L 3 P 51/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 42 P 55/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 3 P 51/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 P 11/04 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 16.10.2003 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch im Berufungsverfahren. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Beitrittsrecht der Klägerin zur sozialen Pflegeversicherung nach § 26a Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung (SGB XI). Die 1935 in der Ukraine geborene Klägerin gelangte 1992 als Kontigentflüchtling in die Bundesrepublik und hat ab September 1992 Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) bezogen. Seit Januar 2003 hat die Klägerin gegen die Beigeladene einen Anspruch auf Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz (GSiG). Das Verhältnis der Leistungsansprüche beträgt nach einer vom Sozialgericht in seiner mündlichen Verhandlung eingeholten Auskunft 449,85 EUR (BSHG) zu 494,25 EUR (GSiG); den beigezogenen Verwaltungsakten der Klägerin bei der Beigeladenen ist ein Auszahlungsbetrag von 444,58 EUR nach dem Stand von November 2002 und ein Leistungsanspruch nach einem Grundbetrag von 495,28 EUR ab Januar 2003 zu entnehmen.

Am 25.03.2003 beantragte die Klägerin bei der Beklagten den Beitritt zur sozialen Pflegeversicherung. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26.03.2003 mit der Begründung ab, eine gesetzliche Beitrittsmöglichkeit stehe der Klägerin nicht zu, da sie bei Eintritt von Pflegebedürftigkeit einen den Ansprüchen nach dem SGB XI entsprechenden Anspruch gegen den Träger der Sozialhilfe geltend machen könne.

Ihren Widerspruch hiergegen begründete die Klägerin damit, dass sie Leistungen nach dem GSiG erhalte, nicht nach dem BSHG. Durch den Leistungsbezug nach dem GSiG sei sie in der Lage, einen Versicherungsbeitrag zu entrichten, da dessen Leistungshöhe über der Leistungshöhe nach dem BSHG liege. Mit Bescheid vom 30.07.2003 wies die Beklagte den Widerspruch in der Annahme zurück, Leistungen nach dem GSiG hätten dieselbe Funktion wie Leistungen nach dem BSHG. Mit der Klage zum Sozialgericht hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie zwischen 1992 und 2002 Sozialhilfe bezogen habe und nicht gesetzlich krankenversichert gewesen sei. Sie nehme Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz eigenständig und vorrangig vor der Inanspruchnahme von Sozialhilfe in Anspruch. Alleine Bezieher von Sozialhilfe seien vom freiwilligen Beitritt zur Pflegeversicherung ausgeschlossen. Das Grundsicherungsgesetz habe gerade den Sinn und Zweck, ein Leben unabhängig von Sozialhilfeleistungen zu ermöglichen. Mit Urteil vom 16.10.2003 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.03.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.07.2003 verurteilt, den Antrag der Klägerin auf Begründung einer freiwilligen Mitgliedschaft anzunehmen. Im Kern hat das Sozialgericht dies damit begründet, die Klägerin gehöre zu dem nach § 26a SGB XI beitrittsberechtigten Personenkreis und habe ihr Beitrittsrecht fristgerecht wahrgenommen. Sie sei nicht nach § 26a Abs. 1 Satz 2 SGB XI vom Beitrittsrecht deswegen ausgenommen, weil sie laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz beziehe oder nicht selbst in der Lage sei, einen Beitrag zu zahlen. Denn Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG habe die Klägerin nur bis zum 31.12.2002 bezogen; wegen des höheren Zahlbetrages der ihr ab dem 01.10.2003 nach dem GSiG gezahlten Leistungen sei sie auch in der Lage, einen Beitrag zur freiwilligen Pflegeversicherung zu entrichten.

