L 8 U 32/16

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Schleswig (SHS)
Aktenzeichen
S 7 U 34/13 (SG Schleswig)
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 8 U 32/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Ein Verwaltungsakt, der nach Gewährung einer der Höhe nach vorläufigen Verletztenrente als "Bescheid über die endgültige Festsetzung des Jahresarbeitsverdienstes" ergeht, ist unter Beachtung des Gebots effektiven Rechtsschutzes der Auslegung zugänglich. Er kann nach Lage des Einzelfalls als endgültige Entscheidung über das Verletztengeld angesehen werden.
2. Begehrt der Kläger wegen eines Jahresarbeitsverdienstes, der sich nach einem monatlichen Durchschnittseinkommen bemisst, eine höhere Verletztenrente, kommt als statthafte Klageart ausnahmsweise die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage in Gestalt der Bescheidungsklage in Betracht.
3. Die "Festsetzung" des monatlichen Durchschnittsentgelts (§ 92 Abs. 1 Satz 1 SGB VII) nach "Abschnitt G" der Beitragsübersicht Kleine Hochseefischerei und Küstenfischerei durch den zuständigen Ausschuss der BG Verkehr ist nicht ermächtigungskonform.
4. § 92 Abs. 4 und 5 SGB VII verlangen auch für die Kleine Hochsee- und die Küstenfischerei nach einem Durchschnittsentgelt, das durch den Ausschuss selbst abstrakt-generell und losgelöst vom individuellen Verdienst des jeweiligen Versicherten festgesetzt wird.
5. Die bloße Vorgabe von Berechnungskriterien, die der Sachbearbeitung die Bestimmung eines beschäftigtenindividuellen Durchschnittsentgelts ermöglichen, widerspricht dem Wortlaut des § 92 SGB VII, der Systematik des Dritten Abschnitts des Dritten Kapitels des SGB VII, der Entstehungsgeschichte und dem Sinn und Zweck der Regelung.
6. Die Festsetzung des monatlichen Durchschnittsentgelts durch den nach § 92 Abs. 4 SGB VII zu bildenden Ausschuss hat auf einem schlüssigen Konzept zu beruhen.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 27. Januar 2016 aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 16. Mai 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Februar 2013 und der Bescheid vom 25. Juni 2013 werden geändert. Die Beklagte wird dazu verpflichtet, über die Höhe der Verletztenrente unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Kläger gewährten Verletztenrente, ins-besondere über die Höhe des bei der Berechnung der Verletztenrente zugrunde zu legenden Jahresarbeitsverdienstes (JAV).

Der 1973 geborene Kläger war im Oktober 1994 im ersten Ausbildungsjahr einer Aus-bildung zum Fischwirt (Facharbeiter Deck) beim Fischereibetrieb K -H W in A (S ) beschäftigt. Er erhielt eine Ausbildungsvergütung von monatlich 420,00 DM netto. Die Tätigkeit übte er auf dem Schiff "G " aus, einem ca. 18 m langen Küstenfischereifahrzeug mit Grundscherschleppnetzen und ei-ner Bruttoraumzahl (BRZ) von 33 t.

Am 6. Oktober 1994 wurde ihm im Fischerhafen K bei Schweißarbeiten am Förderband ein Schweißgerät mit der Bitte gereicht, dieses beiseite zu stellen. Bei Be-rührung des unter Starkstrom stehenden Schweißgeräts bekam er einen Stromschlag. Der Kläger wurde von Arbeitskollegen in die M -Klinik in K gefahren. Der Durchgangsarzt Dr. K diagnostizierte dort eine hochfrequente Kam-mertachykardie nach Stromunfall mit unzureichendem Blutauswurf und Angina-Pektoris-Beschwerden. In der M -Klinik kam es nach Anlegen einer Infusion und anschließender Infusion vom 100 ml Natriumcarbonat zur Zunahme von Be-schwerden in beiden Schultern mit Ausstrahlung in die Arme und einem Gefühl des Zusammenziehens in der Enge sowie eines Gefühls des Bedrohtseins. Nach extratho-rakaler Herzmassage kam es zur Erholung, dann wieder zu einer Verschlechterung des Zustands. Der Kläger wurde von einem Hubschrauberarzt behandelt und dann der besseren Weiterversorgung wegen mit dem Rettungswagen in das M -L -Krankenhaus in S verbracht, wo er zur stationären Weiterbehand-lung bis 14. Oktober 1994 verblieb. Wegen der Einzelheiten wird auf den Durch-gangsarztbericht vom 6. Oktober 1994 und den Nachschaubericht vom 13. Oktober 1994 nebst Anlagen (Bl. 2 ff. der Leistungsakte) Bezug genommen.

Die See-Berufsgenossenschaft, eine Rechtsvorgängerin der Beklagten, gewährte dem Kläger seinerzeit Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung, insbesondere Verletztengeld bis zum 4. Januar 1995. Ein Rentenverfahren führte sie nicht durch.

Der Kläger setzte seine Ausbildung, die planmäßig zum 14. August 1997 geendet hät-te, infolge des erlittenen Arbeitsunfalls nicht fort.

Am 17. Juli 1997 wurde der Kläger mit einem Kollapszustand bei Enteritis und konse-kutiver Hyperventilationsstörung stationär im M -L -Krankenhaus auf-genommen. In dem Befund- und Behandlungsbericht über den Krankenhausaufenthalt vom 17. bis zum 28. Juli 1997 teilte Prof. Dr. S u.a. mit, dass es während des Aufenthalts wiederholt zu Erregungs- und Angstzuständen mit Verkrampfungen und Hyperventilation gekommen sei. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 304 f. der Leis-tungsakte Bezug genommen.

Am 11. April 2011 teilte der Kläger Beklagten mit, dass er wegen der Folgen des Ar-beitsunfalls immer wieder arbeitsunfähig sei. Er leide unter einer posttraumatischen Belastungsstörung.

Die Beklagte nahm daraufhin medizinische Ermittlungen auf und holte ein psychologi-sches Gutachten des Diplom-Psychologen G ein. Dieser ging in seinem schriftlichen Sachverständigengutachten vom 29. September 2011 davon aus, dass der Unfall vom 6. Oktober 1994 mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu einem psy-chischen Primärschaden im Sinne einer posttraumatischen Belastungsstörung (ICD-10: F 43.1) geführt habe. Der weitere Verlauf sei durch eine Ausweitung der Sympto-matik gekennzeichnet gewesen, geschuldet dem Umstand, dass es bis Ende 1997 nicht zu einer gezielten und umfänglichen psychotherapeutischen Intervention ge-kommen sei. Die Angst habe schließlich zu einer Panikstörung (ICD-10: F 41.0) sowie zu einer Hypochondrie (ICD-10: F 45.2) und später zu einer spezifischen Phobie (ICD-10: F 40.2) sowie zu einer Zwangsstörung (ICD-10: F 42.2) geführt. Darüber hinaus hätten die mit den genannten psychischen Reaktionen in Zusammenhang stehenden Einschränkungen der Lebensqualität zu einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig in einer leichten Episode (ICD-10: F 33.0) geführt. Eine differenzierte Feststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sei retrospektiv schwierig. Er empfehle jedoch für den Zeitraum vom 6. Oktober 1994 bis zum Zeitpunkt der Begut-achtung (23. August 2011) eine MdE von 30 v.H., danach von 20 v.H. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten (Bl. 185 ff. der Leistungsakte) Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 23. Februar 2012 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 20 v.H. beginnend ab 17. Juli 1997, die sie dem Kläger für Zeiträume ab 1. Januar 2007 auszahlte. Für Zeiträume davor berief sie sich auf Verjährung. Die Höhe der Rente wurde vorläufig mit 185,14 EUR bemes-sen. Dabei legte die Beklagte den Mindest-JAV zugrunde. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bewilligungsbescheid (Bl. 455 der Leistungsakte) Bezug genommen. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger keinen Widerspruch ein; ein später wegen der für Zeiträume vor dem 1. Januar 2007 erhobenen Verjährungseinrede gestellter Überprüfungsantrag blieb ohne Erfolg (Bescheid vom 19. November 2012, Wider-spruchsbescheid vom 28. Februar 2013).

Die Beklagte führte im Anschluss an die Erteilung des Bescheids vom 23. Februar 2012 Ermittlungen zum JAV durch. Dabei befragte sie sowohl den ehemaligen Arbeit-geber des Klägers, Herrn K -H W , als auch die eigene Mitglieder-abteilung. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 512 der Leistungsakte Bezug genom-men.

