L 6 RJ 706/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 RJ 271/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 RJ 706/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 RJ 226/04 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil das Sozialgericht Augsburg vom 20. November 2001 sowie der Bescheid der Beklagten vom 24. März 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 1997 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger die gesetzlichen Leistungen wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01.12.1996 zu zahlen.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der 1973 geborene Kläger hat zunächst die Hauptschule besucht und erfolgreich mit qualifiziertem Abschluss beendet. Anschließend besuchte er nach seinen Angeben vom 04.06.1989 bis 31.08. 1990 die Wirtschaftsschule. Am 01.09.1990 begann er eine auf zwei Jahre verkürzte Ausbildung bei der Deutschen Bundespost zur Dienstleistungsfachkraft im Postbetrieb und legte am 23.07. 1992 erfolgreich die Abschlussprüfung zur Dienstleistungskraft im Postbetrieb ab. Anschließend war er vom 24.07.1992, unterbrochen durch den Grundwehrdienst vom 01.07.1993 bis 30.06. 1994, bis zu einem privaten Verkehrsunfall am 24.04.1995 als Frachtzusteller bei der Post beschäftigt.

Am 24.04.1995 erlitt er als Beifahrer eines alkoholisierten Kraftfahrers einen Verkehrsunfall bei dem er sich einen Schädelbasisbruch sowie einen Oberarmschaftbruch zuzog. Nach einem Krankenhausaufenthalt bis 23.05.1995 und einer Anschlussheilbehandlung, die die Beklagte im Wege der medizinischen Rehabilitation in der Klinik O. vom 24.05. bis 19.06.1995 gewährt hatte, aus dem er als arbeitsunfähig entlassen worden war, bezog er bis 08.10.1996 Krankengeld. Vom 14.10.1996 bis 27.10.1996 unternahm er einen Arbeitsversuch als Briefzusteller. Anschließend war er erneut vom 28.10.1996 bis 28.02.1997 und ab 24.03.1997 arbeitsunfähig ohne Anspruch auf Krankengeld. Am 20. und 21.03.1997 unternahm er einen weiteren Arbeitsversuch als Aufleger leichterer Sendungen, der jedoch ebenfalls scheiterte.

Auf den Antrag des Klägers vom 16.05.1995 auf berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation hat die Beklagte vom 02.06.1997 bis 13.06.1997 eine Arbeitserprobung im Berufsförderungswerk M. in K. durchgeführt, mit dem Ergebnis, dass lediglich als berufsfördernde Maßnahmen zur Rehabilitation eine Hilfe zur Erlangung eines dem Leistungsvermögen angepassten Arbeitsplatzes bewilligt werden könne, da bei fehlendem Berufsschutz kein Anspruch auf die Gewährung einer qualifizierenden Berufsförderungsmaßnahme bestehe. Der Widerspruch gegen diesen Bescheid wurde zurückgewiesen. Die Klage wurde mit rechtskräftigem Urteil vom 13.04.2000 vom Sozialgericht abgewiesen, weil die vorausgehenden Verwaltungsentscheidungen der Beklagten ermessensfehlerfrei und damit rechtmäßig zustande gekommen seien.

Am 13.12.1996 beantragte der Kläger darauf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Im Verwaltungsverfahren wurde der Kläger durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.K. untersucht und sein berufliches Leistungsvermögen begutachtet. In seinem Gutachten vom 27.02.1997 stellte Dr.K. die Diagnose einer diffusen Hirnleistungsschwäche nach erheblicher stumpfer Schädelhirnverletzung sowie einen operativ versorgten Oberarmbruch ohne Funktionseinschränkung fest. Es fände sich beim Kläger eine mäßige diffuse Hirnleistungsschwäche vom pseudoneurasthenischen Typ bei erhaltenden kognitiven Grundfunktionen und ohne erhebliche hirnorganische Wesensänderung. Dadurch sei er in seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit einer Dienstleistungsfachkraft im Postdienst erheblich beeinträchtigt und könne deshalb nicht einmal unter erleichterten Bedingungen der Briefzustellung diese Tätigkeit vollschichtig ausüben. Dazu sei er bestenfalls unterhalbschichtig in der Lage. Dennoch sei die Prognose relativ günstig, da sich innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren eine deutliche Remision der anfangs erheblichen Ausfallserscheinungen gezeigt habe. Berufsfördernde Maßnahmen in Form einer Umschulung seien daher zu empfehlen. Der Kläger sei mit seinem Restleistungsvermögen noch zu leichten bis mittelschweren Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne Schicht, ohne Zeitdruck, ohne besondere Anforderungen an die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeiten, ohne nervliche Belastbarkeit und ohne besondere Verantwortung in der Lage. Auf Nachfrage der Leistungsabteilung stellte Dr.K. klar, dass der Unfalltag vom 24. April 1995 als Tag des Eintretens der Leistungsminderung anzunehmen sei.