Eine Gleichstellung von Leistungen nach dem GSiG mit laufenden Leistungen nach dem BSHG verbiete sich wegen des unmissverständlichen Wortlautes sowie aufgrund des Regelungsgehaltes und der Gesetzgebungsgeschichte der Norm. Denn der Gesetzgeber habe § 26a SGB XI zeitlich später als das Grundsicherungsgesetz geschaffen, dieses aber im Rahmen der Ausnahmen vom Beitrittsrecht nicht berücksichtigt. Auf die weiteren Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das ihr am 14.11.2003 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 11.12.2003. Die Beklagte ist der Auffassung, das angefochtene Urteil sei zu sehr dem Wortlaut von § 26a Abs. 1 S. 2 SGB XI verhaftet und vernachlässige Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung. Es sei nicht sachgerecht, demjenigen einen Beitritt zur Pflegeversicherung zu ermöglichen, der mit seiner Beitragsentscheidung Dritte mit Beiträgen belaste. Insbesondere könne es nicht Sinn des Gesetzes sein, die Solidargemeinschaft der Pflegeversicherten zu Gunsten des Sozialhilfeträgers mit Kosten zu belasten, die in keiner Relation zu den vereinnahmten Beiträgen stünden. Dies sei bei Beziehern von Leistungen der Grundsicherung ebenso der Fall wie bei Beziehern von Leistungen nach dem BSHG. In gleiche Richtung weise eine Stellungnahme des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung vom 02.06.2003. Die Verfügbarkeit geringer Eigenmittel, wie sie das Sozialgericht für die Klägerin angenommen habe, treffe in gleicher Weise auf einen Bezieher von Sozialhilfeleistungen nach dem BSHG zu, der bei Einschränkung an anderer Stelle die theoretische Möglichkeit habe, einen Beitrag in Höhe von 12 bis 15 EUR monatlich zu entrichten. Entscheidend sei, dass auch der Bezieher der Grundsicherung bei Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung auf Sozialhilfeleistungen angewiesen sein werde. Dies sei nach der Stellungnahme des Bundesministeriums für Gesundheit und soziale Sicherung eindeutig so; eine amtliche Auskunftsanforderung des Gerichts werde angeregt. Auch die Gesetzesmotive (BT-Drucks. 14/7473, S. 20) wiesen darauf hin, dass insbesondere BSHG-Leistungsempfänger vom Beitrittsrecht ausgeschlossen sein sollten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 16. Oktober 2003 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil für zutreffend.

Die mit Beschluss des Senats vom 05.03.2004 Beigeladene sieht ihre finanziellen Interessen für den Fall berührt, dass die Klägerin pflegebedürftig wird. Sie hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben, es gebe 586 gleichgelagerte Fälle.

Zu weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Prozessakten einschließlich der beigezogenen Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat den Bescheid der Beklagten vom 26.03.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.07.2003 zu Recht aufgehoben und die Beklagte zur Annahme des Antrages auf Beitritt zur sozialen Pflegeversicherung verurteilt. Dieses Antragsrecht steht der Klägerin nach § 26a SGB XI in der durch Art. 1 Nr. 1c des Gesetzes vom 14.12.2001 (BGBL I, 3728) mit Wirkung vom 01.01.2002 eingeführten Fassung zu. Die Klägerin gehört zum nach § 26a Abs. 3 SGB XI beitrittsberechtigten Personenkreis. Denn hat sie in der Zeit ab dem 01. Juli 2002 bei ständigem Inlandswohnsitz keinen Tatbestand der Versicherungspflicht oder der Mitversicherung in der sozialen oder privaten Pflegeversicherung erfüllt und ihr Beitrittsrecht fristgerecht, nämlich innerhalb von drei Monaten nach Wegfall bislang bestehender Ausschlussgründe nach Abs. 1 S. 2, gegenüber der Beklagten geltend gemacht (§ 26a Abs. 3 S. 2 SGB XI).

Mit dem 01.01.2003 ist der bislang bei der Klägerin bestehende Ausschlussgrund nach § 26 Abs. 1 S. 2 SGB XI ("ausgenommen sind Personen, die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz beziehen sowie Personen, die nicht selbst in der Lage sind, einen Beitrag zu zahlen.") deswegen weggefallen, weil die Klägerin seither Leistungen nach dem GSiG in Anspruch genommen hat.

Die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem GSiG ist weder als Bezug laufender Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz zu verstehen (1) noch diesem Bezug gleichzusetzen (2). Wegen des Bezuges von Leistungen nach dem GSiG war die Klägerin ab dem 01.01.2003 auch selbst in der Lage, einen Beitrag zu zahlen (3).

