S 4 RA 63/03 ZV

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Leipzig (FSS)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 4 RA 63/03 ZV
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Der Bescheid vom 13.09.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2002 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, die Beschäftigungszeit der Klägerin vom 01.03.1973 bis zum 30.06.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zu dem Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz nebst den dazugehörigen tatsächlichen Arbeitsentgelten festzustellen.
III. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in vollem Umfang zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Feststellung von Beschäftigungszeiten als Zeiten der Zugehörigkeit zu dem Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz.

Die am ...1944 geborene Klägerin durfte seit dem 19.03.1973 die Berufsbezeichnung "Ingenieurökonom" führen. Anschließend arbeitete die Klägerin als Projektierungsingenieurin und als Projektant Bauwirtschaft im VEB Kombinat Robotron Anlagenbau. Am 30.06.1990 wurde die Klägerin als Projektantin im VEB Robotron Anlagenbau beschäftigt.

Am 11.04.2002 hatte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Feststellung von Zeiten zu einem Zusatzversorgungssystem gestellt.

Mit Bescheid vom 13.09.2002 hatte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Feststellung der Beschäftigungszeit vom 01.03.1973 bis 30.06.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zu dem Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz abgelehnt. Die Beklagte führte zur Begründung aus, eine Versorgungsanwartschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 AAÜG sei nicht entstanden. Weder habe eine positive Versorgungszusage bestanden noch habe die Klägerin am 30.06.1990 eine Tätigkeit ausgeübt, die aus bundesrechtlicher Sicht dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten zuzuordnen wäre.

Mit Schreiben vom 06.09.2002 hatte die Klägerin hiergegen Widerspruch eingelegt. Die Klägerin trug vor, eine ehemalige Kollegin mit gleicher beruflicher Tätigkeit und gleicher Ausbildung habe von der Beklagten einen Bescheid erhalten, wonach für die Tätigkeit als Ingenieurökonom Zeiten der Zugehörigkeit zu dem Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz anerkannt worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.12.2002 hatte die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Die Beklagte führte zur Begründung aus, die Klägerin habe bei In-Kraft-Treten des AAÜG am 01.08.1991 keine Versorgungsanwartschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes gehabt. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, soweit sie

- entweder am 30.06.1990 in der DDR in ein Versorgungssystem einbezogen gewesen wäre, - eine solche Einbeziehung nachträglich durch Rehabilitierung oder durch eine Entscheidung nach Art. 19 Satz 2 oder 3 des Einigungsvertrages erlangt hätte oder - aufgrund der am 30.06.1990 gegebenen Sachlage im Juli 1991 einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätte.

Diese Voraussetzungen lägen bei der Klägerin nicht vor. Die Klägerin sei zwar berechtigt gewesen, den Titel eines Ingenieurökonomen zu führen, jedoch sei sie nicht als Ingenieurin, sondern als Preiskalkulatorin beschäftigt wurden. Sie habe somit keine ingenieurtechnische Tätigkeit, wie in der Versorgungsordnung gefordert, ausgeübt.

