L 12 KA 72/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 42 KA 83/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 72/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 21. November 2001 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 14.155,28 EUR (entspricht: 27.685,32 DM) zu zahlen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die Kosten des Verfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

In diesem Rechtsstreit geht es um Einbehaltungen von der Gesamtvergütung wegen von der Krankenkasse an Versicherte geleisteter Kostenerstattungen.

Die Beklagte behielt von der Gesamtvergütungsrestzahlung für das Quartal 3/99 für bayerische Ärzte 8.919,67 DM, von der Restzahlung für außerbayerische Ärzte 6.264,02 DM und von der Gesamtvergütung 4/99 12.501,63 DM ein, weil sie in dieser Höhe Kostenerstattungen an Pflichtversicherte geleistet habe für von Vertragsärzten privat in Rechnung gestellte Leistungen. Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 25.10.2000 auf, den Kürzungsbetrag zu überweisen und kündigte für den Fall der Nichtzahlung rechtliche Schritte an. Nachdem eine Überwei- sung nicht erfolgte, erhob die Klägerin am 28. Dezember 2000 Klage beim Sozialgericht München (SG), mit dem Antrag, die Be- klagte zur Zahlung der oben genannten Beträge zu verurteilen. Zur Begründung führte sie aus, die Kürzung der Gesamtvergütung sei rechtswidrig. Kostenerstattungen, die die Krankenkassen nach § 13 Abs.3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) leiste- ten, seien nicht auf die Gesamtvergütung anzurechnen. Ein sol- ches Vorgehen sehe § 85 Abs.2 Satz 8 SGB V nur für Kostener- stattungsleistungen nach § 13 Abs.2 SGB V vor. Im Übrigen seien die Voraussetzungen der Kostenerstattung nach § 13 Abs.3 SGB V nicht erfüllt gewesen. Eine Kostenerstattung nach dieser Vor- schrift komme nur im Fall des sogenannten "Systemversagens" in Betracht. Ein solches liege jedoch nicht vor, denn es habe sich nicht um unaufschiebbare Leistungen im Sinne von § 13 Abs.3 SGB V gehandelt.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 05. Oktober 2001 beantragt, die Klage abzuweisen. Die Kürzung der Gesamtvergütung sei zu Recht erfolgt. Die Vertragsärzte müssten das Naturallei- stungsprinzip als tragendes Prinzip der gesetzlichen Kranken- versicherung (GKV) beachten. Die Ärzte des ambulanten Operati- onszentrums K. (AOZ) hätten jedoch die Behandlung auf Krankenversicherungskarte aus finanziellen Erwägungen abgelehnt und statt dessen die Versicherten eine Patienteneinwilligung zur privatärztlichen Behandlung unterschreiben lassen und die Liquidation der entstandenen Kosten auf der Basis der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) vorgenommen. Die Beklagte habe unter Berücksichtigung der Gesamtumstände und des Rechtsgedankens der Einstandspflicht der Krankenkassen bei Nichtsicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung nach § 13 Abs.3 SGB V die entstandenen Kosten ihren Versicherten erstatten müssen. Durch die Verweigerung der Sachleistung durch die genannten Ärzte sei ei- ne Versorgungslücke entstanden, die sich für den Versicherten als Mangel des gesetzlichen Leistungssystems dargestellt habe und die zu seinen Gunsten über § 13 Abs.3 SGB V habe geschlos- sen werden müssen. Es habe sich um Leistungen gehandelt, die im einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) aufgeführt seien und des- halb von den Vertragsärzten als Sachleistungen hätten erbracht werden müssen, und die mit der Gesamtvergütung abgegolten sei- en. Konsequenterweise müssten daher die vorgenommenen Erstat- tungen gegenüber den Versicherten auf die Gesamtvergütung ange- rechnet werden. Andernfalls entstehe der Krankenkasse ein Scha- den, wenn sie für Leistungen, die sie im Rahmen der Gesamtver- gütung bereits bezahlt habe, nochmals im Wege der Kostenerstat- tung eintreten müsse. Die Beklagte legte Unterlagen vor, aus- denen hervorgeht, dass nicht nur die Ärzte des AOZ, sondern auch andere Ärzte, insbesondere Gynäkologen in M. , z.B. bei der ambulanten Myomentfernung (EBM-Nr.1150), entsprechend vorgegangen seien. Ferner legte sie ein Schreiben der Bezirks- stelle München Stadt und Land der Klägerin vom 18. April 2000 vor, worin diese unter anderem die Auffassung vertritt, es sei keine Rechtsgrundlage ersichtlich, die es einem Vertragsarzt verbiete, bestimmte Leistungen lediglich privat anzubieten. Der Beigeladene legte ein Schreiben der Bezirksstelle Unterfranken der Klägerin vom 01. Dezember 1998 vor, worin es heißt, nach der Auffassung der Klägerin könne kein Vertragsarzt rechtlich verpflichtet werden, in seiner Praxis alle, also auch die nicht kostendeckenden Leistungen anzubieten, die er grundsätzlich im Rahmen seines Fachgebiets erbringen könne. Es sei allerdings auch nach Meinung der Klägerin in diesen Fällen nicht zulässig, den Patienten alternativ die Leistungserbringung auf privater Basis anzubieten. Wenn der Patient jedoch ausdrücklich die Erbringung dieser Leistungen durch den Arzt wünsche, könne ein privatärztlicher Behandlungsvertrag vereinbart werden. Auch ein Schreiben der Bezirksstelle München Stadt und Land vom 02. November 1999 wurde vorgelegt, in dem ausgeführt wird, es sei keine Rechtsgrundlage ersichtlich, die es einem Vertragsarzt verbiete, bestimmte Leistungen lediglich privat anzubieten.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 21. November 2001 abgewie- sen. Die Restforderung der Gesamtvergütung sei durch wirksame Aufrechnungserklärung der Beklagten mit einem ihr gegen die Klägerin zustehenden Schadenersatzanspruch aus der Verletzung ihrer gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtung zur Gewähr- leistung der Sicherstellung der ambulanten Versorgung erlo- schen. Zwar müsse die Klägerin nicht für ein pflichtverletzen- des Verhalten der vertragsärztlichen Leistungserbringer eintre- ten, doch bestehe ein Kompensationsanspruch aus eigener ver- schuldeter Pflichtverletzung der Klägerin. Die Kammer gehe von einem gesetzlich und vertraglich begründeten Rechtsverhältnis zwischen den Krankenkassen und ihren Verbänden einerseits und den kassenärztlichen Vereinigungen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung andererseits aus, dem nicht nur objektiv- rechtliche Gehalte, sondern auch subjektiv-öffentlicher Inhalt bezüglich der Erfüllung der Sicherstellungspflicht einschließlich Nebenpflichten beizumessen sei. Aus §§ 72 Abs.1, 75 Abs.1 SGB V sowie den gesamtvertraglichen Bestimmungen der §§ 4, 51 Abs.1 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen (EKV-Ä) und § 3 Abs.1 Bayerischer Gesamtvertrag-Ärzte/Ersatzkassen (GV-EK) resultiere eine Treuepflicht der Vertragspartner dahingehend, den Zweck und den Erfolg des Sicherstellungsverhältnisses durch entsprechende Handlungen weder zu gefährden noch zu beeinträchtigen. Die Klägerin habe die von ihr zu beachtende Treuepflicht im Zusammenhang mit dem Gewährleistungs- und Sicherstellungsverhältnis verletzt, indem sie durch ein aktives Tun in Gestalt ausdrücklicher und verdeckter fehlerhafter Informationen Pflichtverletzungen ihrer Mitglieder ausgelöst habe. Sie habe es auch unterlassen, ihr bekannten nachhaltigen Pflichtverletzungen, hier boykottähnlichen Haltungen einer Teilgruppe ihrer Mitglieder, durch korrekte Informationen über den Umfang der vertragsärztlichen Pflichten, gegebenenfalls unter Androhung und Vollziehung von Disziplinarmaßnahmen, aktiv entgegenzuwirken. Die Klägerin habe im maßgeblichen Zeitraum die Auffassung vertreten, dass ein Vertragsarzt, obwohl er dazu