L 1 KR 403/19 KL ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 403/19 KL ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Streitwert für das Verfahren wird auf 1.116.625,- EUR festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 31. Oktober 2018 hat sich hinsichtlich des Antrages zu 1.),

im Wege der einstweiligen Verfügung anzuordnen, dass sämtliche anderen Bescheide des Antragsgegners den Innovationsfond betreffend gegenüber allen anderen Antragstellern vorläufig zurückgenommen bzw. zurückgehalten werden, solange über den (hiesigen Hauptsache-) Rechtsstreit nicht entschieden ist,

durch übereinstimmende Erledigungserklärungen in den Schriftsätzen vom 3. Februar 2020 bzw. 21. Februar 2020 erledigt.

Er ist hinsichtlich des Antrages zu 2.)

der Antragstellerin Einsicht in die Bescheide und Anträge aller anderen Antragsteller den Innovationsfonds betreffend zu gewähren

abzulehnen.

Nach § 86b Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung zulässig, wenn andernfalls die Gefahr besteht, dass ein Recht des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Voraussetzung sind das Bestehen eines Anordnungsanspruches und das Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Der Anordnungsanspruch bezieht sich dabei auf den geltend gemachten materiellen Anspruch, für den vorläufiger Rechtschutz begehrt wird. Die erforderliche Dringlichkeit betrifft den Anordnungsgrund. Die Tatsachen, die den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch begründen sollen, sind darzulegen und glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung). Entscheidungen dürfen dabei grundsätzlich auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden.

Es fehlt hier bereits an einem Anordnungsgrund. Es ist nicht ersichtlich, welche Nachteile die Antragstellerin zu befürchten hat, wenn die Frage, ob der Antragsgegner Akteneinsicht in die Vorgänge der anderen Förderantragsteller zu gewähren hat, nicht im Rahmen des Hauptsacheverfahrens in der Sache selbst (Aktenzeichen L 1 KR 395/19 KL) oder eines anderen Rechtsstreits geklärt wird. Ein entsprechender Tatsachenvortrag, der auf Dringlichkeit hindeuten könnte, ist nicht erfolgt. Alleine der vage Hinweis auf einen Fristablauf für einen neuen Antrag oder nicht mehr zur Verfügung stehende Investoren bzw. ein wegfallendes Interesse ungenannter weiterer Projektteilnehmer mit der Folge einer Nichtdurchführung des beantragten Projektes zeigt eine Dringlichkeit nicht auf.

Im Übrigen ist gerade im Hinblick auf den von der Antragstellerin angeführten Zweck der begehrten Einsicht in die Bescheide und Anträge der anderen Antragstelle, die Wahrung des Gleichbehandlungsgebotes aus Art. 3 I GG bei der Ermessensausübung bzw. Ausfüllung des Beurteilungsspielraums kontrollieren zu können, ein materieller Anspruch nicht hinreichend wahrscheinlich dargelegt, ohne dabei auf die substantiellen rechtlichen Bedenken des Antragsgegners gegen ein Akteneinsichtsrecht eingehen zu müssen. Die vorbereitende Empfehlung des Förderantrages durch den beim Antragsgegner bestehenden Expertenbeirat führte ausweislich des Ergebnisprotokolls der Sitzung vom 24. Juni 2019 bis 26. Juni 2019 unter anderem aufgrund der zu unklaren Beschreibung des Projekts hinsichtlich seiner Relevanz zu einer Ablehnungsempfehlung. Die Begründung folgt dabei § 9 der Verfahrensordnung des Innovationsausschusses nach § 92b Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (VerfO IA), der sicherstellen soll, dass auf die Förderkriterien -hier konkret auf Nr. 4 der "Förderbekanntmachung des Innovationsausschusses beim Gemeinsamen Bundesausschuss zur themenoffenen Förderung von neuen Versorgungsformen gemäß § 92a Absatz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) zur Weiterentwicklung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 19. Oktober 2018"- einzugehen ist. Die ablehnende Entscheidung selbst ist in Anwendung der Bewertungskriterien des Arbeitsausschusses des Antragsgegners anhand von Noten ("Score") von 4 (sehr gut) bis 1 (nicht ausreichend) für die einzelnen Förderkriterien getroffen worden. Das Verfahren und die Entscheidungsfindung stellen sich damit als an den Förderkriterien und Verfahrensvorgaben orientiert dar. Dass bei den anderen Förderanträgen relevant anders verfahren worden sein könnte, ist auch nicht in Ansätzen ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 VwGO. Es entspricht dabei der Billigkeit, der Antragstellerin die Kosten auch hinsichtlich des erledigten Antrages aufzuerlegen. Maßgeblich ist hierfür die summarische Beurteilung, wie der Rechtsstreit nach dem bisherigen Sach- und Streitstand voraussichtlich ausgegangen wäre, ohne dass zu allen für den Ausgang des Rechtsstreits bedeutsamen Rechtsfragen Stellung genommen zu werden braucht. Primär sind für die Ermessensentscheidung die Erfolgschancen der Klage bzw. hier des Antrages bis zum erledigenden Ereignis maßgeblich. Diese sind hier sehr gering gewesen. Es fehlte von Anfang an an einem Anordnungsgrund, selbst unter der - nach Aktenlage unzutreffenden - Ausgangsprämisse der Antragstellerin, die Fördermittel für den Antrag der Antragstellerin seien nach positiver Bewilligung anderer Anträge erschöpft, und an der Darlegung, weshalb die fehlende Förderungsbewilligung die Antragstellerin unzumutbar belastet. Sie kann etwa einen neuen Förderantrag stellen.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 197a SGG, 53 Abs. 2 Nr. 4, 52 Abs. 1, Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG). § 52 Abs. 3 GKG ist im Hauptsacheverfahren einschlägig. Der dortige schriftliche Klageantrag ist auf Aufhebung des Ablehnungsbescheides und auf Verpflichtung des Beklagten, "dem Antrag ( ) im vollem Umfang stattzugeben" gerichtet, also Bewilligung der beantragten 4.466.500 EUR Fördermittel. Dem Rechtsstreit des von der Antragstellerin angeführten Beschlusses des LSG vom 5. Dezember 2019 (L 24 KA 39/19 B ER) lag hingegen kein Bescheid im Zusammenhang mit einem Subventionsantrag zu Grunde.

Es ist hier in Anwendung des § 53 Abs. 2 Nr. 4 GKG ein Viertel des Hauptsachenstreitwertes anzusetzen: Die Antragstellerin hat hier die vorläufige Suspensierung aller Bewilligungsbescheide bis zur Entscheidung ihrer Hauptsachenklage begehrt. Die Situation ähnelt insoweit dem beamtenrechtlichen Konkurrentenstreit-Eilverfahren, in dem die Sicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs durch vorläufige Untersagung der Besetzung der Beförderungsstelle begehrt wird. Deren Wert ist (nur) auf die Hälfte des Wertes des Hauptsacheverfahrens zu bemessen (vgl. Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 10. Juni 2014 - 1 SO 45/14 -, juris-Rdnr. 5), auch wenn die Verfahren der Konkurrenten blockiert werden. Der Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit (5. Aufl. 2017 [Stand: März 2017] Überarbeitung des von der Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der Landessozialgerichte am 16. Mai 2006 auf Vorschlag des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz beschlossenen Streitwertkatalogs 2006) sieht für Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 86b Abs. 2 SGG ein Viertel bis die Hälfte des Hauptsachenstreitwertes vor. Vorliegend erscheint eine Begrenzung auf ein Viertel, also ¼ x 4.466.500 EUR sachgerecht.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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