Mit Bescheid "über endgültige Feststellung des JAV" vom 16. Mai 2012 stellte die Be-klagte den JAV endgültig mit 28.224,00 DM fest. Zur Begründung wies sie darauf hin, dass vorliegend der Mindest-JAV greife, weil die für A im Zeitpunkt des vo-raussichtlichen Ausbildungsendes ermittelte Heuer mit ca. 22.800,00 DM niedriger gewesen sei. Im Einzelnen wird auf Bl. 517 ff. der Leistungsakte Bezug genommen.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 24. Mai 2012 Widerspruch ein und mach-te im Hinblick auf Auskünfte einzelner Fischereigenossenschaften (Fischereigenos-senschaft Fehmarn-Erzeugergemeinschaft e.G., Küstenfischer Nord e.G. in Heiligen-hafen) einen höheren JAV geltend. Heute seien Bruttogehälter von ca. 30.000,00 EUR erzielbar, wobei die Bruttogehälter erheblich zwischen 2.000,00 EUR und 5.000,00 EUR monatlich variierten, je nach Kuttergröße. Zwar lasse dies nur mittelbar Rückschlüsse auf das im Jahre 1997 zu erzielende Einkommen zu. Es sei aber jeden-falls von einem fortgeschriebenen JAV in Höhe von jetzt 30.000,00 EUR auszugehen.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 2013 zurück. Berechnungsgrundlage für eine aus der gesetzlichen Unfallversicherung ge-währte Verletztenrente sei neben dem Grad der MdE auch der JAV des Verletzten. Als JAV gelte gemäß § 82 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) im Re-gelfall der Gesamtbetrag der Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen des Versicherten in den zwölf Monaten vor dem Monat, in dem der Versicherungsfall eingetreten sei. Trete der Versicherungsfall während der Berufsausbildung ein, werde, wenn es für den Versicherten günstiger sei, der JAV von dem Zeitpunkt an neu festgesetzt, in dem die Ausbildung ohne den Versicherungsfall voraussichtlich beendet worden wäre. Der Neufestsetzung werde das Arbeitsentgelt zugrunde gelegt, das zu diesem Zeit-punkt für Personen gleicher Ausbildung und gleichen Alters durch Tarifvertrag vorge-sehen sei; bestehe keine tarifliche Regelung, sei das Arbeitsentgelt maßgebend, das für derartige Tätigkeiten am Beschäftigungsort des Versicherten gelte (§ 90 Abs. 1 SGB VII). Diese Regelung sei einschlägig. Der Kläger habe seine Ausbildung wegen der Folgen des Arbeitsunfalls nicht abschließen können. Ermittlungen hätten ergeben, dass es zum Zeitpunkt der voraussichtlichen Beendigung seiner Ausbildung keine ta-riflichen Regelungen zur Entlohnung von voll ausgebildeten Fischwirten (Facharbeiter Deck) gegeben habe, so dass allein auf die ortsübliche Entlohnung eines vergleichba-ren Versicherten abzustellen sei. Diesbezüglich seien Auskünfte der Landwirtschafts-kammer Schleswig-Holstein, des Landesfischereiverbandes Schleswig-Holstein und des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers eingeholt worden. Die Verbände hätten je-doch statistisch keine Daten erfasst und der ehemalige Arbeitgeber des Klägers habe im gesamten Jahr 1997 keine Fischwirte (Facharbeiter Deck) beschäftigt, so dass in-soweit keine Vergleichsmöglichkeiten vorlägen. Die Beklagte habe deshalb die für die Beitragsrechnung gemeldeten Entgelte von vergleichbaren Facharbeitern in vergleich-baren Fischereibetrieben herangezogen. Dabei habe die Heuer eines vergleichbaren Versicherten in einem vergleichbaren Betrieb (Fischkutter, ca. 17 m lang, Motorisie-rung ca. 160 kW, 2-Mann-Besatzung, Schleppnetzfischerei, westliche Ostseebereich, Hafen A ) im fraglichen Zeitraum in Höhe von 22.745,59 DM ermittelt werden können. Dieser Betrag liege deutlich unter dem Mindest-JAV. Eine weitere Erhöhung des JAV bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres am 5. Oktober 2003 gemäß § 90 Abs. 2 SGB VII komme ebenfalls nicht in Betracht. Deshalb sei der JAV endgültig in Höhe des zum Unfallzeitpunkt geltenden Mindest-JAV von 28.224,00 DM festzustel-len. Wegen der Einzelheiten wird auf den Widerspruchsbescheid (Bl. 738 der Leis-tungsakte) Bezug genommen.

Gegen den Bescheid vom 16. Mai 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Februar 2013 hat der Kläger am 28. März 2013 Klage beim Sozialgericht Schles-wig erhoben.

Der Kläger hat zur Begründung der Klage sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft und insbesondere beanstandet, dass die Beklagte für die Bestimmung des ortsüblichen Arbeitsentgelts den Verdienst lediglich eines einzigen vergleichbaren Versicherten zugrunde gelegt habe. Er hat die Einholung eines Sachverständigengut-achtens angeregt.

Während des erstinstanzlichen Verfahrens ist aufgrund eines Verschlimmerungsan-trags die Verletztenrente mit Bescheid vom 25. Juni 2013 mit Wirkung vom 1. März 2013 insoweit erhöht worden, als diese seither nach einer MdE von 30 v.H. gezahlt wird. Grundlage der Neubewertung der MdE ist ein Psychologisches Gutachten des Diplom-Psychologen G gewesen, der wegen einer wesentlichen Verschlim-merung der unfallbedingten Zwangsstörung und der Depression ab dem Zeitpunkt seiner Neubegutachtung am 3. April 2013 ein MdE von 30 v.H. vorgeschlagen hatte. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten (Bl. 794 ff. der Leistungsakte) Bezug genommen.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 16. Mai 2012 in der Fassung des Wider-spruchsbescheides vom 28. Februar 2013 zu ändern und in der Rentenberech-nung zugrunde gelegten Jahresarbeitsverdienst endgültig mit 30.000,00 EUR festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat auf den Inhalt seiner Bescheide Bezug genommen.

Mit Urteil vom 27. Januar 2016 hat das Sozialgericht Schleswig die Klage abgewie-sen. Die Beklagte habe in den angefochtenen Bescheiden, auf die nach Maßgabe des § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Bezug genommen werde, ausführlich und nachvollziehbar erläutert, auf welcher Grundlage die endgültige Festlegung des JAV in Höhe von 28.224,00 DM erfolgt sei. Die Ermittlungen des Gerichts hätten keine wei-tergehenden Erkenntnisse gebracht und zu keinem anderen Ergebnis geführt als dem, zu dem die Beklagte bereits im Vorverfahren gekommen sei. Soweit der Kläger einen JAV von 30.000,00 EUR behaupte, fehle es an einer rechtlich nachvollziehbaren Be-gründung. Es sei jedoch nach dem Grundsatz der objektiven Beweislastverteilung Aufgabe des Klägers, die anspruchsbegründenden Tatsachen darzulegen und zu be-weisen.

Gegen das ihm am 6. April 2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26. April 2016 Berufung beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts erhoben.

Zur Begründung hat er zunächst sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft, während sich auch die Beklagte zur Verteidigung auf den Inhalt ihrer Bescheide und ihr bisheriges Vorbringen Bezug genommen hat.

Nachdem die Beteiligten mit Schriftsätzen vom 10. Mai 2016 bzw. 4. Februar 2019 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter erklärt hatten, hat der Berichterstatter die Sache in der mündlichen Verhandlung vom 11. September 2019 mit der Maßgabe vertagt, dass die Sache durch den Senat entschieden werden solle. Dazu hat er in seiner Hinweisverfügung vom 12. September 2019 ausgeführt, dass eine Anwendung des § 92 SGB VII und damit die fiktive Festsetzung von Durch-schnittsheuern im Raum stehe und dass es alternativ sachgerecht sein könnte, im Wege einer vergleichsweisen Einigung auf die Heuer einer ungelernten Kraft (des Be-schäftigten B ) abzustellen, der in der zweiten Jahreshälfte 1997 im Fischerei-betrieb K -H W beschäftigt war. Wegen der Einzelheiten auf Bl. 165 ff. der Gerichtsakte Bezug genommen wird.