Mit Bescheid vom 24.03.1997 lehnte die Beklagte den Rentenantrag darauf ab, weil weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit vorlägen.

Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Widerspruchsstelle der Beklagten mit Bescheid vom 28.04.1997 zurück. Der Kläger genieße angesichts der Qualifikation seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit bei der Bundespost lediglich den Schutz eines angelernten Arbeitnehmers im unteren Bereich und sei damit auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verweisbar, dem er aus gesundheitlichen Gründen noch vollschichtig mit dafür geringen Einschränkungen der Arbeitsbedingungen zur Verfügung stehe. Er habe daher keinen Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit.

Dagegen hat der Kläger zum Sozialgericht Augsburg Klage erhoben. Das Sozialgericht hat Befundberichte der behandelnden Ärzte und die Krankengeschichte beigezogen und anschießend Dr.S. mit einem nervenärztlichen Gutachten zum beruflichen Leistungsvermögen des Klägers beauftragt, das dieser am 27.10.2000 erstattet hat. Darin hat er nach ausführlicher klinischer und testpsychologischer Untersuchung als Gesundheitsstörungen eine diffuse Hirnleistungsschwäche im Sinne einer organisch emotional labilen asthenischen Störung festgestellt. Körperliche Schwerarbeit sei damit unzumutbar, ebenso Tätigkeiten, die eine Teamfähigkeit erforderten oder in Schicht mit starker Sonneneinstrahlung, Hitzearbeit, unter Zeitdruck oder Lärm zu verrichten seien. Im Übrigen sei der Kläger noch zu leichten bis zeitweise mittelschweren Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig in der Lage.

