L 14 RA 191/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 RA 95/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 RA 191/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 3. September 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist die Verrechnung eines Zah- lungsanspruchs der Klägerin gegen die Beklagte (25.134,25 DM) mit einer Erstattungsforderung des Beigeladenen gegenüber der Klägerin in Höhe von 7.537,07 DM.

Die im Jahre 1941 geborene Klägerin, eine Diplom-Sozialpädagogin, bezog ab 01.10.1988 - ausgenommen die Zeiträume wegen späteren Verzichts - Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die Rente wurde von einem ihr als Betreuer in Wohnungs- und Rentenangelegenheiten im Februar 1992 bestellten Rechtsanwalt am 15.04.1992 beantragt. Die Beklagte gewährte mit Bescheid vom 16.12.1992 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01.10.1988 (Versicherungsfall vom 31.12.1983) und wies eine laufende Rente von 1.431,01 DM ab 01.02.1993 an. Von der im Zeitraum vom 01.10.1988 bis 31.01. 1993 angefallenen Nachzahlung von 69.388,57 DM wurde vorweg ein Erstattungsanspruch der Freien und Hansestadt H. wegen der von Oktober 1988 bis Januar 1993 geleisteten Sozialhilfe befriedigt; die restliche Nachzahlung von 25.049,53 DM zuzüglich Zinsen von 118,79 DM überwies die Beklagte auf ein (vom Betreuer verwaltetes) Konto der Klägerin bei der H. Sparkasse.

Die Klägerin verzog nach Süddeutschland und nahm ab 01.01.1993 eine versicherungspflichtige Beschäftigung auf; die Betreuung wurde mit Beschluss des Amtsgerichts H. vom 12.05.1993 aufgehoben, weil sich die Aufgabenkreise des Betreuers erledigt hätten. Die Klägerin selbst verzichtete im April 1993 auf Rentenzahlungen, so dass die Beklagte ihre Leistungen mit Wirkung ab 01.05.1993 einstellte. In der Folgezeit beanspruchte die Klägerin nur mehr für Oktober/November 1997 die Rente und erklärte dann erneut einen Verzicht, weil sie eine selbstständige Tätigkeit (mit Versicherungspflicht auf Antrag) ausübte und später unselbstständig beschäftigt war und sich nicht für erwerbsgemindert hielt. Anträge auf Gewährung von Altersrente vor Vollendung des 65. Lebensjahrs lehnte die Beklagte mit Bescheiden vom 03.08.1998 und 05.03.2001 ab.

Zwischen der Beklagten und dem Beigeladenen fand bereits im Jahre 1998 ein Schriftwechsel wegen zu gewährender Sozialhilfe statt, wobei dann der Beigeladene der Klägerin Hilfe zum Lebensunterhalt für September und Oktober 1998 leistete.

Mit Schreiben vom 18.02.2001 informierte die Klägerin den Beigeladenen im Zusammenhang mit ihrem Sozialhilfebezug ab 02.06. 2000 nebenbei über Machenschaften des Sozialamts H. und legte Kopien ihrer Briefe vom 12.09.1996 und 24.01.2001 an die H. Sparkasse bei, wonach die auf dem dortigen Konto der Klägerin befindliche und durch Betrug erlangte Rentenzahlung an die Beklagte zurückzuüberweisen sei. Der Beigeladene ermittelte daraufhin hinsichtlich der zweifelhaften Hilfsbedürftigkeit der Klägerin wegen Vermögens.

Die Klägerin überwies am 13.03.2001 (Buchung bei der Beklagten am 15.03.2001) der Beklagten einen Betrag von 25.000,00 DM mit dem Vermerk "Rückzahlung" und teilte dieser sowie dem Beigeladenen mit, dass sie von 1988 bis 1992 Sozialhilfe bezogen und Rente nicht beantragt habe, auch nichts von einer Rente gewusst habe. Sie habe Anzeige wegen Betrugs zu Lasten der Bundesver- sicherungsanstalt für Angestellte erstattet. Der Betrag von 25.000,00 DM, der ihr nicht gehöre, sei zurückgezahlt worden; auch das Sozialamt H. habe noch ca. 55.000 DM an die Beklagte zu erstatten. Anschließend sei ihr Versicherungsverlauf hinsichtlich der dort vermerkten Rentenbezugszeiten und ihr Lebenslauf zu berichtigen. Noch im Mai 2001 wurde das auf dem H. Sparkassenkonto befindliche Restguthaben von 134,25 DM ebenfalls an die Beklagte überwiesen.

Mit bindend gewordenem Bescheid vom 04.04.2001 nahm der Beigeladene seine Bescheide vom 01.10.1998 und 27.10.1998 (Bewilligung von Sozialhilfe für die Zeit vom 02.09. bis 31.10.1998) sowie den Bescheid vom 08.06.2000 mit Folgebescheiden (Bewilligung von Sozialhilfe vom 02.06.2000 bis 28.02.2001) zurück und forderte die erbrachten Leistungen in Höhe von 7.537,07 DM von der Klägerin zurück. Sozialhilfeleistungen seien zu Unrecht gewährt worden, weil die Klägerin das Guthaben bei der H. Sparkasse für ihren Lebensunterhalt habe einsetzen müssen und nicht bedürftig gewesen sei. Die Klägerin wandte sich nicht gegen diesen Bescheid, sondern lediglich gegen die weiterhin ausgesprochene Versagung von Sozialhilfe und Wohngeld für die Zeit ab 01.03.2001 und weigerte sich trotz Hinweises des Beigeladenen, dass sie einen Zahlungsanspruch gegenüber der Beklagten habe, dieses "Betrügergeld" geltend zu machen bzw. wieder entgegenzunehmen.

