L 9 KR 54/17

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 27 KR 228/16
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 54/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Im Fall der rückwirkend festgestellten Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V sind Kosten, die in der Annahme nicht versichert zu sein, in der Zwischenzeit angefallen sind, weil privatärztliche Leistungen in Anspruch genommen wurden, nach § 13 Abs. 3 SGB V zu erstatten.
2. Die Kosten sind in der angefallenen Höhe erstattungsfähig. Eine Begrenzung auf die Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte (entsprechend § 13 Abs. 4 Satz 3 SGB V) ist im Rahmen des § 13 Abs. 3 SGB V nicht zulässig.
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 3. Januar 2017 wird aufgehoben und der Bescheid der Beklagten vom 05. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2016 wird abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger weitere Kosten für die ärztliche Behandlung in Höhe von 1.037,46 EUR zu erstatten. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Erstattung verauslagter Kosten der Krankenbehandlung.

Der 1950 geborene Kläger beantragte bei der Beklagten die Begründung einer rückwirkenden Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V - Antrag vom 12. März 2015). Er sei erwerbslos und habe seit 2004 von seinem eigenen Vermögen gelebt. Er sei ab diesem Zeitpunkt nicht krankenversichert

Der Kläger war ab Ende 2014 erkrankt. U.a. wurde er ab dem 24. Dezember 2014 bis Mai 2015 in verschiedenen Krankenhäusern und ärztlichen Einrichtungen behandelt, so auch im Nierenzentrum B (Dialyse).

Die Beklagte erhob daraufhin Beiträge rückwirkend für den Versicherungszeitraum ab dem 01. April 2007 (nachzuzahlender Gesamtbetrag: 8.101,77 EUR, Bescheid vom 12. Mai 2015). Sie übersandte dem Kläger am 9. Juni 2015 eine Krankenversichertenkarte.

Der Kläger beantragte die Erstattung verauslagter Kosten der Krankenbehandlung durch Übersendung von Arztrechnungen (Nierenzentrum B, h Laborverbund B-B GmbH) und einer privatärztlichen Liquidation (des Facharztes für Urologie Dr. U), aus dem Zeitraum März 2015 bis Mai 2015. Die Kosten belaufen sich auf 7.313,31 EUR insgesamt.

Die Beklagte bat den Kläger u.a. um Übersendung von Zahlungsnachweisen für die eingereichten Rechnungen (und näherer Informationen zu den Leistungserbringern auch der häuslichen Krankenpflege sowie ärztlicher Verordnungen für diese Leistung). Ihm sei zudem am 28. Juli 2015 ein Antrag zur Erstattung von Fahrkosten übersandt worden, dieser sei noch nicht wieder bei der Beklagten eingegangen. Eine Erstattung von Apothekenrechnungen sei erfolgt. Eine Erstattung könne nur erfolgen, wenn die Rechnungen vorab von dem Kläger beglichen worden seien.

Am 09. November 2015 teilte der Kläger mit, das I Klinikum B habe die Krankenhauskosten bis auf die Eigenbeteiligungskosten zurückerstattet, dies gelte auch für das M-G-Krankenhaus E. Im Hinblick auf seine Befreiung von der Zuzahlung bitte er um Erstattung. Er habe seiner ehemaligen Betreuerin auch die Belege für die Krankentransportkosten, Hauskrankenpflege "C" sowie eine einzelne Arztrechnung eines Bernauer Urologen zur Einreichung bei der Beklagten übergeben. Insgesamt handle es sich etwa um 10.000 EUR. Diese Rechnungen habe er alle bezahlt.

Die Beklagte erstattete dem Kläger mit Bescheid vom 05. Januar 2016 Kosten für die private Krankenbehandlung in Höhe von insgesamt 6.275,85 EUR, konkret für

Ärztliche Behandlung 13. März 2015 bis zum 19. Mai 2015: 797,70 EUR Arznei-, Verband- und Heilmittel im obigen Zeitraum: 823,05 EUR Dialyse 13. März 2015 bis zum 16. Mai 2015: 4.6954,10 EUR

Gesamtbetrag: 6.315,85 EUR Abzüglich Verwaltungskosten + Abschlag fehlende Wirtschaftlichkeitsprüfung 40,00 EUR

