L 10 AL 321/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 AL 434/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 321/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 11.07.2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) und die Rückforderung überzahlter Leistungen einschließlich überzahlter Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 15.151,72 DM (= 7.746,95 Euro).

Nach Beendigung einer Tätigkeit als Maschinenarbeiter und Arbeitsunfähigkeit beantragte der 1963 geborene deutsche Staatsangehörige am 10.03.2000 Alg. Dieses wurde ihm mit Bescheid vom 21.06.2000 bewilligt.

Nach anonymer Anzeige suchte die Beklagte das auf die Ehefrau des Klägers, T. Y. , angemeldete Immobilienbüro "Y. Immobilien" auf, in dem sich lediglich der Kläger aufhielt. Seine Ehefrau - so der Kläger - stünde seit Mai 2000 in einem regelmäßigen anderweitigen Arbeitsverhältnis bei der Firma G. (Frühschicht 6.00 bis 14.00 Uhr, Spätschicht 14.00 bis 22.00 Uhr). Er helfe seit Juli 2000 ohne Entgelt im Geschäft seiner Ehefrau. Die Arbeitszeit betrage 20 - 25 Std. wöchentlich.

Nach Anhörung hob die Beklagte mit Bescheid vom 05.02.2001 die Bewilligung von Alg für die Zeit vom 01.07.2000 bis 31.12.2000 wegen fehlender Arbeitslosigkeit auf und forderte überzahlte Leistungen zurück. Der Kläger habe seine Mitteilungspflicht über die Aufnahme einer mehr als geringfügigen Tätigkeit verletzt.

Ab 06.02.2001 leistete die Beklagte wieder Alg, nachdem der Kläger angegeben hatte, 12 Stunden wöchentlich im Geschäft der Ehefrau zu arbeiten.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, keine Entlohnung erhalten zu haben, was sich bereits daraus ergebe, dass kein Gewinn aus dem Geschäftsbetrieb erzielt worden sei. Er habe sich lediglich 20 - 25 Stunden wöchentlich im Geschäft mit "Nichtstun, Lesen oder Internet" aufgehalten. Aus der übersandten Erlösstatistik ergeben sich keinerlei Personalkosten.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.04.2001 zurück. Sie stützte sich dabei auf die vom Kläger bei der Außenprüfung gemachten Angaben.

Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, er habe seine Erstangaben ohne weitere Überlegung gemacht. Die Aufenthaltsdauer im Geschäft sei wohl eher geringer gewesen. Aufzeichnungen hierüber habe er nicht. Im Übrigen sei ein Anrufbeantworter vorhanden gewesen. Feste Öffnungszeiten habe es nicht gegeben. Ein festes Arbeitsverhältnis habe nicht bestanden.

Mit Urteil vom 11.07.2001 (zutreffend: 2002) hat das SG die Klage abgewiesen. Die Aufhebung gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 bzw 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sei rechtmäßig. Der Kläger habe eine mehr als geringfügige Tätigkeit ausgeübt. Dabei sei auf seine Erstangaben abzustellen, die unbefangen und in Unkenntnis der rechtlichen Konsequenzen erfolgt seien. Unter Berücksichtigung der Familienverhältnisse und der Arbeitstätigkeit seiner Ehefrau seien diese Angaben nachvollziehbar. Die Frage der Entlohnung sei bei Überschreiten der Kurzzeitigkeitsgrenzen irrelevant. Zur Tätigkeitszeit zählen auch längere Wartezeiten bzw die bloße Anwesenheit in Erwartung z.B. von Kundschaft. Zudem sei wegen der in der vom Kläger übersandten Erlösstatistik angegebenen hohen Fahrtkosten eine umfangreiche Tätigkeit des Klägers anzunehmen, und das Geschäft, das sich in der Aufbauphase befunden habe, habe einen erhöhten Einsatz erfordert. Die Mitarbeit des Klägers sei nicht lediglich im Rahmen der gegenseitigen Unterhaltspflicht nach § 1360 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erfolgt. Im Übrigen lasse eine an unterschiedlichen, nicht vorhersehbaren Tagen ausgeübte Tätigkeit eine Verfügbarkeit und Erreichbarkeit des Klägers als zweifelhaft erscheinen. Der Kläger habe seine Mitteilungspflicht gemäß § 60 Abs 2 Nr 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) grob fahrlässig verletzt. Bei der Aufhebungsentscheidung habe die Beklagte kein Ermessen auszuüben (§ 330 Abs 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III -). Die Rückzahlungspflicht stütze sich auf § 50 SGB X bzw bezüglich der überzahlten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge auf § 335 Abs 1, Abs 5 SGB III.

Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und zur Begründung vorgetragen: Aus den Tätigkeitszeiten der Ehefrau ergebe sich nicht, dass diese nicht noch nebenberuflich als selbständige Maklerin tätig sein könne. Ihre Haupttätigkeitszeit sei am Wochenende und in den Abendstunden gewesen. Überwiegend seien die Geschäfte telefonisch abgewickelt worden. Auch die Familienverhältnisse (ein Kind) sprächen nicht gegen eine solche Tätigkeit der Ehefrau. Der Kläger habe sich nicht in Erwartung von Kundschaft im Büro aufgehalten, sondern sei nur dort gewesen, weil es einen Internetanschluss gegeben habe. Bei seiner Angabe "Arbeitszeit" sei sich der Kläger nicht bewusst gewesen, dass er nach einer tatsächlichen Arbeitszeit und nicht nach dem Umfang der Aufenthaltszeit im Büro gefragt wurde. Er sei lediglich gefragt worden, wie lange er sich im Büro aufhalte. Das SG habe die Frage der Gewinnverteilung in der Firma unzutreffend ausgelegt. Er habe lediglich Gefälligkeitsarbeit verrichtet und nicht grob fahrlässig gehandelt.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil vom 11.07.2002 sowie den Bescheid vom 05.02.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom vom 26.04.2001 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 11.07.2002 - S 5 Al 434/01 - als unbegründet zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Die jetzigen Angaben des Klägers seien als Schutzbehauptung anzusehen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG) ist zulässig, aber nicht begründet. Zutreffend hat das SG die Klage abgewiesen. Die Aufhebung und Rückforderung überzahlter Leistungen in Höhe von 15.151,72 DM ist rechtmäßig. Der Bescheid vom 05.02.2001 idG des Widerspruchsbescheides vom 26.04.2001 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Unabhängig davon, ob der Kläger Einkommen aus selbständiger Tätigkeit erzielt hat, d.h. ob er tatsächlich Inhaber des Geschäftes gewesen ist, hat er die ihm obliegende Mitteilungspflicht über den Eintritt einer wesentlichen Änderung, nämlich der Aufnahme einer mehr als geringfügigen Tätigkeit, nicht mitgeteilt. Die Aufhebung und Rückforderung überzahlter Leistungen ist daher rechtmäßig. Zur Begründung wird insoweit auf die umfangreichen Ausführungen des SG Bezug genommen (§ 153 Abs 2 SGG).

Ergänzend ist lediglich darauf hinzuweisen, dass - unabhängig davon, ob der Kläger als Selbständiger oder Arbeitnehmer sich im Geschäft aufgehalten hat und die Zeit mit "Nichtstun, Lesen oder Internet" verbracht hat - das Warten auf Kundschaft ebenfalls als Arbeitszeit anzusehen ist. Selbst bei familienhafter Mitarbeit aufgrund ehelicher Beziehung zur Inhaberin des Geschäfts - dies steht einer Beschäftigung gleich (§ 118 Abs 3 Satz 1 SGB III) - ist aufgrund der glaubhaften Erstangaben des Klägers, die er ohne Kenntnis der Rechtsfolgen gemacht hat, von einer 20- bis 25-stündigen Anwesenheit im Geschäft auszugehen, wobei selbst das bloße, evtl. mit Privattätigkeiten ausgefüllte Warten im Sinne einer latenten Arbeitsbereitschaft damit als Tätigkeitszeit anzusehen ist (BSG Urteil vom 28.10.1987 - 7 RAr 26/86 -, LSG Niedersachsen NZA 88, 592; Urteil des erkennenden Senates vom 21.03.2003 - L 10 AL 330/02 -). Zudem hat der Kläger, der deutscher Staatsangehöriger ist, in seinen Angaben zur Tätigkeit ausdrücklich den Begriff "Arbeitszeit" verwandt. Er hat diese Erklärung unterschriftlich bestätigt, so dass seine Angabe im Berufungsverfahren, er sei lediglich nach der Aufenthaltszeit im Büro gefragt worden, nicht durchgreifen kann. Aufgrund dieser klaren und eindeutigen Angaben des Klägers hat die Beklagte nachgewiesen, dass er in einem mehr als geringfügigen Beschäftigungsverhältnis gestanden hat. Den Gegenbeweis hat der Kläger nicht führen können.

Nach alledem ist die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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