Mit Schreiben vom 14.05.2001 ersuchte der Beigeladene die Beklagte unter Vorlage von Unterlagen um Verrechnung. Die Beklagte hörte die Klägerin mit Schreiben vom 07.11.2001 zur geplanten Verrechnung mit der "Rentennachzahlung" (als laufende Geldleistung) an und wies darauf hin, dass bis zur Hälfte eine Aufrechnung gemäß §§ 51, 52 Abs.2 des Sozialgesetzbuches Teil I (SGB I) erfolgen könne, weil Hilfsbedürftigkeit nicht rückwirkend eintreten könne; da die Beklagte nach pflichtgemäßem Ermessen über die Verrechung zu entscheiden habe, möge die Klägerin sich hierzu äußern sowie alle für die Verrechung bedeutsamen Umstände schildern.

Die Klägerin äußerte sich daraufhin dahingehend, dass die Sozialämter H. und M. Betrüger seien und das "Geld" (gemeint: 25.134,25 DM) nicht ihr zustehe, sondern in die Rentenkasse und den Bürgern gehöre; die Beklagte möge sich auch vom Sozialamt H. die erschlichenen Rentennachzahlungen zurückholen. Sie sei damals nicht krank und erwerbsunfähig gewesen.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 13.12.2001 verrechnete die Beklagte die Forderung des Beigeladenen gegen die Klägerin in Höhe von 7.537,07 DM (3.853,64 EUR) mit dem Anspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten auf Geldleistung, wobei sie darauf hinwies, dass es sich hier um eine Rentennachzahlung im Sinne von laufenden Geldleistungen handele. Sozialhilfebedürftigkeit der Klägerin infolge Verrechnung müsse nicht geprüft werden; die Verrechnung werde nach eingehender Prüfung für angemessen gehalten, die Einwände der Klägerin könnten nicht berücksichtigt werden.

Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Klägerin darauf hin, es bestehe für die Beklagte kein Grund, Forderungen des Beigeladenen zu erfüllen, weil sie selbst ab 01.02.2002 die bezogene Sozialhilfe an den Beigeladenen zurückzahlen werde. Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Rechtsbehelf mit Widerspruchsbescheid vom 19.02.2002 zurück.

Im anschließenden Klageverfahren machte die Klägerin geltend, sie wende sich deswegen gegen den Widerspruchsbescheid, weil mit diesem der Betrug der Sozialämter H. und M. unterstützt werde. Einen Grund für die damalige Rentenzahlung habe es nie gegeben. Sie stehe in Arbeit und zahle die in den Jahren 1998, 2000 und 2001 bezogene Sozialhilfe selbst zurück. In diesem Zusammenhang legte sie Überweisungsbelege über Beträge von jeweils 153,39 EUR für Februar bis April 2002 vor.

Das Sozialgericht wies die Klage - der Landkreis Unterallgäu als Sozialhilfeträger wurde vorher beigeladen - mit Urteil vom 03.09.2002 ab. Bei dem von der Klägerin an die Beklagte zurücküberwiesenen Betrag habe es sich um der Klägerin zustehende Rentenansprüche gehandelt. Der Verzicht hierauf sei gemäß § 46 Abs.2 SGB I unwirksam gewesen, weil dadurch der Beigeladene, der der Klägerin Leistungen zum Lebensunterhalt gewährt hätte, belastet worden sei. Die Beklagte habe zu Recht eine Verrechung vorgenommen; sie habe kein Ermessen gehabt, ob und in welcher Höhe sie in den von §§ 51, 52 SGB I vorgesehenen Grenzen eine Verrechung vornehme. Da es sich bei dem von der Klägerin zurückgezahlten Betrag um eine Nachzahlung aus dem Bescheid vom 16.12.1992, also eine Einmalzahlung gehandelt habe, sei § 51 Abs.1 SGB I einschlägig. Der Aufrechung stehe § 54 Abs.2 SGB I nicht entgegen, weil die Verrechung der Billigkeit entsprochen habe.

Mit dem Rechtsmittel der Berufung wendet sich die Klägerin gegen das "verbrecherische" Urteil und macht geltend, sie sei von 1988 bis 1993 gesund und arbeitsunfähig gewesen und habe auch nie einen Betreuer gehabt. Von einer Rente habe sie erst im April 1993 erfahren. Die durch Betrug gezahlte Rente sei von der Sozialhilfeverwaltung H. zurückzuzahlen. Sie selbst wolle keinen Pfennig davon und werde die ab dem Jahre 1998 von dem Beigeladenen bezogene Sozialhilfe zurückerstatten. Das Gericht möge ihre Bemühungen unterstützen, die Wahrheit ans Tageslicht zu bringen.

Vorübergehend forderte die Klägerin sowohl vom Beigeladenen als auch von der Beklagten Teilbeträge zur Überbrückung eines Engpasses zurück, wobei sie kundtat, dass sie auch diese Beträge wieder zurückzahlen werde.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts vom 03.09.2002 und den Bescheid der Beklagten vom 13.12.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2002 aufzuheben, und regt im Übrigen an, der Senat möge an der von ihr in Angriff genommenen Aufdeckung eines Betrugs mitwirken.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Dem Senat lagen zur Entscheidung die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die umfangreichen Akten der Beklagten und des Beigeladenen vor. Zur Ergänzung des Tatbestands, insbesondere hinsichtlich der Rentenzahlungsvorgänge und des Vorbringens der Klägerin, wird hierauf Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143 f., 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) ist zulässig. Der Senat ging von einem Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin aus. Zwar ging es ihr im Prozess nicht um die "Wiederherstellung" ihres Anspruchs auf Geldleistungen gegenüber der Beklagten in Höhe von 7.537,07 DM, der durch Verrechung erloschen sein könnte. Neben vielen unbeachtlichen Motiven war aber auch der Wille ersichtlich, dass eine von ihr "anerkannte" Forderung des Beigeladenen auf Rückzahlung von Sozialhilfeleistungen, die sie selbst in Zukunft tilgen wolle, nicht durch eine angeblich rechtswidrige Verrechung mit der Folge einer "rechtsgrundlosen" und aufgedrängten Zahlung von dritter Seite auf ihre Schuld untergehe. Ob und inwieweit das Bestreben der Klägerin vernünftig ist, mag dahinstehen. Jedenfalls ist das Interesse, selbst für seine Schulden einzustehen und sich nichts "schenken" lassen zu wollen, unter bestimmten Umständen schützenswert (vgl. § 267 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -). Weiterhin ist durchaus zu berücksichtigen, dass es bei der Frage der Rechtmäßigkeit der Verrechnung im Vorfeld auch um die Frage geht, ob und in welcher Höhe die Klägerin gegen die Beklagte einen Geldleistungsanspruch hat oder nicht hat; denn die Beklagte und der Beigeladene behaupten das Bestehen eines solchen Anspruchs mit der Folge, dass der Klägerin ab 01.03.2002 Sozialhilfeleistungen versagt worden sind und auch die begründete Gefahr besteht, dass dies weiterhin der Fall sein wird (letzte Ablehnung im September 2002 wegen fehlender Hilfsbedürftigkeit; die Klägerin ist zwischenzeitlich obdachlos geworden).