Der Kläger hat darauf gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes ein Sachverständigengutachten zum beruflichen Leistungsvermögen durch den Oberarzt des Klinikums der J.-Universität, F. , Dr.K. beantragt, das dieser am 20.03.2001 erstattet hat. Als Gesundheitsstörungen sind darin ein Zustand nach Schädelhirntrauma mit Contusio cerebri mit neuropsychologischen Defiziten, sensible Störungen im Bereich des Trigeminusastes und ein Zustand nach Oberarmschaftfraktur rechts festgestellt. Das psychische Erscheinungsbild habe sich seit dem Unfall nur unwesentlich geändert. Insbesondere sei die von Dr.S. auf Grund des testpsychologischen Befundes festgestellte Besserung des Gesundheitszustandes nicht zu bestätigen. Auf Grund der neuropsychologisch festgestelten Ausfälle mit Konzentrations-, Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen sowie der körperlichen Beschwerden mit Kopfschmerzen, frühen Ermüdbarkeit, Schwindel, Schweißausbrüchen seien schwere bis mittelschwere Arbeiten unzumutbar und auch leichte Arbeiten im Schichtdienst, bei starker Sonneneinstrahlung, unter Zeitdruck oder Lärm nicht mehr möglich. Das berufliche Leistungsvermögen des Klägers sei zwischen zwei bis vier Stunden bei leichterer Tätigkeit zu beurteilen. Dabei müsse zudem die reduzierte Konzentrationsfähigkeit berücksichtigt werden und die Arbeit ohne Zeitdruck mit ausreichenden Pausen versehen sein. Es handle sich um einen Dauerzustand. Auch wenn die Motivation des Klägers sehr groß sei, solle die Dauer der täglichen Arbeitszeit vier Stunden nicht überschreiten. Zudem seien die üblicherweise gewährten Pausen nicht ausreichend, da der Kläger bereits nach spätestens zwei Stunden eine Pause einlegen müsse. Insbesondere sei darauf hinzuweisen, dass beim Kläger keine seelische Hemmung gegen eine Arbeitsleistung bestehe, sondern er ganz im Gegenteil positiv motiviert sei, so dass dem Kläger von ärztlicher Seite auch insoweit nicht geholfen werden könne. Dagegen hat die Fachärztin für Psychiatrie Dr.W. am 3. Juli 2001 eine fachpsychiatrische-psychologische Stellungnahme für die Beklagte abgegeben. Darin schließt sie sich der von Dr.S. getroffenen Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens des Klägers an und hält insoweit die Beurteilung des gemäß § 109 befragten Sachverständigen Dr.K. für nicht überzeugend. Das Gutachten beinhalte keine neuen medizinischen Gesichtspunkte, sondern lediglich eine andere Beurteilung des Leistungsvermögens, wobei sich der Gutachter vor allem auf subjektive Angaben und Beschwerden des Klägers stütze, ohne dass diese validiert oder objektiviert würden. Prüfe man den Krankheitsverlauf des Klägers, so lägen nach der 1995 erlittenen Schädel-Hirn-Verletzung keine erheblichen psychisch-geistigen Leistungseinbußen vor. Dies hätten zwei neuro-psychiatrische Vorgutachten bestätigt. Ebenso sei der Kläger zu einer Vollumschulung im Rahmen einer Arbeitserprobungs- und Berufsfindungsmaßnahme geeignet beurteilt worden. Insbesondere sei die Feststellung einer hirnorganischen Wesensänderung in keiner Weise nachvollziehbar und damit auch nicht die darauf gestützte Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens.

Mit Urteil vom 20. November 2001 hat das Sozialgericht die Klage darauf abgewiesen. Seine Entscheidung hat es insbesondere auf die Beurteilung des Dr.S. gestützt, der den Kläger noch zu einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit in der Lage beurteilt hatte. Im Übrigen sah es die Beurteilung des Dr.K. im Hinblick auf die dagegen vorgebrachten Einwände von Dr.W. als nicht überzeugend an.

Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung.

Der Senat hat zunächst eine ergänzende Stellungnahme des Dr.K. zu seinem im sozialgerichtlichen Verfahren erstatteten Gutachten eingeholt, die dieser am 11.10.2002 erstattete. Er hat darin zu einem von Prof.W. am 12.05.1996 erstatteten Gutachten sowie zu den Ausführungen der Dr.W. vom 03.07.2001 Stellung genommen. Dabei weist er darauf hin, dass bereits Dr.W. "diskrete", aber nicht von der Hand zu weisende Auffälligkeiten beim Kläger festgestellt habe, die nach dessen Beurteilung Ausdruck einer mäßiggradigen Hirnleistungsschwäche mit vegetativen Störungen gewesen seien. Die von Dr.W. vertretene Ansicht, dass von den Vorgutachtern weitgehend Normalbefunde erhoben worden seien, treffe nicht zu. Sowohl Prof.W. wie Dr.S. gingen von einer hirnorganischen Leistungsminderung aus. Dies bedeute, dass die Vorgutachter eine substantielle traumatische Hirnschädigung ihrer Beurteilung zugrunde legten. Keiner der Vorgutachter käme daher zu einer altersentsprechenden Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit, wie sie bei einem weitgehend gesunden Probanden festzustellen sein müssten. Es komme bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit nach Schädel-Hirntrauma mit substantieller Hirnschädigung immer wieder zu Fehleinschätzungen, da es sich bei den klinischen Befunden gewöhnlich um relativ unaufdringliche und uncharakteristische, vieldeutige und unspezifische Erscheinungsbilder drehe, die oft im Subjektiven blieben. Erst die klinische Gesamtsituation mit Heranziehung aller anamnestischen und somatischen Daten sowie die Längsschnittbeobachtung ermöglichten die Abgrenzung gegenüber neurotischen und persönlichkeitsbedingten Formen der Neurasthenie. Hervorzuheben sei, dass gerade diese Symptome oft im Subjektiven blieben und nicht ohne weiteres durch harte Daten testpsychologischer oder bildgebender Art objektivierbar seien. Die für sich allein betrachtet unspezifischen Befunde seien in ihrer Kombination aber typisch für ein psychopathlologisches Risidualsyndrom nach adäquatem Schädelhirntrauma. Die Äußerungen der Dr.W. sei daher nicht geeignet, die von ihm getroffene Beurteilung, die sich auf eine sorgfältige persönliche Exporation des Klägers sowie einer Fremdanamnese, einer klinischen Untersuchung und einer genauen Kenntnis der Krankengeschichte stützten könne, zu erschüttern.