berufsrechtlich nach seinem subjektiven fachlichen Können und auch apparativ in der Lage wäre, Sachleistungen verweigern dürfe, diese aber, wenn auch mit der Einschränkung des ausdrücklichen Patientenwunsches, auf Privatliquidationsbasis am gesetzlich Versicherten im gleichen Zeitraum zu erbringen berechtigt sei. Diese Meinung sei, wie die vorgelegen Auskünfte der verschiedenen Bezirksstellen zeigten, in aller Deutlichkeit vertreten und später bekräftigt worden. Es stehe nach der Überzeugung der Kammer und aufgrund der mündlichen Verhandlung fest, dass diese Auffassung so auch gegenüber den Mitgliedern kommuniziert worden sei. Diese Kundgabe sei fehlerhaft. Ein Vertragsarzt sei nicht berechtigt, Behandlungen als Sachleistungen (aus finanziellen Gründen) zu verweigern, wenn er im gleichen Zeitraum diese Leistungen an gesetzlich Krankenversicherten erbringe. Dies gelte auch dann, wenn nach Verweigerung der Behandlungswunsch ausdrücklich von Patientenseite an den Vertragsarzt herangetragen werde. Nach Auffassung der Kammer stehe fest, dass in vielen Teilen des KV-Gebiets eine erhebliche Anzahl ambulanter Operateure operative Eingriffe als Sachleistungen verweigert hätten und die Patienten auf die Möglichkeit der sofortigen Privatbehandlung und gleichzeitig auf ihr Recht zur Kostenerstattung gegenüber der Krankenkasse infolge des so provozierten Systemversagens hingewiesen habe. Die Kammer halte es für ausgeschlossen, dass die Klägerin davon keine hinreichend genauen Kenntnisse hatte. Aufgrund ihrer Gewährleistungspflicht gegenüber den Krankenkassen hätte sie sich gedrängt fühlen müssen, durch aktives Tun solange energisch auf die Erfüllung der Sachleistungspflicht und ein Unterlassen der rechtswidrigen Privatliquidation hinzuweisen, wie der eigene Standpunkt nicht frei von ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit erscheine. Hierin liege eine Verletzung von (Neben-)Pflichten des mit subjektiv-rechtlichem Gehalt versehenen Gewährleistungs- und Sicherstellungsverhältnisses, die einen verschuldensabhängigen Schadenersatzanspruch auslöse. Es sei ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, dass subjektiv-öffentliche oder subjektiv-private Rechte aus gesetzlichen oder privaten Schuldverhältnissen nicht nur primäre Erfüllungs- und Leistungspflichten, sondern auch Sekundäransprüche in Gestalt von Kompensationspflichten auslösten, die auf das Erfüllungsinteresse gerichtet seien. Eine Ausprägung dieses allgemeinen Rechtsgrundsatzes sei das früher nicht ausdrücklich gesetzlich geregelte Rechtsinstitut der positiven Forderungsverletzung im Zivilrecht. Der Schadenersatzanspruch scheitere nicht an der fehlenden ausdrücklichen Normierung im Verhältnis der Krankenkasse zur Kassenärztlichen Vereinigung. Die Rechtsgrundlage für die Schadenersatzverpflichtung bestehe vielmehr in einem allgemeinen Schutzverhältnis gegenüber demjenigen, dem aus gesetzlichem und/oder vertraglichem Schuldverhältnis Leistungsansprüche zu stünden. Die Gegenseitigkeit der gesetzlichen Sicherstellungs verpflichtung sowie das Aufgreifen und die Konkretisierung des Pflichtverhältnisses in öffentlich-rechtlichen Gesamtverträgen lasse das gesetzliche Pflichtenverhältnis als vertragsähnlich (§ 75 Abs.1, § 72 Abs.1 SGB V) und als gesetzliches Schuldverhältnis erscheinen. Die entsprechende Anwendung der Grundsätze im Fall der Nichtregelung von Leistungsstörungen, wie sie im Zivilrecht das Rechtsinstitut der positiven Forderungsverletzung vorsehe, stellten sich als sachnah dar. Sie könnten auch für eine öffentlich-rechtliche Sonderverbindung gelten, sofern diese eine einem Schuldverhältnis vergleichbare Regelungsbeziehung zum Gegenstand habe. Die Pflichtverletzung der Klägerin sei auch schuldhaft begangen worden. Zwar sei eine eindeutige rechtliche Klärung der Rechts widrigkeit der Sachleistungsverweigerung bei gleichzeitiger Er- bringung der Leistung auf Privatliquidationsbasis gegenüber ge- setzlich Versicherten erst durch das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 14. März 2001 (SozR 3-2500 § 75 Nr.12) herbei- geführt worden. Dies sei aber auch schon vorher so gewesen. Aus dem Urteil des BSG vom 19. September 1997 (SozR 3-2500 § 87 Nr.18) ergebe sich nichts anderes. Zwar finde sich dort die Formulierung, dass ein Vertragsarzt bei seiner Entscheidung, welche diagnostischen und therapeutischen Verfahren er in seiner Praxis anbiete, oder ob er die Patienten insoweit an andere Ärzte verweisen wolle, sich auch daran orientieren dürfe, ob bestimmte Leistungen im Hinblick auf die vorhandene bzw. erreichbare Zusammensetzung der Patientenschaft sowie unter Berücksichtigung der anfallenden Kosten und der erzielbaren Einnahmen wirtschaftlich erbracht werden könnten. In diesem Urteil sei es jedoch um die Rechtmäßigkeit der rückwirkenden Teilbudgetierung zum 01.01.1996 gegangen. Die Klägerin habe danach wohl der Meinung sein können, der entscheidende Senat des BSG neige einer für sie günstigen Rechtsmeinung zu, wenngleich der Schluss auf eine eindeutige und gefestigte Klärung bei objektiver Sorgfalt nicht hätte gezogen werden können. Die Kammer meine aber, dass ein Partner der gemeinschaftlichen Sicherstellung gleichwohl schuldhaft handele, wenn er sich eine im Wesentlichen umstrittene Rechtsansicht zu eigen mache und zum Anlass für eine Verhaltensänderung nehme, die zu einer schweren Störung des Gewährleistungsauftrages führe. Das gemeinsame Band der Sicherstellung verpflichte die Partner zu einem vorsichtigen und umsichtigen Umgang mit Verhaltensänderungen, wenn diese zu erheblichen Verwerfungen führen könnten. In dem Maße, in dem objektiv die Rechtsfrage als umstritten zu gelten habe, sei die Klägerin verpflichtet, diese Zweifel in ihren Informationen gegenüber ihren Mitgliedern ebenfalls mitzuteilen und bis auf weiteres in ihrem Handeln die Erfüllung des Gewährleistungsauftrages entsprechend dem Grad der Strittigkeit zu berücksichtigen. Stattdessen habe sich die Klägerin ohne Berücksichtigung der Strittigkeit eine extreme Rechtsposition zu eigen gemacht. Die Schadensentstehung beruhe kausal auf der Pflichtverletzung. Die Klägerin könne sich nicht darauf berufen, dass die allgemeine Kundgabe der unzutreffenden Rechtsansicht keine Bedingung für das versorgungsgefährdende rechtswidrige Verhalten der Vertragsärzte darstelle. Nach den hier anzuwendenden Grundsätzen des Anscheinsbeweises sei davon auszugehen, dass die Mitglieder die Hinweise und Empfehlungen zum Umfang der Pflichten typischerweise befolgten und ihr eigenes Verhalten daran orientierten. Dann bestehe aber ein Kausalzusammenhang zwischen pflichtwidriger Einwirkungsunterlassung bzw. fehlerhaftem Hinweis zum Pflichtenumfang einerseits und der rechtswidrigen Sachleistungsverweigerung andererseits. Dadurch sei der Krankenkasse der geltend gemachte Schaden entstanden. Durch die einheitliche Haltung eines Großteils der ambulanten Operateure, die die fraglichen Eingriffe nicht mehr als Sachleistungen anboten, sei die Krankenkasse nicht mehr in der Lage gewesen, den Behandlungsanspruch der Versicherten zu erfüllen. Der Inanspruchnahme leistungsbereiter anderer Vertragsärzte habe die lokal partiell geschlossene Verweigerungshaltung der weiteren vertragsärztlichen ambulanten Operateure entgegengestanden. Die Kasse habe der Bitte der Patienten um Zurverfügungstellung der Sachleistung nicht entsprechen können. Sie sei deshalb zur Erstattung nach § 13 Abs.3 SGB V verpflichtet gewesen. Dadurch sei ihr ein Schaden entstanden, den sie gegen die Gesamtvergütung aufrechnen könne.

