahlungen, die bei fortbestehendem Beschäftigungsverhältnis geleistet würden, nicht beitragsfrei seien, sondern in vollem Umfang sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt darstellten. Entscheidend hierfür sei, dass das Beschäftigungsverhältnis in seiner Substanz weiterbestehe, was vorliegend der Fall sei, da dem Arbeitnehmer anlässlich der Umwandlung des Beschäftigungsverhältnisses von einer sozialversicherungspflichtigen in eine geringfügige Beschäftigung eine Abfindung gewährt worden sei. Die Anhörung enthielt außerdem Ausführungen in Bezug auf Nachforderungen für Überstundenabgeltungen und weitere Beitragsdifferenzen bei anderen Arbeitnehmern.

Die Klägerin erwiderte hierauf, dass die Abfindung nach ihrer Auffassung keine sozialversicherungspflichtige Zahlung sei. Es sei damals streitig und noch nicht höchstrichterlich entschieden gewesen, ob die automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 65. Lebensjahres eine Altersdiskriminierung darstelle. Mit dem gerichtlichen Vergleich sei das Arbeitsverhältnis einvernehmlich gegen Zahlung einer Abfindung beendet worden. Die Abfindung sei daher kein Arbeitsentgelt, weder für vergangene Zeiten noch für ein neues Arbeitsverhältnis. Der Arbeitnehmer habe sich mit der Abfindung einen eventuell jahrelangen Rechtsstreit über die wirksame Beendigung des Arbeitsverhältnisses abkaufen lassen. Auch mit den Nachforderungen für ausgezahlte Überstunden sei die Klägerin nicht einverstanden.

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 18. November 2013 eine Beitragsnachforderung von insgesamt 5.371,36 EUR fest. Dabei entfielen 3.089,93 EUR auf die hier streitige Abfindung, 616,43 EUR auf Überstundenabgeltungen anderer Arbeitnehmer sowie 1.665 EUR auf weitere Beitragsdifferenzen bei anderen Arbeitnehmern.

Hinsichtlich der Beitragserhebung auf die Abfindung für den Arbeitnehmer D. sowie der Überstundenabgeltungen erhob die Klägerin Widerspruch. In Bezug auf die Abfindung machte sie geltend, dass die damalige Anwältin des Arbeitnehmers im Gütetermin vor dem Arbeitsgericht argumentiert habe, dass die automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Erreichen der Altersgrenze nach deutscher und europäischer Rechtsprechung keineswegs gesichert sei. Auf Vorschlag der Vorsitzenden Richterin sei deshalb diskutiert worden, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung zu beenden. Der Arbeitnehmer habe aber vorgetragen, dass er sich mit dem definitiven Ausscheiden aus dem Arbeitsleben sehr schwer tue, da dann sein gesamter Sozialbezug verloren gehe. Er habe daher darum gebeten, zur Erleichterung des Überganges in das Rentner-Dasein noch für ein Jahr als 400 EUR-Aushilfe im Logistik-Bereich arbeiten zu können. Damit sei die Klägerin einverstanden gewesen. Der Arbeitnehmer sei bis dahin mit einer 40-Stunden-Woche für den gesamten Wareneingang und die Verteilung an die Filialen sowie teilweise für die Zustellung der Ware, die elektronische Erfassung des Wareneinkaufs und die Warenstatistik zuständig gewesen. Zudem sei er für den gesamten technischen Bereich des Hauses als Hauswart verantwortlich gewesen. Im Rahmen seines Mini-Arbeitsverhältnisses sei er mit diesen Aufgaben nicht mehr befasst gewesen, sondern habe nur noch dienstags und donnerstags jeweils von 9.30 bis 13.30 Uhr für Ablage und Statistik gearbeitet. Seine vorherigen Aufgaben seien vollständig von seinem Nachfolger übernommen worden.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2014 zurück, der am 11. Juli 2014 zur Post aufgegeben wurde. Sie führte aus, das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Arbeitnehmer D. sei ab 1. Mai 2009 von einer Vollzeitstellung in ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis umgewandelt worden. Es habe damit weiterhin ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden, denn es habe sich um eine einheitliche Vereinbarung gehandelt. Nach dem Vergleich sei der Arbeitnehmer unter Anrechnung der bisherigen Betriebszugehörigkeit weiterhin geringfügig beschäftigt worden. Als Abfindungen deklarierte Zahlungen, die bei fortbestehendem Beschäftigungsverhältnis geleistet würden, seien nicht beitragsfrei, sondern sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt.