Erstattungsbetrag: 6.275,85 EUR

Der Kläger wandte sich am 03. März 2016 gegen den Erstattungsbetrag, er begehre die vollständige Rückerstattung der Gesundheitskosten, es fehlten rund 5.000,00 EUR, entsprechende Kontoauszüge habe er eingereicht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11. August 2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine Kostenerstattung von privatärztlichen Behandlungen/Untersuchungen sei grundsätzlich ausgeschlossen. Ein Fall des § 13 Abs. 3 SGB V, in dem Versicherte für die selbstbeschafften Leistungen Kostenerstattung beantragen könnten, liege nicht vor. Die Beklagte habe aufgrund der rückwirkenden Mitgliedschaft einen Erstattungsbetrag ermittelt, begrenzt auf die Höhe, die sich bei Inanspruchnahme der Leistung mittels Krankenversichertenkarte ergeben hätte. Dies beruhe auf § 13 Abs. 4 Satz 4 SGB V i.V.m. § 25 der Satzung der Beklagten.

Der Kläger hat am 06. September 2016 Klage zum Sozialgericht Frankfurt/Oder erhoben. Die nichtärztlichen Leistungen seien nur teilweise oder gar nicht erstattet worden. Er könne die Bezahlung mittels seiner Kontoauszüge belegen.

Er hat weitere Rechnungen und Zahlungsbelege übersandt:

Datum Leistungsanbieter/Nr. Betrag/EUR 15.10.2015 (12.3.2015) R FÄ Allgemein 00017/2015-1618 (GöÄ) 56,92 06.08.2015 Zuzahlung Apotheke 5,00 25.06.2015 Zuzahlung Apotheke 5,00 24.06.2015 Zuzahlung Apotheke 5,00 30.02.2015 Taxifahrt zur Dialyse 90,00/ 19.07.2015 Zuzahlung Krankenfahrt 5,00 24.07.2015 Zuzahlung Krankenfahrt 5,00

Er hat zudem Kontoauszüge übersandt, die Überweisungen an Krankenhäuser, das Nierenzentrum B, den Hlaborverbund, C Hauskrankenpflege, an die J und andere Krankentransporte aus der Zeit von April 2015 bis Juli 2015 enthielten.

Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 03. Januar 2017 die Klage abgewiesen. Die Klage werde so ausgelegt, dass der Kläger die Erstattung der Differenz zwischen den privatärztlichen Rechnungsbeträgen und den von der Beklagten erstatteten vertragsärztlichen Sätzen begehre. Die Klage sei unbegründet, weil eine Kostenerstattung von privat abgerechneten Leistungen grundsätzlich im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sei. Die Beklagte habe dem Kläger die Kosten erstattet, die angefallen wären, wenn er bei Inanspruchnahme der Leistungen bereits als über die Beklagte versichert geführt worden wäre. Tatsächlich sei das nicht der Fall, weil er am 12. Mai 2015 rückwirkend als Mitglied der Beklagten in die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) aufgenommen worden sei. Die Differenz zwischen den Vertragssätzen der Vertragsärzte und den privatärztlichen Abrechnungen habe der Kläger zu tragen. Eine davon abweichende Zusage habe der Kläger auch mit dem Bescheid über die rückwirkende Festsetzung von Beiträgen vom 12. Mai 2015 nicht erhalten.

Gegen den ihm am 07. Januar 2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 06. Februar 2017 Berufung eingelegt. Die Beklagte schulde die Erstattung weiterer Behandlungskosten. Er habe die private Abrechnung der Leistungserbringer nicht zu vertreten.

Der Kläger beantragt,

der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 3. Januar 2017 sowie der Bescheid der Beklagten vom 05. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2016 werden abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger weitere Kosten für die ärztliche Behandlung in Höhe von 1.037,46 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie schulde keine privatärztliche Behandlung nach der GoÄ, daher seien diese Kosten nicht in voller Höhe erstattungsfähig, sondern im ambulanten Bereich entsprechend den nach dem einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) für die gesetzliche Krankenversicherung geschuldeten Sätzen. Die erst mit der Klage eingereichten weiteren Rechnungen hätten im Verwaltungsverfahren nicht vorgelegen und seien nicht Gegenstand der Erstattung geworden. Gleiches gelte für einen Teilbetrag der in den Kontoauszügen erkennbaren Buchungen z.B. von 1.039,74 EUR an die Johanniter. Tatsächlich lägen dazu auch bis dato keine Unterlagen vor. Wenn der Kläger diese noch einreiche, sei nicht auszuschließen, dass im Ergebnis eines weiteren Verwaltungsverfahrens dann weitere Erstattungsbeträge festgestellt würden. Eine erneute Prüfung habe ergeben, dass der Erstattungsbetrag aus der Rechnung Nr. 89/15 des Nierenzentrums B zu gering ausgefallen sei, statt 25,27 EUR hätten 26,19 EUR berücksichtigt werden müssen. Die Erstattung von 0,92 EUR habe die Beklagte auf Hinweis des Senats veranlasst (Schriftsatz vom 27. März 2019). Bei der Rechnung des h Laborverbund Brandenburg-Berlin GmbH vom 15. Juni 2015 habe die Beklagte aus Kulanz zweimal die Erstattung der Immunfixation bewilligt, jeweils mit einem Betrag, der höher sei als der nach GoÄ abgerechnete. Kulanz bestehe, weil die abgerechnete Ziffer der GoÄ nach den gebührenrechtlichen Abrechnungsziffern des EBM (GOP 32467) eigentlich eine Spezifikation voraussetze, welche Laborparameter ermittelt worden seien, die hier nicht vorlägen.