Gegen das am 24. April 2002 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 7. Mai 2002 Berufung eingelegt und zur Begründung mit Schriftsatz vom 01. August 2002 ausgeführt, das Erstgericht ha- be die Klage zu Unrecht abgewiesen, denn der Beklagten stehe ein aufrechnungsfähiger Anspruch auf Schadenersatz nicht zu. Nach § 85 Abs.2 Satz 8 SGB V sei eine Anrechnung von Ausgaben der Krankenkassen für Kostenerstattungsleistungen nur für Ko- stenerstattungen gemäß § 13 Abs.2 SGB V als Surrogat für Sach- leistungen bei freiwilligen Mitgliedern vorgesehen. Ausgaben der Krankenkassen für Kostenerstattungen wegen "Systemversagen" nach § 13 Abs.3 SGB V könnten nicht auf die Gesamtvergütung an- gerechnet werden. Der vom SG herangezogene Grundsatz einer po- sitiven Vertragsverletzung würde dieser ausdrücklichen gesetz- lichen Regelung entgegenstehen. Im Übrigen wäre die Beklagte auch nicht verpflichtet gewesen, nach § 13 Abs.3 SGB V Kosten- erstattung an Versicherte zu leisten, denn das dafür geforderte Systemversagen habe nicht vorgelegen. Soweit die Beklagte in konkreten Fällen bei der jeweiligen Bezirksstelle der Klägerin angefragt habe, um einen Alternativbehandler in Erfahrung zu bringen, habe die Bezirksstelle entweder einen anderen nieder- gelassenen oder ermächtigten Arzt bzw. ein Krankenhaus mit am- bulantem Operationsspektrum nach § 115 b SGB V benennen können. Der Gewährleistungsauftrag der kassenärztlichen Vereinigung nach § 75 Abs.1 SGB V führe nicht schlechthin zu einer Haftung aus der Gesamtvergütung. Vielmehr könnten die Krankenkassen Schadenersatzbeträge von der Kassenärztlichen Vereinigung erst verlangen, wenn ein Regress in dem hierfür vorgesehenen Prüfverfahren gegenüber dem Vertragsarzt rechtsverbindlich festgestellt sei. Anders sei es nur, wenn die Zulassung eines Vertragsarztes bereits beendet sei und der Kassenärztlichen Vereinigung deshalb keine Einwirkungsmöglichkeit mehr zur Verfügung stehe. Schließlich habe die Klägerin die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt. Zwar habe die zuständige Bezirksstelle mit Schreiben vom 28. Juli 1999 aus damaliger Sicht mitgeteilt, dass der Vertragsarzt einzelne defizitäre Leistungen aus seinem Spektrum ausklammern könne, habe aber keinen Zweifel daran gelassen, dass dies nur zulässig sei, wenn diese Leistungen von genügend anderen Ärzten erbracht würden. Ferner habe die Bezirksstelle auch festgestellt, dass die Behandlung von Versicherten auf eigene Kosten nur im Rahmen des § 18 BMV-Ä und § 21 EKV-Ä zulässig sei und der Patient darauf hinzuweisen sei, dass die gewünschte Behandlung Teil des Sachleistungsanspruchs sei und andere Ärzte diese möglicherweise als vertragsärztliche Leistung erbrächten. Im Fall des AOZ habe dieses auf entsprechende Hinweise der Klägerin die beanstandete Vorgehensweise eingestellt und mit Fax vom 26. November 1999 mitgeteilt, dass alle Patienten ab sofort wieder nach dem Sachleistungsprinzip behandelt würden. Für die Durchführung eines Disziplinarverfahrens habe keine Veranlassung bestanden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 21. November 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die für die Quartale 3/99 und 4/99 einbehaltenen Anteile an der Gesamt vergütung in Höhe von insgesamt 27.685,32 DM (14.155,28 EUR) an die Klägerin zu bezahlen.

Die Beklagte und der Beigeladene beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung ihres Antrags hat die Beklagte unter anderem ausgeführt, nach § 85 Abs.1 SGB V werde die Gesamtvergütung mit befreiender Wirkung an die Klägerin gezahlt. Damit würden alle Leistungen des EBM abgedeckt, die von den Ärzten zu erbringen seien und zu deren Sicherstellung die Klägerin verpflichtet sei. Aus dem Vertrag über die Honorierung vertragsärztlicher Leistungen resultiere eine Treuepflicht der Klägerin nach § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), die es gebiete, alles zu tun, um den Leistungserfolg zu sichern. Für den streitgegenständlichen Zeitraum des Jahres 1999 habe mit der Klägerin ein durch das Schiedsamt festgesetzter Honorarvertrag bestanden. Die Klägerin habe ihrer Leistungstreuepflicht zuwider gehandelt, indem sie im Zeitraum eines gültigen Honorarvertrags die Rechtsauffassung vertreten habe, dass Ärzte einzelne Leistungen wegen unzureichender Vergütung nicht erbringen müssten, die zum Leistungsspektrum des EBM gehörten. Im Übrigen nahm sie auf die Ausführungen des SG Bezug und legte eine Aufstellung der Behandlungsfälle vor, in denen die Kostenerstattungen erfolgt sind, die von der Gesamtvergütung abgezogen wurden.