1. Eine Subsumtion von Leistungen nach dem GSiG unter "laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz" ist ausgeschlossen. "Hilfe zum Lebensunterhalt" ist ein feststehender Begriff des Sozialhilferechts, dessen Einzelheiten im zweiten Abschnitt des BSHG (§§ 11 f.) geregelt sind. Die "laufende Hilfe zum Lebensunterhalt" ist in den §§ 21 Abs. 1, 22 BSHG geregelt, es handelt sich um die durch Regelsätze abzugeltende allgemein bekannte "normale" Sozialhilfe für Personen, die kein oder nur sehr geringes laufendes Einkommen und auch kein (ungeschütztes) Vermögen haben (Hauck/Wilde, Soziale Pflegeversicherung, Kommentar, Stand 4/2004, § 26a Rdnr. 14). Das Sozialgericht Regensburg (Urteil vom 20.03.2003, S 2 P 107/02, Revision zwischenzeitlich anhängig gewesen - BSG, B 12 P 4/03 R -) hat es als gerechtfertigt angesehen, unter laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt insoweit auch Leistungen zu verstehen, die zur Deckung des laufenden Lebensunterhaltes (vor allem Unterkunft und Verpflegung) bei Heim- oder Anstaltsunterbringung gem. § 27 Abs. 3 BSHG erbracht werden. Diese Gleichstellung mag ihre Berechtigung insoweit haben, als im entschiedenen Fall auch über Leistungen nach § 68 f. BSHG hinausgehende laufende Ansprüche nach dem BSHG bestanden (Hauck/Wilde, a.a.0.).

Solche Ansprüche bestanden bei der Klägerin aber gerade nicht; ihre Leistungsansprüche der Beigeladenen gegenüber richteten sich ab 01.01.1993 (ausschließlich, da ergänzende Leistungen nach dem BSHG nicht in Anspruch genommen wurden) nach dem GSiG. Mit dem Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (GSiG) vom 26.06.2001 (BGBl I S. 1335, geändert durch Gesetz vom 27.04.2002 (BGBL I, S. 1462)) wurde mit Wirkung vom 01.01.2003 für die Sicherstellung des Lebensunterhaltes des darunter fallenden Personenkreises ein neuer Zweig sozialer Sicherung geschaffen. Der rechtlichen Konstruktion nach handelt es sich um eine selbständige, von der Sozialhilfe unabhängige Sicherung des Lebensunterhalts (Schellhorn, Grundsicherung, Gesetzestext mit Einführung, S. 5 f.). Nach der Konzeption des Sozialgesetzbuches steht sie als andersartige Leistung gleichberechtigt neben den Leistungen der Sozialhilfe (§ 28 SGB I). Nach § 28a SGB I, eingefügt mit Wirkung vom 01.01.2003 durch Gesetz vom 26.06.2001 (BGBl. I, S. 1310), können Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Alter und bei dauerhaft voller Erwerbsminderung nach dem Recht der bedarfsorientierten Grundsicherung in Anspruch genommen werden. Das GSiG wie auch das BSHG gelten bis zur Einordnung in das SGB als dessen besondere Teile (§ 68, Nrn. 11 (BSHG), 18 (GSiG) SGB I).

Leistungen nach dem GSiG können also auch nach dem Konzept des SGB nicht unter laufende Leistung zum Lebensunterhalt nach dem BSHG subsumiert werden. Unabhängig davon stellt der Wortsinn bereits eine äußerste Grenze richterlicher Rechtsfortbildung dar. Der aus dem allgemeinen Sprachgebrauch zu entnehmende Wortsinn bildet den Ausgangspunkt und bestimmt zugleich die Grenze der Auslegung, da das, was jenseits des möglichen Wortsinnes liegt, mit ihm auch bei "weitester" Auslegung nicht mehr vereinbart ist nicht als Inhalt des Gesetzes gelten kann (Larenz, Methodenlehre der Rechswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 343). Eine derart weitgehende Rechtsfortbildung überschritte verfassungsrechtliche Grenzen (Jarras/Pieroth, Grundgesetz, 5. Auflage 2000, Art. 20, Rdnr. 42 m.w.N.).

2. Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz können im Rahmen der Ausnahmen von Beitrittsrecht nach § 26a Abs. 1 SGG XI auch nicht im Wege lückenfüllender Auslegung den laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem BSHG "gleichgestellt" werden. Eine Analogie anzunehmen, liegt wegen der Ähnlichkeit der Sicherungssysteme nach dem BSHG einerseits und nach dem GSiG andererseits zunächst nahe: In beiden Fällen handelt es sich um steuerfinanzierte, einkommens- und vermögensabhängige sowie bedarfsorientierte Sicherungssysteme. Das GSiG nimmt zudem an vielerlei Stellen Bezug auf die Regelung des BSHG. Die ergänzende Inanspruchnahme von Leistungen nach dem BSHG ist (selbstverständlich) auch den Beziehern von Leistungen nach dem GSiG möglich. Das Leistungsniveau ist - abhängig allerdings von vielerlei Faktoren - für die meisten vergleichbaren Personenkreise in etwa gleich hoch (Berechnungsbeispiele bei: Lutter, Grundsicherung und Hilfe zum Lebensunterhalt, ZFSH/SGB 2003, S. 131 f.).

Die gewichtigeren Gründe sprechen jedoch nach der Überzeugung des Senats dafür, eine Analogie bei Leistungen nach § 26a Abs. 1 S.2 GSiG als ausgeschlossen anzusehen. Für ein Analogieverbot spricht zunächst die verfassungsrechtliche Ausgangslage: Der Gesetzgeber hat mit dem SGB XI die Grundlagen für eine gesetzliche Pflegeversicherung geschaffen, die rund 98 % der Gesamtbevölkerung erfasst (hierzu und im Folgenden: BSG, 12. Senat, Urteil vom 12. Februar 2004, - B 2 P 3/02 R -, SozR 4 3300 § 23 Nr. 1 zum Zugang nicht krankenversicherter Beihilfeberechtigter zur privaten Pflegepflichtversicherung). Das zugrundeliegende Konzept einer Volksversicherung (BVerfGE 103, 197 = SozR 3 1100 Art. 74 Nr. 4; BVerfGE 103, 225 = SozR 3300 § 20 Nr. 6) gebietet es dabei, allen Betroffenen Zugang zur Pflegeversicherung zu schaffen. Der Gesetzgeber durfte daher zur möglichst praktikablen Umsetzung des Gesetzes und zur Vermeidung aufwändiger Ermittlungen die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Pflegeversicherung zwar auf die bei Inkrafttreten des SGB XI gesetzlich umschriebenen Tatbestände beschränken und grundsätzlich mit einer bereits bestehenden Krankenversicherung verknüpfen. Er war jedoch durch Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) gehalten, den auf diese Weise nicht erfassten Personengruppen auf sonstige Weise, etwa durch Einräumung eines befristeten Beitrittsrechts, Zugang zu verschaffen, ohne auch insofern danach zu differenzieren, ob jeweils ein hohes Risiko bestand oder bereits eingetreten war (vgl. hierzu die Entscheidung des BVerfGE, die den Ausgangspunkt zur Neuregelung in § 26a SGB XI bildete: Urteil des 1. Senates des BVerfGE vom 03. April 2001, - 1 BvR 81/98 -, SozR 3 3300 § 20 Nr. 6 = BVerfGE 103, 225 - 241, Breihaupt 2001, 504 f.). Wie etwa die Begründung zu der in § 21 SGB XI geregelten Einbeziehung weder gesetzlich noch privat krankenversicherter Personengruppen (vgl. Bundestagsdrucksache 12/5952, S. 37) verdeutlicht, wurde in der gesetzlichen Pflegeversicherung der möglichst vollständigen Erfassung der Wohnbevölkerung von Anfang an der Vorzug vor der ausnahmslosen Verwirklichung der Einheit von Kranken- und Pflegeversicherung ("Pflegeversicherung folgt Krankenversicherung") gegeben. Hierbei wurde Wert alleine darauf gelegt, dass die versicherungspflichtigen Personen mit noch vertretbarem Verwaltungsaufwand erfasst werden konnten (vergl. auch hierzu Urteil des BVerfG vom 03.04.2001, a.a.0.). Das Konzept einer umfassenden Volksversicherung gebietet es, innerhalb der Normen über den Zugang zur sozialen oder privaten Pflegeversicherung bei mehreren Möglichkeiten im Zweifel der weitergehenden Auslegung den Vorzug zu geben. Vor dem Hintergrund dieser verfassungsrechtlichen Ausgangslage sind den Zugang zur Pflegepflichtversicherung einschränkende Normen wie § 26 Abs. 1 S. 2 SGB XI eng auszulegen, um zum Einen den gesetzgeberischen Zielen im Rahmen des SGB XI, zum Anderen dem verfassungsrechtlichen Imperativ aus Art. 3 Abs. 1 des GG Rechnung zu tragen. Eine Ausnahme hiervon mit der Folge, dass eine Analogie zulässig wäre, erschiene dem Senat allenfalls dann diskutabel, wenn der Gesetzgeber in irgendeiner Weise zu erkennen gegeben hätte, dass er einen Ausschluss