Der Senat hat mit Beschluss vom 18. März 2019 die Berufung der Berichterstatterin übertragen die zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern/Richterinnen entscheidet.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat über die Berufung gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der Besetzung durch die Berichterstatterin und die ehrenamtlichen Richter und Richterinnen entschieden, weil das Sozialgericht über die Klage durch Gerichtsbescheid entschieden und der Senat durch Beschluss vom 18. März 2019 die Berufung der Berichterstatterin zur Entscheidung zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern/Richterinnen übertragen hat.

Die Berufung des Klägers hat Erfolg. Das Sozialgericht hat im Ergebnis zu Unrecht die Klage abgewiesen. Der Kläger hat einen weiteren Anspruch auf Erstattung von ärztlichen Krankenbehandlungskosten aus 2015, die privatärztlich erbracht und abgerechnet wurden. Die dem Kläger entstandenen Kosten sind von der Beklagten im Zuge der rückwirkenden Versicherung zu erstatten.

I. Streitgegenstand der Berufung ist die vom Kläger begehrte Erstattung von ärztlichen Krankenbehandlungskosten im Zuge seiner rückwirkend festgestellten Krankenversicherung bei der Beklagten aus der Ende 2014 aufgetretenen schweren Erkrankung Der Kläger hat mit der Einreichung von Rechnungen für stattgehabte Behandlungen seit März 2015 bei der Beklagten die Erstattung von verauslagten Kosten geltend gemacht. Er hat dazu drei Rechnungen des Nierenzentrums Beingereicht: -Rechnung-Nr. 89/15 vom 01. April 2015: 2.206,03 EUR Gesamtsumme -Rechnung-Nr. 127/15 vom 07. Mai 2015: 2.906,47 EUR Gesamtsumme -Rechnung-Nr. 152/15 vom 01. Juni 2015: 1.468,42 EUR Gesamtsumme

Darüber hinaus hat er vier Rechnungen der h Laborverbund Brandenburg-Berlin GmbH eingereicht:

Rechnung-Nr. 103651 vom 11. Mai 2015: 405,73 EUR Rechnung-Nr. 103836 vom 18. Mai 2015: 124,33 EUR Rechnung-Nr. 104013 vom 26. Mai 2015 31,65 EUR Rechnung-Nr. 104664 vom 15. Juni 2015 100,58 EUR

Schließlich hat er noch die Liquidation von Dr. DU (Facharzt für Urologie) vom 08. Juni 2015 (Rechnung-Nr. 201500197) in Höhe von 70,10 EUR zur Erstattung eingereicht.

Daraus ergeben sich Kosten für Arzneimittel und ärztliche Behandlung in Höhe von 7.313,31 EUR, die der Beklagten zur Entscheidung vorgelegt wurden. Allein diese Gesamtsumme war Gegenstand der Entscheidung und Erstattung durch die Beklagte und auch des Widerspruchsbescheides. Die Beklagte hat eine höhere Erstattung mit der Begründung abgelehnt, dass Abschläge zu berücksichtigen sind (vgl. die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 11. August 2016). Nicht Gegenstand der Verwaltungsentscheidung und der Entscheidung über den Widerspruch waren weitere mögliche Behandlungskosten, insbesondere nichtärztlicher Leistungserbringer, die der Kläger teilweise pauschal benannt hat. Dies gilt auch, soweit sie sich aus den erstmals im Klageverfahren eingereichten Kontoauszügen und Quittungen ergaben, so die Krankentransportkosten und Kosten der Krankenpflege, darüber hinaus Zuzahlungen für die Zeit vom März 2015 bis Juli 2015, auch solche, die sich aus Kassenbons für apothekenpflichtige Arzneimittel ergeben könnten. Der Senat hat bereits im Februar und April 2019 darauf hingewiesen, dass die Beklagte über diesen (neuen) Erstattungsantrag eine Verwaltungsentscheidung noch zu treffen hat. Die Beklagte zeigte sich insoweit prüf- und grundsätzlich auch leistungsbereit. Der Kläger wurde vom Senat noch einmal im Termin zur mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass er zum Beleg weiterer Kosten noch geeignete Einzelrechnungen für die ausstehende Verwaltungsentscheidung einreichen muss. Diese lagen bislang nicht vor.