Die Berufung ist unbegründet und musste zurückgewiesen werden, weil der Entscheidungssatz im angefochtenen sozialgerichtlichen Urteil (Urteilsformel, Tenor), dass die Klage abzuweisen und der Klägerin außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind, richtig ist. Darauf, dass die Begründung des Urteils in den meisten Punkten unzutreffend war, kam es nicht an, weil die Urteilsgründe nicht an der Rechtskraft teilnehmen und der Senat auf Grund anderer Überlegungen und Wertungen des tatsächlichen und rechtlichen Sachverhalts zu dem gleichen Ergebnis kam.

Gemäß § 52 SGB I kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers des- sen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig ist. Nach § 51 Abs.1 SGB I kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf Geldleistungen mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs.2 und 4 SGB I pfändbar sind. Ansprüche auf einmalige Geldleistungen können nur gepfändet werden, soweit nach den Umständen des Falles, insbesondere nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Leistungsberechtigten, der Art des beizutreibenden Anspruchs sowie der Höhe und der Zweckbestimmung der Geldleistung, die Pfändung der Billigkeit entspricht (§ 54 Abs.2 SGB I). Im Übrigen können Ansprüche auf laufende Geld- leistungen wie Arbeitseinkommen gepfändet werden (§ 54 Abs.4 SGB I). Gemäß § 51 Abs.2 SGB I kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, soweit der Leistungsberechtigte dadurch nicht hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes über die Hilfe zum Lebensunterhalt wird.

1. Eine "Verrechnungslage" war dem Grunde nach gegeben. Der Beigeladene hatte die Beklagte zur Verrechung ermächtigt. Es standen sich zwei gleichartige und fällige Forderungen, zwei Ansprüche auf Geldleistungen, gegenüber. Unerheblich ist es insoweit, dass die Klägerin ihren Anspruch gegenüber der Beklagten bestreitet; dies betrifft nur die weitere Frage, ob die Verrechung im Sinne der Aufrechnung wirksam gewesen oder ins Leere gegangen ist.

Die Beklagte hatte in der Frage, ob sie die Aufrechnung im Rahmen der Voraussetzungen des § 51 SGB I überhaupt durchführen oder von einer an sich möglichen Aufrechnung absehen wollte, kein Ermessen. § 52 SGB I spricht zwar von "kann verrechnen" und lautet damit anscheinend gleich wie Abs.1 und Abs.2 des § 51 SGB I, die die Worte "kann aufrechnen" verwenden. Dies bedeutet jedoch nicht dasselbe. Das "aufrechnen können" beinhaltet ein Ermessen, ob überhaupt und inwieweit aufgerechnet werden sollte, mithin eine Befugnis und ein Handlungsermessen (soll zu einer Aufrechnung überhaupt geschritten werden) und darüber hinaus ein Ermessen, in welcher Höhe aufgerechnet werden soll, sofern das Gesetz aufrechenbare Beträge innerhalb bestimmter Grenzen zulässt und die Höhe variieren kann (dies spricht das Bundessozialgericht des öfteren mit der Redewendung an, es bestehe Ermessen bei der Entscheidung über die Aufrechnung und deren Ausmaß, vgl. BSG vom 19.01.1978 - 4 RJ 47/77 und vom 11.10.1979 - 3 RK 88/77 in SozR 1200 § 51 Nr.3 und 5.).

Das "verrechnen können" in § 52 SGB I bedeutet lediglich, dass der ersuchte Leistungsträger die Kompetenz oder Befugnis zur Aufrechnung hat (BSG vom 26.09.1991 - 4/1 RA 33/90 in SozR 3-1200 § 52 Nr.2). Ein Ermessen, das ohnehin sich nur auf das Verhältnis eines Leistungsträgers zum Bürger und nicht zu einem anderen Leistungsträger beziehen kann, steht dem ersuchten Leistungsträger nicht in dem Sinne zu, dass er bereits die Prüfung der Aufrechung und ggf. die Durchführung, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, ablehnen darf. Ein Handlungsermessen besteht bei der Verrechnung nicht; gemäß § 86 Sozialgesetzbuch Teil X (SGB X) sind die Leistungsträger zur engen Zusammenarbeit verpflichtet, und ein Ersuchen darf nicht willkürlich bzw. dem Grunde nach abgelehnt werden, sondern nur, soweit (vgl. § 52 SGB I) die Aufrechnung - bei Wegdenken der Gegenseitigkeit der Forderungen - nicht zulässig ist (BSG vom 25.03.1982 - 10 RKg 2/91 in BSGE 53, 206).

2. Die Forderung des Beigeladenen, mit der die Beklagte aufrechnete (nach juristischem Sprachgebrauch Gegenforderung oder Passivforderung), stellt sowohl einen Anspruch auf Geldleistung im Sinne vom § 51 Abs.1 SGB I als auch einen "Anspruch auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen" im Sinne von § 51 Abs.2 SGB I dar. Sie ist rechtsverbindlich festgestellt und wurde nicht von der Klägerin bestritten. Sie ist ferner auch nicht dadurch - teilweise - erloschen, weil die Klägerin eine ratenweise Tilgung beabsichtigt und später unternommen hat. Dies geschah aber erst Monate nach der erfolgten Verrechnung. Ist die Verrechnung wirksam zu Stande gekommen, gelten die verrechneten Forderungen bereits zu dem Zeitpunkt als erloschen, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet gegenübergetreten sind (§ 398 BGB). Eine bereits erloschene Forderung kann aber nicht mehr von der Klägerin erfüllt, d.h. getilgt werden.

