L 11 KR 1160/03

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 10 RA 2328/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1160/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Beitragserhebung im Sozialversicherungsrecht ist jedenfalls bis 31.12.2002 das geschuldete Arbeitsentgelt zu Grunde zu legen. Hierzu gehören auch auf Grund der Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags bestehende Ansprüche auf Jahressonderzahlungen, auch wenn diese nicht geltend gemacht werden. Es gilt das Entstehungsprinzip, nicht das Zuflussprinzip.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 13. Dezember 2002 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten noch darum, ob die Beigeladenen zu Ziff. 2 bis 4 im Jahr 1999 eine geringfügige Beschäftigung ausübten und deshalb in der Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen- und teilweise in der Rentenversicherung versicherungsfrei waren.

Die Klägerin betreibt in Baden-Württemberg ein Einzelhandelsgeschäft für Schuhe. Die Beigeladenen zu Ziff. 1 bis 4 waren bei einer Arbeitszeit zwischen 6,0 bis 9,5 Stunden wöchentlich als Schuhverkäuferinnen bei der Klägerin beschäftigt. Dabei bezogen die Beigeladene Ziff. 1 in den Jahren 1997 und 1998, die Beigeladene Ziff. 2 im Jahr 1999 und die Beigeladenen Ziff. 3 und 4 in den Jahren 1997 bis 1999 Monatslöhne, die jeweils unter der Geringfügigkeitsgrenze von einem Siebtel der monatlichen Bezugsgröße bzw. 630,00 DM lagen. In den Jahren 1997 und 1998 erhielten die Beigeladenen jeweils noch Urlaubs- und Weihnachtsgeld, womit sie, die Sonderzahlungen auf das Jahr verteilt, die Geringfügigkeitsgrenze jeweils überschritten. Im Jahr 1999 wurde weder Weihnachts- noch Urlaubsgeld bezahlt. Ab dem 01.04.1999 entrichtete die Klägerin für die Beigeladenen zu Ziff. 2 bis 4 Sozialversicherungsbeiträge zur Kranken- und Rentenversicherung nach den - ab diesem Zeitpunkt geltenden - Bestimmungen für geringfügig Beschäftigte.

Im hier streitbefangenen Zeitraum zwischen 1997 und 2000 war für den Bereich des Einzelhandels in Baden-Württemberg sowohl der Mantel- als auch der Tarifvertrag für die Arbeitnehmer/innen des Einzelhandels in Baden-Württemberg für allgemeinverbindlich erklärt. Der Tarifvertrag galt auch für Teilzeitbeschäftigte und stundenweise Beschäftigte. Sämtliche Arbeitnehmer hatten einen Anspruch auf tarifliche Sonderzahlung, die sich aus zwei Teilbeträgen (Urlaubsgeld und Sonderzuwendung) zusammensetzte.

Aufgrund einer Betriebsprüfung am 09.02.2001 bei der Klägerin forderte die Beklagte nach Durchführung einer Schlussbesprechung mit der Klägerin mit Bescheid vom 16.02.2001 für die Zeit vom 01.01.1997 bis 31.12.2000 Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt DM 29.091,38 nach. Das Arbeitsentgelt der Beigeladenen zu Ziff. 1 bis 4 habe aufgrund der geleisteten Einmalzahlungen bzw. der tarifrechtlich zustehenden Einmalzahlungen/Sonder-zahlungen, die nach den für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen für den Einzelhandel in Baden-Württemberg zu leisten seien, die Entgeltgeringfügigkeitsgrenzen wiederholt überschritten mit der Folge, dass Versicherungspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung eingetreten sei. Die Höhe des Beitragsanspruchs richte sich grundsätzlich nach den tatsächlich erhaltenen Einnahmen, darüber hinaus aber auch nach den vom Arbeitgeber geschuldeten Leistungen. Entstehung und Höhe des Beitragsanspruchs sei nicht davon abhängig, ob das geschuldete Arbeitsentgelt gezahlt worden, also dem Arbeitnehmer zugeflossen sei. Die Rechtmäßigkeit der Beitragsforderungen von einem höheren als dem gezahlten Arbeitsentgelt hänge davon ab, ob der weitere Entgeltbetrag schon während der Zeit, für welche die Beiträge verlangt würden, geschuldet worden sei. Im Einzelhandel bestehe in Baden-Württemberg ein allgemeinverbindlicher Manteltarifvertrag, der ein zusätzliches Urlaubsentgelt in Höhe von 55% und eine tarifliche Sonderzahlung (Weihnachtsgeld) in Höhe von 60% des individuell zustehenden Entgeltes festlege. Die nachträgliche Zurechnung dieser Leistungen für das Jahr 1999 führe zum Überschreiten der zuvor genannten Geringfügigkeitsgrenzen. Damit trete Versicherungspflicht für die Beigeladenen Ziff. 1 bis 4 ein. Für die Beigeladene Ziff. 1 sei für die Jahre 1997 und 1998 ein Sozialversicherungsbeitrag in Höhe von insgesamt DM 6.502,76, für die Beigeladene Ziff. 2 im Jahr 1999 ein Beitrag in Höhe von DM 3.128,16, für die Beigeladene Ziff. 3 in den Jahren 1997 bis 1999 ein Beitrag in Höhe von DM 9.815,92 und für die Beigeladene Ziff. 4 für die Jahre 1997 bis 1999 in Höhe von DM 9.644,54 zu leisten.