Der Senat hat darauf ein Gutachten von Dr.K. zum beruflichen Leistungsvermögen des Klägers eingeholt. In seinem schriftlichen Gutachten vom 11.04.2003 stellte er als Gesundheitsstörungen eine leichte organisch emotionale labile Störung, einen Zustand nach schwerem Schädel-Hirn-Trauma mit rechtsseitiger Schädel-Basis-Fraktur und begleitender Subarachnoidalblutung und Sensibilitätsstörungen im Bereich der Zungenspitze sowie eine Hyperpathie im Bereich der rechten Stirn fest. Der Schwerpunkt der Beeinträchtigungen liege dadurch auf psychiatrischem Fachgebiet. Im Ergebnis sei der Kläger jedoch nur gering in seinen körperlichen und geistigen Fähigkeiten, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, beeinträchtigt. Er sei lediglich untauglich für geistig differenzierte Arbeiten oder solche die mit Zeitruck, Akkord, Schichtarbeit oder mit psychisch besonderen Belastungen einhergingen. Im Übrigen sei der Kläger zu einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit in der Lage. Der Kläger legt dazu ein arbeitsamtsärztliches Gutachten des Dr.B. vom 17.06.1999 vor, wonach dieser aus arbeitsamts- ärztlicher Sicht nur noch eine Arbeitsfähigkeit auf dem freien Arbeitsmarkt für weniger als drei Stunden festgestellt hatte, sowie ein Gutachten des Prof.B. vom 25.09.1997, das dieser im Auftrage des Sozialgerichts in einem Schwerbehindertenverfahren des Klägers auf Grund einer Untersuchung vom 20.08.1997 erstattet hatte. Darin wird der Behinderungsgrad durch eine hirnbedingte seelische Störung mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 40 v.H. angenommen.

Der Senat hat darauf die Oberärztin am Bezirkskrankenhaus A. , Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie Dr.H. mit einem Gutachten zur Erwerbsfähigkeit des Klägers beauftragt. In ihrem schriftlichen Gutachten vom 04.02.2004 und einer ergänzenden Stellungnahme vom 09.06.2004 sieht die ärztliche Sachverständige den Kläger durch ein organisches Psychosyndrom nach Schädel-Hirn-Trauma in seinem beruflichen Leistungsvermögen erheblich eingeschränkt. Die Konzentrationsleistung bewege sich im untersten Bereich. Ebenso sei die kognitive Verarbeitungsgeschwindigkeit schwer beeinträchtigt. Es seien nur noch leichte körperliche Arbeiten möglich. Auf Grund der psychischen Beeinträchtigungen des Klägers, der Funktionsausfälle von Konzentrationsmöglichkeit mit deutlich verlangsamten Arbeitstempo und schwerst eingeschränkter kognitiver Verarbeitungsgeschwindigkeit, starrem Denkmustern, fehlender geistiger Wendigkeit und Umstellungsfähigkeit sowie erhöhter Reizbarkeit seien ihm nur noch weniger als drei Stunden täglich regelmäßige Arbeiten zumutbar. Es bestehe keine begründete Aussicht auf eine Besserung des Gesundheitszustandes in absehbarer Zeit. Ebenso wenig sei die Krankheitssymptomatik remitiert oder hätte sich im Laufe der Jahre eine Besserung eingestellt. Dieser Gesundheitszustand bestehe bereits seit dem Unfallereignis vom 24.04.1995. Er habe sich, wie sich aus den ärztlichen Vorgutachten und den dort erhobenen Befunden zeige, auch nicht wesentlich verändert.