Mit ihrer am 14. August 2014 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und auf gerichtliche Nachfrage zunächst mitgeteilt, dass der Gesamtnachforderungsbetrag streitig sei. In der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts am 20. September 2018 hat sie jedoch lediglich beantragt, die Bescheide bezüglich der Beitragserhebung auf die Abfindung in Höhe von 3.089,93 EUR aufzuheben, und die weiteren Forderungen für unstreitig erklärt.

Mit Urteil vom selben Tage hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide hinsichtlich der Forderung von 3.089,93 EUR aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es hat ausgeführt, zur Zeit des Arbeitsgerichtsprozesses sei es aufgrund der ungeklärten Rechtslage für die Klägerin unsicher gewesen, ob sie den Arbeitnehmer weiterbeschäftigen musste, obwohl sie bereits einen Nachfolger eingestellt hatte. Es habe daher in ihrem Interesse gelegen, das Arbeitsverhältnis ohne Zuwarten auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gegen Zahlung einer Abfindung zu beenden. Die Abfindung sei somit wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes gezahlt worden. Dagegen sei das Beschäftigungsverhältnis nicht umgewandelt worden. Der Arbeitnehmer sei nicht mehr im Rahmen seines bisherigen Aufgabenbereichs eingesetzt worden, vielmehr sei eine geringfügige Beschäftigung mit anderem Aufgabenbereich vereinbart worden.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 11. Dezember 2018 zugestellte Urteil am 4. Januar 2019 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei eine Abfindung, die wegen des Verlusts des Arbeitsplatzes gezahlt werde, nicht dem beitragspflichtigen Arbeitsentgelt zuzurechnen, weil der Anspruch auf die Abfindung erst nach Beendigung des sozialversicherungsrechtlich relevanten Beschäftigungsverhältnisses entstehe und mithin nicht auf die Zeit der versicherungspflichtigen Beschäftigung entfalle. Dagegen sei eine Abfindung, die wegen Verringerung der Wochenarbeitszeit bei weiterbestehendem versicherungspflichtigem Beschäftigungsverhältnis gezahlt werde, dem beitragspflichtigen Arbeitsentgelt hinzuzurechnen. Dies gelte auch für eine Abfindung wegen Umsetzung in einen anderen Betriebsteil mit schlechterer Bezahlung oder die Rückführung auf die tarifliche Bezahlung oder den Fortfall von Sonderzahlungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld bzw. Gewinnbeteiligungen. Das fortbestehende Arbeitsverhältnis begründe die Fortdauer der Beschäftigung im Sinne der Sozialversicherung. Die Abfindung ersetze hier in Form einer pauschalierten Abgeltung einen Teil der Vergütung, die ohne Änderung der Arbeitsbedingungen zu zahlen gewesen wäre. Während bei einer echten Entlassungsabfindung eine zeitliche Rückbeziehung auf die frühere versicherungspflichtige Beschäftigung nicht möglich sei und ein Beschäftigungsverhältnis in der Zukunft fehle, sei in den anderen Fällen ein weiterbestehendes Beschäftigungsverhältnis vorhanden, dem die Abfindung nach ihrem Zweck zeitlich zugeordnet werden könne. Vorliegend handele es sich bei dem geringfügigen Arbeitsverhältnis ab 1. Mai 2009 um die Fortsetzung der sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigung über den 30. April 2009 hinaus. Dafür sei es unerheblich, welcher Beruf ausgeübt werde und welche regelmäßige Arbeitszeit vereinbart worden sei. Daran ändere es auch nichts, dass wegen der Verringerung der Arbeitszeit nur noch eine versicherungsfreie, aber in der Kranken- und Rentenversicherung beitragspflichtige entgeltliche Beschäftigung vorgelegen habe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 20. September 2018 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf ihren bisherigen Vortrag und weist erneut darauf hin, dass die Tätigkeit im Rahmen des Minijobs eine völlig andere gewesen sei. Es handele sich daher um eine echte Abfindung wegen des Verlusts des Arbeitsplatzes, die dem Arbeitnehmer wegen der damals noch unklaren Rechtslage gezahlt worden sei.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und keine Stellungnahme abgegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG) ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die angefochtenen Bescheide zu Recht teilweise in Bezug auf die Beitragsnachforderung in Höhe von 3.089,93 EUR aufgehoben, denn die Beklagte war nicht berechtigt, Beiträge auf die von der Klägerin an den Arbeitnehmer D. gezahlte Abfindung zu erheben.