der Bezieher von Leistungen nach GSiG in gleicher Weise beabsichtigt haben könnte wie den Ausschluss der Bezieher von Leistungen nach dem BSHG. Die insoweit auswertbaren Motive der Gesetzgebung zu § 26a SGB XI sind gewissermaßen indifferent (a), nach den Motiven zur Einführung des GSiG liegt eine Analogie eher fern (b), nach dem tatsächlichen Verhalten des Gesetzgebers muss geschlossen werden, dass - jedenfalls für den Zeitraum vor dem 01.01.2005 - eine Gleichstellung nicht intendiert war (c). a) Die Gesetzgebung zu § 26a SGB XI verfolgt den Regelungsauftrag des Bundesverfassungsgerichtes aus der Entscheidung vom 03.04.2001, a.a.0 ... Die ausführlichste Darstellung des Ganges der Gesetzgebung wie der maßgeblichen Motive ist dem Bericht der Abgeordneten Marga Elser (abgedruckt in: Hauck/Noftz, SGB XI, Kommentar, Bd. II, Materialien, Stand Mai 2004, M 033, S. 17 f.) zu entnehmen. Aus diesem Bericht folgt, dass nach der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichtes gestuft ein immer schwererer Zugang zur Pflegepflichtversicherung eingeräumt werden sollte, je nachdem, ab welchem Zeitpunkt der Betroffene zu den Nichtversicherten gehörte, bzw. ab wann sich die Frage eines Beitritts gestellt hat oder stellen wird. Beitrittsrechte seien so auszugestalten, dass möglichst Missbräuche zu Lasten der Solidargemeinschaft der Versicherten ausgeschlossen werden. Nicht einbezogen in die Beitrittsrechte seien Personen, die nicht selbst in der Lage seien, einen Pflegeversicherungsbeitrag zu zahlen, insbesondere seien nicht einbezogen Empfänger laufender Hilfe nach den BSHG (a.a.0., S. 26.). Dieser Personenkreis sei auch bei Einführung der Pflegeversicherung nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht "ausgegrenzt" worden, für ihn sei vielmehr durch Art. 28 GSG (Gesundheitsreformgesetz 1992) die Versicherungspflicht umfassend sowohl in der gesetzlichen Krankenversicherung als auch in der sozialen Pflegeversicherung angelegt, es sei lediglich das notwendige Ausführungsgesetz noch nicht erlassen. Bis hierhin ergibt sich keine Aussage für oder wider eine Analogie, da es weder bei Einführung des immer noch defizitär umgesetzten GSG noch bei dessen Inbezugnahme bzw. Berücksichtigung durch das BVerfG in der Entscheidung vom 03. April 2001, a.a.0., ein Grundsicherungsgesetz gegeben hat. Weiter wird in den Materialien (S. 26 unten a.a.0.) angenommen, es wäre nicht sachgerecht, Personen einen Beitritt zur Pflegeversicherung zu ermöglichen, die mit ihrer Beitrittsentscheidung einen Dritten beitragsmäßig belasten würden. Dies wäre auch dann nicht als sachgerecht anzusehen, wenn die Dritten, die den Beitrag zu übernehmen hätten, dies nicht als Belastung, sondern als eine hilfreiche Möglichkeit einer gewünschten Entlastung begreifen würden. Diese behauptete Motivation des Gesetzgebers findet in der Entscheidung des BVerfG vom 03.04.2001 keine Stütze. Unzutreffend ist zudem die offensichtliche Annahme des Gesetzgebers, ein Bezieher von Leistungen nach dem BSHG würde durch seine Entscheidung, der Pflegepflichtversicherung nach dem SGB XI beizutreten, den BSHG-Leistungsträger mit seinen Beiträgen belasten. Die Übernahme von Beiträgen zur Pflegeversicherung, wie sie in § 13 BSHG geregelt ist und durch § 3 Abs. 1 Nr. 3 GSiG in dessen Bereich für entsprechend anwendbar erklärt wird, sieht pflichtige Beitragsleistungen des jeweiligen Trägers allein in den hier nicht interessierenden Fällen, insbesondere für Weiterversicherte im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB X sowie für Rentenantragsteller, die nach § 189 SGB V als Mitglieder der Krankenkasse gelten, vor. Eine weitere Pflichtleistung ist nach § 13 Abs. 2, 2. Halbs. BSHG für den Fall vorgesehen, dass die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt voraussichtlich nur für kurze Dauer (in der Regel etwa 6 Monate, Schellhorn, BSHG, 16. Auflage 2002, § 13 Rdziff. 32) zu gewähren ist. In allen übrigen Fällen, insbesondere in den Fällen freiwilliger Versicherungen, ist die Übernahme von Beiträgen eine "Kann"-Leistung des jeweiligen Leistungsträgers. Insoweit erlag der Gesetzgeber also zumindest insoweit einem Irrtum, als er annahm, dass Beiträge von BSHG-Leistungsempfängern zwangsläufig von Dritten zu tragen seien.