In ihrer Stellungnahme vom 15.04.2004 weist Dr.W. auf die Beurteilung des Dr.K. hin, der noch im April 2003 den Kläger zu einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit mit körperlich leichten bis mittelschweren Arbeiten in der Lage beurteilt habe. Seinerzeit seien keine schwerwiegenden psychischen oder psychosozialen Einschränkungen geschildert worden. Dr.H. komme nun auf Grund einer Untersuchung im November 2003 zu dem Ergebnis, dass der Kläger durch seinen Gesundheitszustand in seinem beruflichen Leistungsvermögen erheblich gemindert sei. Im Hinblick auf die von Dr.H. erhobenen Befunde sei nunmehr das Leistungsvermögen des Klägers auf drei bis unter sechsstündig vermindert, eine qualifizierte neuropsychiatrische medizinische Rehabehandlung sei dringend indiziert. Im Anschluss daran sei das berufliche Leistungsvermögen des Klägers erneut zu beurteilen.

Die Beklagte erklärte sich deshalb bereit, beim Kläger seit November 2003 das Vorliegen von verminderter Erwerbsfähigkeit anzuerkennen und im Wege einer qualifizierten Rehamaßnahme die Möglichkeit einer beruflichen Wiedereingliederung des Klägers zu prüfen. Volle Erwerbsminderung sei deshalb für die Zeit ab 01.06.2004 bis vorerst 31.12.2005 anzunehmen.

Dazu führt Dr.H. in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 09.06.2004 aus, dass psychische Auffälligkeiten beim Kläger bereits seit dem Zeitpunkt des Schädel-Hirntraumas im Jahre 1995 im Wesentlichen unverändert beschrieben seien. Neun Jahre nach dem schädigenden Ereignis bestehe keine begründete Aussicht auf eine Besserung des Gesundheitszustandes in absehbarer Zeit. Dr.W. beziehe sich lediglich auf die von den Dres. K. und S. getroffenen Feststellungen. Eine Diskussion der Prüfärztin zur Problematik und Komplexität der Begutachtung von psychopatologischen Residualsyndromen finde leider nicht statt. Auch in dem arbeitspsychologischen Gutachten des Berufsförderungswerks K. vom 30.06.1997, auf das sich Dr.W. beziehe, seien pathologische Verhaltensweisen aufgeführt, die jedoch dort nicht bewertet worden seien. In dem neurologischen Zusatzgutachten des Zentralklinikums A. vom 16.10.1995 sowie dem Gutachten durch Prof.B. , Klinikum G. vom 25.09.1997, seien beim Kläger bereits Merkfähigkeits- und Konzentrationsstörungen sowie eine unterschwellige Reizbarkeit und eine Unruhe beschrieben, ebenso eine eingeschränkte Kritikfähigkeit und eine unbeschwerte Gleichgültigkeit. Dies stehe im Gegensatz zu den Feststellungen von Dr.K. , der sein Gutachten zwischenzeitlich abgegeben habe. In allen anderen psychiatrischen Untersuchungen des Klägers seien weiterhin Krankheitssymptome und Ausfallserscheinungen dokumentiert. Es sei daher keine Remission im Krankheitsbild des Klägers eingetreten. Den Ausführungen des Dr.S. und des Dr.K. könne im Hinblick auf die dazu in der einschlägigen Fachliteratur herrschende Lehrmeinung bezüglich der diagnostischen Einschätzung als auch hinsichtlich der Auswirkungen der von den Fachkollegen ebenfalls beschriebenen Krankheitssymptomen auf das Leistungsvermögen des Klägers nicht zugestimmt werden. Das Krankheitsbild sei geradezu typisch für die von allen Fachgutachtern gestellte Diagnose. Bei Würdigung aller Aspekte sei deshalb die Auswirkung auf das berufliche Leistungsvermögen des Klägers differenzierter zu bewerten, als dies die Gutachter Dres. S. und K. getan hätten. Eine solche hätte bereits Dr.K. in seinem Vorgutachten abgegeben, dem im Ergebnis zuzustimmen sei.

