L 9 KR 662/17 NZB

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 38 KR 2793/15
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 9 KR 662/17 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Das Unterlassen einer "unechten" notwendigen Beiladung (§ 75 Abs. 2 2. Alt. SGG) kann einen Verfahrensfehler i. S. v. § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG begründen.
2. Bei der Verfahrensmangelprüfung ist generell auf die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des vorinstanzlichen Gerichts (iudex a quo) abzustellen, auch wenn diese offensichtlich verfehlt sein sollte.
3. Hat sich das vorinstanzliche Gericht eingehend mit der Frage des Bestehens eines alternativen Anspruchs gegenüber einem anderen Versicherungsträger befasst - und diese verneint -, liegt in der nicht erfolgten Beiladung dieses Versicherungsträgers kein Verfahrensfehler i. S. v. § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG; die vorinstanzliche Entscheidung kann dann nicht auf der nicht erfolgten Beiladung beruhen.
I. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 12. September 2017 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

III. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt Z ..., wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz (SG) vom 12.09.2017, mit dem seine Klage auf Verurteilung der Beklagten zur Kostenübernahme für die am 16.09.2014, 26.09.2014 und 13.01.2015 ärztlich verordneten Krankenbeförderungen abgewiesen worden ist.

Der 1970 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Er leidet vornehmlich an einem Rektumkarzinom mit Wandüberschreitung. Am 20.11.2014 beantragte Dr. Y ..., Facharzt für Allgemeinmedizin, unter Vorlage der von ihm am 16.09.2014 und 26.09.2014 ausgestellten Verordnungen für Krankenbeförderung zur vor-/ nachstationären Krankenhausbehandlung im Universitätsklinikum X ... in W ... für den Kläger die Erstattung der Fahrkosten. Dem Antrag beigefügt waren die Rechnungen des in Anspruch genommenen Taxiunternehmens vom 26.11.2014 und 03.12.2014 über Fahrkosten i. H. v. insgesamt 344,32 EUR.

Die Beklagte holte eine sozialmedizinische Stellungnahme von Dipl. Med. V ..., Ärztin im Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Sachsen, ein. Diese gab am 26.01.2015 an, es habe sich jeweils um ambulante Behandlungen gehandelt, welche vom Universitätsklinikum entsprechend mit der Hochschulambulanzpauschale abgerechnet worden seien. Anhaltspunkte für eine an sich gebotene stationäre Krankenhausbehandlung seien nicht dokumentiert. Beim Kläger lägen weder die Voraussetzungen für die Merkzeichen "aG", "Bl" oder "H" noch eine entsprechende Mobilitätseinschränkung vor. Leistungen der Pflegestufe II oder höher seien dem Kläger gleichfalls nicht zuerkannt. Eine Kostenübernahme sei daher nicht zu empfehlen. Gestützt hierauf lehnte die Beklagte den Antrag - einschließlich der Übernahme der im Widerspruchsverfahren für eine weitere Fahrt am 13.01.2015 geltend gemachten Kosten i. H. v. 308,52 EUR - mit Bescheiden vom 29.01.2015 und 05.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.10.2015 ab. Zur Begründung führte sie aus, die Voraussetzungen für eine Übernahme der Fahrkosten lägen nach § 60 Abs. 1 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i. V. m. den sog. Krankentransport-Richtlinien nicht vor. Insbesondere werde beim Kläger keine Grunderkrankung mit einem vorgegebenen Therapieschema behandelt, das eine hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum aufweise.

Am 05.11.2015 hat der Kläger Klage beim SG erhoben und ausgeführt, die Verordnungen zur Krankenbeförderung seien jeweils zwecks Durchführung stationärer Krankenhausbehandlungen ausgestellt worden. Dr. Y ... habe nach eigenen Angaben (Bericht vom 09.09.2016) stationäre Einweisungsscheine ausgestellt. Warum die Behandlungen schließlich dennoch ambulant durchgeführt und abgerechnet worden seien, entziehe sich seiner Kenntnis. Jedenfalls könne ihm dieser Umstand nicht zum Vorwurf gemacht werden. Die Behandlung seiner Erkrankung erfordere grundsätzlich eine hohe Behandlungsfrequenz. Eine solche könne er sich jedoch angesichts seiner finanziellen Situation - er beziehe Hilfen zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) - nicht leisten. Zum Beweis des Vorstehenden sowie dazu, dass bei ihm eine den Merkzeichen "aG" oder "H" vergleichbare Mobilitätseinschränkung vorliege, beantrage er die Beiziehung ärztlicher Befundberichte und der Verwaltungs-/Gerichtsakten aus einem gegen die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland geführten Verfahren über die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit sowie die Einholung eines Sachverständigengutachtens auf gastroenterologischem Fachgebiet. Ferner beantrage er die Beiladung des zuständigen Sozialhilfeträgers, da dieser alternativ nach § 73 SGB XII als leistungspflichtig in Betracht komme.