3. Die Forderung der Klägerin gegenüber der Beklagten, gegen die die Beklagte aufrechnete (Hauptforderung, Aktivforderung), stellte ebenfalls einen Anspruch auf Geldleistung im Sinne von Abs.1 und 2 des § 51 SGB I dar und bestand ebenfalls in Höhe von mindestens 7.537,07 DM.

Die Klägerin hatte an die Beklagte im März und Mai 2001 25.134,25 DM (25.000,00 DM und 134,25 DM) gezahlt. Der An- spruch auf Rückforderung dieses Betrags, zumindest in Höhe von 25.049,43 DM, hat ihre Vorgeschichte darin, dass die Beklagte im Jahre 1993 von der Rentennachzahlung für die Zeit vom 01.10.1988 bis 31.01.1993 eine Summe von 25.049,53 DM auf das Konto der Klägerin überwies. Eine Geldforderung der Klägerin gegenüber der Beklagten in Höhe des Verrechnungsbetrags (und - nebenbei - auch in gesamter Höhe) wird zwar von der Klägerin bestritten, besteht aber deswegen, weil die Beklagte mit Rechtsgrund die Rentennachzahlung geleistet hat und die Klägerin ohne Rechtsgrund das Erhaltene wieder "erstattet" hat.

3.1. Der Rechtsgrund für die Leistungen der Beklagten ist im Rentenbescheid vom 16.12.1992 zu sehen und besteht damals wie auch heute noch. Der begünstigende Verwaltungsakt (Rentenbewilligung) bleibt wirksam, solange und soweit er nicht von der Beklagten zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben wurde oder sich durch Zeitablauf oder auf andere Weise (z.B. durch öffentlich-rechtlichen Aufhebungsvertrag zwischen Klägerin und Beklagter) erledigt hat (§ 39 Abs.2 SGB X). Keiner der genannten Gründe liegt vor, sodass es an einem Rechtsgrund nur fehlen würde, wenn der Rentenbescheid bereits von Anfang an nichtig war. § 39 Abs.3 SGB X bestimmt, dass ein nichtiger Verwaltungsakt unwirksam ist. Die "schlichte" Rechtswidrigkeit bzw. Fehlerhaftigkeit, die nach der (wohl irrigen) Rechtsauffassung der Klägerin vorliegen könnte, ist hingegen unbeachtlich, sodass es hierzu keiner weiteren Ausführungen bedurfte.

Von den in § 42 Abs.2 Nrn.1 bis 5 SGB X ausdrücklich genannten Nichtigkeitsgründen ist keiner zutreffend. Der allein in Erwägung zu ziehende "Verstoß gegen die guten Sitten" (Nr.5) liegt nicht vor, weil die Rentengewährung nicht gegen ein gesetzliches Verbot (Verbot der Rentengewährung schlechthin oder der Gewährung an Personen wie die Klägerin) verstößt (§ 134 BGB); das von der Klägerin geltend gemachte Unrecht - die Leistungsvoraussetzungen hätten nicht vorgelegen - begründet noch kein Verbotsgesetz. Auch eine Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB ist nicht gegeben, weil ein Sittenverstoß (Unvereinbarkeit der Rentengewährung nicht nur mit den Gesetzen, sondern mit grundlegenden Wertungen der Rechts- oder Sittenordnung) nicht erkennbar ist, zudem auf keinem Fall im Verhältnis von Beklagter zur Klägerin vorliegen würde, weil diese ja nicht an dem angeblich betrügerischen Verhalten der Sozialhilfeverwaltung H. mitgewirkt hat (Kollusion).

Nichtigkeit der Rentengewährung liegt ferner nicht nach § 40 Abs.1 SGB X vor, wonach dies - unabhängig von § 40 Abs.2 SGB X - allgemeinhin dann anzunehmen ist, wenn ein Verwaltungsakt an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Ein besonders schwerwiegender Fehler ist nicht schon dann anzunehmen, wenn ein Verwaltungsakt gegen materielles Recht oder Verfahrensrecht verstößt, sondern erst dann, wenn ein Fehler deshalb mit der Rechtsordnung unter keinen Umständen vereinbar sein kann, weil er schlechterdings nicht möglich ist (z.B. eine Rentengewährung ist nicht im Gesetz vorgesehen) oder mit der Rechtsordnung unter keinen Umständen deshalb vereinbar ist, weil er tragenden Verfassungsprinzipien oder den der Rechtsordnung immanenten Wertvorstellungen widerspricht; hinzukommen muss darüber hinaus die "Offensichtlichkeit".

Die aus der Rechtsprechung und Literatur bekannten Beispiele für einen besonders schwerwiegenden Fall sowie darüber hinaus dem Senat vorstellbare Fälle sind sämtlich nicht einschlägig. Die Rügen der Klägerin selbst gehen an dem Kern der Sache vorbei. Wenn sie vorträgt, sie habe keinen Rentenantrag gestellt, so wäre ein fehlender und auch nicht nachträglich gestellter Antrag (vgl. § 41 Abs.1 Nr.1 SGB X) nur von Bedeutung für ausschließlich oder im Wesentlichen belastende Verwaltungsakte und nicht für den die Rente bewilligenden Bescheid vom 16.12.1992 (Schroeder-Printzen, SGB X, Anm.8 zu § 40; teilweise abweichende Meinungen sind im Urteil des BSG vom 21.06.1995 - 6 RKa 54/94 in BSGE 76, 149 dargelegt). Im Übrigen ist aktenkundig, dass ein amtlich u.a. für Rentenangelegenheiten der Klägerin bestellter Pfleger den für sie wirkenden Antrag gestellt hat, und es ist keinesfalls offensichtlich, dass die Pflegerbestellung einschließlich des Rentenantrags unwirksam gewesen ist. Die Aufhebung der Bestellung erfolgte nur mit Wirkung für die Zukunft.

Die Klägerin hat weiterhin vorgetragen, die Rentenbewilligung beruhe auf Betrug, weil der Sozialhilfeträger in H. betrügerische Angaben über eine Erwerbsunfähigkeit, die tatsächlich nie bestanden habe, gemacht habe. Erschlichene Verwaltungsakte und solche, die durch Drohung, arglistige Täuschung und Bestechung erlangt worden sind, zählen in der Regel nicht zu den nichtigen Verwaltungsakten (anderer Ansicht Schroeder-Printzen, a.a.O., aber mit Vorbehalt). Grundsätzlich ist nur von der "schlichten" Rechtswidrigkeit eines existenten Verwaltungsakts auszugehen, weil das Gesetz selbst in § 45 Abs.2 Nr.1 SGB X vorsieht, dass solche Verwaltungsakte zurückgenommen werden können, die der Begünstigte (hier: die Klägerin und die Sozialhilfeverwaltung H. mit ihrem Erstattungsanspruch) durch nachgewiesene arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung bewirkt hat. Diese Möglichkeit ist aber nur gegeben, wenn ein Verwaltungsakt zwar rechtswidrig, aber nicht nichtig ist, d.h. wenn er trotz Fehlerhaftigkeit weiterhin Bestand hat und zurücknehmbar ist. § 45 SGB X sieht weiterhin vor, dass die Rücknahme auch nur innerhalb bestimmter zeitlicher und sachlicher Grenzen (§ 45 Abs.3 und 4 SGB X) erfolgen darf. Eine nähere Erörterung hierzu erübrigt sich, weil die Beklagte selbst auf Grund eigener Überprüfung ärztlicher Unterlagen (vor allem Gutachten des Dr.R. vom 17.12.1987 für das Strafgericht H. und Befundbericht der Neurologin und Psychiaterin Dr.A. vom 17.07.1992 mit beigelegten weiteren Unterlagen durch ihren beratenden Arzt) zu der Überzeugung gekommen ist, dass wegen einer Gesundheitsstörung auf psychiatrischem Gebiet Erwerbsunfähigkeit vorliege. Die Beklagte hat sich damit, unbeeinflusst von irgendwelchen Meinungen der Sozialhilfeverwaltung, eigenständig eine eigene Meinung gebildet. Die Annahme der Erwerbsunfähigkeit stellt im Übrigen eine Wertung bzw. Beurteilung dar, und nicht selbst eine Tatsache. Unrichtige Tatsachen, die die Sozialhilfeverwaltung entgegen der wahren Lage vorgespiegelt haben könnte, sind dem Senat nicht ersichtlich; unbewiesen bleiben muss auch eine Täuschungsabsicht.

Im Übrigen könnten Rechte aus "Betrug" bzw. "arglistiger Täuschung" nur von der Beklagten dadurch hergeleitet werden, dass sie durch Zurücknahme des Rentenbescheids den Rechtsgrund für ihre Zahlungen beseitigt. Die Beklagte sah sich jedoch nicht getäuscht und auch nicht geschädigt. Die Klägerin ihrerseits, die für eine Täuschung keinen Beweis vorlegen konnte, wäre auch bei Nachweisen nicht befugt, die allein dem Leistungsträger eingeräumten Rechte und Befugnisse wahrzunehmen. Als "Anwalt" der Rentenkasse oder im Interesse der Bürger bzw. künftigen Rentner kann sie ohnehin nicht auftreten.

Der Rechtsgrund für die von der Beklagten gezahlten Rentenleistungen (Nachzahlung) ist auch nicht durch Verzicht der Klägerin auf ihre Rentenansprüche entfallen. Hierbei kam es nicht, wie das Sozialgericht meinte, darauf an, dass ein Verzicht wegen Belastung des Beigeladenen unwirksam ist (§ 46 Abs.2 SGB I). Die Klägerin hatte bereits in den Jahren 1993 und 1997 auf Ansprüche auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit verzichtet; ihr ab dem Jahre 2001 gezeigtes Verhalten könnte ebenfalls als Verzicht ausgelegt werden ("Umdeutung"), wenn auch die Klägerin der Auffassung gewesen ist, es habe bereits ab 1988 kein Rentenanspruch bestanden; auf einen nicht existenten Anspruch muss ja nicht verzichtet werden, der Verzicht würde ins Leere gehen. Alle tatsächlich erfolgten und auch umgedeuteten Erklärungen des Verzichts auf Sozialleistungen (§ 46 SGB I) - dies hatte das Sozialgericht nicht gesehen - können vorliegend keine Auswirkung haben, weil die Rentenzahlungsansprüche, auf die verzichtet werden könnte, im Jahre 1993 bereits befriedigt und damit durch Erfüllung erloschen sind; ein erst später erklärter Verzicht kann nicht mehr greifen.

Ein Verzicht gemäß § 46 SGB I auf Sozialleistungen (Rentennachzahlung) war auch nicht mehr dann möglich, als die Klägerin die erhaltenen Rentenzahlungen (Teile der Nachzahlung) wertmäßig an die Beklagte zurückgegeben hatte. Durch eine solche Handlung kann sie nicht bewirken, dass die bereits befriedigten und erloschenen Rentenzahlungsansprüche aus der Zeit von 1988 bis 1993 wieder aufleben, die Klägerin also - so unrichtigerweise das Sozialgericht und auch die Beklagte - wieder einen Anspruch auf die Sozialleistung (Rente) bzw. die Rentennachzahlung gegenüber der Beklagten hat.