Der Beigeladene führt aus, der Beklagten stehe ein aufrechnungsfähiger Anspruch auf Schadenersatz zu. Ein solcher sei durch § 85 Abs.2 Satz 8 SGB V nicht ausgeschlossen. Zwar finde sich dort nur eine Regelung über die Anrechnung der Ausgaben für Kostenerstattung im Falle des § 13 Abs.2 SGB V und nicht im Fall des Systemversagens nach § 13 Abs.3 SGB V. Daraus folge jedoch nicht, dass in diesen Fällen ein aufrechenbarer Schadenersatzanspruch grundsätzlich ausgeschlossen sei. Wenn die Kasse, wie es das System vorsehe, hierfür bereits die Vergütung im Rahmen der Gesamtvergütung gemäß § 85 Abs.1 SGB V bezahlt habe, könne sie nicht zur nochmaligen Zahlung auf dem Wege der Kostener stattung verpflichtet sein, ohne gleichzeitig einen Ersatzanspruch zu haben. Den Kassen stehe gemäß § 69 Satz 3 SGB V das Recht der Aufrechnung nach §§ 387 ff BGB in entsprechender Anwendung zu. Werde ein Schadenersatzanspruch der Krankenkasse, wie hier aus positiver Vertragsverletzung des Sicherstellungs- vertrages, gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung festge- stellt, sei es nur systemkonform, eine Aufrechnung mit etwaigen Gesamtvergütungsrestforderungen zuzulassen. Es entspreche dem System des Gesetzes, dass es neben dem Anrechnungsrecht des § 85 Abs.2 Satz 8 SGB V noch andere Ansprüche und Gestaltungs- rechte der Krankenkassen gebe. Die Klägerin habe mit ihrem Schreiben vom 16. September 1999 unter Hinweis auf eine Ent- scheidung des BSG darauf aufmerksam gemacht, dass ein Vertrags- arzt grundsätzlich nicht gezwungen werden könne, nicht kosten- deckende Leistungen im Sachleistungsprinzip anzubieten. Wenn einzelne Leistungen, die Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung seien, von genügend Vertragsärzten erbracht würden, könne der einzelne Arzt zur Erbringung einzelner Leistungen nicht gezwungen werden, wenn er diese - gleich aus welchem Grund - nicht erbringen könne oder wolle. Er sei dann verpflichtet, den Patienten an einen anderen Vertragsarzt zur Durchführung dieser Leistung zu überweisen. Diese Ausführungen der zuständigen Bezirksstelle seien viel zu pauschal, um als eindeutiger Hinweis auf die Verpflichtung zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung bezeichnet werden zu können. Der Beigeladene habe mit Schreiben vom 03. Dezember 1998 um eine eindeutige und vor allem rechtskonforme Stellungnahme der Klägerin gebeten und diese aufgefordert, alle Vertragsärzte über ihre vertraglichen Pflichten zu informiere. Darauf sei keine Reaktion erfolgt. Im Gegenteil habe die Klägerin den Ablauf verzögert und zunächst mit Schreiben vom 22. Dezember 1998 eine Antwort für Ende Januar 1999 und dann nach nochmaliger Anmahnung mit Schreiben vom 22. Mai 1999 eine Antwort für Juni 1999 in Aussicht gestellt. Vor diesem Hintergrund seien auch die Schreiben der zuständigen Bezirksstellen zu sehen. Eine eindeutige Aufforderung an die Ärzte zu gesetzes- bzw. vertragskonformem Verhalten enthielten sie nicht. Entgegen der Auffassung der Klägerin hätten die Versicherten auch einen Anspruch auf Kostenerstattung gemäß § 13 Abs.3 SGB V gehabt, denn die Krankenkasse habe die unaufschiebbaren Leistungen nicht rechtzeitig erbringen können. Die unstreitige Sachleistungsverweigerung der Vertragsärzte habe zu einer Versorgungslücke geführt, die sich für die Versicherten, die grundsätzlich gemäß § 27 Abs.1 SGB V einen Anspruch auf Krankenbehandlung hätten, als Mangel des gesetzlichen Leistungssystems dargestellt hätte und über § 13 Abs.3 SGB V hätte geschlossen werden müssen. Es habe keine Veranlassung bestanden, die Beklagte zunächst auf ein Prüfverfahren nach § 106 SGB V (Feststellung eines sonstigen Schadens) zu verweisen, denn es gehe hier primär um eine (schuldhafte) Pflichtverletzung der Klägerin und nicht so sehr des einzelnen Vertragsarztes. Die Berechtigung der Beklagten bei Verletzung des Sicherstellungsauftrages durch die Klägerin, die Gesamtvergütung teilweise kürzen zu dürfen, ergebe sich auch aus § 75 Abs.1 Satz 3 SGB V. Das Fehlen dieser Regelung im hier streitgegenständlichen Zeitraum schließe einen Schadensersatzanspruch der Beklagten nicht aus.

Dem Senat liegt die Akte des Sozialgerichts München mit dem Az.: S 42 KA 783/01 und die Berufungsakte mit dem Az.: L 12 KA 72/02 vor, auf deren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Abs.1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und begründet.

Das SG hat die Klage auf Zahlung der von der Beklagten einbe- haltenen Gesamtvergütung zu Unrecht abgewiesen. Die als echte Leistungsklage (§ 54 Abs.5 SGG) zwischen den in einem gleich- rangigen Verhältnis stehenden Parteien zulässige Klage erweist sich auch als begründet.

Der Klägerin steht nach § 85 Abs.1 Satz 1 SGB V i.V.m. § 53 EKV-Ä i.V.m. § 19 GV-EK ein Anspruch auf Zahlung der Gesamtver- gütung in der vom Schiedsamt festgelegten Höhe zu. Die Beklagte war nicht berechtigt, die Zahlung teilweise zu verweigern. Eine Berechtigung dazu ergibt sich insbesondere nicht aus den vorgenannten Gesamtverträgen. In § 49 EKV-Ä ist geregelt, dass eine Kassenärztliche Vereinigung den Ersatzkassen aus der Gesamtvergütung für Erstattungsansprüche wegen Überzahlungen als Folge unberechtigter oder unwirtschaftlicher Honorarforderungen der Vertragsärzte haftet, wenn und soweit die Gesamtvergütung nach Einzelleistungen berechnet wird. Anderenfalls fallen Kürzungs- oder Erstattungsbeträge in die Honorarverteilung. Diese Bestimmung zielt erkennbar auf Honoraranforderungen ab, die ein Vertragsarzt gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung geltend gemacht hat. Im vorliegenden Fall hat der Vertragsarzt jedoch mit den Versicherten abgerechnet. Die streitgegenständlichen Beträge wurden nicht von der Klägerin an den Vertragsarzt ausbezahlt. Außerdem er gibt sich aus § 49 Satz 2 EKV-Ä, dass eine Haftung nach dieser Bestimmung voraussetzt, dass eine unberechtigte oder unwirtschaftliche Honorarforderung des Vertragsarztes zunächst in dem dafür vorgesehenen Prüfverfahren (Wirtschaftlichkeitsprüfung, § 43 EKV-Ä, Feststellung eines sonstigen Schadens, § 44 EKV-Ä, sachlich rechnerische Prüfung der Abrechnung, § 13 GV-EK) festgestellt worden sein muss. Auch § 15 GV-EK lässt eine Aufrechnung gegen fällige Honoraranforderungen der Vertragsärzte nur für den Fall zu , dass von den Prüfungseinrichtungen oder der Klägerin Regress oder Schadenersatzforderungen der Vertragskassen rechtswirksam festgesetzt wurden (zur Frage der vorherigen Feststellung im Honorarberichtigungsverfahren o.ä. vgl. BSGE 76, 113; 80, 6).

Im SGB V ist das Vorgehen einer Gesetzlichen Krankenkasse in der hier streitigen Form nicht vorgesehen. Die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ist vom sogenannten Sachleistungs- prinzip geprägt. Nach § 2 Abs.2 SGB V erhalten die Versicher- ten der GKV die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch des Sozialgesetzbuches nichts Abweichendes vorsieht. Dazu heißt es in § 13 Abs.1 SGB V unter der Überschrift "Kostenerstattung": "Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht." Die Sachleistungen werden durch die Leistungserbringer zur Verfügung gestellt, wozu insbesondere auch die Vertragsärzte gehören (§ 72 Abs.1 SGB V). Diese erhalten die Vergütung für ihre Leistungen von ihrer Vertragsärztlichen Vereinigung, deren Mitglieder sie sind (§ 85 Abs.4 SGB V). Die Krankenkassen ihrerseits entrichten nach Maßgabe der Gesamtverträge an die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung mit befreiender Wirkung eine Gesamtvergütung (§ 85 Abs.1 SGB V). Eine Zahlung der Krankenkassen unmittelbar an die Leistungserbringer oder an ihre Mitglieder ist grundsätzlich nicht vorgesehen.