Am 16.01.2003 hat die Klägerin die hier vorliegende Klage erhoben. Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und trägt ergänzend vor, sie werde seit ihrem Abschluss als Ingenieurökonomin als Bauwirtschaftlerin beschäftigt und wurde nach Lohngruppe T 4 bzw. TS entlohnt. Außerdem erhielt sie einen Treuezuschlag für die Ausübung einer ingenieurtechnischen Tätigkeit. Hierzu verwies die Klägerin auf ein Schreiben vom 22.08.1977 (Bl. 26 der Verwaltungsakte der Beklagten). Seit 1981 wurde sie zudem als Projektierungsingenieurin und seit 1983 als Projektant beschäftigt. Die Tätigkeit als Projektantin habe sie auch am 30.06.1990 ausgeübt. Ihre wesentliche Aufgabe als Bauwirtschaftlerin sei die Erstellung von Leistungsverzeichnissen gewesen. Als Projektierungsingenieurin und Projektantin sei sie neben der bisherigen Tätigkeit als Bauwirtschaftlerin auch für die selbstständige Erstellung von Projektierungsunterlagen einschließlich der Leistungsbeschreibung und Ermittlung des erforderlichen Materials für Schallschutzwände und Schallschutzdecken sowie von Fußböden für Klimatisierung zuständig gewesen. Darüber hinaus musste sie die gesamten Kosten ermitteln. Sie sei daher der Auffassung, dass sie entsprechend ihrer Qualifikation als Ingenieurökonomin auch ingenieurtechnische Tätigkeiten verrichtet habe. Dies ergebe sich auch aus ihrer Eingruppierung in die Lohngruppe J III. Nach dieser Lohngruppe seien nur Angestellte mit ingenieurtechnischen Tätigkeiten entlohnt worden. Hierzu verwies die Klägerin auf eine Zeugenerklärung von Herrn L ... vom 11.03.2004. Bezüglich der Einzelheiten des Schreibens von Herrn L ... wird auf Blatt 126 und 127 der Gerichtsakte Bezug genommen. Auch sei der VEB Robotron-Anlagenbau L ... ein volkseigener Produktionsbetrieb im Sinne der Versorgungsordnung gewesen, in dem für fast alle größeren Betriebe der DDR Großrechneranlagen installiert worden. Tariflich sei der VEB Robotron-Anlagenbau auch dem Ministerium für Schwermaschinenbau unterstellt gewesen. Auch aus der Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR ergebe sich, dass es sich um einen Betrieb der Industrie gehandelt hat.

Die Klägervertreterin beantragt:

1. Der Bescheid vom 13.09.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2002 wird auf- gehoben. 2. Die Beklagte wird verurteilt, die Beschäfti- gungszeit der Klägerin vom 01.03.1973 bis zum 30.06.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zu dem Zusatzversorgungssystem der technischen Intel- ligenz nebst den dazugehörigen tatsächlichen Arbeitsentgelten festzustellen.

Die Beklagtenvertreterin beantragt:

Die Klage abzuweisen.

Die Beklagte wiederholt und vertieft die Gründe aus dem Widerspruchsbescheid und führt ergänzend aus, die Klägerin habe zwar eine Tätigkeit ausgeübt, die ihrer Qualifikation entsprach, jedoch habe sie keine ingenieurtechnische Tätigkeit ausgeübt, die einen unmittelbaren Einfluss auf die Produktionsvorgänge hatte. Die Tätigkeit der Klägerin gehöre somit nicht zu den Tätigkeiten, die in der Versorgungsordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz genannt werden. Zudem sei der VEB Robotron-Anlagenbau L ... nach der Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR der Wirtschaftsgruppe "16649" (Reparatur- und Montagebetriebe der Datenverarbeitungs- und Büromaschinenindustrie zugeordnet gewesen. Es sei somit kein volkseigener Produktionsbetrieb gewesen.

Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen. Diese sowie die in der Klageakte befindlichen Schriftsätze waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Hierauf, auf die Sitzungsniederschriften vom 17.03.2004 und vom 29.07.2004 und auf den übrigen Akteninhalt wird zur Ergänzung des Tatbestands Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid vom 13.09.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2002 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Feststellung ihrer Beschäftigungszeit vom 01.03.1973 bis zum 30.06.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zu dem Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz, §§ 1, 5 AAÜG.

In dem vorliegenden Verfahren ist nach Auffassung der Kammer das AAÜG anzuwenden. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt das Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die auf Grund der Zugehörigkeit zu einem Zusatz- und Sonderversorgungssystem im Beitrittsgebiet erworben worden. Es ist somit zunächst zu prüfen, ob die Klägerin bei In-Kraft-Treten des AAÜG am 01.08.1991 eine Versorgungsanwartschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 AAÜG hatte. Eine Versorgungsanwartschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 AAÜG besteht nur dann, wenn die Klägerin am 30.06.1990 (Tag der Schließung der Versorgungssysteme) in ein Versorgungssystem einbezogen war, eine solche Einbeziehung nachträglich durch Rehabilitierung oder durch eine Entscheidung nach Artikel 19 Satz 2 oder 3 des Einigungsvertrages erlangt hat oder wenn sie auf Grund der am 30.06.1990 gegebenen Sachlage im Juli 1991 (Monat vor In-Kraft-Treten des AAÜG) einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hat (vergleiche Urteil des BSG vom 09.04.2002, Az.: B 4 RA 36/01 R).

Die Klägerin war am 30.06.1990 nicht in ein Versorgungssystem einbezogen worden. Zu Zeiten der DDR hat sie keine Versorgungszusage erhalten. Eine nachträgliche Einbeziehung in ein Versorgungssystem durch Rehabilitierung oder durch eine Entscheidung nach Artikel 19 Satz 2 oder 3 des Einigungsvertrages ist auch nicht erfolgt und wird von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.

Die Klägerin hat aber entgegen der Auffassung der Beklagten im Juli 1991 auf Grund der am 30.06.1990 gegebenen Sachlage einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt. In dem vorliegenden Verfahren kommt es entscheidend auf die am 30.06.1990 gegebene Sachlage an, da zum 01.07.1990 die Zusatz-

und Sonderversorgungssysteme geschlossen worden, Art. 20 Abs. 2 Satz 2 und 3 des Staatsvertrages vom 18.05.1990 (BGBl. II Seite 518 ff.). Eine Einbeziehung in ein Versorgungssystem war somit nur bis zum 30.06.1990 möglich. Nach den im Juli 1991 weitergeltenden Regeln der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme, die entsprechend dem Einigungsvertrag als Bundesrecht bis zum 31.12.1991 anzuwenden waren, hat die Klägerin einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt. Die Bedeutung der Texte der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme ist dabei ausschließlich nach objektiven Auslegungskriterien des Bundesrechts, insbesondere unter Beachtung des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) und nach dem Sinn und Zweck des § 5 AAÜG zu bestimmen, während es insbesondere zur Vermeidung einer normativen Verfestigung willkürlicher Vorgehensweisen auf die praktische Durchführung im Einzelfall und die ihr jeweils zu Grunde liegende Auslegung der Versorgungsordnung seitens der DDR nicht ankommt (vergleiche Urteil des BSG vom 30.06.1998, Az.: B 4 RA 11/98 R). In Bundesrecht können die Texte der in Anlage 1 und 2 zum AAÜG aufgeführten Versorgungssysteme und die hierzu ergangenen abstrakt-generellen Vorgaben von zuständigen Stellen der ehemaligen DDR (insbesondere Durchführungsbestimmungen) nur überführt worden sein, soweit sie mit höherrangigem Recht, insbesondere Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz vereinbar sind. Die Regelungen der Versorgungsordnungen und die hierzu ergangenen abstrakt-generellen Vorgaben von zuständigen Stellen der früheren DDR sind somit nur insoweit in Bundesrecht wirksam überführt worden, soweit sie eine willkürliche Einbeziehung in ein Versorgungssystem nicht zulassen. Nur hierdurch kann verhindert werden, dass frühere Willkür der ehemaligen DDR fortgeführt wird. Die Texte der Versorgungsordnungen und die hierzu ergangenen abstrakt-generellen Vorgaben von zuständigen Stellen der ehemaligen DDR sind nach Auffassung der Kammer nur wirksam in Bundesrecht überführt worden, soweit danach bestimmte Personengruppen zwingend einen Anspruch auf Einbeziehung in ein Zusatz- und Sonderversorgungssystem hatten. Es kommt also darauf an, ob eine Tätigkeit oder Beschäftigung abstrakt-generell geeignet war, in ein Zusatz- oder Sonderversorgungssystem einbezogen zu werden. Hierbei berücksichtigt die Kammer auch den Sinn und Zweck der Regelungen des AAÜG. Nach den Regelungen des AAÜG sollte überprüft werden, ob bestimmte Berufsgruppen überhöhte Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen bezogen haben, die nicht auf Arbeit oder Leistung beruhen. Diese überhöhten Entgelte sollten nach den Regelungen des AAÜG bei der Berechnung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht mit berücksichtigt werden. Soweit Versicherte nunmehr fiktiv auf Grund einer Ermessensvorschrift einer Versorgungsordnung in ein Zusatzversorgungssystem einbezogen werden, werden sie unberechtigt den Vorwurf ausgesetzt, dass sie überhöhte Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen bezogen haben, die nicht auf Leistung oder Arbeit beruhen. Durch die Überführung der Versorgungssysteme in die gesetzliche Rentenversicherung sollte dagegen nicht erreicht werden, dass der Kreis der Betroffenen nach dem Maß seiner jeweiligen individuellen Nützlichkeit ausgedehnt und frühere "Brüche" ausgeglichen werden (vergleiche Urteil des BSG vom 12.06.2001, Az.: B 4 RA 107/00 R).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist festzustellen, dass die Klägerin die Voraussetzungen des § 1 AAÜG erfüllt und somit unter den Anwendungsbereich des AAÜG fällt. Am 30.06.1990 hatte die Klägerin eine Versorgungsanwartschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG erworben. Die Klägerin hatte nach der hier als Anknüpfung allein in Betracht kommenden Versorgungsordnung der technischen Intelligenz (Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG) aus bundesrechtlicher Sicht eine Versorgungsanwartschaft (§ 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG) gehabt.

Somit war von der Kammer nur zu prüfen, ob die Klägerin am 30.06.1990 eine entgeltliche Beschäftigung ausgeübt hat, die ihrer Art nach (d. h. abstrakt-generell) in den sachlichen Geltungsbereich des Zusatzversorgungssystems fällt. Die Einbeziehung der Klägerin in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz müsste aufgrund zwingender Vorschriften gegeben sein.

Einen obligatorischen Anspruch auf Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz hatten nach § 1 der 2. Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24.05.1951 (GBl. der DDR I S. 487) nur Ingenieure, Konstrukteure, Architekten, Techniker und Statiker, die in einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder ihm gleichgestellten Betrieb gearbeitet haben.

Am 30.06.1990 war die Klägerin berechtigt, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen. Dies ergibt sich insbesondere aus der Verordnung über die Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" vom 12.04.1962 (GBl. der DDR II, S. 278). Nach § 1 dieser Verordnung waren zur Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" nur berechtigt:

- In der Wortverbindung "Dr.-Ing." und "Dr.-Ing. habil." Perso nen, denen dieser akademische Grad von einer Deutschen Hoch schule oder Universität vor 1945 oder den Hochschulen, Uni versitäten und Akademien der Deutschen Demokratischen Repu blik nach diesem Zeitpunkt verliehen wurde; - in der Wortverbindung "Dipl.-Ing." Personen, die den Nachweis eines ordnungsgemäß abgelegten technischen Abschlussexamens an einer Deutschen Hochschule oder Universität vor 1945 oder den Hochschulen bzw. Universitäten der Deutschen Demokrati schen Republik nach diesem Zeitpunkt erbringen können und de nen das entsprechende Diplom verliehen wurde; - Personen, die den Nachweis eines abgeschlossenen technischen Studiums bzw. einer erfolgreich abgelegten Prüfung durch das Ingenieur-Zeugnis einer staatlich anerkannten Deutschen Fach schule vor 1945 oder einer Fachschule der Deutschen Demokra tischen Republik nach diesem Zeitpunkt erbringen können; - Personen, die die Berufsbezeichnung "Dipl.-Ingenieurökonom" und "Ingenieurökonom" führen dürfen.

Die Klägerin durfte seit dem 19.03.1973 die Berufsbezeichnung "Ingenieurökonom" führen. Sie war somit auf Grund der Verordnung über die Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" berechtigt, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen. Entgegen der Auffassung der Beklagten genügt es für die obligatorische Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz, dass die Klägerin im Rahmen des Berufsbildes "Ingenieurökonom" beschäftigt wurde. Sie muss also Aufgaben erfüllt haben, welche die Kenntnisse und Fertigkeiten eines Ingenieurökonomen erforderten (vergleiche Urteil BSG vom 12.06.2001, Az.: B 4 RA 117/ 00 R, Umdruck S. 14). Die Kammer ist zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin am 30.06.1990 im Rahmen des Berufsbildes "Ingenieurökonom" gearbeitet hat. Am 30.06.1990 wurde die Klägerin als Projektantin beschäftigt. Dies ergibt sich unter anderem aus dem Schreiben über die erfolgte Gehaltserhöhung zum 01.05.1990 (vgl. Bl. 21 der Verwaltungsakte der Beklagten). Im Rahmen dieser Tätigkeit hatte die Klägerin folgende Aufgaben zu erfüllen:

- verantwortlich für das selbstständige Lösen von komplizierten verschiedenartigen Projektierungsaufgaben des Fachgebietes, - verantwortlich für Koordinierung der Teile der Projektie rungsleistung, optimalen Einsatz der Kollektivmitarbeiter, Einhaltung von Vorgaben und Sicherung der Qualität.

Dieses Aufgabenprofil einer Projektantin in dem VEB Robotron- Anlagenbau L ... wird in dem Funktionsplan des VEB Robotron- Anlagenbau L ... näher beschrieben. Auch in der Zeugenerklärung von Herrn L ... wurde bestätigt, dass die Klägerin mit Aufgaben einer Projektantin betraut war. Diese Tätigkeit hat die Klägerin auch auf Grund ihrer Ausbildung als Ingenieurökonomin ausgeübt. Zu Zeiten der DDR gab es für Ingenieurökonomen im Bereich der Bauindustrie folgende Einsatzmöglichkeiten:

- Lösung von Aufgaben in der Leitung, Planung, Finanzierung, Abrechnung und Kontrolle des betrieblichen Reproduktionspro zesses der Bau- und Vorfertigungsindustrie, vor allem in den ökonomischen Aufgabengebieten der produzierenden Bereiche (Betriebsteile, Großbaustellen, Vorfertigungswerke), in Bau leitungen, Produktionsabteilungen, Hilfs- und Nebenabteilun gen, in den Arbeitsbereichen, die der Direktion für Ökonomie, der Direktion für Arbeit und Bildung sowie der Hauptbuchhal tung zugeordnet sind, z. B. komplexe Planung (Produktions-, Arbeitskräfte-, Finanz- und Grundfondsplanung), Materialwirt schaft, Arbeitsökonomie, Finanzen, Rechnungsführung und Sta tistik, Vertragsabteilung, in den ökonomischen Aufgabengebie ten bei der Direktion für Forschung und Entwicklung, bei der Direktion für Wissenschaft und Technik.

Dieses Aufgabenprofil einer Ingenieurökonomin zu Zeiten der DDR wird in den Unterlagen der Bundesagentur für Arbeit näher dargelegt (vergleiche Blatt 135 der Gerichtsakte).

Die Klägerin hat somit eine ingenieurökonomische Aufgabe in ihrem Betrieb erfüllt. Für die Erfüllung dieser Aufgabe war die Klägerin auch auf Grund ihres Abschlusses als "Ingenieurökonom" qualifiziert. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin eine ingenieurtechnische Tätigkeit ausgeübt hat. Die Ausübung einer ingenieurtechnischen Tätigkeit wird in der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz nicht gefordert. Es kommt vielmehr nur darauf an, ob der Versicherte ein Ingenieur war und als Ingenieur beschäftigt wurde. Dies hat auch das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 12.06.2001 ausgeführt (Az.: B 4 RA 117/00 R). In den Entscheidungsgründen dieses Urteils heißt es u. a ... "Der Kläger war nach den Feststellungen des SG im umstrittenen Zeitraum auch durchgehend in einem von der Versorgungsordnung erfassten volkseigenen Betrieb beschäftigt und hat in dieser Zeit Aufgaben erfüllt, welche die Kenntnisse und Fertigkeiten eines Diplom-Ingenieur-Ökonomen erforderten; er war also konkret im Rahmen dieses Berufsbildes beschäftigt und nicht etwa berufsfremd eingesetzt". Auch als Bauwirtschaftlerin und Projektierungsingenieur hat die Klägerin im Rahmen des Berufsbildes "Ingenieurökonom" gearbeitet.

Die Klägerin übte am 30.06.1990 auch eine Beschäftigung in einem volkseigenen Produktionsbetrieb aus. Entgegen der Auffassung der Beklagten war der VEB Robotron-Anlagenbau Leipzig am 30.06.1990 ein volkseigener Produktionsbetrieb im Sinne der Versorgungsordnung der technischen Intelligenz gewesen. Welche Betriebe zu den volkseigenen Betrieben und ihnen gleichgestellten Betrieben im Sinne der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz gehörten, kann nur durch Auslegung ermittelt werden. Bei der Auslegung ist das Sprachverständnis der ehemaligen DDR zum 30.06.1990 zu berücksichtigen. Nur so kann festgestellt werden, ob die Klägerin zum 30.06.1990 einen zwingenden Anspruch auf Einbeziehung in ein Versorgungssystem hatte. Bei der Auslegung kommt es zum einen auf den Wortlaut der Versorgungsordnung und auf das Rechtsverständnis der ehemaligen DDR zum 30.06.1990 an. In der 2. Durchführungsbestimmung zur Versorgungsordnung der technischen Intelligenz wird bestimmt, dass zu den volkseigenen Betrieben nur die volkseigenen Produktionsbetriebe zählten. In dieser Durchführungsbestimmung wird nämlich geregelt, dass den volkseigenen Produktionsbetrieben bestimmte Einrichtungen der DDR gleichgestellt werden. Der Begriff des "volkseigenen Produktionsbetriebes" wird unter anderem in der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten des volkseigenen Produktionsbetriebes vom 09.02.1967 (GBl. der DDR Nr. 21, S. 121 ff.) näher bestimmt. Danach gilt diese Verordnung nur für die Betriebe der Industrie und des Bauwesens, § 49 Abs. 1 der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten des volkseigenen Produktionsbetriebes. Dabei wird der Begriff "Produktion" nicht allein in dem Sinne verwendet, dass damit nur die materielle Produktion gemeint ist. Der Produktionsbegriff wurde zu Zeiten der DDR viel umfassender verstanden. Danach wurde der Begriff der Produktion unter anderem wie folgt definiert: "Prozess der Herstellung materieller Güter und Leistungen durch Menschen ..." (vgl. Wörterbuch der Ökonomie des Sozialismus, Stand Juli 1988, S. 747). Auch aus der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten des volkseigenen Produktionsbetriebes geht hervor, dass unter Produktion nicht nur die materielle Produktion zu verstehen ist. Nach § 6 Abs. 4 der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten des volkseigenen Produktionsbetriebes konnten dem Produktionsbetrieb auch besondere Funktionen übertragen werden, wie z. B. Bilanzfunktion, Außenhandelsfunktion, Leitbetriebfunktion oder staatlicher Gesellschafter. Außerdem wurde auch in der Verordnung über die volkseigenen Kombinate, Kombinatsbetriebe und volkseigenen Betriebe vom 08.11.1979 (GBl. der DDR Nr. 38, S. 355) in § 41 Abs. 1 bestimmt, dass diese Verordnung nur für die Betriebe der Industrie und des Bauwesens anzuwenden ist. Für andere Bereiche der Volkswirtschaft sollte die Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten des volkseigenen Produktionsbetriebes und die Verordnung über die volkseigenen Kombinate, Kombinatsbetriebe und volkseigenen Betriebe nur entsprechend angewandt werden, § 49 Abs. 2 der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten des volkseigenen Produktionsbetriebes und § 41 Abs. 2 der Verordnung über die volkseigenen Kombinate, Kombinatsbetriebe und volkseigenen Betriebe. Die Kammer ist daher zu der Überzeugung gelangt, dass die Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz hauptsächlich nur in den Betrieben der Industrie und des Bauwesens galt. Nur so lässt sich auch erklären, wieso bestimmte andere volkseigene Betriebe den volkseigenen Produktionsbetrieben in der 2. Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz gleichgestellt worden. Diese gleichgestellten Betriebe gehören nicht den Volkswirtschaftsbereichen der Industrie und des Bauwesens, sondern den anderen Volkswirtschaftsbereichen der DDR an. Die DDR war in insgesamt 9 Volkswirtschaftsbereiche gegliedert. Zu den Volkswirtschaftsbereichen zählten:

1. Industrie 2. Bauwirtschaft 3. Land- und Forstwirtschaft 4. Verkehr, Post- und Fernmeldewesen 5. Handel 6. sonstige Zweige des produzierenden Bereichs 7. Wohnungs- und Kommunalwirtschaft, Vermittlungs-, Werbe-, Be ratungs- und andere Büros, Geld- und Kreditwesen 8. Wissenschaft, Bildung, Kultur, Gesundheits- und Sozialwesen 9. Staatliche Verwaltung, gesellschaftliche Organisationen.

Diese Aufteilung der Volkswirtschaftsbereiche wird in der Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR, Ausgabe 1985, herausgegeben von der Staatlichen Zentralverwaltung für Statistik, näher beschrieben. Auch in dem Wörterbuch der Ökonomie des Sozialismus wird diese Aufteilung der Volkswirtschaft in verschiedene Volkswirtschaftsbereiche erläutert (vgl. Wörterbuch der Ökonomie des Sozialismus, S. 1059).

Nach den Unterlagen des Bundesarchivs wurde der VEB Robotron- Anlagenbau L ... zu Zeiten der DDR der Wirtschaftsgruppe "16649" (Reparatur- und Montagebetriebe der Datenverarbeitungs- und Büromaschinenindustrie) zugeordnet. Daraus ergibt sich nach Auffassung der Kammer, dass es sich auch um einen volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie gehandelt hat. Entgegen der Auffassung der Beklagten war der VEB Robotron-Anlagenbau L ... kein Reparaturbetrieb gewesen. Vielmehr handelt es sich um einen Montagebetrieb der Datenverarbeitungs- und Büromaschinenindustrie. Hierbei berücksichtigt die Kammer insbesondere das Vorbringen der Klägerin, wonach in dem VEB Robotron-Anlagenbau L ... hauptsächlich Großrechneranlagen hergestellt worden sind. Dies wird auch aus der Registerakte der Robotron- Anlagenbau GmbH ersichtlich. Der Unternehmensgegenstand der Robotron-Anlagenbau GmbH (Rechtsnachfolger des VEB Robotron-Anlagenbau L ...) wurde am 06.09.1990 wie folgt angegeben:

Beratung und Entwicklung, Projektierung und Errichtung von Anlagen und Informations- und Kommunikationstechnik sowie der Sicherheits-, Medizin- und Umwelttechnik, der Handel und die Produktion dazugehöriger Waren einschließlich des Exports und Imports sowie die mit dem vorgenannten Gegenstand verbundenen Maßnahmen (vgl. Blatt 108 der Gerichtsakte).

Zudem werde auch aus der Zusammenfassung der Reparatur- und Montagebetriebe deutlich, dass zu Zeiten der DDR keine Unterscheidungen zwischen Reparatur- und Montagebetrieben getroffen wurden. Der Begriff der Produktion wurde somit nicht nur dahingehend verstanden, dass materielle Güter industriell hergestellt wurden, sondern unter Produktion wurden auch die "Leistungen der Menschen" verstanden (vgl. Wörterbuch der Ökonomie die Sozialismus, Stand Juli 1988, S. 747).

Nach alledem war der Klage stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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