Weitere Beiladungen waren nicht vorzunehmen, da der ehemalige Arbeitnehmer verstorben ist und es einer Beiladung der Fremdversicherungsträger im Betriebsprüfungsverfahren nicht bedarf (BSG, Urteil vom 05.12.2017 – B 12 R 10/15 R – Juris).

Nach § 28p Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) prüfen die Träger der Rentenversicherung – hier die Beklagte – bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a SGB IV) mindestens alle vier Jahre. Gemäß § 28p Abs. 1 S.5 SGB IV erlassen sie im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern.

In der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung liegt bei versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung für den vom Arbeitgeber zu zahlenden Gesamtsozialversicherungsbeitrag gemäß §§ 28d, 28e SGB IV das Arbeitsentgelt zugrunde (§ 226 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), § 57 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI), § 162 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), § 342 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III)). Arbeitsentgelt sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden (§ 14 Abs. 1 S. 1 SGB IV).

Nach der Rechtsprechung des BSG erfasst die weite Begriffsbestimmung des Arbeitsentgelts in § 14 Abs. 1 SGB IV solche Einnahmen, die dem Versicherten in ursächlichem Zusammenhang mit einer Beschäftigung zufließen. Hierzu gehören insbesondere die Gegenleistungen des Arbeitgebers oder eines Dritten für eine konkret zu ermittelnde Arbeitsleistung des Beschäftigten und solche Vergütungen, die zugleich einen Anreiz für weitere erfolgreiche Arbeit schaffen sollen, wie Gratifikationen, Gewinnbeteiligungen und sonstige Vorteile (BSG, Urteile vom 28.01.1999 – B 12 KR 14/98 R und B 12 KR 6/98 R – Juris, jeweils m.w.N.).

Zahlungen, die anlässlich der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses geleistet werden, stellen hiernach nur dann beitragspflichtiges Arbeitsentgelt dar, soweit sie sich zeitlich der versicherungspflichtigen Beschäftigung zuordnen lassen. Dies trifft auf eine Abfindung, die wegen Beendigung der versicherungspflichtigen Beschäftigung gezahlt wird, grundsätzlich nicht zu. Soweit es sich bei ihr um eine echte Abfindung und nicht um eine Nachzahlung von während der Beschäftigung verdientem Entgelt handelt, soll die Abfindung den Arbeitnehmer dafür entschädigen, dass er seine bisherige Beschäftigung nicht fortsetzen kann, mithin gehindert ist, aus dieser Beschäftigung künftig Arbeitsentgelt zu erzielen. Eine solche Abfindung, die als Entschädigung für den Wegfall künftiger Verdienstmöglichkeiten bzw. den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt wird, ist zeitlich nicht der früheren Beschäftigung zuzuordnen; ihre Beitragspflicht kann nicht mehr auf die frühere, inzwischen weggefallene Versicherungspflicht gegründet werden (BSG, Urteil vom 21.02.1990 – 12 RK 20/88 – Juris, m.w.N.).

Demgegenüber sind solche Abfindungen Arbeitsentgelt, die bei Fortsetzung des versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nach einer Änderungskündigung oder nach einer einvernehmlichen Änderung des Arbeitsvertrages als Gegenleistung für die Verschlechterung von Arbeitsbedingungen gezahlt werden. Es kann sich dabei um eine Abfindung wegen Verringerung der Wochenarbeitszeit handeln, aber auch um Abfindungen für die Umsetzung in einen anderen Betriebsteil, auf einen schlechter bezahlten oder geringer qualifizierten Arbeitsplatz, für eine Rückführung auf die tarifliche Einstufung oder den Fortfall bzw. die Herabsetzung von Einmalzahlungen wie Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld oder Gewinnbeteiligungen. In einem solchen Fall wird das bisherige Arbeitsverhältnis unter den geänderten Bedingungen fortgesetzt und die Abfindung ersetzt in Form einer pauschalierten Abgeltung einen Teil der Vergütung, die ohne Änderung der Arbeitsbedingungen zu zahlen und als Arbeitsentgelt beitragspflichtig gewesen wäre. Ausgleichszahlungen wegen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen im weiterbestehenden versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis wären zweifelsfrei Arbeitsentgelt und unterlägen der Beitragspflicht, wenn das früher höhere Arbeitsentgelt stufenweise abgeschmolzen und so auf den letztlich niedrigeren Betrag zurückgeführt oder wenn das für die geänderte Beschäftigung zu zahlende Arbeitsentgelt vorübergehend um die Differenz zum bisherigen Arbeitsentgelt aufgestockt worden wäre. Es ist daher keine andere Beurteilung angezeigt, wenn solche Ausgleichsleistungen während der andauernden versicherungspflichtigen Beschäftigung in Form einer einmaligen Abfindung für den Verlust eines solchen Verdienstes gezahlt werden, denn auch diese werden für Zeiten der weiterbestehenden versicherungspflichtigen Beschäftigung erbracht und sind dieser als Arbeitsentgelt zurechenbar (BSG, Urteile vom 28.01.1999, a.a.O.).

Nach diesen Maßstäben stellt die dem Arbeitnehmer D. gezahlte Abfindung kein Arbeitsentgelt i.S.v. § 14 Abs. 1 SGB IV dar, denn sie ist keine einmalige Einnahme aus einer Beschäftigung, die im Zusammenhang mit ihr gezahlt worden ist. Es handelt sich vielmehr um eine echte Abfindung, die wegen Beendigung der versicherungspflichtigen Beschäftigung gezahlt wurde. Zwischen der Klägerin und ihrem Arbeitnehmer D. bestand seinerzeit Streit über die Frage, ob das Arbeitsverhältnis aufgrund der vertraglichen und tarifvertraglichen Regelungen wegen Ablaufs des 65. Lebensjahres endete. Dies war der Grund für die von der Klägerin vor dem Arbeitsgericht erhobene Feststellungsklage. Die Rechtmäßigkeit einer solchen Altersgrenze war zum damaligen Zeitpunkt noch nicht eindeutig und abschließend geklärt. Zwar lag bereits das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 18. Juni 2008 (7 AZR 116/07 – Juris) vor, mit dem dieses entschieden hatte, dass eine in einem Tarifvertrag enthaltene Befristung des Arbeitsverhältnisses auf den Zeitpunkt des Erreichens des Regelrentenalters mit den Vorgaben des Teilzeit- und Befristungsgesetzes und des Gemeinschaftsrechts vereinbar ist, wenn der Arbeitnehmer nach dem Vertragsinhalt und der Vertragsdauer eine Altersversorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung erwerben kann oder bei Vertragsschluss bereits die für den Bezug einer Altersrente erforderliche rentenrechtliche Wartezeit erfüllt hat. Das Arbeitsgericht Hamburg hatte die streitige Frage jedoch mit Beschluss vom 20. Januar 2009 (21 Ca 235/08 – Juris) dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt, da es insbesondere Zweifel daran hatte, ob der Entscheidung des BAG auch nach Inkrafttreten des AGG noch gefolgt werden könne. Die Entscheidung des EuGH hierzu erging erst am 12. Oktober 2010 (C 45/09 – Juris), sodass im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses durchaus noch von einer nicht gesicherten Rechtslage ausgegangen werden konnte. Dieser Umstand war somit nach dem nachvollziehbaren Vortrag der Klägerin der Grund für den geschlossenen Vergleich, der die Zahlung einer Abfindung beinhaltete.

Die Abfindung ist damit der früheren versicherungspflichtigen Beschäftigung nicht zuzuordnen. Unstreitig handelt es sich bei der Abfindung nicht um die Nachzahlung von während der Beschäftigung verdientem Entgelt, denn der Arbeitnehmer hat sein laufendes Arbeitsentgelt bis zum Ende seiner versicherungspflichtigen Beschäftigung am 30. April 2009 erhalten.

Es handelt sich hier aber auch nicht um eine Ausgleichszahlung wegen der Verschlechterung der Arbeitsbedingungen in einem weiterbestehenden versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. Denn vorliegend ist die versicherungspflichtige Beschäftigung gerade nicht zu anderen Bedingungen weitergeführt, sondern beendet worden. Stattdessen wurde ein neues – geringfügiges – Beschäftigungsverhältnis i.S.v. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV begründet, welches nach den seinerzeit maßgeblichen Vorschriften in allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungsfrei war (§ 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI in der bis zum 31.12.2012 geltenden Fassung, § 7 Abs. 1 S. 1 SGB V, § 1 Abs. 2 SGB XI und § 27 Abs. 2 S. 1 SGB III). Die in § 249b S. 1 SGB V und § 172 Abs. 3 S. 1 SGB VI festgelegten pauschalen Beitragsanteile des Arbeitgebers zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung ändern nichts an der Versicherungsfreiheit der geringfügigen Beschäftigung; Leistungsansprüche des Arbeitnehmers wurden durch sie in der Kranken- und Rentenversicherung nicht begründet. Die Pauschalbeiträge wurden vielmehr allein vor dem Hintergrund der steigenden Zahl der geringfügigen Beschäftigungen aus arbeitsmarktpolitischen Gründen und insofern zur Missbrauchsabwehr eingeführt (BT-Drs. 14/280 S. 10 und 13).

Wenn aber in der Zukunft kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis mehr besteht, fehlt es an einer Grundlage für die Zuordnung der Abfindung auf das hierfür gezahlte Arbeitsentgelt. Dementsprechend liegen sämtlichen Entscheidungen des BSG, auf welche sich die Beklagte beruft, Fälle zugrunde, in denen das fortbestehende Beschäftigungsverhältnis auch unter den geänderten Bedingungen weiterhin der Sozialversicherungspflicht unterliegt. Im vorliegenden Fall wurde jedoch das sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis ausdrücklich beendet und auf Wunsch des Arbeitnehmers ein neues geringfügiges Beschäftigungsverhältnis mit anderem Aufgabenbereich vereinbart. Das ursprüngliche sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis ist daher gerade nicht in einer Substanz erhalten geblieben, sodass die Anwendung der vom BSG entwickelten Grundsätze zu den sogenannten "unechten" Abfindungen hier nicht sachgerecht wäre. Dies gilt umso mehr, als die Auffassung der Beklagten zu dem schwer nachvollziehbaren Ergebnis führen würde, dass das – an sich beitragsfreie – Arbeitsentgelt aus der geringfügigen Beschäftigung durch die zugerechneten Beträge aus der Abfindung beitragspflichtig würde.

Die Gefahr einer missbräuchlichen Gestaltung durch die Vereinbarung einer geringfügigen Beschäftigung nach Beendigung einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung gegen Zahlung einer Abfindung zur Vermeidung von Beitragszahlungen vermag der Senat nicht zu erkennen; jedenfalls im vorliegenden Fall ergeben sich hierfür keinerlei Anhaltspunkte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO. Die Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da sie keinen Antrag gestellt hat (vgl. § 197a SGG i.V.m. § 162 Abs. 3 VwGO).

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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