Ihren dagegen erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin im Wesentlichen damit, dass die tatsächlich erhaltenen Einnahmen entscheidend seien. Es gelte das Zuflussprinzip. Hiervon sei eine Ausnahme nur dann zu machen, wenn sich der Arbeitgeber vertragswidrig verhalte. Dies sei hier nicht der Fall. Die Arbeitnehmer würden die tariflichen Ansprüche nicht geltend machen. Dass das Zuflussprinzip entscheidend sei, ergebe sich auch aus dem Wortlaut des § 14 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV), das den Begriff "erzielt" verwende sowie aus der Gesetzessystematik, insbesondere was die Bezahlung von Lohnsteuer anbelange. Im Übrigen verstoße die nunmehrige Anwendung des Entstehungsprinzips gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Man habe auf die entgegenstehende Prüfpraxis der Vergangenheit vertraut. Die Nachforderung stelle eine Überbelastung des Arbeitgebers, der den Beitragsanteil von den Arbeitnehmern nicht mehr verlangen könne, dar. Im weiteren Verlauf des Vorverfahrens nahm die Klägerin, weil in diesen Jahren Urlaubs- und Weihnachtsgeld tatsächlich bezahlt worden ist, den Widerspruch bezüglich der Beitragsforderungen für die Jahre 1997 und 1998 zurück.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06.08.2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Im Jahr 1999 sei die Entlohnung der geringfügig Beschäftigten nicht nach den allgemeinverbindlichen Tarifverträgen des Einzelhandels in Baden-Württemberg erfolgt.

Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Ulm (SG). Sie trug u.a. vor, die Beklagte habe nicht berücksichtigt, dass man den Widerspruch teilweise zurückgenommen und die Beitragsnachforderung für die Jahre 1997 und 1998 unstreitig gestellt habe. Insoweit hätte der Widerspruchsbescheid nicht mehr ergehen dürfen. Für das Jahr 1999 fordere die Beklagte die Sozialversicherungsbeiträge zu Unrecht. Entscheidend sei nicht das Entstehungs-, sondern das Zuflussprinzip. Nur in extremen Ausnahmefällen löse sich das Bundessozialgericht (BSG) von diesem Zuflussprinzip. Notwendig sei insoweit, dass der Schutzzweck der Sozialversicherung dies gebiete. Dies sei anzunehmen, wenn das Entgelt verspätet oder nicht gezahlt werde. Wesensmerkmal sei jeweils, dass der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt vertragswidrig nicht oder verspätet bezahlt habe (BSG, Urteile vom 11.11.1975, 3/12 RK 12/74 und Urteil vom 26.10.1982 - 12 RK 8/81). Hier habe sich die Klägerin vertragstreu verhalten. Sie habe die vertraglich geschuldete und von den Beschäftigten geltend gemachte Arbeitsvergütung ausbezahlt. Trotz der Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrags bleibe es einzig und allein der Entscheidung der Arbeitnehmer überlassen, tarifvertragliche Ansprüche durchzusetzen. Dies hätten die Arbeitnehmer nicht gemacht. Selbst wenn das Entstehungsprinzip maßgebend sein solle, verstoße die Nachforderung gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Sie stehe im Widerspruch zu der bisherigen Prüfpraxis der Rentenversicherungsträger. Die Arbeitgeber und die gehaltsabrechnenden Stellen hätten erstmalig durch die Arbeitgeber-Info 1/2000 von der Problematik der "Beitragserhebung aus geschuldetem Arbeitsentgelt" erfahren und bis zu diesem Zeitpunkt auf die Entscheidung des BSG zur untertariflichen Bezahlung und auf die Geringfügigkeitsrichtlinien vertraut. Außerdem führe die rückwirkende Inanspruchnahme zu einer doppelten Belastung des Arbeitgebers. Faktisch trage er in einem solchen Fall die Beitragspflicht alleine.