Eine Ausnahme von diesem das Recht der GKV wesentlich prägenden Sachleistungsprinzip und dem damit verbundenen Vergütungsver- fahren enthält § 13 Abs.2 SGB V, wonach Versicherte anstelle der Sach- oder der Dienstleistungen unter bestimmten Voraus- setzungen auch die Kostenerstattung wählen können. Diese Möglichkeit bestand im hier betroffenen Jahr 1999 nur für freiwillig Versicherte (§ 13 Abs.2 Satz 1 SGB V, eingefügt durch Gesetz vom 21. Dezember 1992 - BGBl I S.2266). Diese konnten ihre Wahl nicht bezogen auf einzelne ärztliche Verrichtungen treffen, sondern waren an die Wahlentscheidung für eine bestimmte in der Satzung der jeweiligen Krankenkasse vorgesehene Frist gebunden. (Nach dem ab 01.01.2004 geltenden § 13 Abs.2 SGB V gilt die Wahlentscheidung für ein Jahr.) Da im Fall der Entscheidung für die Kostenerstattung nach § 13 Abs.2 SGB V die ärztlichen Leistungen nicht von der Kassenärztlichen Vereinigung aus der pauschal berechneten Gesamtvergütung (§ 85 Abs.2 Satz 2 SGB V) bezahlt werden, sondern vielmehr die hierfür anfallenden Kosten von den Kassen an ihre Mitglieder zu erstatten sind, sieht § 85 Abs.2 Satz 8 SGB V in der ab 01.01.1999 geltenden Fassung des GKV-Solidaritätsstärkungsgesetzes vom 19.12.1998, BGBl I S.3853, vor, dass diese Ausgaben auf die von der Kasse zu zahlende Gesamtvergütung anzurechnen sind. Auf die zuletzt genannte Bestimmung kann sich die Beklagte im vorliegenden Fall nicht berufen, weil der Tatbestand des § 13 Abs.2 SGB V a.F. nicht erfüllt ist. Die Patienten, denen von der Beklagten die Kosten erstattet wurden, die diese später von der Gesamtvergütung einbehalten hat, waren unstreitig keine freiwilligen Versicherten, die von ihrem Wahlrecht auf Kostenerstattung nach § 13 Abs.2 SGB V Gebrauch gemacht hatten. Vielmehr handelte es sich durchgängig um Pflichtversicherte, denen von den Vertragsärzten trotz Vorlage der Versicherungskarte eine "kostenlose" Behandlung verweigert worden war, und die auf die Möglichkeit einer Kostenerstattung von den Behandlern hingewiesen worden waren. Da sich § 85 Abs.2 Satz 8 SGB V ganz ausdrücklich nur auf die Kostenerstattung nach § 13 Abs.2 SGB V bezieht, lässt sich aus dieser Bestimmung kein Recht der Beklagten ableiten, die erstatteten Beträge von der Gesamtvergütung abzuziehen.

Die Beklagte hat die Kostenerstattungen auch nach eigenen An- gaben nicht auf § 13 Abs.2 SGB V gestützt, sondern auf § 13 Abs.3 SGB V. Danach sind die Krankenkassen, wenn sie eine un- aufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen können und dadurch Versicherten für selbstbeschaffte Leistungen Kosten entstanden sind, verpflichtet, diese den Versicherten zu er- statten. Im vorliegenden Fall hatten eine Reihe von ambulant operierenden Vertragsärzten, insbesondere die im sogenannten AOZ K. zusammengeschlossenen ambulant operierenden HNO- Ärzte und Anästhesisten, aber auch ein Urologe sowie eine gynäkologische Gemeinschaftspraxis in K. und in M. sich trotz Vorlage eines Versichertenausweises unter Hinweis auf eine angebliche Kostenunterdeckung geweigert, pflichtversicherte Mitglieder der Beklagten im Wege der Sachleistung zu behandeln. Vielmehr stellten sie diesen anheim, eine Privatvereinbarung zu unterzeichnen, die Kosten selber zu zahlen und sich von ihrer Krankenkasse erstatten zu lassen. Mit dieser Vorgehensweise haben die betreffenden Vertragsärzte, wie das BSG zwischenzeitlich mit Urteilen vom 14. März 2001 (Az.: B 6 KA 45/00 R u.a., = SozR 3-2500 § 75 Nr.12 u.a.) eindeutig klargestellt hat, ihre vertragsärztlichen Pflichten verletzt. Ob dadurch, wie die Beklagte und der Beigeladene ausführen, im Teilbereich ambulan- tes Operieren örtlich die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung nicht mehr gegeben war, oder ob, wie die Klägerin nachdrücklich behauptet, jeweils in den entsprechenden Zulas- sungsbezirken in ausreichender Zahl andere Behandler zur Ver- fügung standen, die diese Leistungen angeboten haben, lässt der Senat dahingestellt, denn selbst wenn es zu Versorgungslücken durch das vertragswidrige Verhalten der oben genannten Ver- tragsärzte gekommen sein sollte, lässt sich hieraus ein Recht der Beklagten, die im Wege der Kostenerstattung gezahlten Be- träge von der Gesamtvergütung abzusetzen, nicht ableiten. § 85 Abs.1 Satz 8 SGB V bezieht sich ganz ausdrücklich nur auf die Kostenerstattung nach § 13 Abs.2 SGB V (damals nur an freiwillig Versicherte); eine entsprechende Regelung für Kostenerstattungen nach § 13 Abs.3 SGB V enthält das Gesetz nicht (vgl. dazu Hess in KassKomm § 85 SGB V Rdnr.28).

Ein Einbehaltungsrecht der Beklagten resultiert auch nicht aus dem vom Beigeladenen mit Schriftsatz vom 03. Mai 2004 herange- zogenen § 75 Abs.1 Satz 3 SGB V in der Fassung des Gesetzes vom 14.11.2003 (BGBl I S.2190), wonach die Krankenkassen, wenn die Kassenärztliche Vereinigung ihrem Sicherstellungsauftrag aus Gründen, die sie zu vertreten hat, nicht nachkommt, die in den Gesamtverträgen vereinbarten Vergütungen teilweise zurückbehal- ten können. Abgesehen davon, dass es diese Bestimmung im hier maßgeblichen Zeitraum des Jahres 1999 noch nicht gab, fehlt es auch an der in § 75 Abs.1 Satz 4 SGB V geforderten Umsetzung dieser Möglichkeit in den Bundesmantelverträgen.

Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen, weil dem Gesamtver- gütungsanspruch der Klägerin ein aufrechnungsfähiger Schadener- satzanspruch der Beklagten gegenüberstehe. Diesen stützt es auf die analoge Anwendung des aus dem Zivilrecht stammenden Rechts- instituts der positiven Forderungsverletzung (jetzt § 280 Abs.1 BGB i.d.F. des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001). Dieser Auffassung vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Das SGB V sieht eine Aufrechnungsmöglichkeit dieser Art nicht vor. Der Beigeladene verweist insofern auf § 69 Satz 3 SGB V, wonach für die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken sowie sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden im Übrigen, also wenn sich aus den Sätzen 1 und 2 des § 69 SGB V nichts anderes ergibt, die Vorschriften des BGB entsprechend gelten, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 SGB V und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach dem vierten Kapitel des SGB V vereinbar sind. Aus dieser Vorschrift kann indessen die Möglichkeit der Aufrechnung nicht abgeleitet werden. Zum einen ist diese Bestimmung erst zum 01.01.2000 in Kraft getreten (Gesetz vom 22.12.1999, BGBl I S.2626), also nach dem die Aufrechnung betreffenden Zeitraum. Vor allem aber würde ein solches Verständnis dem Sinn des neu gefassten § 69 SGB V nicht gerecht werden. Sinn dieser Vorschrift war es gerade, das gesamte Recht der Leistungserbringer (viertes Kapitel SGB V) abschließend dem öffentlichen Recht zuzuordnen (vgl. BT-Drucksache 14/1245 S.68). Das macht insbesondere § 69 S.1 SGB V unmissverständlich deutlich, wonach dieses (vierte) Kapitel sowie die (hier nicht einschlägigen) §§ 63 und 64 des SGB V die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu Ärzten und ihren Verbänden abschließend regeln. Die Vorschriften des BGB sind nach § 69 S.3 SGB V ausdrücklich nur "im Übrigen", also wenn die in S.1 genannten Bestimmungen keine Regelung enthalten, und soweit sie mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot und den Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach diesem Kapitel, zu dem auch § 85 SGB V, der die Gesamtverträge regelt, gehört, vereinbar sind. Die zuletzt genannte Voraussetzung sieht der Senat nicht für gegeben, wenn man die Aufrechnung gegen Gesamtvergütungsforderungen der Kassenärztlichen Vereinigung in Fällen der vorliegenden Art zuließe. Denn damit würde das System der pauschalierten Gesamtvergütung, die nach § 85 SGB V von den Kassen an die Kassenärztliche Vereinigung zu zahlen ist, einerseits, und der von der Kassenärztlichen Vereinigung aufgrund ihres Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) an die Vertragsärzte zu zahlenden Honorare andererseits, durchbrochen. Eine solche Durchbrechung ermöglicht das Gesetz in § 13 Abs.2 SGB V. Danach konnten im Jahr 1999 freiwillig Versicherte (heute auch Pflichtversicherte) für eine bestimmte Zeit anstelle der Sach- oder Dienstleistung Kostenerstattung wählen. Für diesen Fall hat der Gesetzgeber die Einbehaltung der erstatteten Beträge von der Gesamtvergütung in § 85 Abs.2 S.8 SGB V ausdrücklich vorgesehen. Diese Fallgestaltung liegt hier jedoch nicht vor, wie oben bereits dargelegt wurde. Die Beklagte beruft sich vielmehr auf ein von den Ärzten herbeigeführtes Systemversagen im Sinne von § 13 Abs.3 SGB V, aufgrund dessen sie sich verpflichtet gesehen habe, ihren Versicherten die Aufwendungen zu erstatten. Für diesen Fall sieht das SGB V anders als für den Fall des § 13 Abs.2 SGB V eine Einbehaltungsmöglichkeit von- in Fällen dieser Art eine Einbehaltung nicht zulässig ist (s.o.). Wollte man die Aufrechnung mit einer Schadenersatzforderung in Höhe des Erstattungsbetrages zulassen, liefe dies aber praktisch auf einen Einbehalt, wie im Fall des § 13 Abs.2 i.V.m. § 85 Abs.2 Satz 8 SGB V hinaus, ohne dass die einschränkenden Voraussetzungen (z.B. Mindestzeit) des § 13 Abs.2 SGB V erfüllt sein müssten. Damit würde das Sachleistungsprinzip ausgehöhlt. Die Kontrollmechanismen (Wirtschaftlichkeitsprüfung, sachlich-rechnerische Berichtigung, usw.) könnten umgangen werden. Der Senat hält deshalb eine Aufrechnung gegen die Gesamtvergütung außer in den gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Fällen (§ 85 Abs.2 S.4 SGB V) für unzulässig.