II. Der Kläger hat Anspruch auf einen höheren Erstattungsbetrag für die im Verwaltungsverfahren bei der Beklagten geltend gemachten Kosten der selbst beschafften ärztlichen Leistungen.

1. Rechtsgrundlage für die Erstattung der Kosten ist § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs liegen für den Kläger dem Grunde nach vor.

§ 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V bestimmt:

"Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war."

2. Zu den Fallgruppen, in denen die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder eine Leistung zu Unrecht i.S. von § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V nicht erbracht hat, gehört es, wenn der Versicherte aus Unkenntnis der Versicherungspflicht die Sach- und Dienstleistungen der Krankenkasse nicht in Anspruch nehmen konnte, die Krankenkasse dies ebenfalls nicht konnte, weil ihr die Mitgliedschaft nicht bekannt war. Mit anderen Worten: Wird rückwirkend ein Versicherungsverhältnis festgestellt und Beiträge nacherhoben, steht Versicherten anstelle der erloschenen Naturalleistungsansprüche ein Anspruch auf Kostenerstattung zu (BSG, Urteil vom 18. Januar 1990 - 4 RK 4/88; Helbig in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl., § 13 SGB V (Stand: 04.02.2020), Rn. 43).

a. Der Kläger war zum Zeitpunkt der ärztlichen Behandlungen ab März 2015 versichertes Mitglied der Beklagten. Die Pflichtversicherung beruhte auf § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V, da dessen Voraussetzungen vorliegen und von der Beklagten auch nicht bestritten werden. Die Versicherung bestand für ihn seit dem 01. April 2007. Sie trat kraft Gesetzes ein, ohne dass es auf die Kenntnis des Klägers oder seinen Willen oder einen Antrag ankam und ohne, dass es eines konkretisierenden Verwaltungsaktes der Beklagten bedurfte (BSG, aaO, Rn. 13 zu einer gesetzlich begründeten Versicherungspflicht). Der Kläger war somit auch zum Zeitpunkt seiner schweren Erkrankung bereits bei der Beklagten kraft Gesetzes versichertes Mitglied und hatte einen Anspruch auf Krankenbehandlung in Gestalt von Sachleistungen. Die Beklagte konnte allerdings mangels Kenntnis die Leistungen nicht erbringen, der Kläger sie nicht beantragen, da auch er nicht um die kraft Gesetzes entstandene Mitgliedschaft wusste. Die Behandlungen waren auch nicht aufschiebbar bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Krankenkasse Kenntnis von der Versicherung des Klägers erhielt oder über den Versicherungsstatus entschieden hatte. Bereits ab dem 15. März 2015 lag zudem ein Antrag des Klägers auf die rückwirkende Feststellung der Pflichtversicherung vor. Die Beklagte hat am 12. Mai 2015 mit ihrem Beitragsbescheid eine Feststellung über den Beginn des Versicherungsverhältnisses getroffen.