Der Kläger schließt sich im Wesentlichen diesen Hinweisen des Berichterstatters an. Es sei auch nicht nachvollziehbar, warum die Einkünfte des Beschäftigten B keinen sicheren Rückschluss auf fiktive Einkünfte zulassen sollten. Die Beklagte gehe offensichtlich davon aus, dass die Einkünfte aus Fischerei bei Aushilfen höher seien als die Einkünfte ausgebildeter Fachkräfte. Dies sei abwegig.

Er beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 27. Januar 2016 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 16. Mai 2012 in Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 28. Februar 2013 und den Bescheid vom 25. Juni 2013 zu än-dern und die Beklagte zu verpflichten, über die Höhe der Verletztenrente unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass Fischwirte zu den Seeleuten im Sinne des § 13 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) gehörten und Fischkutter Seeschiffe im Sin-ne des § 13 Abs. 2 SGB IV seien. Dies habe in der Tat zur Folge, dass auch für See-leute in der Küstenfischerei grundsätzlich § 92 SGB VII Anwendung finde. Dies gelte auch für die nach § 92 Abs. 4 SGB VII zu bildenden Durchschnittsheuern, die vom zuständigen Ausschuss der Vertreterversammlung der Beklagten festgesetzt würden. Dieser Ausschuss habe in seiner Sitzung vom 23. November 1992 beschlossen, die Anwendung des "Abschnitts G" auf die Betriebe der Kleinen Hochsee- und Küstenfi-scherei auszudehnen. Die Durchschnittsheuer werde danach auf Basis der tatsächlich gezahlten Bruttoentgelte jeden Monat neu vom Arbeitgeber nach diesen Berech-nungsvorgaben ermittelt. Maßgebend sei demnach der tatsächlich erzielte Verdienst. Eine Beitragsübersicht entsprechend "Abschnitt A/B" gebe es für die Betriebe der Kleinen Hochsee- und Küstenfischerei nicht. Hintergrund für die in der Kleinen Hoch-see- und Küstenfischerei geltende Durchschnittsheuerregelung sei die Tatsache, dass in diesem Bereich keine Tarifverträge Anwendung fänden. Die Verdienste schwankten von Betrieb zu Betrieb erheblich, so dass auch keine allgemein gültigen Durch-schnittswerte festgesetzt werden könnten. Die Bruttogehälter würden in beträchtli-chem Umfang durch die Fangerlöse beeinflusst, die wiederum von unterschiedlichen Faktoren abhängig seien. Die Grundsätze für Unternehmen der Seefahrt, deren Be-schäftigte klassische "Festheuern" erhielten, könnten deshalb im Bereich der Kleinen Hochsee- und Küstenfischerei keine Anwendung finden. Beim Kläger sei eine JAV-Berechnung nach § 90 Abs. 1 i.V.m. § 92 Abs. 1 SGB VII nicht möglich, da letztend-lich kein tatsächlich erzielter Verdienst des Versicherten vorliege und deshalb auch kein Durchschnittsentgelt errechnet werden könne. Wenn auf die Gesetzesbegrün-dung des historischen Gesetzgebers abgestellt werde, müssten die Unterschiede zwi-schen der Kleinen Hochsee- und Küstenfischerei einerseits und der Kauffahrtei und Großen Hochseefischerei andererseits in Betracht gezogen werden. Nur bei letzterer könne es unterschiedliche Verdienste aufgrund in- und ausländischer Häfen geben. Die Tarifstrukturen, die bei der Festsetzung der Durchschnittsheuer zugrunde zu le-gen seien, enthielten auch entsprechende Unterscheidungen nach Fahrgebieten und Schiffsgrößen. Derartige Unterscheidungen gebe es in der Kleinen Hochsee- und Küstenfischerei nicht. Hier schwankten die Bruttoentgelte bereits monatlich bei ein und demselben Arbeitgeber, so dass ein fester Durchschnittswert zu erheblichen Un-gerechtigkeiten sowohl in der Beitragsberechnung als auch auf der Leistungsseite füh-ren würde. Daher müsse die Durchschnittsheuer jeden Monat neu aufgrund der tat-sächlichen Verdienste im Einzelfall gebildet werden, um der angemessenen sozialen Absicherung des Seemanns gerecht zu werden. Es könne schließlich auch keine Ver-gleichbarkeit des von Herrn B als Hilfskraft an Deck im Zeitraum 21. August 1997 bis 31. Dezember 1997 erzielten Verdienstes mit einem Verdienst eines fiktiv im August 1997 angestellten Fischwirts im Unfallbetrieb hergestellt werden. Der fiktive Verdienst eines Fischwirts im Unfallbetrieb im August 1997 könne aufgrund diverser Umstände vom tatsächlichen Verdienst einer Hilfskraft erheblich abweichen. Letztlich könnten keine verlässlichen Rückschlüsse aus dem Verdienst des Herrn B für den Kläger gezogen werden, weil der Verdienst eines Fischwirts in der Küstenfi-scherei insbesondere von der Größe der Besatzung, der erzielten Fangquote sowie dem Verkaufspreis für den gefangenen Fisch abhänge. Darüber hinaus sei nicht be-kannt, welchen Verdienst Herr B in den jeweiligen Monaten September bis Dezember 1997 bzw. dem Teilmonat August 1997 gehabt habe. Auch hier habe es zu erheblichen Schwankungen von Monat zu Monat kommen können.

Dem Senat haben die Leistungsakten der Beklagten vorgelegen. Auf diese Akten und auf die Gerichtsakte wird wegen des der Entscheidung zugrunde liegenden Sachver-halts ergänzend Bezug genommen. Dem Senat haben ferner vorgelegen die vom Ausschuss der Beklagten zur Festsetzung der seemännischen Durchschnittsheuern und Durchschnittsjahreseinkommen (§ 92 Abs. 4 SGB VII) beschlossenen Beitrags-übersichten Kauffahrtei und Große Seeschifffahrt einerseits sowie Kleine Seeschiff-fahrt und Küstenfischerei andererseits in der Fassung Stand: 1. Januar 2019, die vom Senat und vom Beklagten zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind. Dem Senat haben ferner vorgelegen die Niederschriften über die Sitzun-gen des Ausschusses zur Festsetzung der seemännischen Durchschnittsheuern vom 23. November 1992 und 8. März 1993. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 204 ff. der Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet in Vollbesetzung (§ 33 Abs. 1 Satz 1 SGG), obwohl sich die Beteiligten mit Schriftsätzen vom 10. Mai 2016 und 4. Februar 2019 mit einer Ent-scheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt hatten (§ 155 Abs. 3 und 4 SGG) und dieser zunächst auch einen Termin zur mündlichen Verhandlung am 11. September 2019 durchgeführt hatte. Die Entscheidung in Vollbesetzung ist, wo-rauf der Berichterstatter die Beteiligten bereits im Termin am 11. September 2019 hingewiesen hatte, wegen der sich stellenden Fragen von grundsätzlicher Bedeutung zur Gewährleistung des Rechts auf den gesetzlichen Richter erforderlich.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht erhoben worden (§ 151 Abs. 1 SGG). Sie ist zulassungsfrei statthaft, weil die Beteiligten – dazu im Einzelnen so-gleich – im Höhenstreit über eine laufende Geldleistung (Verletztenrente) streiten, die für mehr als ein Jahr gezahlt worden ist und wird und auch für diesen Zeitraum in Streit steht (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Im Übrigen wäre bei überschlägiger Wür-digung aber auch die Wertgrenze von 750,00 EUR (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) deutlich überschritten.

Die Berufung ist auch begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Klage vom 28. März 2013 mit dem angefochtenen Urteil vom 27. Januar 2016 in vollem Umfang abgewiesen.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens sind zunächst der Bescheid der Beklagten vom 16. Mai 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Februar 2013 so-wie der Anspruch des Klägers auf Neufestsetzung der Höhe des Rentenanspruchs. Gegenstand bereits des Klageverfahrens ist außerdem der Bescheid der Beklagten vom 25. Juni 2013 über die Erhöhung der Verletztenrente ab 1. März 2013 geworden, weil dieser Bescheid, der nach Erlass des Widerspruchsbescheids ergangen ist, den angefochtenen Bescheid aus den sogleich noch darzulegenden Gründen abgeändert hat (§ 96 Abs. 1 SGG).

Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere als kombinierte Anfechtungs- und Ver-pflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) statthaft.

Zunächst unterliegen der Bescheid vom 16. Mai 2012 und der Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 2013 (sowie der Bescheid vom 25. Juni 2013) der Anfechtung. Zwar hat die Beklagte bei allein wortlautorientierter Auslegung ihres Bescheids vom 16. Mai 2012 (nur) über den JAV entschieden ("Bescheid über die endgültige Feststellung des Jahresarbeitsverdienstes"), obwohl der JAV nach höchstrichterlicher Rechtspre-chung der isolierten Elementenfeststellung nicht zugänglich ist und die Feststellung oder Neufeststellung eines JAV daher grundsätzlich mangels unmittelbarer Rechts-wirkung nach außen kein mit der Anfechtungsklage anfechtbarer oder mit der Ver-pflichtungsklage einklagbarer Verwaltungsakt i.S. des § 31 Satz 1 Zehntes Buch So-zialgesetzbuch (SGB X) sein kann (BSG, Urteile vom 18. September 2012 – B 2 U 14/11 R – juris Rn. 18 und vom 23. Juli 2015 – B 2 U 9/14 RBSGE 119, 210 = SozR 4-2700 § 82 Nr 1, juris Rn. 11).

Der angefochtene Bescheid ist jedoch der Auslegung zugänglich, der es im Lichte der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz [GG]) angesichts der Umstände des Einzelfalls auch bedarf. Der Senat vermag den Bescheid vom 16. Mai 2012 nur so zu verstehen, als dass die Beklagte damit die mit Bescheid vom 23. Februar 2012 – wegen der noch nicht abgeschlossenen Ermittlungen über den JAV – der Höhe nach zunächst nur vorläufig bewilligte Verletztenrente wegen der inzwischen durchgeführten Ermittlungen zum JAV endgültig festsetzen wollte und sich lediglich untechnisch auf Ausführungen zum JAV als dem einzigen für sie noch offenen Merk-mal des Anspruchs beschränkt hat. Dafür spricht ganz maßgeblich auch, dass die Beklagte selbst im Laufe des Verfahrens wiederholt auf die Einbeziehung des Be-scheids vom 25. Juni 2013 gedrungen hat, mit dem sie dem Kläger (wegen der Aner-kennung einer inzwischen höheren MdE von 30 v.H.) eine höhere Rente gewährt hat. Die Einbeziehung nach § 96 Abs. 1 SGG kommt aber nur in Betracht, wenn der neue Bescheid während des Klageverfahrens den angefochtenen Bescheid ändert oder er-setzt. Diese Voraussetzungen sind indes nur dann gegeben, wenn auch der ange-fochtene Bescheid bereits die Höhe der Verletztenrente geregelt hat, denn der JAV ist durch den Bescheid vom 25. Juni 2013 nicht geändert worden.

Soweit der Kläger über die Aufhebung der angefochtenen Bescheide hinaus der Sa-che nach letztlich eine höhere Verletztenrente begehrt, ist hingegen ausnahmsweise nicht die (unechte) Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG), sondern (nur) die Verpflich-tungsklage in Gestalt der Verpflichtungsbescheidungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) statthaft. Dem Senat ist es hier ausnahmsweise verwehrt, die Höhe der Verletztenren-te selbst zu bestimmen, weil – dies wird im Einzelnen später ausgeführt – eines der beiden Berechnungselemente, der JAV, vorliegend aufgrund eines Durchschnittsent-gelts zu bestimmen ist, das gemäß § 92 Abs. 4 SGB VII von einem von der Vertreter-versammlung der Beklagten zu bildenden Ausschuss festzusetzen ist. Der Senat sieht sich außerstande, sich über diese Befugnis zur autonomen Rechtssetzung hinwegzu-setzen und das für die hier in Rede stehende Fiktivbemessung erforderliche Durch-schnittsentgelt selbst zu ermitteln. Es kann deshalb nur die Verpflichtung der Beklag-ten begehrt werden, über die Höhe der Verletztenrente unter Beachtung der Rechts-auffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

In diesem Sinne ist die Klage auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 16. Mai 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Februar 2013 und der Bescheid vom 25. Juni 2013 sind rechtswidrig und beschweren den Kläger. Er hat ge-gen die Beklagte einen Anspruch darauf, dass diese – nach vorheriger Festsetzung des monatlichen Durchschnittsentgelts durch den von der Vertreterversammlung der Beklagten gebildeten Ausschuss zur Festsetzung der seemännischen Durchschnitts-heuern und zur Festsetzung des Durchschnitts der Jahreseinkommen, der die rechtli-chen Vorgaben aus diesem Urteil zu beachten haben wird – über die Höhe seiner Ver-letztenrente erneut entscheidet.

Der Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Verletztenrente folgt aus § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Diese Vorschrift findet nach Maßgabe des § 214 Abs. 3 Satz 1 SGB VII Anwendung, obwohl der Versicherungsfall (hier: der Arbeitsunfall vom 6. Oktober 1994) vor Inkrafttreten des SGB VII zum 1. Januar 1997 eingetreten ist. Denn die Rente war zur Überzeugung des erkennenden Gerichts erst zum 17. Juli 1997 und damit nach Inkrafttreten des SGB VII erstmals festzusetzen. Der Senat folgt damit der gutachterlichen Bewertung des Diplom-Psychologen G , der den Nachweis der von ihm diagnostizierten Gesundheitsstörungen erst mit dem Befundbe-richt von Prof. Dr. S über den Krankenhausaufenthalt vom 17. bis zum 28. Juli 1997 für gegeben erachtet.

Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Der Kläger erlitt nach Überzeugung des erkennenden Senats am 6. Oktober 1994 ei-nen versicherten Arbeitsunfall, als er das unter Starkstrom stehende Schweißgerät berührte. Die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls (§ 8 Abs. 1 SGB VII) sind gege-ben: Die Schweißarbeiten am Förderband standen in innerem Zusammenhang mit der versicherten Beschäftigung (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Das Entgegennehmen des Schweißgeräts führte infolge des Stromschlags zu einer körperlichen Einwirkung (Wirkursache) und diese wiederum zu einem Gesundheitserstschaden (hochfrequente Kammertachykardie). Versicherte Tätigkeit, Einwirkung und Gesundheitserstschaden sind nach Überzeugung des Senats im Vollbeweis, die Ursachenzusammenhänge – im Sinne der Theorie von der wesentlichen Bedingung – zumindest mit Wahrschein-lichkeit gesichert. Dies alles steht zwischen den Beteiligten letztlich außer Streit.

Die Erwerbsfähigkeit des Klägers ist durch den Arbeitsunfall auch über die 26. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus um mindestens 20 v.H. gemindert. Auch insoweit folgt der Senat dem schlüssigen und in jeder Hinsicht nachvollziehbaren Sachverständi-gengutachten des Diplom-Psychologen G vom 29. September 2011, der als Unfallfolge eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) (ICD-10: F 43.1), eine Panikstörung (ICD-10: F41.0), eine Hypochondrie (ICD-10: F45.2), eine spezifische Phobie (ICD-10: F 40.2) sowie Zwangsgedanken und -handlungen, gemischt (ICD-10: F 42.2) rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig in einer leichten Episode (ICD-10: F 33.0) festgestellt und angesichts dieser Gesundheitsstörungen über den gesamten Zeitraum hinweg von einer MdE von wenigstens 20 v.H. ausgegangen ist. Herr G hat dabei nachvollziehbar insbesondere auf die Wiederinszenierung der Durchströmung sowie der darauf folgenden intensivmedizinischen Behandlung (PTBS) und die sich in der Folge entwickelnde Angst abgehoben, an plötzlichem Herzversagen sterben zu können. Er hat seine Einschätzung zudem mit den Zwangs-handlungen begründet, denen die Funktion zukomme, kurzzeitig die Angst vor einer erneuten Durchströmung zu kontrollieren. Angesichts der in der Literatur vertretenen Richtwerte, die bei dem üblichen Störungsbild einer PTBS von einer MdE bis 30 v.H., bei einer Panikstörung mit zeitlich begrenzten Angstattacken mit mäßiggradiger Aus-wirkung von einer MdE von 20 v.H. und bei spezifischen Phobien von einer MdE zwi-schen 10 und 30 v.H. ausgehen – hier dürfte ein Wert von 15 v.H. nachvollziehbar sein – (vgl. zum Ganzen Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufs-krankheit, 9. Aufl. 2017, S. 170 f.), ist die Einschätzung einer MdE in rentenberechti-gendem Grade absolut nachvollziehbar.

Besteht danach dem Grunde nach Anspruch auf eine Verletztenrente, bestimmt sich die Höhe von § 56 Abs. 3 SGB VII. Danach wird bei Verlust der Erwerbsfähigkeit Voll-rente geleistet; sie beträgt zwei Drittel des Jahresarbeitsverdienstes. Bei einer Minde-rung der Erwerbsfähigkeit wird Teilrente geleistet; sie wird in der Höhe des Vomhun-dertsatzes der Vollrente festgesetzt, der dem Grad der MdE entspricht. Ob der Kläger danach Anspruch auf eine höhere als die ihm mit den angefochtenen Bescheiden be-willigte Verletztenrente hat, kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Er kann lediglich Feststellungen zur Höhe der MdE treffen. Für die eigenständige Feststellung des JAV, dessen Ermittlung von einer autonomen Entscheidung des Ausschusses der Beklagten abhängig ist, fehlt ihm die Sachlegitimation. Der Senat ist allerdings davon überzeugt, dass die Bestimmung des JAV durch den Beklagten nicht den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Die Beklagte wird deshalb unter Beachtung der Rechtsauffas-sung des Gerichts über die Höhe des JAV neu zu entscheiden haben.

Die MdE ist für den Zeitraum ab Rentenbeginn bis März 2013 nach Überzeugung des Senats mit 20 v.H., für Zeiträume ab April 2013 mit 30 v.H. zu bemessen. Der Senat folgt auch insoweit grundsätzlich den schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten des Sachverständigen G vom 29. September 2011 und 10. Juni 2013. We-gen des Zeitraums bis März 2013 wird auf die obigen Ausführungen zum Gutachten vom 29. September 2011 Bezug genommen. Wie die Beklagte vermag allerdings auch der Senat dem Diplom-Psychologen G nicht in der Einschätzung zu fol-gen, dass die MdE von 1997 bis zum Tag der Begutachtung im August 2011 30 v.H. und danach 20 v.H. betragen habe. Für eine derartige Differenzierung finden sich in den Akten keine hinreichend aussagekräftigen Befunde. Deshalb kann nicht ohne Weiteres, und ohne dass Tatsachen eine signifikante Verbesserung der Erwerbsfä-higkeit belegen würden, für die Vergangenheit eine höhere MdE anerkannt werden als die, die in der Begutachtungssituation festgestellt worden ist. Nachvollziehbar ist Herr G dagegen im Rahmen der Neubegutachtung am 10. Juni 2013 zu einer MdE von 30 v.H. seit seiner Untersuchung am 3. April 2013 gelangt, weil er bei im Wesent-lichen unveränderten Auswirkungen der PTBS, der Panikstörung, der allgemeinen Krankheitsangst und der spezifischen Phobie eine Verschlimmerung der Zwangs-symptomatik mit zunehmender Beeinträchtigung von Aktivität und Teilhabe und einer Verschlimmerung auch im Bereich der Depressivität (derzeit mittelgradige depressive Episode) ausgegangen ist. Auch dies lässt sich anhand der Erfahrungs- bzw. Richt-werte (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 170 f.) sehr gut nachvollziehen.

Soweit die Beklagte den JAV in Höhe des Mindest-JAV zugrunde gelegt hat, ent-spricht dies jedenfalls in der Art und Weise der Ermittlung nicht den gesetzlichen Vor-gaben. Dies ist deshalb erheblich und führt zur Aufhebung der angefochtenen Ent-scheidungen als rechtswidrig, weil nicht auszuschließen ist, dass bei einer den ge-setzlichen Vorgaben entsprechenden Bemessung ein höherer JAV zu berücksichtigen und dem Kläger folgerichtig eine höhere Verletztenrente zu gewähren wäre.

Auch für die Bemessung des JAV gelten die Bestimmungen des SGB VII (§§ 81 ff. SGB VII) und nicht diejenigen der Reichsversicherungsordnung (RVO), obwohl der Versicherungsfall am 6. Oktober 1994 und damit zu einer Zeit eingetreten ist, in der noch die RVO galt. Gemäß § 214 Abs. 2 Satz 1 SGB VII sind die Regelungen des SGB VII über den JAV anzuwenden, wenn die erstmalige Festsetzung des JAV nach Inkrafttreten des SGB VII zum 1. Januar 1997 erfolgt ist. Das ist hier mit der erstmali-gen Feststellung durch den Bescheid vom 23. Februar 2012 bzw. den angefochtenen Bescheid vom 16. Mai 2012 der Fall.

Nach § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ist der JAV grundsätzlich der Gesamtbetrag der Ar-beitsentgelte (§ 14 Sozialgesetzbuch Viertes Buch [SGB IV]) und Arbeitseinkommen (§ 15 SGB IV) des Versicherten in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist. Für Zeiten, in denen der Versicherte in dem in Absatz 1 Satz 1 genannten Zeitraum kein Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen bezogen hat, wird gemäß § 82 Abs. 2 Satz 1 SGB VII das Arbeitsentgelt oder Ar-beitseinkommen zugrunde gelegt, das seinem durchschnittlichen Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen in den mit Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen belegten Zeiten dieses Zeitraums entspricht. Der JAV beträgt gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VII jedoch für Versicherte, die – wie vorliegend der Kläger – im Zeitpunkt des Versi-cherungsfalls das 18. Lebensjahr vollendet haben, mindestens 60 v.H. der im Zeit-punkt des Versicherungsfalls maßgebenden Bezugsgröße (Mindest-JAV). Tritt der Versicherungsfall, wie im Falle des Klägers, während einer Schul- oder Berufsausbil-dung ein, wird der JAV, wenn es für die Versicherten günstiger ist, von dem Zeitpunkt an neu festgesetzt, in dem die Ausbildung ohne den Versicherungsfall voraussichtlich beendet worden wäre oder bei einem regelmäßigen Verlauf der Ausbildung tatsächlich beendet worden ist. Der Neufestsetzung wird das Arbeitsentgelt zugrunde gelegt, das in diesem Zeitpunkt für Personen gleicher Ausbildung und gleichen Alters durch Tarif-vertrag vorgesehen ist; besteht keine tarifliche Regelung, ist das Arbeitsentgelt maß-gebend, das für derartige Tätigkeiten am Beschäftigungsort der Versicherten gilt (§ 90 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB VII).

Nach Maßgabe dieser Kriterien hat die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden den JAV in Höhe des Mindest-JAV (28.224,00 DM) berücksichtigt, weil nach ihren Ermittlungen das ortsübliche Arbeitsentgelt in A für einen Facharbeiter Deck im Zeitpunkt des voraussichtlichen Ausbildungsendes des Klägers im August 1997 un-ter diesem Betrag gelegen habe. Dabei hat die Beklagte die Anwendbarkeit des § 92 SGB VII verkannt.

Nach § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB VII gilt als JAV für Versicherte, die an Bord eines See-schiffs beschäftigt sind, das Zwölffache des nach Abs. 2 oder 4 festgesetzten monat-lichen Durchschnitts des baren Entgelts einschließlich des Durchschnittssatzes des Werts der auf Seeschiffen gewährten Beköstigung oder Verpflegungsvergütung (Durchschnittsentgelt) zur Zeit des Versicherungsfalls. Diese Vorschrift ist vorliegend anwendbar mit der Folge, dass der nach Maßgabe des Durchschnittsentgelts be-stimmte JAV der vorliegend vorzunehmenden Fiktivberechnung nach § 90 Abs. 1 SGB VII zugrunde zu legen ist.

Der Kläger ist als Versicherter an Bord eines Seeschiffs beschäftigt gewesen. Als deutsche Seeschiffe gelten gemäß § 13 Abs. 2 SGB IV alle zur Seefahrt bestimmten Schiffe, die berechtigt sind, die Bundesflagge zu führen. Ein Schiff ist jeder schwimm-fähige Hohlkörper von nicht ganz unbedeutender Größe, der fähig und dazu bestimmt ist, auf oder auch unter dem Wasser fortbewegt zu werden und dabei Personen oder Sachen zu tragen (vgl. Grimmke in: jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 13 Rn. 19 m.w.N.). Seeschiffe sind nach § 1 Abs. 1 Flaggenrechtsgesetz (FlaggRG) alle Kauf-fahrteischiffe und sonstigen zur Seefahrt bestimmten Schiffe. Davon ausgenommen sind lediglich festliegende Feuer- oder Museumsschiffe (Grimmke, a.a.O.). Daran gemessen ist auch der Kutter, auf dem der Kläger beschäftigt gewesen ist, sowohl Schiff als auch Seeschiff, weil er zur Seefahrt, d.h. zur Fahrt auf dem Meer und nicht lediglich auf Binnengewässern, bestimmt gewesen ist. Dass der Kutter lediglich der Küsten- und nicht der Hochseefischerei gedient hat, ist für die Eigenschaft als See-schiff unerheblich. Auch die Beklagte geht deshalb inzwischen ohne Weiteres von der Anwendbarkeit des § 92 SGB VII aus.

Das für die Personengruppe der auf Seeschiffen beschäftigten Versicherten für den JAV zu Grunde zu legende Durchschnittsentgelt wird gemäß § 92 Abs. 4 SGB VII von einem Ausschuss festgesetzt, den die Vertreterversammlung bildet. Die Festsetzung erfolgt im Bereich gleicher Tätigkeiten einheitlich für den Geltungsbereich des SGB VII (§ 92 Abs. 5 Satz 1 SGB VII). Bei der Festsetzung werden die zwischen Reedern und Vereinigungen seemännischer Arbeitnehmer abgeschlossenen Tarifverträge be-rücksichtigt (§ 92 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 1 SGB VII). Für die in § 92 Abs. 1 SGB VII genannten Versicherten, die neben dem baren Entgelt, der Beköstigung oder Verpfle-gungsvergütung regelmäßige Nebeneinnahmen haben, wird auch deren durchschnitt-licher Geldwert bei der Festsetzung des Durchschnitts eingerechnet (§ 92 Abs. 5 Satz 3 SGB VII).

Die durch den Ausschuss zur Festsetzung der seemännischen Durchschnittsheuern und zur Festsetzung des Durchschnitts der Jahreseinkommen (§ 92 Abs. 4 SGB VII) der Beklagten erfolgte Umsetzung dieses Regelungsauftrags ist nach Überzeugung des Senats nicht ermächtigungskonform.

Anders als in der Kauffahrtei und in der Großen Hochseefischerei, für die die Beklagte "echte" Durchschnittsheuern festsetzt (vgl. Beitragsübersicht Kauffahrtei und Große Hochseefischerei, Stand 1. Januar 2019, S. 30 ff.), hat sich der Ausschuss zur Fest-setzung der seemännischen Durchschnittsheuern und zur Festsetzung des Durch-schnitts der Jahreseinkommen (§ 92 Abs. 4 SGB VII) für die Kleine Hochsee- und die Küstenfischerei für ein anderes System entschieden. Dort werden seit dem Beschluss des Ausschusses vom 23. November 1992 die Durchschnittsheuern nach "Abschnitt G" der Beitragsübersicht zur Grundlage (auch) für die leistungsrechtliche Bestimmung der Durchschnittsheuern zur Festsetzung des Jahresarbeitsverdienstes erhoben (vgl. Beitragsübersicht Kleine Hochseefischerei und Küstenfischerei Stand 1. Januar 2019, S. 7 ff. und 28 ff.). Die beitragsrechtlichen Bestimmungen werden ohne Modifikation in den leistungsrechtlichen Kontext der Bestimmung des JAV übertragen. Angeknüpft wird dabei an den tatsächlichen Verdienst des jeweils individuell Beschäftigten in ei-nem regelmäßig mindestens dreimonatigen Zeitraum. Die in der Beitragsübersicht ge-regelten Berechnungsmodalitäten erlauben es der sachbearbeitenden Person, für die-sen Zeitraum ein – beschäftigtenindividuelles – Durchschnittsentgelt zu berechnen, das die sachbearbeitende Person dann mit einer in der Beitragsübersicht abgebildeten Tabelle abgleichen kann, die bestimmte Einkommenskorridore und für jeden dieser Korridore jeweils wieder einen mittelnden Durchschnittswert vorsieht, um auf diese Weise zu einem pauschalierten Durchschnittswert zu gelangen. Die so gebildete Durchschnittsheuer hängt damit sehr stark vom individuellen Verdienst des Beschäf-tigten und vom durch den Arbeitgeber gewählten Beitragsabrechnungszeitraum ab.

Diese Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben steht weder mit dem Wortlaut des § 92 SGB VII noch mit der Systematik des Dritten Abschnitts des Dritten Kapitels des SGB VII noch mit der Entstehungsgeschichte der Vorschrift des § 92 SGB VII und dessen Sinn und Zweck in Einklang.

Zunächst verlangt es bereits der Wortlaut des § 92 Abs. 4 SGB VII, dass das monat-liche Durchschnittsentgelt durch den Ausschuss "festgesetzt" wird. Die Festsetzung erfolgt nach § 92 Abs. 5 Satz 1 SGB VII "im Bereich gleicher Tätigkeiten einheitlich für den Geltungsbereich dieses Gesetzes." Beiden Anforderungen wird "Abschnitt G" der Beitragsübersicht nicht gerecht.

So findet bereits eine Beitragsfestsetzung nicht statt. Die Beitragsübersicht bestimmt lediglich abstrakte Berechnungsfaktoren und -modalitäten für die Festsetzung eines Durchschnittsentgelts durch die Sachbearbeitung im Einzelfall, wobei die in der Bei-tragsübersicht geregelte D-Heuer auch keinen Durchschnitt abbildet, sondern lediglich eine beitragsrechtlichen Interessen geschuldete monatliche Pauschalierung.

Es findet auch keine einheitliche Festsetzung im Bereich gleicher Tätigkeiten statt. Die Kommentarliteratur verlangt insoweit eine Differenzierung nach der Art der Tätig-keit und benennt als Differenzierungskriterien beispielhaft die Größe des Schiffs, den Fahrbereich, die Dienststellung der Besatzungsmitglieder und deren Fahrzeit (Sch-mitt, SGB VII, 4. Aufl. 2009, § 92 Rn. 10; Keller in: Hauck/Noftz, SGB VII, § 92 Rn. 10; Woelki in: jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 92 Rn. 17).

Eine solche Differenzierung gibt es für die Kleine Hochseefischerei und Küstenfische-rei nach "Abschnitt G" nicht und sie würde nach der Konzeption der Beklagten für die-sen Bereich auch keinen Sinn machen, da die Bildung des (vermeintlichen) "Durch-schnittsentgelts" ja nach dem jeweils individuellen Verdienst bemessen wird. Folglich gilt die herangezogene Tabelle im "Abschnitt G" denn auch unterschiedslos für alle Fahrzeuge im Bereich der Kleinen Hochsee- und der Küstenfischerei ohne Rücksicht auf Größe und Ausstattung und für alle Arbeitnehmer von Kapitän über Nautischen und Technischen Offizier, Bestmann, Fischwirt, Matrose, Gehilfe, Deckshelfer, Moto-ren- und Maschinenwärter, Netzmacher, Koch, Leichtmatrose bis zum Auszubilden-den. Dieses System mag im Rahmen der Beitragserhebung, für die es originär ge-schaffen worden ist, sachgerecht erscheinen; mit dem Wortlaut des § 92 Abs. 4 SGB VII geht es nicht konform.

Das Durchschnittsentgelt auf diese Weise zu bestimmen, läuft auch der Systematik des den JAV betreffenden Dritten Abschnitts des Dritten Kapitels zuwider. Zunächst ist eine Sonderregelung, als die sich der § 92 SGB VII darstellt ("Vierter Unterab-schnitt. Besondere Vorschriften für die Versicherten der See-Berufsgenossenschaft und ihre Hinterbliebenen") nur dann überhaupt sinnvoll, wenn mit ihr vom Regelsys-tem signifikant abgewichen wird. Dies ist bei der Bestimmung des JAV auf Grundlage eines nach "Abschnitt G" der Beitragsübersicht gebildeten JAV aber gerade nicht der Fall. Auch § 82 Abs. 1 SGB VII knüpft an das in den letzten zwölf Kalendermonaten vor dem Versicherungsfall versichertenindividuell erzielte Arbeitsentgelt an. Auch hier wird nach § 82 Abs. 2 Satz 1 SGB VII das in diesem Zeitraum erzielte monatliche Durchschnittseinkommen fiktiv auch für Zeiträume zugrunde gelegt, in denen kein Ar-beitsentgelt erzielt worden ist. Die Beitragsübersicht nach "Abschnitt G" unterscheidet sich davon nicht grundlegend; wo sie sich unterscheidet, kommt sie allerdings (bei für die Beitragsergebung billigen Ergebnissen) zu leistungsrechtlich eher unbilligen, weil willkürlichen Ergebnissen.