Die weiteren Motive (a.a.0., S. 27) gehen davon aus, dass in einem System, das so stark wie die Pflegeversicherung als Pflichtversicherungssystem konzipiert sei, Beitrittsrechte grundsätzlich systemfremd seien. Sie könnten daher nur in rechtlich zwingendem Rahmen eingeräumt werden. Diese Annahme missachtet die vorstehend beschriebene verfassungsrechtliche Ausgangssituation, die im Übrigen auch der Entscheidung des BVerfG vom 03. April 2001 zu entnehmen ist. Die weitere Annahme in den Motiven, BSHG-Leistungsempfänger, die zunächst vom Beitrittsrecht ausgeschlossen seien, würden beitrittsberechtigt, wenn sie aus dem Sozialhilfebezug ausschieden und in der Lage seien, selbst einen Beitrag zu zahlen, spricht eher gegen eine Analogie in der Ausnahmeregelung.

b) Die gesetzgeberischen Motive zur Einführung des Grundsicherungsgesetzes dagegen (zusammengefasst bei Schellhorn, Grundsicherung, a.a.0.) sprechen eindeutig dafür, Beziehern von Leistungen nach dem GSiG den Zutritt zum Sicherungssystem des SGB XI zu ermöglichen. Denn klar erkennbares Ziel des Gesetzgebers bei Einführung des GSiG war es, den typischerweise altersbedingt sowie im Übrigen aus medizinischen Gründen dauerhaft voll erwerbsgeminderten Personen ab 18 Jahren zu einer relativen wirtschaftlichen Selbständigkeit, insbesondere ohne zu befürchtenden Unterhaltsrückgriff auf die Kinder zu verhelfen und die so erkannte Hauptursache für verschämte Altersarmut zu bekämpfen (Darstellung des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung,www.bmgs.bund.de.deu/gra/themen/sicherheit/grundsicher ung m.w.A.).

c) Aus dem tatsächlichen Gang der Gesetzgebung und dem über den Wortlaut erschließbaren Inhalt der jeweils eingeführten Änderung muss geschlossen werden, dass eine Ausnahme vom Beitrittsrecht für Bezieher von Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz jedenfalls für die Zeit vor Zusammenführung des BSHG und des GSiG im SGB XII ab 01.01.2005 nicht intendiert war.