Eine Aufrechnungsmöglichkeit ergibt sich auch nicht aus § 51 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I), da diese Bestimmungen nur die Aufrechnung durch einen Sozialleistungsträger gegen Ansprü- che des Berechtigten auf Geldleistungen ermöglicht. Dies ergibt sich insbesondere aus der Beschränkung der Aufrechnung auf die pfändungsfreien Beträge, was im Verhältnis zwischen Soziallei- stungsträgern oder hier zwischen Sozialleistungsträger und Kas- senärztlicher Vereinigung keinen Sinn ergäbe (vgl. Seewald in KassKomm, SGB I, § 51 RdNr.3). Im Übrigen würde die oben darge- legte abschließende Regelung im Fünften Buch des SGB als lex specialis den Regeln des Ersten Buches des SGB vorgehen.

Letzteres gilt auch für § 61 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), wonach im Recht der öffentlich-rechtlichen Verträge nach dem Sozialgesetzbuch die Vorschriften des BGB entspre- chend gelten.

Aber selbst wenn man die Aufrechnung mit einer Schadenersatz- forderung der Beklagten gegen den Anspruch der Klägerin auf Ge- samtvergütung für grundsätzlich zulässig hielte, fehlte es doch an einem entsprechenden Schadenersatzanspruch gerichtet gegen die Klägerin. Zwar trifft es zu, dass der Beklagten durch die an ihre Versicherten geleisteten Erstattungen ein Schaden insofern entstanden ist, als die Vergütung für die entsprechenden ärztlichen Leistungen bereits mit der Zahlung der Gesamtvergütung abgegolten war (§ 85 Abs.1 Satz 1 SGB V). Die Beklagte hat für diese Leistungen durch die Erstattung der von ihren Versicherten bezahlten Honorare für diese Leistungen gewissermaßen noch einmal gezahlt. Dieser Schaden ist jedoch nicht durch ein schuldhaftes Verhalten der Klägerin, sondern durch ein pflichtwidriges Verhalten einiger ihrer Mitglieder entstanden. Diese waren als Vertragsärzte nicht berechtigt, den Patienten, die sich durch Vorlage ihrer Krankenversicherungskarte als Versicherte der GKV ausgewiesen hatten und damit ihren Anspruch auf Behandlung nach dem Sachleistungsprinzip geltend gemacht hatten, diese zu verweigern und sie stattdessen auf den Weg der Kostenerstattung zu verweisen (so eindeutig BSG Urteile vom 14.03.2001, Az.: B 6 KA 36/00 R, B 6 KA 54/00 R, B 6 KA 67/00 R; SozR 3-2500 § 75 Nr.12; das LSG Nordrhein-Westfalen hatte bereits mit Beschluss vom 21.10.1998 - Az.: L 11 B 35/98 KA - in diesem Sinne entschieden). Ob sich hieraus ein Anspruch der Beklagten gegen die betreffenden Vertragsärzte ergibt, kann da- hingestellt bleiben, denn die Beklagten rechnet nicht gegen Forderungen der Vertragsärzte, sondern gegen die Forderung der Klägerin auf Gesamtvergütung auf. Eine Haftung der Kassenärzt- lichen Vereinigung für etwaiges Fehlverhalten ihrer Mitglieder ist dem Vertragsarztrecht aber grundsätzlich fremd. Nach § 49 Satz 1 EKV-Ä haftet die Kassenärztliche Vereinigung den Ersatz- kassen aus der Gesamtvergütung für Erstattungsansprüche wegen Überzahlung als Folge unberechtigter oder unwirtschaftlicher Honorarforderungen der Vertragsärzte, wenn und soweit die Gesamtvergütung nach Einzelleistungen berechnet wird. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Hinzu kommt, dass ein Anspruch gegen den Vertragsarzt grundsätzlich erst dann besteht, wenn das Nichtbestehen des Honoraranspruches von der Kassenärztlichen Vereinigung im Honorarberichtigungsverfahren bzw. von den Prüfinstanzen in der Wirtschaftlichkeitsprüfung rechtsverbindlich festgestellt worden ist (vgl. BSGE 76, 113). Nur wenn ein Vertragsarzt nicht mehr zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, kann die Krankenkasse ggf. das für nicht ordnungsgemäße Leistungen an die Kassenärztliche Vereinigung gezahlte Honorar auch ohne vorherige Honorarberichtigung zurückverlangen (vgl. BSGE 80, 1 ff.).