Insoweit ist im systematischen Kontext insbesondere zu berücksichtigen, dass die Be-rechnung des fiktiven JAV nach Maßgabe des § 90 Abs. 1 SGB VII mit dem seitens der Beklagten in dieser Weise ermittelten JAV nicht möglich ist – dies räumt grund-sätzlich auch die Beklagte ein –; es ist aber davon auszugehen, dass der Gesetzge-ber ein zumindest innerhalb eines Abschnitts konsistentes System hat schaffen wol-len.

Gegen die Bestimmung des Durchschnittsentgelts nach dem individuellen Durch-schnitt der monatlichen Heuern der jeweiligen Person und für die Bestimmung nach dem Durchschnitt innerhalb der jeweiligen Berufsgruppe spricht auch die Entste-hungsgeschichte der Vorschrift. § 92 SGB VII geht wie seine Vorgängervorschriften (§§ 841 Abs. 1, 842 Abs. 1 RVO in der letzten Fassung, § 1067 RVO 1911; § 10 Ge-setz, betreffend die Unfallversicherung der Seeleute und anderer bei der Seeschiffahrt betheiligten Personen [SUVG] 1900) zurück auf § 6 SUVG in der Fassung des Ge-setzes vom 13. Juli 1887 (RGBl. 1887, S. 329). Der historische Gesetzgeber des SUVG 1887 hat in der Gesetzesbegründung die mit der Vorschrift verfolgte Zweck-setzung wie folgt zusammengefasst (Verhandlungen des Reichstags 1887, 1, Akten-stück Nr. 6, S. 51 f.):

"Der Grund hierfür [für die Einführung von Durchschnittsheuern] liegt aber nicht, wie bei der Land- und Forstwirthschaft, in der durchschnittlichen Gleichheit der ge-zahlten Löhne, sondern umgekehrt in der außerordentlichen Verschiedenheit der in den verschiedenen Seestädten des Inlandes und des Auslandes an Seeleute der-selben Kategorie gezahlten Heuer. ( ) Es wäre unbillig, bei einem Betriebsunfall die Jahresrenten auf einer so unsicheren, dem Zufall unterliegenden Grundlage, wie es hiernach der thatsächliche Verdienst des Verunglückten zu sein pflegt, zu berechnen. Durchschnittssätze dagegen stellen wenigstens annährend denjenigen Betrag dar, auf welchen bei normalen Verhältnissen Seeleute rechnen können."

Diese Gesetzesbegründung lässt erkennbar darauf schließen, dass die Durch-schnittsheuern nach dem Durchschnittsverdienst in der jeweiligen Berufsgruppe gebil-det werden sollten, und zwar für den Bereich der gesamten deutschen Küste einheit-lich. Hintergrund sind soziale Beweggründe gewesen. Es sollte für die Versorgung nach einem Arbeitsunfall nicht vom Zufall abhängen, ob der Seemann zufällig gerade auf dem Schiff eines gut oder eines schlecht zahlenden Reeders angeheuert hatte.

Zwar galt das SUVG 1887 nicht für die Küstenfischerei, wie insgesamt Fischer in die-ses Gesetz noch nicht einbezogen waren. Der Grund dafür lag aber nicht in den an-dersartigen Arbeitsbedingungen oder Verdienstverhältnissen bei den Fischern, son-dern im Wesentlichen an Finanzierungsfragen (vgl. Abgeordneter Graf von Holstein in der Dritten Lesung des Gesetzes am 18. Juni 1887, Verhandlungen des Reichstags 1887, 2 S. 1139). Folgerichtig erfolgte die Einbeziehung der Fischer mit dem SUVG 1900 (vgl. § 152 SUVG 1900, eingefügt durch Gesetz betreffend die Abänderung der Unfallversicherungsgesetze vom 30. Juni 1900 [RGBl. 1900, S. 335]), das für diese Versicherten zunächst einen Fiktiv-JAV in Höhe des Dreihundertfachen eines ortsübli-chen Tagelöhnerverdienstes vorsah (§ 154 SUVG 1900). Bereits mit Einführung der RVO durch Gesetz vom 19. Juli 1911 (RGBl. 1911, S. 509) wurde dann auch für die Beschäftigten auf Schiffen in der Küstenfischerei der JAV nach der Durchschnittsheu-er bestimmt (§ 1067 RVO), wobei die Gesetzesbegründung ausdrücklich davon aus-ging, dass "ein wesentlicher Unterschied zwischen Seeleuten der einen Art und See-leuten der anderen Art und ihren Heuern nicht mehr vor[liege]" (Verhandlungen des Reichstags 1911, 12, S. 346).

Der Sinn und Zweck, den der historische Gesetzgeber der Regelung des § 6 SUVG 1887 (und später auch dem § 1067 RVO 1911) beigemessen hat, beansprucht auch heute noch Geltung. Die Regelung des § 92 SGB VII dient nach wie vor dem Ziel, die relative Verschiedenheit der gezahlten Heuern leistungsrechtlich nicht durchschlagen zu lassen bzw. entsprechende Effekte abzudämpfen. Dies verkennt die Beklagte, wenn sie dafür, dass ihr Ausschuss im Bereich der Kauffahrtei und der Großen Hoch-seefischerei "echte" Durchschnitteinkommen bildet, die dort festen Tarifstrukturen ar-gumentativ ins Feld führt. Sie begrenzen heute gerade die "außerordentliche Ver-schiedenheit" der Heuern, die (auch) dort – im Bereich der Kauffahrtei – im Jahr 1887 in Ermangelung entsprechender Tarifverträge noch geherrscht hat. Demgegenüber führt die Beklagte selbst aus, dass die Bruttoentgelte in der Küstenfischerei bereits bei demselben Arbeitgeber monatlich so stark schwankten, dass die Festlegung fester Durchschnittswerte zu erheblichen Ungerechtigkeiten führe. Genau diese Situation oder zumindest eine damit sozial vergleichbare hatte aber der historische Gesetzge-ber im Blick. Dass die Situation der von der Beklagten dargestellten entspricht, zeigt gerade der vorliegende Fall anschaulich: So hat im hier streitgegenständlichen Zeit-raum selbst in einem Kleinsthafen wie A der mögliche Verdienst von Kutter zu Kutter so erheblich geschwankt, dass eine ungelernte Kraft auf dem einen Kutter er-heblich mehr verdient hat als ein ausgebildeter Fischwirt auf einem anderen. Geht man davon aus, dass die Verletztenrente in abstrakter Form die Einbußen an Er-werbsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgleichen soll, spricht auch dies teleologisch für die Bildung von echten Durchschnittswerten, sofern eine Sonder-vorschrift wie § 92 Abs. 1 SGB VII gerade dies anordnet.

Wenn die Beklagte in Umsetzung der Entscheidung ihres Ausschusses zur Festset-zung der seemännischen Durchschnittsheuern und zur Festsetzung des Durchschnitts der Jahreseinkommen (§ 92 Abs. 4 SGB VII) das Durchschnittsentgelt für die Kleine Hochseefischerei und die Küstenfischerei gleichwohl nach "Abschnitt G" der Beitrags-übersicht nach dem über mehrere Monate gemittelten Durchschnittsverdienst des je-weiligen Versicherten bemisst, während der Ausschuss für die Kauffahrtei und die Große Hochseefischerei "echte" Durchschnittsentgelte selbst festsetzt, hat dies nach Überzeugung des Senats allein verwaltungspraktische Gründe. Das bestehende Sys-tem erlaubt es der Beklagten, ohne eigene Erhebungen, die mit entsprechenden Ver-waltungskosten verbunden wären, auf Bestandsdaten zurückzugreifen, sei es für die Kleine Hochseefischerei oder die Küstenfischerei auf die im Rahmen der Beitragser-hebung von den Mitgliedunternehmen mitgeteilten Daten oder im Rahmen der Kauf-fahrtei bzw. der Großen Hochseefischerei auf bestehende Tarifverträge. Auch dabei wird allerdings verkannt, dass Tarifverträge nach § 92 Abs. 5 Satz 2 SGB VII bei der Festsetzung der monatlichen Durchschnittsentgelte (nur) zu berücksichtigen sind; auch dort, wo Tarifverträge vorhanden sind, wäre grundsätzlich zu ermitteln, in wel-chem Umfang eine Tarifgebundenheit der Versicherten tatsächlich besteht und – ins-besondere bei einem geringeren Anteil tarifgebundener Seeleute – wie hoch die durchschnittliche Heuer bei nicht tarifgebundenen Seeleuten ausfällt, um auf dieser Tatsachenbasis unter wertender Berücksichtigung tariflicher und nichttariflicher Ent-gelte insgesamt zu einer angemessenen Bestimmung des monatlichen Durch-schnittentgelts zu gelangen. Andererseits rechtfertigt es das Fehlen von Tarifverträ-gen in der Kleinen Hochsee- und Küstenfischerei gerade nicht, von dem für die Große Fahrt gewählten System abzuweichen. Denn Entstehungsgeschichte und Sinn und Zweck der Vorschrift des § 92 SGB VII zeigen, dass das sozialpolitische Bedürfnis für die Bildung von Durchschnittsentgelten, dem der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift Rechnung getragen hat, umso größer ist, je weniger der individuelle Verdienst durch tarifliche Strukturen vorgeprägt ist und je größer deshalb die Unterschiede zwischen den Heuern ausfallen.