Wenn die Klägerin gegenüber der Beklagten seit dem Jahre 2001 einen Anspruch auf Rückzahlung des Betrags hat, den sie der Beklagten aufgedrängt hat, so stellt dieser Anspruch keinen Anspruch auf Sozialleistungen (Rentenleistungen - Nachzahlung der Rente für die Zeit von 1988 bis 1993) dar. Er ähnelt vielmehr einem bereicherungsrechtlichen Anspruch, stellt aber im Sinne von § 51 SGG (Zulässigkeit des Rechtswegs) einen "öffentlich-rechtlichen Anspruch in Angelegenheiten der Sozialversicherung" dar, was sich aus der Natur des Rechtsverhältnisses der von der Klägerin beabsichtigten und von der Beklagten nicht akzeptierten Rückabwicklung eines sozialrechtlichen Leistungsverhältnisses ergibt; deswegen durfte das Sozialgericht - anders bei einem bestrittenen bürgerlichrechtlichen Anspruch - auch entscheiden. § 46 Abs.1 SGB I lässt aber den Verzicht durch einseitige Erklärung des Berechtigten nicht bei jedem sozialrechtlichen Anspruch zu, sondern nur bei Ansprüchen auf Sozialleistungen.

Der ins Leere gehende Verzicht der Klägerin auf Rentenzahlungsansprüche (§ 46 SGB I) kann auch nicht als Verzicht auf das Stammrecht Rente oder die Rücknahme des im Jahre 1992 gestellten Rentenantrags gewertet werden. Der Verzicht darf von vornherein nur auf einzelne Zahlungsansprüche aus dem Stammrecht und nicht auf das Stammrecht selbst, wobei die Rentenanwartschaften auch auf Altersversorgung betroffen wären, bezogen werden; er wäre sonst unzulässig. Die Rücknahme des Rentenantrags selbst ist nach rechtsverbindlich gewordener Verbescheidung auch nicht mehr möglich.

Mithin bleibt als Ergebnis festzuhalten, dass ein Rechtsgrund für die gezahlten Rentenleistungen (1988 bis 1993) bestanden hat und auch nicht nachträglich auf Grund irgendwelcher Umstände entfallen ist.

3.2. Die im Jahre 2001 erfolgten Zahlungen der Klägerin an die Beklagte hingegen sind ohne Rechtsgrund erfolgt. Ein Rechtsgrund ist von der Klägerin auch nicht nachträglich "geschaffen" worden, so z.B. durch Schenkung, Erlass oder Verzicht (außerhalb des Rahmens des § 46 SGB I). Ein Verzicht im Sinne des § 46 SGB I als einseitige Willenserklärung ist nicht möglich, weil der im Jahre 2001 entstandene Anspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten auf Rückzahlung keinen Anspruch auf Sozialleistungen darstellt. Die Schenkung oder der Erlass (Verzicht außerhalb des Rahmens des § 46 SGB I) setzt einen Vertrag mit zwei übereinstimmenden Willenserklärungen der Beteiligten voraus (§§ 397 Abs.1 und 516 Abs.1 i.V.m. 311 Abs.1 BGB, § 53 SGB X); die Beklagte hat aber eine solche Erklärung nicht abgegeben, und die Klägerin kann nicht einseitig durch ihr Handeln rechtsgestaltend wirken.

4. Die Zulässigkeit der von der Beklagten vorgenommenen Aufrechnung beurteilt sich allein nach Abs.1 des § 51 SGB I. Die Gegenforderung (Forderung der Klägerin gegenüber der Beklagten) stellt einen Anspruch auf Geldleistungen im Sinne des Abs.1 dar, nicht aber einen Anspruch auf laufende Geldleistungen im Sinne des Abs.2. Nur wenn die Gegenforderung ein Anspruch auf Rentenzahlungen gewesen wäre, wovon das Sozialgericht und die Beklagte unrichtigerweise ausgegangen sind, läge - insoweit hätte die Beklagte Recht und das Sozialgericht nicht - ein Anspruch auf laufende Geldleistungen vor (BSG vom 11.10.1979 - 3 RK 88/77 in SozR 1200 § 51 Nr.5). Der "Anspruch auf Rentennachzahlung" besteht in Wirklichkeit aus mehreren Ansprüchen auf regelmäßig wiederkehrende Leistungen (mehrere Auszahlungsansprüche) und wird nicht dadurch, dass im Voraus oder nachträglich mehrere Monatsbeiträge der Rente gleichzeitig ausbezahlt werden, zu einem Anspruch auf eine einmalige Leistung.

Nur durch einen doppelten Fehler des Sozialgerichts, der Wertung der Forderung der Klägerin gegen die Beklagte als Anspruch auf Sozialleistung und als Anspruch auf eine einmalige Leistung, ist das Sozialgericht in Erstinstanz im Ergebnis zu der vorliegend maßgebenden Vorschrift des § 51 Abs.1 und nicht des § 51 Abs.2 SGB I gekommen; allerdings enthält die konkrete Anwendung des Abs.1 dann wiederum Unrichtigkeiten.

Gemäß § 51 Abs.1 SGB I ist die Aufrechung (und Verrechnung) zulässig, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs.2 und Abs.4 SGB I pfändbar sind. (Gemäß § 52 Abs.2 SGB I wäre die Pfändung nur zur Hälfte des Betrags von rund 25.000,00 DM zulässig, wenn die Leistungsberechtigte dadurch nicht hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes über die Hilfe zum Lebensunterhalt wird. Nur nebenbei wird - dies war nicht mehr entscheidungserheblich - die Beklagte darauf hingewiesen, dass die Grenzen des BSHG an Stelle der Pfändungsfreigrenzen auch für die Vergangenheit gelten, aber jedenfalls gewahrt wären, weil die von 1988 bis 1993 gezahlte Hilfe zum Lebensunterhalt bereits von der damaligen Rentennachzahlung von 69.388,57 DM in Abzug kam, also die Restsumme von rund 25.000,00 DM über der Bedürftigkeitsgrenze lag.)