Dazu äußert sich erneut Frau Dr.W. in ihrer Stellungnahme vom 06.07.2004 dahingehend, dass sie weiterhin der Überzeugung sei, dass erstmals im November 2003 deutlich von der Norm abweichende psychopathologische Befunde erhoben worden seien und deshalb der Leistungsfall erst zu diesem Zeitpunkt eingetreten sein könne. Vor diesem Zeitpunkt seien keine wesentlichen psychischen Funktionsabweichungen festgestellt worden. Die Beurteilung von Dr.H. für die Zeit ab April 1995 sei daher nicht belegt, sondern lediglich hypothetisch, insbesondere liefere eine psychiatrische Begutachtung keine Erkenntnismöglichkeiten um für frühere Zeitpunkte bestimmte Befunde nachträglich zu sichern und deren Schweregrad zu früheren Zeitpunkten einzuschätzen. Der Leistungsfall sei daher erst im November 2003 gesichert.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 20.11.2001 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24.03.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.04.1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01.12.1996 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung als unbegründet zurückzuweisen, soweit das Begehren über ihr Angebot vom 19.04.2004 hinausgehe; hilfsweise Vertagung der heutigen mündlichen Verhandlung um Frau Oberärztin Dr.H. um Darlegung zu bitten, ob und inwieweit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sie es als feststehend ansieht, dass beim Kläger seit dem Unfalltag (24.04.1995) durchgehend ein nur unter dreistündiges Leistungsvermögen besteht.

Sie hält weitergehende Ansprüche für unbegründet.

Beigezogen waren die Akten der Beklagten und die des Sozialgerichts Augsburg, auf deren Inhalt sowie auf den Inhalt der Berufungsakte zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sie ist auch in der Sache begründet, da der Kläger für die Zeit ab 01.12.1996 Anspruch auf die gesetzlichen Leistungen wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 44 SGB VI in der Fassung des RRG 1992 hat. Der Rechtszustand ist wegen der Antragstellung im Jahre 1996 und insbesondere in Betracht eines bereits im April 1995 eingetretenen Leistungsfalles der Erwerbsunfähigkeit, nach der bis 31.12.2000 geltenden Rechtslage zu entscheiden.

Danach war ein Versicherter erwerbsunfähig gemäß § 44 SGB VI a.F., wer infolge von Gesundheitsstörungen außer Stande war, eine Berufstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder durch Erwerbstätigkeit ein Arbeitseinkommen zu erzielen, das monatlich 630,00 DM übersteigt. Nicht erwerbsunfähig war, wer vollschichtig erwerbstätig sein konnte oder selbständig tätig war.

Diese gesundheitlichen Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit liegen beim Kläger bereits seit dem Unfall vom 24.04.1995 vor. Dies ergibt sich aus den Aussagen der ärztlichen Sachverständigen Dres. W. , B. , K. und H ... Letztere weist für den Senat überzeugend und die Äußerungen aller Vorgutachter zusammenfassend darauf hin, dass die durch den Unfall entstandenen nicht mehr besserbaren Folgen, das berufliche Leistungsvermögen des Klägers soweit beeinträchtigen, dass ihm auf Dauer nur noch eine unter dreistündige tägliche Erwerbstätigkeit zugemutet werden könne. Die insoweit divergierende Ansicht der Dres. K. , S. , K. und W. haben den Senat dagegen nicht überzeugt. Sie lassen einerseits die bei der Beurteilung eines komplexen Krankheitsbildes erforderliche Differenzierung vermissen, so dass für den Senat der Eindruck entsteht, dass diese Gutachter die Schwere und den Ausprägungsgrad des Krankheitsbildes beim Kläger verkannt haben und deshalb als logische Folge das berufliche Leistungsvermögen des Klägers falsch eingeschätzt haben.