Dies folgt zunächst daraus, dass der Gesetzgeber bei Schaffung des § 26a SGB XI die laufenden Leistungen nach dem BSHG erwähnt, Leistungen nach dem GSiG jedoch unerwähnt gelassen hat, worauf das Sozialgericht bereits hingewiesen hat. § 26a SGB XI ist mit Gesetz vom 14.12.2001 (BGBL I S. 3728) eingeführt worden, mithin zu einem Zeitpunkt, zu dem das Grundsicherungsgesetz als Bestandteil des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens bereits beschlossen worden war, nämlich genauer am 26.06.2001, (BGBL I, S. 1310 f.). Im Rahmen dieses Gesetzes sind Anpassungen einiger Gesetze vorgenommen worden, um dem neuen Nebeneinander von Sozialhilfe und Grundsicherung Rechnung zu tragen. Hätte der Gesetzgeber in Kenntnis dieses Nebeneinanders wenige Monate später bei Schaffung von § 26a Abs. 1 S. 2 SGB XI Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz den Leistungen nach dem BSHG gleichstellen wollen, hätte er diese Vorschrift nur geringfügig erweitern müssen. Aus dieser Unterlassung muss geschlossen werden, dass der Gesetzgeber eine Gleichstellung im Rahmen der Ausnahmevorschrift damals nicht ins Auge gefasst hatte. Auch zwei Jahre später bei der Neufassung des § 26a Abs. 1 S. 2 SGB XI (durch Art. 10 Nr. 3 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 (BGBL I, S. 3222) mit Wirkung vom 01.01.2005) hat der Gesetzgeber die Leistungen nach dem GSiG im Rahmen von § 26a Abs. 1 S. 2 SGB XI nicht als Ausnahmetatbestand angesehen. Denn mit der Änderung ist in der Vorschrift das Wort "Bundessozialhilfegesetz" durch die Wörter "Zwölftes Buch" ersetzt worden. Der Gesetzgeber hat dies als (bloße) redaktionelle Anpassung an die Regelung des SGB XII angesehen (Bundestagsdrucks. 15/1514, S. 73). Mit dem gleichen Gesetz vom 27.12.2003 (a.a.0., Art. 68 Abs. 1 Nr. 5) ist das GSiG mit Wirkung zum 01.01.2005 aufgehoben worden. Hieraus kann nur geschlossen werden, dass es dem Willen des historischen Gesetzgebers entsprach, Beziehern von Leistungen der Grundsicherung - anders als Beziehern von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG - den Zutritt zum Sicherungssystem des SGB XI zu ermöglichen bzw. die Möglichkeit bis zum Außerkaftsetzen des GSiG insgesamt zu erhalten. Eine Analogie erscheint hiernach ausgeschlossen.

3. Der Klägerin ist ein Beitritt zur Pflegepflichtversicherung auch nicht deswegen verwehrt, weil sie zum Kreis der Personen gehörte, "die nicht selbst in der Lage sind, einen Beitrag zu zahlen". Der Senat schließt sich der Argumentation des Sozialgerichts an, wonach die Klägerin wegen des Leistungsbezuges nach nach GSiG einen Mehrbetrag in Höhe eines Zuschlages von 15 % des Regelsatzes eines Haushaltsvorstandes nach dem BSHG erhält (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 GSiG) und deswegen (jedenfalls) selbst in der Lage ist, einen Beitrag zu zahlen. § 26a Abs. 1 Satz 2 SGB XI enthält in der zweiten dort genannten Alternative einen Ausschluss von Personen, "die nicht selbst in der Lage sind, einen Beitrag zu zaheln". Dabei ist nicht zu übersehen, dass diese Formulierung denkbar weite Interpretationsmöglichkeiten eröffnet. Denn bereits derjenige ist in der Lage, den Beitrag selbst zu entrichten, der unabhängig von der Deckung seiner sonstigen Lebensbedürfnisse über einen ausreichenden Geldbetrag verfügt, worauf die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung hingewiesen hat. Der Gesetzgeber hat es unterlassen, die Grenzen nach dem Inhalt des unbestimmten Rechtsbegriffs im Gesetz selbst festzulegen. Aus diesem Grunde werden Bedenken geltend gemacht (etwa Peters in Kasseler Kommentar, Stand März 2004, § 26a SGB XI Rdziff. 9), ob diese Regelung einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhalte.