Dieser Problematik war sich auch das Erstgericht bewusst, und es stützt deshalb den der Beklagten zugestandenen aufrechnungs- fähigen Anspruch auf einen Schadenersatzanspruch gegen die Klä- gerin aus deren eigenem schuldhaften Fehlverhalten. Diese habe durch ihr Verhalten ihre Mitglieder veranlasst, die Versicher- ten der Beklagten in die Kostenerstattung zu treiben, wodurch dieser ein Schaden entstanden sei. Auch dieser Auffassung ver- mag sich der Senat nicht anzuschließen. Die Beklagte bzw. der Beigeladene haben eine Reihe von Schreiben verschiedener Bezirksstellen der Klägerin vorgelegt, in denen diese ihnen gegenüber die Auffassung vertreten hat, der Vertragsarzt könne nicht verpflichtet werden, nicht kostendeckende Leistungen in seiner Vertragsarztpraxis anzubieten und er könne auch nicht gehindert werden, die gleichen Leistungen, die er den GKV-Patienten verweigere, für Privatpatienten bzw. Versicherte, die Kostenerstattung wählten, anzubieten und abzurechnen. Das heiße, dass die Entscheidung, ob eine ambulante Operation als Sachleistung oder nur als Privatleistung bzw. im Rahmen der Kostenerstattung möglich sei, der Arzt treffe (vgl. Bl.53 LSG-Akte, betreffend Sterilisation des Mannes; Bl.55 LSG- Akte betreffend Laseranwendung in der Dermatologie; Bl.61 LSG Akte betreffend EBM-Nrn. 1485, 1556 und 1557). Diese Rechtsauffassung war, wie bereits wiederholt ausgeführt wurde, falsch. Aus dieser falschen Rechtsauffassung resultiert indessen kein Schadenersatzanspruch. Die genannten Schreiben richteten sich jeweils nicht an Vertragsärzte, sondern an die Beklagte bzw. den Beigeladenen. Sie waren deshalb nicht geeignet, die Vertragsärzte zu ihrem pflichtwidrigen Verhalten zu veranlassen. Gegen über ihren Mitgliedern, insbesondere gegenüber dem Anästhesisten des AOZ hat die Klägerin sich nicht in dieser Weise geäußert. In dem von der Klägerin vorgelegten Schreiben vom 28. Juli 1999 gerichtet an den Anästhesisten des AOZ (Bl.101, 102 LSG-Akte) hat die Klägerin zwar zunächst die Auffassung vertreten, dass ein Vertragsarzt grundsätzlich nicht zur Durchführung bestimmter ärztlicher Leistungen gezwungen werden könne. Solange eine einzelne Leistungen, die Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung sei und vom behandelnden Arzt als notwendig erachtet werden, von genügend Vertragsärzten erbracht würden, könne der einzelne Arzt, wenn er diese Leistung - gleich aus welchem Grund - nicht erbringen könne oder wolle, hierzu nach der Auffassung der Klägerin nicht gezwungen werden. Er sei dann verpflichtet, den Patienten an einen anderen Vertragsarzt zur Durchführung dieser Leistung zu überweisen. Das müsse erst recht für ambulante Operationen gelten. Weiter heißt es unmissverständlich, die Behandlung eines Versicherten auf eigene Kosten sei nur im Rahmen des § 21 EKV-Ä zulässig, also wenn der Versicherte dies vor Beginn der Behandlung ausdrücklich verlange und dies dem Vertragsarzt schriftlich bestätige. Der Patient sei darauf hinzuweisen, dass die Behandlung grundsätzlich auch vom Sachleistungsanspruch umfasst sei, und dass andere Ärzte diese möglicherweise als vertragsärztliche Leistung erbrächten. Grundsätzlich dürfe ein Arzt bei Leistungen, die in den Leistungskatalog der GKV fielen, nicht den Patienten zur Abgabe einer entsprechenden Erklärung motivieren, um für eine Leistung, die er als zu niedrig bewertet ansehe, ein Privatentgelt oder eine Zuzahlung zum Arzthonorar zu erhalten. Dies gelte auch für die ab dem 01.07.1997 eingeführte Möglichkeit der Wahl der Kostenerstattung. Auch diese sei ein Wahlrecht des Patienten, der hiervon freiwillig Gebrauch machen könne. Mit weiterem Schreiben vom 16. September 1999 an den selben Arzt hat die Klägerin zwar unter Hinweis auf das Urteil des BSG (Az: 6 RKa 36/97 = SozR 3-2500 § 87 Nr.18) erneut die Auffassung vertreten, dass ein Vertragsarzt mit Ausnahme von Notfällen nicht gezwungen werden könne, nicht kostendeckende Leistungen im Sachleistungsprinzip anzubieten. Im Folgenden wird aber eindringlich auf die Verpflichtung hingewiesen, den Patienten umfassend aufzuklären, insbesondere andere Ärzte und Einrichtungen zu benennen, die zu einer Abrechnung über Chip-Karte bereit seien und ggf. eine Krankenhauseinweisung zu veranlassen. Ferner sei der pflichtversicherte Patient darauf hinzuweisen, dass ein Erstattungsanspruch gegenüber der Krankenkasse nicht bestehe. Sodann beanstandet die Beklagte ausdrücklich missverständliche Passagen in einem Informationsblatt des Arztes, das dieser an die Patienten ausgegeben hatte. Diese Äußerungen sind insofern problematisch, als die Klägerin hier die Auffassung vertritt, es liege im freien Ermessen eines Vertragsarztes, ob er einen mit der Krankenversicherungskarte erscheinenden Versicherten nach dem Sachleistungsprinzip behandeln wolle oder die Leistung nur privat anbiete bzw. im Wege der Kostenerstattung. Diese Auffassung, die damals auch in der Literatur zum Teil vertreten wurde (vgl. etwa Wimmer in MedR 1998, S.533; Steinhilper/Schiller MedR 2001, S.29), beruhte auf einem fehlerhaften Verständnis des BSG-Urteils vom 17.09.1997 (SozR 3-2500 § 87 Nr.18), in dem es unter anderem hieß, bei seiner Entscheidung, welche diagnostischen und therapeutischen Verfahren der Vertragsarzt in seiner Praxis anbieten oder ob er die Patienten in soweit an andere Ärzte überweisen wolle, dürfe er sich auch daran orientieren, ob bestimmte Leistungen im Hinblick auf die vorhandene bzw. erreichbare Zusammensetzung der Patientenschaft sowie unter Berücksichtigung der anfallenden Kosten und der erzielbaren Einnahmen wirtschaftlich erbracht werden könnten. Das BSG hat dazu in seinem Urteil vom 14. März 2001 (Az.: B 6 KA 54/00 R = SozR 3-2500 § 75 Nr.12 S.76) klarstellend ausgeführt, dass mit dieser Passage lediglich dargelegt worden sei, dass die Ausgestaltung der EBM-Regelungen Bedeutung für die Disposition des Vertragsarztes habe, der - jedenfalls in gewissen Grenzen - daran das Leistungsangebot seiner Praxis ausrichten könne. Indessen habe der Senat nicht ausgesprochen, dass der Vertragsarzt aus wirtschaftlichen Erwägungen Behandlungen bei GKV-Versicherten ablehnen dürfe. Die Klägerin hat spätestens seit dieser Klarstellung die in den oben genannten Schreiben zum Ausdruck gebrachte Auffassung nicht mehr vertreten. Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass die von der Beklagten und dem Beigeladenen vorgelegten schriftlichen Äußerungen der Klägerin gegenüber einzelnen Vertragsärzten diese in sozial adäquater Weise zu ihrem vertragswidrigen Verhalten veranlasst haben sollten. Im Gegenteil hat die Beklagte diese eindringlich auf die Einschränkungen hingewiesen, insbesondere auf die Pflicht des Arztes, die Patienten ggf. an andere im Sachleistungsverfahren behandlungsbereite Ärzte zu überweisen und sie darüber aufzuklären, dass ein Kostenerstattungsanspruch gegen die Krankenkasse bei Inanspruchnahme einer Privatbehandlung grundsätzlich nicht bestehe. Desweiteren liegt ein Rundschreiben der Klägerin vom 21.03.1997 gerichtet an ihre Mitglieder, die Vertragsärzte in Bayern, zur Frage der Privatliquidation bei GKV-Patienten vor (Bl.48 - 50 LSG-Akte). Hier vertritt die Klägerin die Auffassung, dass kein Kassenarzt verpflichtet werden könne, defizitäre Teile seiner Praxistätigkeit im GKV-System aufrecht zu erhalten. Weiter heißt es jedoch eindeutig, dass sich dies nur auf solche Leistungen beziehen könne, die nicht zum Kernbereich des Fachgebietes gehörten. Außerdem findet sich ein Hinweis darauf, dass die Klägerin es nicht zulassen könne, dass die Sicherstellung dadurch gefährdet werde. Weiter heißt es, unabhängig hiervon könne der Arzt die gleichen Leistungen ggf. für Privatpatienten weiterhin anbieten und privat liquidieren. Diese Meinung mag zweifelhaft sein. Im Folgenden führt die Klägerin jedoch ausdrücklich aus, dass GKV-Versicherte in diese Regelung nicht einbezogen werden könnten. Der Vertragsarzt dürfe seine Patienten nicht routinemäßig darüber informieren, dass bestimmte Leistungen bei ihm "nur privat zu haben seien". Verlange ein GKV-Versicherter im Einzelfall und von sich aus privatärztliche Behandlung für diese Leistung, so könne der Arzt diese, unter Hinweis auf den grundsätzlich kostenfreien Leistungsumfang der GKV und auf die Unmöglichkeit der Erstattung der GKV-Rechnung, erbringen. Diese insgesamt bei einer nicht unumstrittenen Rechtslage eher zurückhaltenden Verlautbarungen der Klägerin waren nach der Auffassung des Senats nicht geeignet, die hier betroffenen Ärzte zu ihrem Fehlverhalten zu veranlassen. Damit fehlt es bereits an einer kausalen Schadensverursachung durch die Klägerin. Festzuhalten ist im Übrigen, dass im vorliegenden Fall die betreffenden Vertragsärzte, für deren Leistungen die Kostenerstattungen gezahlt wurde, keinesfalls in ihrer Vorgehensweise von der Klägerin gestützt, sondern eher zur Zurückhaltung aufgefordert wurden. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob eine analoge Anwendung des Instituts der positiven Forderungsverletzung bezogen auf die gesetzliche Verpflichtung des Zusammenwirkens von Ver- tragsärzten und Krankenkassen (nicht Kassenärztliche Vereini- gung) zur Versorgung der Versicherten der GKV (§ 70 SGB V) so- wie des Sicherstellungsauftrages der Kassenärztlichen Vereini- gungen (§ 75 Abs.1 SGB V) vor allem im Hinblick auf § 69 n.F. SGB V rechtlich überhaupt möglich ist.

Schließlich scheitert der Schadenersatzanspruch auch daran, dass die Beklagte überhaupt nicht berechtigt war, den Versi- cherten die durch die private Behandlung entstandenen Kosten zu erstatten (§ 13 Abs.1 SGB V). Eine Kostenerstattung kommt nach § 13 Abs.3 SGB V nur in Frage, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte. Der mit einem Arzt als ehrenamtlichen Richter fachkundig besetzte Senat hat die von der Beklagten vorgelegten Falldarstellungen geprüft und kam zu dem Ergebnis, dass hier eine Eilbedürftigkeit der ambulanten Operationsleistungen durchwegs nicht hervorgeht. Das gilt insbesondere für die auf Anforderung des Senats von der Beklagten vorgelegten Falldarstellungen (Bl.64 bis 83 der Berufungsakten), denen zumeist nicht einmal die Diagnose zu entnehmen ist. Die Art der durchgeführten Operationen (vgl. Bl.13-23, 52, 53, 58, 59, 64-68 SG-Akte) spricht gegen eine Unaufschiebbarkeit.

Zudem weist die Klägerin darauf hin, dass in allen Fällen durchaus eine anderweitige Behandlungsmöglichkeit bestanden hätte, notfalls im Krankenhaus. Sie hat ein Schreiben ihrer Bezirksstelle Schwaben gerichtet an die Beklagte vom 24.11.1999 vorgelegt, in dem drei behandlungsbereite HNO-Ärzte im Allgäu betreffend die Operationen nach EBM-Nrn.1485, 1556 und 1557 benannt werden (Bl.61 LSG-Akte). Das Tatbestandsmerkmal der Unaufschiebbarkeit des § 13 Abs.3 SGB V ist damit nicht belegt. Aus einer zu Unrecht geleisteten Erstattung kann ein aufrechnungsfähiger Ersatzanspruch gegen die Klägerin nicht erwachsen. Die Nichterweislichkeit geht zu Lasten der Beklagten, die sich eines solchen Anspruches berühmt.

Aus den oben genannten Gründen kommt auch ein Schadenersatzan- spruch der Beklagten gestützt auf die (analoge) Anwendung des § 823 Abs.1 BGB nicht in Betracht.

Schließlich ist auch ein aufrechnungsfähiger Bereicherungsan- spruch nach § 812 Abs.1 S.1 BGB (analog) schon tatbestandlich nicht gegeben, denn eine Leistung hat im Bezug auf die Erstat- tungsleistungen im Verhältnis zwischen Beklagter und Klägerin nicht stattgefunden. Die Klägerin hat auch keine Zahlungen ohne rechtlichen Grund erlangt. Vielmehr erfolgt zwischen der Be- klagten und der Klägerin lediglich die Zahlung der Gesamtver- gütung. Diese beruht auf § 85 Abs.1 SGB V i.V.m. § 53 EKV-Ä und § 19 GV-EK. Die Höhe der Gesamtvergütungszahlung wird durch die hier streitgegenständlichen Kostenerstattungen nicht beeinflusst. Ein (ungerechtfertigter) Vorteil entsteht allenfalls für die Gesamtheit der Bayerischen Kassenärzte insofern, als die von der Beklagten erstatteten Leistungen von den sie erbringenden Vertragsärzten nicht zu Lasten der Gesamtvergütung abgerechnet wurden, so dass sich hier ein allerdings äußerst geringfügig höherer Punktwert für die übrigen ärztlichen Leistungen ergibt. Für die Klägerin, gegen deren Forderung die Beklagte aufrechnet, ergibt sich hingegen kein Vorteil (vgl. Palandt, 62. Aufl., § 812 Rn 16).

Auch ein Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs.1 S.2 BGB wegen Wegfall der Zweckbestimmung einer Leistung ist nicht gegeben. Zwar könnte man sagen, dass die Krankenkassen (hier die Be- klagte) die Gesamtvergütung zu dem Zweck an die Kassenärztlichen Vereinigungen (hier die Klägerin) leisten, um von weiteren Zahlungen an die Vertragsärzte freigestellt zu werden. Dieser Zweck ist vorliegend insofern nicht erreicht worden, als die Beklagte für die Leistung des Vertragsarztes nochmal im Wege der Kostenerstattung gezahlt hat, sodass ein entsprechender Teil der Gesamtvergütung rechtsgrundlos gezahlt worden wäre und von der Empfängerin (Klägerin) zurück zu zahlen wäre. Eine solche Betrachtungsweise würde jedoch dem Charakter der pauschal gezahlten Gesamtvergütung nicht gerecht. Die Höhe des der zwischen Kassen und Kassenärztlicher Vereinigung vereinbarten Gesamtvergütung hängt nicht davon ab, welche und wie viele ärztlichen Leistungen im jeweiligen Abrechnungszeitraum konkret von den Vertragsärzten erbracht werden. Bei der Honorarverteilung durch die Kassenärztlicher Vereinigung spielen eine Vielzahl von Faktoren eine Rolle, sodass eine eins zu eins Umsetzung des privat in Rechnung gestellten und erstatteten Betrages und des dafür zustehenden Honoraranteils und mehr noch des Anteil an der Gesamtvergütung nicht möglich ist. (Wäre es anders, wären die Vertragsärzte an der Privatliquidation der streitgegenständlichen Summen kaum interessiert gewesen.) Im Übrigen ließe sich die Anwendung der bereicherungsrechtlichen Vorschriften des BGB und die Aufrechnung mit daraus ggf. resultierenden Ansprüchen gegen den Anspruch auf Gesamtvergütung nach § 85 Abs.1 SGB V mit den Besonderheiten des Sachleistungssystems und des vertragsärztlichen Vergütungssystems ebenso wenig vereinbaren wie die Aufrechnung mit Schadenersatzansprüchen wegen positiver Vertragsverletzung (vgl. § 69 n.F. SGB V).

Nach allem kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass die Beklagte nicht berechtigt war, die von ihr erstatteten Beträge von der Gesamtvergütung abzusetzen. Der Klage war deshalb unter Aufhe- bung des Ersturteils stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs.1 und 4 SGG in der bis zum 01. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (vgl. BSG, SozR 3-2500 § 116 Nr.24 S.115 ff.).

Der Senat hat bezüglich der sich im Zusammenhang mit der Aufrechnung gegen Gesamtvergütungsforderungen stellenden Rechtsfragen eine grundsätzliche Bedeutung angenommen und die Revision zugelassen (§ 160 Abs.2 Nr.1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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