Die Beklagte trug dagegen vor, seit der Entscheidung des BSG vom 26.10.1982 - 12 RK 8/81 - gelte das Entstehungsprinzip. Damals habe sich das BSG ausdrücklich gegen das Zuflussprinzip ausgesprochen. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben liege nicht vor. Insoweit habe sich das BSG in seiner Entscheidung vom 18.11.1980 - 12 RK 59/79 - auf den Standpunkt gestellt, dass dem Betroffenen kein Vertrauensschutz zuzubilligen sei, wenn eine Beitragsforderung aufgrund einer geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung entstanden sei. Die Rechtsprechung habe sich - wie ausgeführt - mit der Entscheidung vom 26.10.1982 geändert. Im Übrigen wäre eine Beitragsnachberechnung des Weiteren auch nur dann ein Verstoß gegen allgemeine, aus § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) folgende Rechtsgrundsätze und damit ausgeschlossen, wenn für den Arbeitgeber ein Vertrauensschutz durch entsprechende Bescheide der Einzugsstelle bestehe. Solche Bescheide lägen hier nicht vor. Das Urlaubs- und Weihnachtsgeld gehöre auch zum regelmäßigen Arbeitsentgelt. Bei einem auf Dauer angelegten Beschäftigungsverhältnis könne aufgrund der Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrags - auch bei geringer Entlohnung - weder Urlaubs- noch Weihnachtsgeld als nicht vorhersehbare zusätzliche Einnahme gewertet werden.

Mit Urteil vom 13.12.2002, der Beklagten per Empfangsbekenntnis zugestellt am 30.01.2003, hob das SG den Bescheid vom 16.02.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.08.2001 insoweit auf, soweit Sozialversicherungsbeiträge für das Jahr 1999 nachgefordert werden. Zur Begründung führte es aus, Streitgegenstand sei allein die Nacherhebung von Sozialversicherungsbeiträgen für das Jahr 1999. Insoweit sei das Gericht zur Überzeugung gelangt, dass die Beigeladenen zu Ziff. 2 bis 4 durchgehend eine geringfügige Beschäftigung ausgeübt hätten. Sie hätten aufgrund der ihnen bezahlten Arbeitsentgelte die Entgeltgeringfügigkeitsgrenze für 1999 nicht überschritten. Die Tatsache, dass sie einen arbeitsrechtlichen Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld für 1999 aufgrund der allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge für den Einzelhandel in Baden-Württemberg gehabt hätten, begründe nicht das Überschreiten der monatlichen Entgeltgeringfügigkeitsgrenze. Grundsätzlich sei es zwar richtig, dass Beiträge im Sozialversicherungsrecht auch auf geschuldetes Arbeitsentgelt zu entrichten seien. Die Gründe für die Nichtzahlung seien unerheblich. Die uneingeschränkte Anwendung dieses Entstehungsprinzips für Beitragsansprüche auf "einmalig" gezahltes Arbeitsentgelt sei jedoch gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Erst durch das 2. Gesetz für moderne Dienstleistung am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002, in Kraft getreten zum 01.01.2003, habe der Gesetzgeber für die Beitragsansprüche aus einmalig gezahltem Arbeitsentgelt eine klare Regelung getroffen; und zwar gegen das sogenannte Entstehungsprinzip. Ein Beitragsanspruch entstehe jetzt erst dann, wenn das einmalig gezahlte Arbeitsentgelt ausgezahlt worden sei. Für das Jahr 1999 stehe der Beitragspflicht der nicht ausgezahlten Weihnachtsgelder/Urlaubsgelder § 1 Arbeitsentgelt-verordnung entgegen. Nach dieser Rechtsverordnung seien insbesondere