Im Gegensatz zu der von Dr.W. getroffenen Beurteilung sieht der Senat den Kläger bereits seit 24.04.1995 in seinem beruflichen Leistungsvermögen in einer Erwerbsunfähigkeit begründenden Weise beeinträchtigt. Insoweit erscheint dem Senat die Argumentation von Dr.W. quasi auf einem Auge blind, wenn sie sich zur Begründung eines erst im November 2003 eingetretenen Leistungsfalles auf die Äußerungen der Dres. K. , S. und K. beruft und auf der anderen Seite dabei die Befundschilderungen der Dres. W. , B. , und K. überhaupt nicht berücksichtigt, obwohl diese engmaschich zurück bis 1995 Befunde mitteilen, aus denen sich, wie Dr.H. ausführt, medizinisch eindeutig ein beim Kläger im Wesentlichen unveränderter Gesundheitszustand ableiten lässt, der eine schwerwiegende Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens bereits seit April 1995 belegt. Die Auswahl der von Dr.W. zur Begründung ihrer Ansicht herangezogenen Befunde erscheint daher willkürlich, wenn nicht sogar tendenziös, wenn sie lediglich die Befunde berücksichtigt, die ihre Ansicht stützen, alle übrigen ärztlichen Äußerungen jedoch nicht zur Kenntnis nimmt.

Es erscheint daher für den Senat nachvollziehbar und im Einzelnen belegt, dass sich die Befunde und damit der Gesundheitszustand des Klägers seit April 1995 nicht erheblich geändert haben, sondern sie von den Sachverständigen Dres. K. , S. und K. lediglich falsch interpretiert worden sind, mit der Folge, dass sie zu einer von den übrigen Gutachtern abweichenden günstigeren Bewertung des beruflichen Leistungsvermögens des Klägers gekommen sind. Die Folgerung, dass die von Dr.H. getroffene Beurteilung hinsichtlich des Zeitpunkts des Eintretens einer schweren beruflichen Leitungsminderung lediglich hypothetisch sei, kann der Senat daher nicht nachvollziehen. Dr.H. belegt im Einzelnen in auch für den medizinischen Laien nachvollziehbarer Weise, weshalb sie sich in ihrer Beurteilung insbesondere dem Vorgutachten von Dr.K. anschließt und weshalb sie die divergierenden Beurteilungen der Dres. S. und K. für falsch hält. Eine derartige sachliche Auseinandersetzung mit dem Inhalt der Vorgutachten läßt nicht nur Dr.W. , sondern auch die Dres. S. und K. vermissen. Der Senat ist deshalb zur Ansicht gelangt, dass nunmehr das Vorliegen einer schweren rentenberechtigenden Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens des Klägers bereits für die Zeit ab dem Unfall im April 1995 in einer Weise nachgewiesen ist, dass ihr Vorliegen "kein vernünftig denkender Mensch bezweifeln kann" und damit der Vollbeweis für diese anspruchsbegründende Tatsache geführt ist. Einer weiteren Beweiserhebung bedurfte es daher nicht, zumal Dr.H. keine Zweifel an ihrer im Einzelnen begründeten Beurteilung lässt.

Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit sind mit dem Versicherungsverlauf des Klägers gemäß § 53 Abs.2 Satz 1 SGB VI - wohl unstreitig - erfüllt. Der Kläger hat daher auf Grund seines Rentenantrages vom 13.12.1996 dem Grunde nach ab 01.12.1996 Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (§ 99 Abs.1 Satz 2 SGB VI).

Auf die Berufung des Klägers war daher das Urteil des Sozialgerichts Augsburg sowie der Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 01.12.1996 auf Grund eines am 24.04. 1995 eingetretenen Leistungsfalles der Erwerbsunfähigkeit die gesetzlichen Leistungen wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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