§ 54 Abs.2 (i.V.m. § 51 Abs.1) SGB I betrifft Ansprüche auf einmalige Geldleistungen, § 54 Abs.4 SGB I Ansprüche auf laufende Geldleistungen. § 54 Abs.2 SGB I, der vorliegend allein einschlägig sein könnte, ist aber nicht - wie das Sozialgericht meinte - anwendbar. § 54 SGB I regelt in allen Absätzen nur die Pfändbarkeit von Sozialleistungen, nicht von sonstigen Ansprüchen (Seewald im Kasseler Kommentar, Rdziff.24 zu § 54 SGB I), auch wenn sie aus dem Versicherungsverhältnis stammen (vgl. BSG vom 25.11.1965 - 12 RJ 352/62 in BSGE 24, 126 zum Anspruch des Versicherten auf Rückzahlung zu viel entrichteter Sozialversicherungsbeiträge als vermögensrechtlicher, auf reinen Geldersatz gerichteter Ausgleichsanspruch). § 54 SGB I benennt in verschiedenen Absätzen konkrete Sozialleistungen wie Erziehungsgeld, Mutterschaftsgeld, Geldleistungen zum Ausgleich für einen Körper- oder Gesundheitsschaden oder Kindergeld; im Übrigen wird differenziert nach Ansprüchen auf Dienst- und Sach- leistungen, Ansprüchen auf einmalige Geldleistungen und Ansprüchen auf laufende Geldleistungen. Damit wird von der Systematik her erkennbar Bezug auf § 11 Satz 1 SGB I genommen, der bestimmt: "Gegenstand der sozialen Rechte sind die in diesem Gesetzbuch vorgesehenen Dienst-, Sach- und Geldleistungen (Sozialleistungen)".

Nachdem hinsichtlich eines Betrags von 7.537,07 DM aus dem Gesamtanspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf 25.134,25 DM ein sonstiger Pfändungsschutz nicht greift, besteht auch in Hinblick auf den Betrag von 7.537,07 DM Aufrechenbarkeit. Geschützt wird die Klägerin aber durch die Anwendung des von § 51 Abs.1 SGB I vorgesehenen Ermessens, sofern dieses nicht zu ihren Lasten auf Null geschrumpft ist. Unzutreffend war die Ansicht des Sozialgerichts, dass im Falle des Ersuchens eines Leistungsträgers um Verrechnung ein Ermessen hinsichtlich der Höhe des Aufrechnungsbetrags nicht besteht, sondern immer bis an die Grenzen des maximal Zulässigen gegangen werden muss. § 52 SGB I sieht eine Änderung und Erweiterung des § 51 SGB I nur insoweit vor, als die Gegenseitigkeit der aufzurechnenden Forderungen nicht gegeben sein muss und der ersuchte Leistungsträger kein Handlungsermessen hat, d.h. die Prüfung und ggf. Durchführung der Aufrechung nicht aus beliebigem Grunde - willkürlich - ablehnen darf. Nach wie vor hat der um Verrechnung ersuchte Leistungsträger aber ein Ermessen- zulässigen Aufrechungsbetrags, kann also auch mit einem geringeren Betrag als möglich aufrechnen (vgl. BSG vom 09.11.1989 - 11 RAr 7/89 in SozR 1200 § 51 Nr.17: obwohl in dem entschiedenen Fall § 51 Abs.2 SGB I maßgebend war, demnach die Aufrechnung nur durch die Grenzen der Sozialhilfebedürftigkeit beschränkt gewesen sind, stand es im Ermessen des verrechnenden Leistungsträgers, den Aufrechnungsbetrag niedriger unter Heranziehung der für den Betroffenen günstigeren Pfändungsfreigrenzen entsprechend § 51 Abs.1 SGB I festzusetzen.).

Bei der Prüfung des Ermessens gemäß § 51 Abs.1 SGB I können die in § 54 Abs.2 SGB I umschriebenen Tatbestände, die voll überprüfbar sind (kein Ermessen), entsprechend als Richtschnur herangezogen werden, auch wenn ein Fall des § 54 Abs.2 SGB I nicht vorliegt, denn hier sind allgemein gültige Erwägungen enthalten. So soll die Pfändung nach allen Umständen des Falles, insbesondere nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Leistungsberechtigten, der Art des beizutreibenden Anspruchs sowie der Höhe und Zweckbestimmung der zu pfändenden Geldleistung der Billigkeit entsprechen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Klägerin unterhält sich in der Regel durch ihre Erwerbstätigkeit. Vermögenswerte Ansprüche bestehen zwar nach Aktenlage nicht in einem "Sparguthaben", aber einem Ersatz hierfür. Die Klägerin hat Ansprüche gegenüber der Beklagten in Höhe von rund 25.000,00 DM und im Übrigen auch gegen den Beigeladenen in Höhe der Ratenzahlungen auf die zurückgeforderte Sozialhilfe. Hiervon wurde bei der Verrechnung nur ein kleiner Teil, 7.537,07 DM, beansprucht. Es bleibt ihr daher ein reichlicher "Notgroschen", und zwar weit über den Grenzen dessen, was sie nach § 51 Abs.1 und Abs.2 SGB I behalten dürfte. Die Altersversorgung selbst ist durch Rentenanwartschaften gesichert. Die Lebensgrundlagen der Klägerin sind damit nicht durch die Verrechung in irgendeiner Weise bedroht. Der Anspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten geht zwar letztlich auf Rentenzahlungen für die Jahre 1988 bis 1993 zurück (Erwerbsersatzeinkommen), wurde aber damals nicht für den Lebensunterhalt benötigt und gelangte so in das angesparte Vermögen, das sie in Notzeiten verwenden konnte (und nach den Grundsätzen des Bundessozialhilfegesetzes auch bis auf eine geringe Pauschale verwenden sollte). Der Beigeladene wiederum hat ein Interesse, alsbald und nicht ratenweise mit großer Verzögerung die zu Unrecht geleistete Sozialhilfe wieder zu vereinnahmen.