b. Dem Kläger sind, weil er als Nichtversicherter auch für die Leistungserbringer galt, Kosten für die selbstbeschafften Leistungen entstanden. Das sind in seinem Fall auch die Kosten, die durch die Inanspruchnahme von ärztlichen Leistungen zur Behandlung seiner schweren Erkrankung (dialysepflichtige Nierenerkrankung) ab März 2015 entstanden sind. Die erstattungsfähige Kostenlast setzt dabei voraus, dass die (ärztlichen) Leistungen grundsätzlich vom Leistungskatalog der GKV erfasst sind und dass Versicherte daraus einer Kostenbelastung ausgesetzt sind. An der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit der in Anspruch genommenen ärztlichen Behandlungen besteht im Fall des Klägers kein Zweifel. Er ist auch wirksamen (zivilrechtlichen) Forderungen aus diesen ärztlichen Behandlungen ausgesetzt gewesen. Nur rechtsgrundlos geleistete Zahlungen sowie Verpflichtungen gegenüber krankenversicherungsrechtlich unzulässigen Leistungserbringern lösen keinen Vergütungsanspruch aus. (Helbig in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl., § 13 SGB V (Stand: 04.02.2020), Rn. 48). Voraussetzung einer Zahlungsverpflichtung ist bei Vergütungsansprüchen von Ärzten, die Patienten privatrechtlich behandeln, dass die Abrechnung den zwingenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften der Gebührenordnung für Ärzte (GoÄ) entspricht. Andernfalls könnte ein Kostenerstattungsanspruch darauf von Versicherten nicht gestützt werden (Helbig in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl., § 13 SGB V (Stand: 04.02.2020), Rn. 50). Für die Kostenlast tragen die Versicherten schon nach der dem Wortlaut zu entnehmenden Verteilung die Beweislast. Der Kläger hat nachgewiesen, dass er Honorarforderungen seitens der ihn behandelnden Ärztinnen und Ärzte ausgesetzt gewesen ist. Dies ergibt sich aus den eingereichten Arztrechnungen, die nach der GoÄ Leistungen abrechnen und ärztliche Vergütungsansprüche dokumentieren. Er hat auf diese auch nachweislich (vgl. die Kontoauszüge) Zahlungen geleistet, so dass ihm Kosten in Höhe von insgesamt 7.313,31 EUR entstanden sind.

c. Er hat Anspruch auf die vollständige Erstattung der verauslagten Kosten. Der Anspruch auf Kostenerstattung besteht der Höhe nach im Umfang der aufgewendeten Kosten. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Abs. 3 Satz 1, wonach die Kosten zu erstatten sind, die entstanden sind. § 13 Abs. 4 Satz 3 SGB V, auf den sich die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid beruft, findet in Absatz 3 dagegen kein Pendant und demgemäß auch keine entsprechende Anwendung. Das BSG formuliert insoweit unmissverständlich: "Der Umfang des Anspruchs aus § 13 Abs. 3 SGB V bestimmt sich allein nach dessen Rechtsfolge. Demgemäß sind dem betroffenen Versicherten die für eine selbst beschaffte, notwendig gewesene Leistung entstandenen Kosten von der Krankenkasse "in der entstandenen Höhe" zu erstatten. Eine Begrenzung auf die sog "Kassensätze" scheidet danach aus." (BSG, Urteil vom 24. Mai 2007 – B 1 KR 18/06 R –, BSGE 98, 257-267, Rn. 36)

Die Kostenerstattung ist um die Anteile der Zuzahlungen zu vermindern, denn die Versicherten dürfen im Falle der Nichtleistung nicht besser als bei rechtzeitiger bzw. rechtmäßiger Leistungserbringung gestellt werden (BSG, Urt. v. 11.7.2017 – B 1 KR 1/17 R; Rn. 28&8201;f.; KassKomm/Schifferdecker, 106. EL September 2019, SGB V § 13 Rn. 102b). Das gilt aber dann nicht, wenn die Versicherten von der Zuzahlung befreit sind.

d. Gemessen daran ist der Kläger in seinem Erstattungsanspruch nicht auf die Kosten beschränkt, die die Beklagte bei Erbringung der in Anspruch genommenen ärztlichen Leistungen als Sachleistung (nach dem EBM) gehabt hätte. Auch die von der Beklagten vorgenommenen Abschläge von der Rechnungssumme unter Berufung auf fehlende Wirtschaftlichkeitsprüfung oder für Verwaltungskosten sind nicht zulässig. Sie sind nur im Anwendungsbereich des § 13 Abs. 4 SGB V eröffnet, der für das Kostenerstattungsverfahren allgemein auf die Regelung in der Satzung verweist, und auch berechtigt, Abschläge für Verwaltungskosten in der Satzung vorzusehen (Abs. § 13 Abs. 4 Sätze 4 und 5 SGB V). Von Zuzahlungen war der Kläger befreit.

Von den im Verwaltungsverfahren nachgewiesenen tatsächlichen Kosten von 7.313,31 EUR hat die Beklagte dem Kläger nur 6.275,85 EUR erstattet. Es fehlen mithin noch 1.037,46 EUR. Insoweit hat der Kläger noch einen offenen Erstattungsanspruch und war das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Beklagte zu einer weiteren Kostenerstattung zu verurteilen.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung seiner außergerichtlichen Kosten.

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil der Senat zwar nicht von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts abweicht, die Sache aber grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved