L 2 U 16/19

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 36 U 190/17
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 U 16/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt weitere Entschädigungsleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung aufgrund von Folgen eines Arbeitsunfalls vom 23. Dezember 2004.

Der 1956 geborene Kläger erlitt damals als freiwillig gesetzlich unfallversicherter Unternehmer einen von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfall, als er von der Post kommend über eine Fußmatte stolperte und sich dabei eine Kniegelenksverletzung rechts zuzog, die zunächst zur Diagnose einer Kniegelenksdistorsion durch den den Kläger langjährig behandelnden Durchgangsarzt Dr. St. führte. Anlässlich der Untersuchungen wurde darüber hinaus eine unfallunabhängige anlaufende Kniegelenksarthrose festgestellt. Die Beklagte übernahm die Heilbehandlung.

Im Rahmen eines MRT des rechten Kniegelenkes vom 3. Januar 2015 beschrieben die Radiologen eine intraspongiöse Fraktur der medialen Patellafacette, eine initiale Pangonarthrose mit umschriebenen Knorpeldefekten der medialen Femurcondyle sowie der lateralen Patellafacette, einen leichtgradigen Gelenkerguss, eine Bakerzyste mit Nachweis eines verkalkten Kapselchondroms, eine Hoffa-Fettkörper-Quetschung, einen degenerativ veränderten Innen- und Außenmeniskus ohne Rissbildung, intraligamentäre Rupturen des Außenbandes und beidseits der Retinacula, eine patellanahe Insertionsligamentose des Ligamentum patellae sowie eine Bursitis prae- und infrapatellaris superficialis.

Unter Krankengymnastik kam es zur Stabilisierung der Kniefunktion mit deutlichem Rückgang der Ruhe- und Belastungsschmerzen, sodass Dr. St. dem Kläger bei praktisch freier Beweglichkeit des Kniegelenks ab 1. April 2005 Arbeitsfähigkeit von Seiten des Unfalls ohne verbleibende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bescheinigte.

Unter dem 10. August 2005 äußerte Dr. St. auf Nachfrage der Beklagten die Auffassung, dass die intraspongiöse Fraktur der medialen Patellafascette mit Ergussbildung und Hoffakapselschädigung dem Anpralldistorsionstrauma zuzuordnen sei. Die anlaufende Gonarthrose sei unfallfremd. Insofern stünden die fortwirkenden Beschwerden nicht im Unfallzusammenhang, sondern seien unfallfremd.

Ähnlich äußerte sich der von der Beklagten ebenfalls befragte Chirurg und Sozialmediziner, der Beratungsarzt Dr. L ... Der Verschleiß des Kniegelenkes mit Knorpeldefekten des Oberschenkelgelenkfortsatzes und der äußeren Kniescheibengelenkfläche sowie die degenerativen Veränderungen des Innen- und Außenmeniskus und der Teilriss des Außenbandes seien als unfallunabhängig anzusehen. Nachdem der Kläger mitgeteilt hatte, fortwährend Probleme zu haben, und weitere Rechnungen über ärztliche Behandlungen mit der Bitte um Erstattung bei der Beklagten eingereicht hatte, ließ diese unter dem 27. Dezember 2007 ein Zusammenhangsgutachten mit ergänzenden Stellungnahmen von Dr. T. erstellen, der ebenfalls darauf hinwies, dass es sich bei den Knorpeldefekten und den Schädigungen des Innenmeniskus um unfallunabhängige Erkrankungen handele.

Mit Bescheid vom 27. August 2009 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Rente ab. Folgen des Arbeitsunfalles seien röntgenologisch erkennbare Veränderungen nach Bruch des Knochengewebes (Spongiosa) im Bereich der inneren Kniescheibengelenkfläche (Fascette) rechts, eine geringe Bewegungs- und Streckbehinderung des Kniegelenkes, ein Knorpelschaden hinter der mittleren Kniescheibe, ein Knirschen des Kniescheibengelenkes, subjektive und belastungsabhängige Beschwerden im Verletzungsbereich. Unabhängig vom Arbeitsunfall lägen eine Ergussbildung im Bereich des rechten Kniegelenkes, ein Innenmeniskusschaden, ein Verschleiß des rechten Kniegelenkes mit anlagebedingten Veränderungen des Bindegewebes und Knorpeldefekten des Oberschenkelfortsatzes vor.

Den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. April 2010 zurück. Die beim Sozialgericht Hamburg erhobene Klage (S 36 U 141/10) endete durch Klagerücknahme.

Im Juli 2014 teilte der Kläger mit, dass seine gesundheitlichen Probleme nicht abnähmen, sondern stärker würden. Für ihn sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Beklagte eine erforderliche Behandlung ablehne. Er wiederhole nochmals den "Antrag auf Wiedererkrankung" und bitte um Genehmigung der Behandlung durch seinen Arzt S., den er im Zusammenhang mit diesem "Antrag auf Wiedererkrankung" erstmals am 18. September 2014 aufsuchte.

Mit H-ärztlichen Verlaufsberichten vom 17. November 2014 und 17. März 2015 gab der Mediziner S. an, dass der Kläger weiterhin über Schmerzen im rechten Kniegelenk insbesondere bei Beugung unter Belastung klage und die sicher dafür ursächliche Kniegelenksarthrose auf das Trauma aus dem Jahr 2004 zurückführe.

Nachdem der Kläger einem von der Beklagten angesetzten Termin zur ärztlichen Begutachtung nicht nachgekommen war, lehnte sie mit Bescheid vom 26. November 2015 Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aufgrund des Unfalles vom 23. Dezember 2004 anlässlich der Erkrankung ab dem 18. September 2014 ab. Bereits zum Zeitpunkt des Unfallereignisses habe sich ein Verschleiß des Kniegelenkes mit Knorpeldefekten des Oberschenkelgelenkfortsatzes und der äußeren Kniescheibengelenkfläche gefunden. Darüber hinaus seien verschleißumformende Veränderungen des Innen- und Außenmeniskus und ein Teilriss des Außenbandes festgestellt worden. In der Kernspintomographie vom 22. September 2006 sei ein Fortschreiten der verschleißumformenden Knorpeldefekte (Grad III bis IV) festgestellt worden. Zudem sei eine Begutachtung zur Klärung der Zusammenhangsfrage aufgrund mangelnder Mitwirkung des Klägers nicht zu Stande gekommen. Nach interner Auswertung der erhobenen Befunde – sie hatte eine weitere beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. L. eingeholt – sei festzustellen, dass die ab dem 18. September 2014 festgestellten Beschwerden auf die bereits vorbestehende Arthrose des rechten Kniegelenkes zurückzuführen seien. Hierfür spreche auch, dass die Gelenkfläche der Kniescheibe bei dem Unfall vom 23. Dezember 2004 nicht beteiligt gewesen sei. Insofern seien die fortschreitenden verschleißumformenden Veränderungen nicht auf den Unfall zurückzuführen. Die ab dem 18. September 2014 bestehenden Arbeitsunfähigkeits- und Behandlungszeiten seien allein auf die unfallunabhängigen Erkrankungen im Bereich des rechten Kniegelenkes zurückzuführen.

Im Rahmen des vom Kläger angestrengten Widerspruchsverfahrens erläuterte der Unfallchirurg Dr. F. in seinem Zusammenhangsgutachten vom 27. Dezember 2016, dass erhebliche Zweifel an einem Zusammenhang der Entwicklung einer posttraumatischen Arthrose und dem Unfallereignis bestünden. Die Retropatellararthrose habe sich begleitend zur Gesamtarthrose des Gelenkes entwickelt und nicht binnen eines kurzen Zeitraumes. Somit sei diese als Unfallfolge auszuschließen. Das Entstehen einer posttraumatischen Arthrose würde eine Gewebsschädigung voraussetzen, welche eine signifikante Veränderung der Gelenkbinnenstruktur oder aber einen destabilisierenden Einfluss hervorgerufen hätte. Dieses sei bei dem Kläger aber nicht festzustellen. Als unfallabhängige Diagnosen nannte er eine folgenlos ausgeheilte Knieprellung rechts mit ehemaligem kernspintomographischen Nachweis einer intraspongiösen Signalanhebung, gewertet als intraspongiöse Fraktur mit folgenlosem Ausheilen, sowie eine folgenlos ausgeheilte Prellung der kniegelenksumgebenden Weichteile ohne destabilisierenden strukturellen Schaden. Als unfallunabhängige Veränderungen lasse sich eine Gonarthrose aller Kompartimente beider Kniegelenke rechts sowie links feststellen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juni 2017 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Der Bescheid vom 26. November 2015 sei nicht rechtswidrig. Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung seien nur für die Folgen eines Arbeitsunfalls zu gewähren (§ 8 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch). Voraussetzung sei ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis sowie zwischen dem Unfallereignis und den bestehenden Körperschäden. Der ursächliche Zusammenhang müsse hinreichend wahrscheinlich sein. Die bloße Möglichkeit eines solchen Zusammenhangs reiche nicht aus. Der von der Beklagten gehörte ärztliche Sachverständige sei nach eingehender Würdigung der erhobenen Befunde zu dem schlüssigen Ergebnis gelangt, dass sich im Bereich des rechten Kniegelenks des Klägers eine unfallfremde Retropatellararthrose entwickelt habe, welche in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis vom 23. Dezember 2004 stehe, sondern auf vorbestehende arthrotische Erkrankungen zurückzuführen sei. Das Entstehen einer posttraumatischen Arthrose würde nach den Aussagen des Gutachters eine Gewebeschädigung voraussetzen, welche eine Veränderung der Gelenkbinnenstruktur hervorgerufen oder einen destabilisierenden Einfluss genommen habe. Dieses sei jedoch nicht der Fall. Bei dem Unfallereignis sei es zu einer Prellung des Kniegelenks mit intraspongioser Fraktur sowie zu einer Prellung oder Reizzustand des Hoffa´schen Fettkörpers gekommen, ohne strukturelle Verletzung des Kniegelenks. Ein ursächlicher Zusammenhang der nunmehr geklagten Beschwerden im Bereich des rechten Kniegelenkes mit dem Unfallereignis sei nach Aussage des Gutachters nicht gegeben. Das Gutachten sei in sich schlüssig und lasse Fehler in der Befunderhebung und -würdigung nicht erkennen.

Die hiergegen am Montag, dem 24. Juli 2017, erhobene Klage hat das Sozialgericht Hamburg nach diesbezüglicher Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 19. Februar 2019 im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Begründung des angefochtenen Widerspruchsbescheids der Beklagten als unbegründet abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten erwiesen sich als rechtmäßig. Der Kläger habe keinen Anspruch auf weitere Entschädigungsleistungen von der Beklagten aufgrund der Folgen seines Arbeitsunfalls vom 23. Dezember 2004, da weitere Unfallfolgen zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr nachweisbar seien.

Gegen diesen, ihm am 26. Februar 2019 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 26. März 2019 eingelegte Berufung des Klägers, mit der er sein Begehren weiter verfolgt und rügt, dass die angeblichen Feststellungen von Medizinern/Interpreten mit einseitigen Negierungsneigungen nicht nachvollziehbar seien.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 19. Februar 2019 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. November 2015 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 20. Juni 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm aus Anlass des Arbeitsunfalls vom 23. Dezember 2004 Entschädigungsleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung ab dem 18. September 2014 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt Bezug auf die Gründe ihres Widerspruchsbescheids vom 20. Juni 2017.

Der erkennende Senat hat nach Durchführung eines Erörterungstermins vor dem Berichterstatter am 16. August 2019 durch Beschluss vom 4. September 2019 die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet (§ 153 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)). Am 6. November 2019 ist in der Sache mündlich verhandelt worden.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschriften vom 16. August und 6. November 2019, die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 105 Abs. 2 Satz 1, 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht (§§ 105 Abs. 2 Satz 1, 151 SGG) eingelegte Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die zulässige Anfechtungs- und Leistungsklage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen, auf die gemäß § 153 Abs. 2 SGG ebenso Bezug genommen wird wie gemäß § 136 Abs. 3 SGG auf diejenige des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 20. Juni 2017.

Zusammenfassend sei nur ausgeführt, dass ein Anspruch auf Entschädigungsleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung ab dem 18. September 2014, also einem Zeitpunkt fast 10 Jahre nach dem Arbeitsunfall vom 23. Dezember 2004, nicht in Betracht kommt, weil zu diesem Zeitpunkt nach den schlüssigen und insoweit übereinstimmenden Ausführungen sowohl des behandelnden Arztes Dr. St. als auch des beratenden Arztes der Beklagten Dr. L. und schließlich des von der Beklagten gehörten Sachverständigen Dr. F. keine Unfallfolgen mehr feststellbar sind. Sämtliche zu diesem Zeitpunkt auftretenden Beschwerden sind zwanglos auf die unstreitig bereits zum Unfallzeitpunkt in beiden Knien festgestellte unfallunabhängige Arthrose zurückzuführen, während die nach dem Unfall festgestellten, in dem nach Klagerücknahme bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 27. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. April 2014 genannten unfallbedingten Gesundheitserstschäden – angesichts ihres relativ geringfügigen Ausmaßes erwartungsgemäß – folgenlos ausgeheilt sind. Die Ausführungen des ebenfalls gehörten Dr. T. weichen nur in Nuancen hiervon ab, ohne dass diese Abweichungen schlüssig begründet würden. Über die von der Beklagten zu Grunde gelegten hinausgehende Gesundheitserstschäden lassen sich nicht feststellen, was sich nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast, die regelt, wen die Folgen treffen, wenn eine bestimmte Tatsache trotz Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten nicht festgestellt werden kann (vgl. B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 103 Rn. 19 a), zu Ungunsten des Klägers auswirkt, der hieraus Rechte herleiten möchte. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits. Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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