Eine derartige Ermessensentscheidung hatte die Beklagte nicht, wie es in der Regel erforderlich gewesen wäre (§ 35 SGB X), im streitgegenständlichen Bescheid schriftlich dargelegt. Dies war aber unschädlich. Auf Grund der besonderen Umstände des vorliegenden Streitfalls waren nämlich nicht nur die in § 54 Abs.2 SGB X umschriebenen Voraussetzungen erfüllt, sondern darüber hinaus das Ermessen auf Null geschrumpft, und zwar aus folgenden Gründen:

a) Es besteht ein besonderer innerer Zusammenhang zwischen Hauptforderung und Gegenforderung. Der Betrag der Gegenforderung entspricht sachlich dem, was die Klägerin für ihren Lebensunterhalt ausgeben sollte, bevor sie Sozialhilfeleistungen erhalten hätte, deren Rückforderung nun mit der Hauptforderung geltend gemacht wird. Die Leistungen des Beigeladenen an die Klägerin und auch die Rückforderung wäre nicht erfolgt, wenn das Sparguthaben der Klägerin (jetzt umgewandelt in einen Geldleistungsanspruch gegenüber der Beklagten) entsprechend den Bestimmungen des BSHG vor Gewährung von Sozialhilfe verwendet worden wäre.

b) Die Klägerin hat trotz Anhörung und Aufforderung zu Grün- den, die im Rahmen des Ermessens berücksichtigt werden könnten, nichts Beachtenswertes vorgetragen.

c) Die Klägerin hat der Beklagten einen Betrag von 25.000,00 DM zur freien Verfügung gestellt, als sie darauf beharrte, dass es sich um Geld handle, das nicht ihr, sondern der Rentenkasse gehöre. Sie wollte gerade keinen Schutz ihres Vermögens beanspruchen, sondern hat sich im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren ausdrücklich dagegen gewandt, dass in den vergangenen Jahren ihrerseits ein Rentenanspruch (und jetzt ein Rückzahlungsanspruch gegenüber der Beklagten) bestehe. Eigene schützenswerte Interessen hinsichtlich des in Frage stehenden Vorteils hat sie ausdrücklich verneint, und sie hätte auch bei einer (von der Beklagten nie unternommenen) Rückforderung von Rentenleistungen sich des Betrags von rund 25.000,00 DM freiwillig begeben, wäre damit einer Beitreibung durch die Beklagte - z.B. durch Einziehung, Pfändung und ggf. Aufrechnung - ohne Rücksicht auf die für die Rückforderung geltenden Grenzen nachgekommen.

Wenn sie sich nun gegen die konkret erfolgte Verrechung wendet, so macht sie letztlich nur geltend, die Beklagte dürfe mit deren eigenen "Geld aus der Rentenkasse" nicht eine Forderung des Beigeladenen auf Rückzahlung der Sozialhilfe befriedigen, sondern sie wolle ihre Schulden selber tilgen. Dies alleine ist aber rechtlich unbeachtlich, wie sich aus dem Gedanken des § 267 BGB ergibt. Danach kann ein Dritter, auch ohne irgendeine Verpflichtung, auf eine fremde Schuld leisten, wenn der Schuldner "nicht in Person" zu leisten hat, also auf Grund Besonderheiten des Schuldverhältnisses (z.B. Dienstvertrag) nicht höchstpersönlich einer Verpflichtung nachkommen muss. Die Einwilligung des Schuldners in Bezug auf die schuldbefreiende Leistung von dritter Seite ist nicht erforderlich (§ 267 Abs.1 BGB). Nur wenn der Schuldner widerspricht, kann der Gläubiger die Leistung eines Dritten ablehnen (§ 267 Abs.2 BGB), was der Beigeladene aber gerade nicht getan hat.

Unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Klägerin besteht kein schützenswertes eigenes Interesse. Dies gilt erst recht, weil die Beklagte ja aus dem Vorgang der Tilgung einer fremden Schuld wiederum keine Ansprüche gegenüber der Klägerin, z.B. nach den Grundsätzen des Bereicherungsrechts oder der Geschäftsführung ohne Auftrag, ableiten will und - nach Ansicht des Senats - ableiten kann. Es wäre widersprüchlich, wenn die Klägerin sich zwar so verhält, dass sie einen eigenen geldwerten Anspruch gegen die Beklagte auf Rückgabe von 25.134,25 DM verneint, also weder diesen Betrag fordert noch auf Leistung oder auf Feststellung klagt, aber der Beklagten vorschreiben will, wie diese ihr (angeblich) eigenes Vermögen verwenden soll bzw. was sie nicht damit tun darf. Von Dritten zu beachtende Schranken können schlüssig nur dann geltend gemacht werden, wenn die Klägerin auch den Anspruch selbst bejaht und geltend macht.

Unter Zugrundelegung der Auffassung der Beklagten und des Beigeladenen erscheint die erfolgte Verrechnung im Übrigen für die Klägerin günstiger als nach deren eigenen Ansicht. Alle Beteiligten waren sich einig, dass eine doppelte Begünstigung der Klägerin - durch Vermögen (Rentennachzahlung bzw. jetzt Anspruch gegenüber der Beklagten) und durch den Bezug von Sozialhilfe ab 1998 - nicht gerechtfertigt ist. Nach zutreffender Auffassung der Beklagten und des Beigeladenen wird aber auch ein doppelter Nachteil vermieden, der dadurch entsteht, dass sich die Klägerin durch (rechtsgrundlose) Zahlung an die Beklagte ihres Vermögens begibt bzw. begeben will und andererseits die erhaltene Sozialhilfe, auf die sie ohne Vermögen einen Anspruch gehabt hätte, auch zurückzahlen will.

Daher war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.

Die Klägerin wird darauf hingewiesen, dass sie auch nach durchgeführter wirksamer Verrechnung noch Vermögen besitzt, nämlich einen Anspruch gegenüber der Beklagten in Höhe der Restsumme des ehemaligen Betrags von 25.134,25 DM, weiterhin einen Anspruch gegenüber dem Beigeladenen in Höhe der gezahlten und dort noch verbliebenen Ratenzahlungen, weil der Anspruch des Beigeladenen auf Erstattung der ab 1988 geleisteten Sozialhilfe bereits durch Verrechnung getilgt und erloschen ist. Es erscheint nicht sachentsprechend, vorweg Leistungen der Sozialhilfe, damit öffentliche Mittel, in Anspruch zu nehmen und somit mittelbar die Bürger in ihrer Gesamtheit zu belasten, solange noch eigene vermögenswerte Ansprüche offensichtlich bestehen.
Rechtskraft
Aus
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