Das erkennbare Ziel der Beklagten, den Verwaltungsaufwand bei der Bestimmung des monatlichen Durchschnittsentgelts auf ein Minimum zu reduzieren, vermag das gewählte Verfahren nach allem nicht zu legitimieren. Die Festsetzung des monatlichen Durchschnittsentgelts nach "Abschnitt G" der Beitragsübersicht verstößt nach Wort-laut, Systematik, Entstehungsgeschichte und Sinn und Zweck der Vorschrift gegen die gesetzlichen Vorgaben des § 92 Abs. 4 und 5 SGB VII.

Dem Senat ist es allerdings verwehrt, das monatliche Durchschnittsentgelt selbst festzustellen. § 92 Abs. 4 SGB VII weist diese Aufgabe explizit einem von der Vertre-terversammlung gebildeten Ausschuss zu. Es bedarf keiner abschließenden Ent-scheidung darüber, welche Rechtsqualität die Entscheidung des Ausschusses hat, ob dem Beschluss insbesondere der Charakter einer Satzung zuzubilligen ist. Es handelt sich jedenfalls um einen Akt autonomer Rechtssetzung (so Keller in: Hauck/Noftz, SGB VII, § 92 Rn. 11a) bzw. Rechtsgestaltung im weiteren Sinne, der im Selbstver-waltungsbereich getroffen wird. Ein solcher Akt unterliegt zwar der richterlichen Rechtmäßigkeitskontrolle; für eine Ersetzung des Beschlusses im Wege eigener rich-terlichen Überzeugungsbildung fehlt es dem Gericht angesichts des der Verwaltung insoweit erkennbar eingeräumten Gestaltungsspielraums, der sich auch daran zeigt, dass an seinem Erlass Vertreter der Arbeitnehmer zu beteiligten sind (vgl. Schmitt, a.a.O., § 92 Rn. 8 m.w.N.), an der erforderlichen Sachlegitimation.

Dass dem Bundesamt für soziale Sicherung (bis 31. Dezember 2019: Bundesversi-cherungsamt) nach § 92 Abs. 6 Satz 2 SGB VII im Rahmen seiner Rechtsaufsicht ei-ne Ersatzvornahmebefugnis gesetzlich eingeräumt ist, ändert daran nichts. Dabei kann der Senat dahinstehen lassen, ob dem Bundesamt für soziale Sicherung neben einer Rechtmäßigkeits- auch eine Zweckmäßigkeitskontrolle obliegt (so Schmitt, a.a.O., § 92 Rn. 11; Woelki, a.a.O., § 92 Rn. 45; Keller, a.a.O., § 92 Rn. 12 mit Rücksicht auf BSG, Urteil vom 7. November 2000 – B 1 A 4/99 RSozR 3-3300 § 47 Nr 1, juris Rn. 12), was allerdings mit dem grundsätzlichen Verständnis der Rechts-aufsicht im Selbstverwaltungsbereich schwer zu vereinbaren wäre. Zugunsten des Gerichts ist eine Ersetzungsbefugnis jedenfalls nicht kraft Gesetzes eingeräumt und ohne entsprechende Ermächtigung vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich ge-währleisteten Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) auch nicht zu begründen.

Der zuständige Ausschuss zur Festsetzung der seemännischen Durchschnittsheuern und zur Festsetzung des Durchschnitts der Jahreseinkommen (§ 92 Abs. 4 SGB VII) wird daher nach den folgenden, den rechtlichen Rahmen für die gesetzmäßige Be-stimmung des monatlichen Durchschnittsentgelts skizzierenden Maßgaben, das mo-natliche Durchschnittsentgelt für die Versicherten in der Kleinen Hochsee- und in der Küstenfischerei – vorliegend insbesondere auch für das Jahr 1997 – zunächst selbst neu festzusetzen haben. Wie er diese Festsetzung im Einzelnen trifft, obliegt seiner autonomen Entscheidung, die gerichtlich nur auf die Vereinbarkeit mit höherrangigem Gesetzesrecht hin überprüfbar ist. Um dies zu gewährleisten, wird der Ausschuss sei-ner Festsetzung des monatlichen Durchschnittsentgelts ein schlüssiges Konzept zu-grunde zu legen haben.

Ein Konzept ist ein planmäßiges Vorgehen des Ausschusses im Sinne der systemati-schen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsa-chen für sämtliche Anwendungsfälle und nicht nur ein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall (vgl. zur Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende BSG, Urteil vom 22. September 2009 – B 4 AS 18/09 RBSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, juris Rn. 19). Schlüs-sig ist das Konzept, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt:

• Die erforderliche Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenz-ten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen, der vorliegend die gesamte deutsche Küstenlinie umfasst. Dabei ist zu beachten, dass die Fest-setzung nach § 92 Abs. 5 Satz 1 SGB VII im Bereich gleicher Tätigkeiten ein-heitlich für den Geltungsbereich dieses Gesetzes zu erfolgen hat.

• Es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobach-tung, es ist z.B. festzulegen, zwischen welchen Tätigkeiten bzw. Dienststellun-gen der Besatzungsmitglieder, Kutter- bzw. Schiffsgrößen, und Fahrbereichen (kleine Hochsee- und/oder Küstenfischerei) differenziert werden soll.

• Es bedarf überprüfbarer Angaben über den Beobachtungszeitraum.

• Art und Weise der Datenerhebung sind festzulegen und Erkenntnisquellen (z.B. Tarifverträge, Befragungen von Reedern/Fischereibetrieben) sind zu dokumen-tieren.

• Die Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten und die Validität der Datenerhebung sind zu gewährleisten.

• Dabei ist die Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung zu gewährleisten.

Unter Anwendung dieser Festsetzungen wird die Beklagte dann im Weiteren über die Höhe der Verletztenrente des Klägers neu zu entscheiden haben. Dabei wird sie der Berechnung eine MdE von 20 v.H. bis März 2013 sowie eine MdE von 30 v.H. begin-nend ab April 2013 zugrunde zu legen haben. Da die Beklagte mit dem streitgegen-ständlichen Bescheid vom 25. Juni 2013 eine Verletztenrente nach einer MdE von 30 v.H. selbst bereits ab 1. März 2013 gewährt hatte, darf sie davon allerdings nicht zum Nachteil des Klägers abrücken. Sie wird lediglich – sollte es zur Berücksichtigung eines höheren JAV kommen – dem Anspruch des Klägers auf höhere Verletztenrente für den Monat März 2013 die insoweit niedrigere zu berücksichtigende MdE entge-genhalten können.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG. Sie orientiert sich zu-nächst am Ausgang des Verfahrens und berücksichtigt zudem Veranlassungsge-sichtspunkte, weil der Rechtsstreit durch die fehlerhafte Bestimmung des Durch-schnittsentgelts wesentlich verursacht worden ist.

Die Revision ist gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Es gibt zur Auslegung des § 92 SGB VII bisher keine höchstrichterliche Rechtsprechung, allein die Ermächtigung des § 92 Abs. 4 SGB VII zur Festsetzung des monatlichen Durchschnittsentgelts wirft aber – wie zuvor umfangreich darge- legt – eine Reihe grundsätzlich klärungsbedürftiger und in einem Revisionsverfahren auch klärungsfähiger Rechtsfragen auf. Die erforderliche Breitenwirkung besteht des-halb, weil das Durchschnittsentgelts für Versicherte auf Seeschiffen in jedem Einzelfall – und damit insgesamt in einer Vielzahl von Fällen – ein relevantes Berechnungspa-rameter für eine zu gewährende Verletztenrente ist bzw. sein kann.
Rechtskraft
Aus
Saved