Der Senat teilt diese Bedenken insoweit, da die Regelung schon im Hinblick auf das aus Art. 20 Abs. 3 GG abgeleitete rechtsstaatliche Gebot der Normklarheit bedenklich ist. Gesetzliche Regelungen müssen so gefasst sein, dass der Betroffene seine Normunterworfenheit und die Rechtslage so konkret erkennen kann, dass er sein Verhalten danach auszurichten vermag (BVerfGE 45, 400, 420; 58, 257, 278; 62, 169, 183; 83, 130, 145). Die Anforderungen an die Normklarkeit sind dann erhöht, wenn die Unsicherheit bei der Beurteilung der Gesetzeslage die Betätigung von Grundrechten erschwert (BVerfGE 62, 169, 183; 83, 130, 145). Nicht nur bei Eingriffen in die Freiheitsphäre des Einzelnen, sondern auch bei der Gewährung von Leistungen müssen die Normen in ihrem Inhalt entsprechend ihrer Zwecksetzung für die Betroffenen klar und nachvollziehbar sowie in ihrer Ausgestaltung widerspruchsfrei sein (Beschluss des 1. BSG-Senates vom 09. April 2003, 1 BvL 1/01, 1 BvR 1749/01 = BVerfGE 108, 52 - 82 zur Sicherung des Existenzminimums eines unterhaltsberechtigten Kindes, § 1612b Abs. 5 BGB). Nach dem (oben 2, ab S. 9) ausgeführten verfassungsrechtlichen Hintergrund der Einführung von § 26a SGB XI scheint es hier geboten, die vom Bundesverfassungsgericht angemahnte Grundrechtsverwirklichung nicht durch eine extensive Auslegung der in § 26a Abs. 1 S. 2 SGB XI formulierten Einschränkung weiter zu erschweren.

Mit ähnlichem Ansatz wird in der Kommentarliteratur vertreten, derjenige sei im Sinne des Satzes 2 in der Lage, selbst einen Beitrag zu zahlen, der auf Grund der Beitragszahlung - sei es direkt oder indirekt wegen der Berücksichtigung der Beiträge als bei der Bedürftigkeitsprüfung abzusetzender Betrag - keine bzw. keine weitergehenden Ansprüche als bisher gegenüber dem Sozialhilfeträger oder einem vergleichbaren Leistungsträger geltend machen kann (Hauck/Wilde, a.a.0., Rdnr. 15). Dieser Ansatz, die (bei zusätzlicher Beitragszahlung) einsetzende Bedürftigkeit im Sinne des BSHG zum Maßstab für die Fähigkeit zur Beitragszahlungen aus eigenen Mitteln zu wählen, führt zu einem in mehrerlei Hinsicht sinnvollen Ergebnis: Zum Einen wird innerhalb von § 26 Abs. 1 S. 2 SGB XI sichergestellt, dass bei Anwendung der 2. Alternative der gleiche Maßstab angelegt wird, den der Gesetzgeber mit der Einführung der ersten Alternative zu erkennen gegeben hat. Zum Anderen steht bei diesem Verständnis das detailliert normierte und mit reichhaltiger Rechtsprechung ausgefüllte System der Bedürftigkeitsprüfung nach dem BSHG für eine "umgekehrte Sozialhilfeprüfung" (Hauck/Wilde, a.a.0.) zur Verfügung. Hieraus ergibt sich, dass die laufenden Einkünfte der Klägerin um 15 % über dem landesrechtlichen Regelsatz nach 22 BSHG liegen und eine Abführung der Pflegeversicherungsbeiträge an die Beklagte - alleine unter Berücksichtigung dieses Umstandes - keine Bedürftigkeit nach dem BSHG auslösen könnte.

Mit dem Sozialgericht ist daher anzunehmen, dass die Klägerin auch im Sinne von § 26 Abs. 1 S. 2 GSiG selbst in der Lage ist, einen Beitrag zu zahlen.

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 260 Abs. 2 Nr. 1 SGG), obwohl das anzuwendende Recht nur bis 31.12.2004 gelten wird, da noch eine erhebliche Anzahl von Fällen zu entscheiden ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr. 19, Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage 2002, § 160 Rdnr. 7b m.w.N. zur Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage, wenn sie bereits außer Kraft getretenes Recht betrifft).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.
Rechtskraft
Aus
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