Das SG hat Stellungnahmen von Prof. Dr. U ..., Oberarzt am Universitätsklinikum X ... W ..., vom 25.01.2017 und 12.07.2017 beigezogen. Darin hat dieser ausgeführt, am 16.09.2014 sei eine Darmspiegelung, am 26.09.2014 ein Beratungsgespräch bzgl. möglicher Vorbehandlungen mittels Radiochemotherapie und am 13.01.2015 ein Beratungsgespräch bzgl. einer CT-Auswertung sowie einer OP-Planung (die stationäre Aufnahme sei daraufhin für den 04.02.2015 vereinbart worden) durchgeführt worden. Alle drei Termine seien ambulant geplant, durchgeführt und abgerechnet worden.

Mit Gerichtsbescheid vom 12.09.2017 hat das SG die Klage abgewiesen, die Berufung nicht zugelassen, und zur Begründung u. a. ausgeführt:

"Die Bescheide vom 29.01.2015 und 05.08.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.10.2015 sind rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger wird hierdurch nicht in eigenen Rechten verletzt, da er keinen Rechtsanspruch auf Kostenerstattung für die Fahrten zur ambulanten Krankenbehandlung am 16.09.2014, 26.09.2014 sowie 13.01.2015 von seinem Wohnsitz zum Universitätsklinikum W ... hat.

Zunächst war der örtliche Sozialhilfeträger nicht gem. § 75 SGG beizuladen. Zwar kommt § 73 SGB XII als Anspruchsgrundlage in Betracht, die tatbestandlichen Voraussetzungen der Regelung liegen aber nicht vor, sodass die Kammer von einer Beiladung abgesehen hat. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 für einen bestimmten fortlaufenden atypischen Bedarf außerhalb der Regelleistung des § 20 SGB II eine eigenständige Rechtsgrundlage im SGB II gefordert, zugleich aber die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 73 SGB XII gebilligt (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09BVerfGE 125, 175 [254] = JURIS-Dokument Rdnr. 207). Daraus hat das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 19. August 2010 gefolgert, dass § 73 SGB XII bis zum Inkrafttreten einer neuen gesetzlichen Regelung anzuwenden sei, da bereits ein einfachgesetzlicher Anspruch nach § 73 SGB XII bestehe (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2010 – B 14 AS 13/10 R – SozR 4-3500 § 73 Nr. 3 Rdnr. 22 bis 24 = JURIS-Dokument Rdnr. 22 bis 24). Dieser geht dem vom Bundesverfassungsgericht geforderten verfassungsrechtlichen Anspruch bei unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfen vor (vgl. BSG, a. a. O., Rdnr. 23). Indes liegen für den geltend gemachten Anspruch die tatbestandlichen Voraussetzungen nicht vor. Nach § 73 Satz 1 SGB XII können Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Voraussetzung eines Anspruches nach § 73 SGB XII ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine besondere Bedarfslage, die eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweist und deren Sicherstellung zugleich aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten ist (BSG, Urteil vom 26. Mai 2011 – B 14 AS 146/10 R – SozR 4-4200 § 20 Nr. 13 Rdnr. 21 = JURIS-Dokument Rdnr. 21, m. w. N.). Vorliegend kann es sich bei dem geltend gemachten Bedarf dem Grunde nach um einen solchen mit Grundrechtsbezug handeln. Im Hinblick auf die streitigen Kosten von Krankenfahrten ist aber ein unabweisbarer Bedarf, der nicht entweder durch das System des SGB V oder durch die Regelleistung nach dem SGB II abgedeckt wird, nicht ersichtlich. Denn medizinisch notwendige, jedoch von der Leistungspflicht der Krankenkasse nicht umfasste Krankenfahrten, die unter dem Gesichtspunkt der Eigenverantwortung der in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten auch von Hilfebedürftigen nach dem SGB II selbst zu zahlen sind, sind in der Regelleistung abgebildet und lösen damit grundsätzlich keinen Bedarf nach § 73 SGB XII aus (vgl. BSG, Urteil vom 26. Mai 2011, a. a. O., Rdnr. 25; Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 19. Januar 2012 – L 3 AS 39/10 –, Rn. 26 ff., juris). Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Fahrtkosten ist in § 60 SGB V abschließend geregelt. Eines Rückgriffs auf § 73 SGB XII bedarf es deshalb nicht (SG Detmold, Urteil vom 11. Januar 2011 – S 21 AS 926/10 –, Rn. 25, juris). Die Krankenkasse übernimmt nach Maßgabe des § 60 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) nach den Absätzen 2 und 3 die Kosten für Fahrten einschließlich der Transporte nach § 133 (Fahrkosten) aber nur dann, wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus dringenden medizinischen Gründen notwendig sind. Welches Fahrzeug benutzt werden kann, richtet sich nach der medizinischen Notwendigkeit im Einzelfall. Die Krankenkasse übernimmt Fahrkosten bei einer ambulanten Behandlung unter Abzug des sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrages nur nach vorheriger Genehmigung in besonderen Ausnahmefällen, die der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 festgelegt hat. Von dieser, dem Gemeinsamen Bundesausschuss nach Maßgabe des § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V eingeräumten, Richtlinienkompetenz hat der Gemeinsame Bundesausschuss Gebrauch gemacht. Dieser verfügt über eine hinreichende demokratische Legitimation zum Erlass der Richtlinie über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten nach Maßgabe des § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V (BSG, Urteil vom 13.12.2016, Az.: B 1 KR 2/16 R). Nach dessen Richtlinien über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten (Krankentransport-Richtlinien) regeln diese Richtlinien die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransporten und Rettungsfahrten in der vertragsärztlichen Versorgung (§ 1 Abs. 1). Gesetzliche Grundlage für die Kostenübernahme von Krankenbeförderungsleistungen ist § 60 SGB V (§ 1 Abs. 2 der Vorschrift). Die Konkretisierung der Ausnahmen nach § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V durch die Krankentransport-Richtlinien ist gesetzeskonform (wie hier: Thüringer LSG, Urteil vom 28.08.2012, Az.: L 6 KR 188/11). Nach § 8 dieser Richtlinien können nur in besonderen Ausnahmefällen auch Fahrten zur ambulanten Behandlung außer den in § 7 Abs. 2 b und c geregelten Fälle bei zwingender medizinischer Notwendigkeit von der Krankenkasse übernommen und vom Vertragsarzt verordnet werden. Sie bedürfen der vorherigen Genehmigung durch die Krankenkasse (SG Leipzig, Urteil vom 11. April 2017 – S 8 KR 385/16 –, Rn. 16 ff., juris).

Die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Fahrtkostenerstattung liegen indes nicht vor. Nach § 8 Abs. 2 der Krankentransport-Richtlinien setzt eine Verordnung und eine Genehmigung voraus, dass der Patient mit einem durch die Grunderkrankung vorgegebenen Therapieschema behandelt wird, dass er eine hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum aufweist und dass diese Behandlung oder der zu dieser Behandlung führende Krankheitsverlauf den Patienten in einer Weise beeinträchtigt, dass eine Beförderung zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich ist. Vorliegend fehlt es bereits an einem "Therapieschema" in der vom Richtliniengeber vorgesehen Therapiefrequenz. Nach der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz erscheint es sachangemessen, auch wenn die erforderliche Behandlungshäufigkeit unterschiedlich ist und in einzelnen Fällen bei den aufgezählten Therapien eine höhere Frequenz in Betracht kommen mag, ausgehend von der regelmäßigen Behandlungshäufigkeit eine Therapiedichte von mindestens zweimal pro Woche zu fordern (so: Urteil vom 06.09.2007, Az.: L 5 KR 43/07), bei einer dauerhaft regelmäßig notwendigen ambulanten Behandlung von einmal pro Woche (wie hier: BSG, Urteil vom 28.07.2008, Az: B 1 KR 27/07 R). Bei einer ständig quartalsweise vorzunehmenden Behandlung, die auf unabsehbare Zeit erforderlich wäre, ist indes noch keine entsprechende Fahrkostenübernahme durch die Krankenkasse veranlasst (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 29.01.2009, Az.: L 10 KR 64/07). Eine Behandlung mit einer "hohen Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum" im Sinne des § 8 Abs. 2 Krankentransportlinien setzt dabei voraus, dass die Behandlung, zu deren Ermöglichung die Fahrten durchgeführt werden sollen, mit den in Anlage 2 der Richtlinie genannten anderen Behandlungsformen - sowohl von ihrem zeitlichen Ausmaß her als auch wertungsmäßig - vergleichbar sein muss. Die Häufigkeit einerseits und die Gesamtdauer andererseits sind gemeinsam zu den Regelbeispielen in eine Beziehung zu setzen (so: BSG, Urteil vom 28.07.2008, Az.: B 1 KR 27/07 R; SG Leipzig, Urteil vom 11. April 2017 – S 8 KR 385/16 –, Rn. 22, juris).

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Kläger wurde beim Universitätsklinikum W ... aufgrund einer schwerwiegenden chronischen Erkrankung am 05.02.2015 operativ bei vollstationärem Aufenthalt vom 04.02.2015 bis einschließlich 15.02.2015 behandelt. In diesem Zusammenhang hat das Universitätsklinikum W ... auf die gerichtliche Anfragen mitgeteilt, dass die Termine mit dem Kläger am 16.09.2014, 26.09.2014 und 13.01.2015 ambulant geplant sowie durchgeführt worden sind unter anderem geplant für eine Sigmoidoskopie mit Biopsie bzw. weiteren Aufklärungen im Rahmen der Kolon-/Rektumsprechstunde (auch zu alternativen Behandlungsmethoden) sowie der Durchführung einer Computertomographieuntersuchung. Dabei teilte das behandelnde Universitätsklinikum W ... insbesondere für den 13.01.2015 anhand seiner eindeutigen Dokumentation mit, dass dieser Termin telefonisch für die Vorstellung in der Sprechstunde als ambulanter Termin geplant war und mit dem Kläger so abgesprochen war. Dies spricht gegen die Argumentation des Klägers, dass er in dem Vertrauen auf eine stationäre Aufnahme zu den jeweiligen Behandlungsterminen gefahren sei. Durch die durchgeführten ambulanten Behandlungen sind keine voll- oder teilstationären Behandlungen ersetzt worden, selbst wenn der überweisende Arzt Dr. Y ... von einer vollstationären Behandlungsnotwendigkeit im Rahmen der Ausstellung einer Krankenhauseinweisung ausgegangen ist. Letztlich dürfte im Rahmen der Regelungen für die Erstattung von Fahrtkosten entscheidend sein, dass die Termine ambulant stattgefunden haben, selbst wenn eine Einweisung ins Krankenhaus für die streitigen Termine vorgelegen hat, von denen jedoch das Universitätsklinikum ausweislich seiner Auskünfte keine Kenntnis hatte. Insoweit hat der Krankenhausarzt die Notwendigkeit der (prä-)stationären Behandlung selbständig und unabhängig vom einweisenden Arzt zu prüfen und unter Beachtung der Voraussetzungen des § 39 SGB V über eine Aufnahme zu entscheiden. Dabei ist die Möglichkeit der Fahrtkostenerstattung aus § 60 Abs. 2 Nr. 4 SGB V, dh. zur Vermeidung bzw. Verkürzung einer an sich stationären Krankenhausbehandlung, auf regelmäßig ambulant durchgeführte Behandlungen nicht anwendbar (Becker/Kingreen/Kindgreen, SGB V, 5. Auflage, § 60 Rn. 18). Bei den vorliegenden Behandlungen an den streitigen Terminen neben intensiven Arztgesprächen in Form der Sigmoidoskopie und Computertomographie handelt es sich um regelmäßig ambulant durchführbare Behandlungen. Die Fahrkosten zu den ambulanten Behandlungen im vorliegenden Fall hat der Versicherte im Rahmen der Eigenverantwortung nach § 2 SGB V insoweit selbst zu tragen."

Der Kläger hat am 10.10.2017 gegen die Nichtzulassung der Berufung durch das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid Beschwerde eingelegt (und zugleich die Gewährung von PKH beantragt). Er ist der Ansicht, das SG habe es verfahrensfehlerhaft unterlassen, weitere Ermittlungen zur medizinischen Sachverhaltsaufklärung durchzuführen und ferner den alternativ leistungspflichtigen Sozialhilfeträger beizuladen. Hinsichtlich des Erfordernisses einer erhöhten Behandlungsfrequenz und der Notwendigkeit stationärer Krankenhausbehandlung sowie des Vorliegens einer erheblichen Mobilitätseinschränkung habe er insbesondere die Einholung eines gastroenterologischen Gutachtens beantragt. Entgegen der Auffassung des SG ergebe der bereits festgestellte Sachverhalt zumindest die Möglichkeit eines Anspruchs auf Gewährung einer Beihilfe nach § 73 SGB XII. Zudem habe über einen dahingehenden Anspruch nicht das SG sondern vielmehr der (beizuladende) Sozialhilfeträger in eigener Zuständigkeit zu entscheiden.

Der Kläger beantragt,

die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 12. September 2017 zuzulassen sowie

ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Z ..., zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte beider Instanzen, die vorgelegen haben, verwiesen.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet. Entsprechendes gilt für den Antrag auf Gewährung von PKH.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des SG vom 12.09.2017 ist gemäß § 145 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des SG oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts (LSG), wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR oder bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000,00 EUR nicht übersteigt. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt den Betrag von 750,00 EUR nicht. Die Voraussetzungen für die Sonderregelung des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG sind nicht gegeben, da die Klage nicht eine wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht erhoben worden. Sie ist jedoch unbegründet. Ein Zulassungsgrund gemäß § 144 Abs. 2 SGG ist nicht gegeben. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn einer der in § 144 Abs. 2 SGG genannten Gründe vorliegt, wenn also die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des LSG, des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).

1. Die Rechtssache wirft keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf.

Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG hat eine Rechtssache, wenn sie eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, § 144 Rn. 28). Die Rechtsfrage muss entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung sein (vgl. BSG, Beschluss vom 26. Mai 2014 – B 9 V 1/14 B – juris, Rn. 5). Sie ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, d. h. sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt, oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (BSG, Beschluss vom 16. Oktober 2018 – B 12 KR 26/18 B – juris Rn. 5).

Über eine im vorstehenden Sinne grundsätzliche Rechtsfrage ist vorliegend nicht zu entscheiden. Die Grundsätze, nach denen die Fahrkosten zu ambulanten Krankenbehandlungen nach § 60 SGB V zu erstatten sind, sind in der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BSG hierfür beispielhaft umfassend geklärt. Eine bislang ungeklärte Frage ist weder vom Kläger angeführt worden noch sonst ersichtlich.

2. Eine Zulassung aufgrund einer Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG kann ebenfalls nicht erfolgen.

Divergenz bedeutet Widerspruch im Grundsätzlichen, d.h. das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt sind. Das SG weicht daher nur dann von einer höhergerichtlichen Entscheidung ab, wenn es seinerseits einen abstrakten Rechtssatz aufstellt und seinem Urteil tragend zugrunde legt, der einem zum selben Gegenstand gemachten und fortbestehenden abstrakten Rechtssatz eines der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte entgegensteht (vgl. BSG, Beschluss vom 3. Juli 2014 – B 6 KA 13/14 B – juris Rn. 4). Es reicht also nicht aus, wenn das SG lediglich eine obergerichtliche Rechtsprechung nicht genügend berücksichtigt oder im Einzelfall falsch angewandt hat (vgl. BSG, Beschluss vom 26. Mai 2014 – B 9 V 1/14 B – juris Rn. 9). Denn nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Berufung.

Eine Divergenz im vorstehend umrissenen Sinne ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

3. Der Kläger hat schließlich auch keinen Verfahrensmangel im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG geltend gemacht, der zur Zulassung der Berufung führen könnte.

Ein Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt. Er bezieht sich begrifflich auf das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil, nicht aber auf dessen sachlichen Inhalt, d.h. seine Richtigkeit (vgl. Leitherer a. a. O. Rn. 32 ff.). Einen Verfahrensmangel stellt insbesondere ein Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) dar, wenn sich das Gericht zu weiteren Ermittlungen aus seiner rechtlichen Sicht hätte gedrängt fühlen müssen, wenn es seine gesetzliche Verpflichtung zur Erforschung des Sachverhaltes also entweder verkannt hat oder ihr nicht nachgekommen ist (vgl. LSG Saarland, Beschluss vom 18. November 2004 - L 6 AL 3/02 NZB - juris Rn. 30). Ein Verfahrensmangel kann auch in der Unterlassung einer notwendigen Beiladung (§ 75 Abs. 2 SGG) liegen.

Grundlage der gerichtlichen Prüfung, ob das vorinstanzliche Verfahren an einem Mangel leidet, ist der materielle Rechtsstandpunkt des iudex a quo. Nach der ständigen Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes ist demnach bei der Prüfung, ob dem vorinstanzlichen Tatsachengericht ein Verfahrensmangel unterlaufen ist, von der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des vorinstanzlichen Gerichts auszugehen, auch wenn dieser Standpunkt aus der Sicht des Klägers/Beschwerdeführers oder des Beschwerdegerichts offensichtlich verfehlt sein sollte. Dies gilt insbesondere bei der Prüfung der Aufklärungsrüge, gilt aber auch generell für die Verfahrensmangelprüfung (vgl. Buchheister in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO [Stand Juli 2019], § 132 Rn. 93 m. W. n.; auch: Voelzke in: jurisPK-SGG § 160 Rn. 157; Fichte in: Breitkreuz, SGG, § 160 Rn. 62). Hintergrund ist nicht zuletzt, dass nur Verfahrensmängel berücksichtigt werden, auf denen die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Daher muss dargelegt werden, dass die unterbliebene Verfahrenshandlung ohne Änderung der Rechtsauffassung des SG zu einem günstigeren Ergebnis geführt hätte (Schreiber in: Breitkreuz, SGG, § 144 Rn. 41; Leitherer a. a. O. § 160 Rn. 23). Anderenfalls wäre über den "Umweg" des Verfahrensfehlers eine Prüfung der vorinstanzlichen Entscheidung in materiell-rechtlicher Hinsicht eröffnet /(ebenso: jurisPK-SGG Voelzke a. a. O.).

Ausgehend von dem Vorstehenden greifen die Rügen des Klägers hinsichtlich unterlassener notwendiger Beiladung des Sozialhilfeträgers sowie unterlassener weiterer medizinischer Sachverhaltsaufklärung nicht durch.

Das SG hat alternativ eingehend einen Leistungs- bzw. Kostenübernahmeanspruch gegenüber dem Sozialhilfeträger nach § 73 SGB XII geprüft - und verneint. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsauffassung des SG kam der Sozialhilfeträger als leistungspflichtig - und damit auch eine notwendige Beiladung nach § 75 Abs. 2 SGG - nicht in Betracht. Ob diese materiell-rechtliche Auffassung des SG zutreffend ist, ist aus den dargelegten Gründen nicht zu prüfen.

Entsprechendes gilt hinsichtlich der gerügten weiteren medizinischen Sachverhaltsaufklärung. Nach § 103 Abs. 2 SGG ist das Gericht bei der Erforschung des Sachverhalts an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. Es bestimmt im Rahmen seines richterlichen Ermessens die Ermittlungen und Maßnahmen, die nach seiner Beurteilung der materiellen Rechtslage zur Aufklärung des Sachverhalts notwendig sind; sein Ermessen ist nur durch die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts in dem hiernach für seine Entscheidung erforderlichen Umfang begrenzt. Das SG hat eingehend (und zutreffend) dargelegt, dass beim Kläger keine Grunderkrankung vorliegt, die mit einem vorgegebenen Therapieschema behandelt wird, welches eine hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum aufweist. Diesbezüglich waren daher aus Sicht des SG weitere Ermittlungen entbehrlich. Dies gilt auch hinsichtlich des Vorbringens des Klägers, bei ihm liege eine den Merkzeichen "aG" oder "H" vergleichbare Mobilitätseinschränkung vor. Anhaltspunkte ergeben sich aus den aktenkundigen medizinischen Unterlagen nicht im Ansatz. Auch Dr. Y ... hat in den streitgegenständlichen Verordnungen zur Krankenbeförderung das Vorliegen vergleichbarer Mobilitätseinschränkungen nicht bestätigt (das hierfür im Verordnungs-Vordruck vorgesehene Kästchen hat er jeweils nicht angekreuzt). Weitere Ermittlungen - gewissermaßen "ins Blaue hinein" - waren daher für das SG nicht veranlasst.

Für die Gewährung von PKH war mangels hinreichender Erfolgsaussicht (§ 114 Satz 1 Zivilprozessordnung - ZPO) kein Raum.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Entscheidung ist endgültig (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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