einmalige Zahlungen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt würden, nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen, soweit sie lohnsteuerfrei seien. Lohnsteuer sei aber gerade auf solche Entgeltbestandteile, die tatsächlich nicht zugeflossen seien, nicht zu entrichten. Steuerrechtlich sei nämlich das Zuflussprinzip entscheidend. Selbst wenn aber im Beitragsrecht das Entstehungsprinzip bezüglich einmaliger Arbeitsentgelte für den streitgegenständlichen Zeitraum uneingeschränkt anwendbar wäre, würde dies vorliegend nicht zu einem "regelmäßigen" Überschreiten der Entgeltgeringfügigkeitsgrenze der Beigeladenen zu Ziff. 2 bis 4 führen. Erforderlich hierfür sei, dass die Sonderzahlungen nach vorausschauender Betrachtung mit hinreichender Sicherheit innerhalb eines Beschäftigungszeitraumes von einem Jahr zu erwarten seien. Dies sei hier nicht der Fall. Bei Begründung der Arbeitsverhältnisse sei insbesondere nicht abzusehen gewesen, ob die Arbeitnehmerinnen einen "fälligen" Anspruch auf diesbezügliche Arbeitsentgelte erlangen würden. Der maßgebende Tarifvertrag enthalte differenzierte Regelungen zur Fälligkeit der Ansprüche auf einmaliges Arbeitsentgelt. Dies bedeute, dass bei Begründung der Beschäftigungsverhältnisse keinesfalls im Sinne einer vorausschauenden Betrachtung mit hinreichender Sicherheit festgestanden habe, dass derartige Ansprüche entstehen würden. Würde man dies annehmen, würde dies im Ergebnis zu einer Verletzung des Bestimmtheitsgrundsatzes - als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips - führen. Die Beitragspflichtigkeit - der vom Arbeitnehmer nicht geltend gemachten - Ansprüche auf Urlaubsgeld und Jahressonderzuwendung aufgrund der Allgemeinverbindlichkeitserklärung des Tarifvertrags - bedinge kein "regelmäßiges" Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze des § 8 Abs. 1 Ziff. 1 SGB IV durch Verteilung des Gesamtbetrags auf sämtliche Monate des Kalenderjahres, sondern (allenfalls) für den Monat, in dem die einmaligen Entgelte fällig geworden wären, d.h. vom Teilzeitarbeitnehmer hätten geltend gemacht werden können. Dies ergebe sich auch aus § 23a SGB IV. Hiernach sei einmalig gezahltes Arbeitsentgelt grundsätzlich nur dem Entgeltabrechnungszeitraum zuzuordnen, in dem es gezahlt werde.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte am 17.02.2003 Berufung eingelegt. Sie macht ergänzend nunmehr noch geltend, dass mit der Änderung des § 22 Abs. 1 SGB IV durch Art. 2 Nr. 6 des 2. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt zum 01.01.2003 die Anwendung des Zuflussprinzips auch für zurückliegende Zeiträume, d.h. bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes zum 01.01.2003, nicht gestützt werde. Aber auch wenn man zu einer Anwendung dieser Regelung auch für die Vergangenheit käme, könne man sie im vorliegenden Verfahren bei der (vorausschauenden) versicherungsrechtlichen Beurteilung gleichwohl nicht berücksichtigen, da der für allgemeinverbindlich erklärte Tarifvertrag für den Einzelhandel in Baden-Württemberg hier nicht im Voraus einzelvertraglich ausgeschlossen worden sei. § 1 der Arbeitsentgeltverordnung stehe der Beitragspflicht für nicht ausgezahltes Weihnachts-/Urlaubsentgelt nicht entgegen. Urlaubs- und Weihnachtsgelder, die nicht gezahlt worden seien, würden durch die Nichtauszahlung nicht lohnsteuerfrei. Sie blieben dem Grunde nach lohnsteuerpflichtig. Lediglich aufgrund des im Steuerrecht geltenden Zuflussprinzips seien - für die dem Grunde nach lohnsteuerpflichtigen - nicht gezahlten Urlaubs- und Weihnachtsgelder keine Lohnsteuern zu zahlen. Daraus könne aber nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass nicht gezahlte Urlaubs- und Weihnachtsgelder als einmalige Einnahmen lohnsteuerfrei und dementsprechend nach § 1 Arbeitsentgeltverordnung nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen seien. Im Übrigen sei aufgrund des Tarifvertrags mit hinreichender Sicherheit sowohl das Urlaubs- als auch das Weihnachtsgeld hinreichend sicher gewesen. Die vom SG vertretene Ansicht, einmalig gezahltes Arbeitsentgelt sei grundsätzlich (nur) dem jeweiligen Entgeltabrechnungszeitraum zuzuordnen, in dem es gezahlt werde, widerspräche letztendlich dem dem Versicherungsrecht immanenten Kontinuitätsgedanken. In Monaten der Auszahlung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes würde wegen Überschreitens der Entgeltgrenze Versicherungspflicht eintreten und in den anderen zehn Monaten Versicherungsfreiheit bestehen. Derartige Versicherungsbiographien sollten vermieden werden. Zur Unterstützung ihrer Ansicht fügte die Beklagte einen Auszug aus "Deutsche Rentenversicherung" 2003, 105 ff., Kopien der Urteile des BSG vom 28.02.1984 - 12 RK 21/83 und vom 21.05.1996 - 12 RK 64/94 - sowie einen Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22.08.2002 - L 5 B 41/02 - KR ER und ein Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28.01.2003 - L 5 KR 73/02 - bei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 13. Dezember 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt sich erneut damit, dass das Zuflussprinzip gelte und ihr Vertrauensschutz zu gewähren sei und beruft sich im Wesentlichen auf das Urteil des SG. Ergänzend weist sie darauf hin, dass die Argumentation der Beklagten, das Entgelt könne nicht nur in den Monaten, in denen es tatsächlich fällig geworden sei, zum Tragen kommen, nicht auf dem "dem Versicherungsrecht immanenten Kontinuitätsgedanken", sondern letztendlich ausschließlich auf fiskalischen Erwägungen beruhe.

Die Beigeladenen haben sich weder geäußert noch Anträge gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Zu Unrecht hat das SG den Bescheid vom 16.02.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.08.2001 im Hinblick auf die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für das Jahr 1999 aufgehoben. Der Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids ist insoweit rechtmäßig. Die Beigeladenen Ziff. 2 bis 4 unterlagen im Jahr 1999 der Sozialversicherungspflicht.

Streitgegenstand ist, worauf das SG zu Recht hingewiesen hat, allein die Nacherhebung von Sozialversicherungsbeiträgen für das Jahr 1999. Durch die teilweise Rücknahme des Widerspruchs durch die Klägerin ist die Nachforderung für die Jahre 1997 und 1998 bestandskräftig geworden und nicht mehr im Streit.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für den Eintritt der Versicherungspflicht in den einzelnen Sozialversicherungszweigen in den bis zum 31.03.1999 und ab 01.04.1999 geltenden Fassungen sind im Urteil des SG zutreffend dargestellt. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.

Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen unterlagen die Beigeladenen Ziff. 2 bis 4 im Jahr 1999 entgegen der von der Klägerin und dem SG vertretenen Auffassung jedoch der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung. Dass im fraglichen Zeitraum die genannten Tarifverträge im Einzelhandel in Baden-Württemberg galten und Sonderzahlungen in Form von Urlaubs- und Weihnachtsgeld in der von der Beklagten angenommenen Höhe festgesetzt haben, wird von keinem der Beteiligten in Frage gestellt. Aufgrund der Allgemeinverbindlicherklärungen der Tarifverträge (§ 5 Abs. 1 Tarifvertragsgesetz - TVG -) erfassten die Tarifverträge in ihrem Geltungsbereich auch die bisher nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (§ 5 Abs. 4 TVG). Die Ausdehnung der Tarifgebundenheit auf nicht organisierte Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch die Allgemeinverbindlicherklärung ist dabei unabhängig von deren Kenntnis. Die Rechtsnormen des Tarifvertrags gelten hierdurch unmittelbar und zwingend zwischen den Tarifgebundenen (§ 4 Abs. 1 TVG). Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit der Tarifvertrag eine Öffnungsklausel enthält oder eine Abweichung zu Gunsten des Arbeitnehmers erfolgt (§ 4 Abs. 3 TVG). Die zwingende Ordnung eines Tarifvertrags verbietet jede nachteilige Regelung zu Lasten des Arbeitnehmers, sie schafft eine nicht entziehbare tarifliche Rechtsposition (vgl. Be-schluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22.08.2002 - L 5 B 41/02 KR ER-). Den Beigeladenen Ziff. 2 bis 4 stand somit, nachdem der Tarifvertrag keine Öffnungsklausel enthält, unabhängig von ihrer Kenntnis aufgrund ihrer Beschäftigung in Baden-Württemberg die tariflich geschuldete Sonderzuwendung zu. Unter Berücksichtigung dieser tariflich geschuldeten Sonderzuwendungen wurde - was von den Beteiligten nicht bestritten wird - bei den Beigeladenen Ziff. 2 bis 4 die Grenze einer geringfügig entlohnten Beschäftigung überschritten (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV in der bis zum 31.03.1999 und ab 01.04.1999 geltenden Fassung), so dass Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Rentenversicherung und der Arbeitslosenversicherung eintrat. Zu Recht hat die Beklagte der Beitragserhebung nicht nur das tatsächlich erzielte ("zugeflossene"), sondern das geschuldete Arbeitsentgelt, zu dem auch die Sonderzuwendungen gehören, zugrundegelegt. Die Entstehung von Beitragsansprüchen hängt - wovon auch das SG ausgeht - nicht davon ab, dass der Arbeitgeber das Entgelt tatsächlich zahlt, vielmehr ist ausreichend, dass zum Fälligkeitszeitpunkt der Beiträge ein Entgeltanspruch bestand (BSG, Urteil vom 30.08.1994 - 12 RK 59/92 -, Beschluss des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen vom 22.08.2002 - L 5 B 41/02 KR ER -, Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 28.01.2003 - L 5 KR 73/02 -). Ursprünglich vertrat das BSG zwar die Ansicht, es gelte auch im Beitragsrecht wie im Steuerrecht das Zuflussprinzip (BSG, Urteil vom 25.11.1964 - 3 RK 32/60 -) und nach Inkrafttreten des SGB IV am 01.07.1977 war die Rechtsprechung des BSG zunächst hinsichtlich der weiteren Geltung des Zuflussprinzips nicht eindeutig (vgl. Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 28.01.2003 - L 5 KR 73/02 - m.w.N.). Spätestens durch die 1994 ergangenen Entscheidungen vom 22.06.1994 - 10 RAr 3/93 - und 30.08.1994 - 12 RK 59/92 - hat sich das BSG jedoch vom Zuflussprinzip eindeutig gelöst und das Entstehungsprinzip vertreten. Diese Auffassung hat es auch in den Urteilen vom 21.05.1996 - 12 RK 64/94 - und zuletzt im Urteil vom 07.02.2002 - B 12 KR 13/01 R - wiederholt. Auch der Bundesgerichtshof (BGH) folgt im Rahmen des § 266a Strafgesetzbuch dem Entstehungsprinzip und sieht ein Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen schon dann als gegeben an, wenn die unabhängig von der tatsächlichen Zahlung des Entgelts fällig gewordenen Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt worden sind (BGHZ 144, 311; zuletzt BGH NJW 2002, 2480). Die Klägerin vertritt insoweit zu Unrecht die Auffassung, das BSG habe sich nur in extremen Ausnahmefällen, sofern der Schutzzweck der Sozialversicherung dies gebiete, vom Zuflussprinzip gelöst. Nach der Rechtsprechung des BSG ist nicht nur dann vom Zuflussprinzip abzugehen, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt vertragswidrig nicht oder verspätet bezahlt hat, das BSG stellt sich vielmehr ganz generell auf den Standpunkt, dass die Entstehung der Beitragsansprüche nicht davon abhängt, ob das geschuldete Arbeitsentgelt gezahlt wurde, es dem Arbeitnehmer also zugeflossen ist (BSG, Urteil vom 21.05.1996 - 12 RK 64/94 -). Im Übrigen würde es sich in diesem Fall auch um eine Konstellation handeln, in der auch nach der von der Klägerin vertretenen Ansicht das BSG vom Zuflussprinzip Abstand nehmen würde. Im Hinblick auf ein vertragswidriges Verhalten ist nämlich nicht allein auf den zwischen den Beteiligten geschlossenen Arbeitsvertrag, sondern auch den allgemeinverbindlichen Tarifvertrag abzustellen. Durch die Nichtbezahlung der Sonderzuwendungen wurde gegen diesen Tarifvertrag verstoßen. Es liegt ein vertragswidriges Verhalten der Klägerin vor. Dies hätte auch unter Zugrundelegung der Ansicht der Klägerin zur Folge, dass hier das Entstehungsprinzip zum Tragen käme. Auf die Geltendmachung der Ansprüche durch die Arbeitnehmer kommt es nicht an. Das BSG führt insoweit im Urteil vom 30.08.1994 - 12 RK 59/92 - ausdrücklich aus, dem Gesetz sei nicht zu entnehmen, dass das Entstehen von Beitragsansprüchen davon abhänge, ob sie selbst oder der zugrundeliegende Entgeltanspruch erkannt und geltend gemacht würden. Auch im Rahmen des § 266a StGB würde diese Ansicht zu unlösbaren Problemen führen. Würde der Beitragsanspruch nur dann bestehen, wenn der Beschäftigte den Lohn noch fordert, hinge die Strafbarkeit des Arbeitgebers von dem entsprechenden Verhalten des Arbeitnehmers ab. Etwas anderes ist auch nicht daraus zu folgern, dass nach dem zum 01.01.2003 in Kraft getretenen zweiten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 für die Beitragspflicht von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt nunmehr in einem Teil der Fälle maßgebend ist, ob und wann die Einmalzahlung zugeflossen ist. Das Gesetz befasst sich in keinster Weise mit der Zeit vor dem 01.01.2003 und es verhält sich - wie ausgeführt - auch nicht so, dass die Regelung vorher im Sinne des neuen Gesetzes eindeutig gewesen wäre und nunmehr nur noch zur Klarstellung hätte niedergeschrieben werden müssen. Abgesehen davon gilt auch nach dem ab 01.01.2003 geltenden Gesetz, dass bei der Ermittlung des Arbeitsentgelts Einmalzahlungen, die mit hinreichender Sicherheit mindestens einmal jährlich zu erwarten sind (z.B. aufgrund eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags oder aufgrund von Gewohnheitsrecht wegen betrieblicher Übung), zu berücksichtigen sind. Anders ist es nur dann, wenn ein Arbeitnehmer schriftlich und im Voraus auf die Zahlung des einmalig gezahlten Arbeitsentgeltes verzichtet. Dann wird die Sonderzahlung bei der Ermittlung des regelmäßigen (Jahres-)Arbeitsentgelts nicht berücksichtigt. Damit wäre auch unter Geltung des ab 01.01.2003 gültigen Gesetzes in diesem Fall die Sonderzuwendung dazuzurechnen, denn die Beigeladenen Ziff. 2 bis 4 haben nicht schriftlich und im Voraus auf die Zahlung des einmalig gezahlten Arbeitsentgelts verzichtet. Entgegen der Auffassung des SG steht der Beitragspflicht der nicht ausgezahlten Weihnachtsgelder/Urlaubsgelder § 1 Arbeitsentgeltverordnung nicht entgegen. Nach dieser Arbeitsentgeltverordnung sind einmalige Einnahmen, laufende Zulagen etc., die zusätzlich zu Löhnen und Gehältern gewährt werden, nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen, soweit sie lohnsteuerfrei sind. Es ist nun zwar so, dass Lohnsteuer auf Entgeltbestandteile, die tatsächlich nicht zugeflossen sind, nicht zu entrichten ist. Die Arbeitsentgeltverordnung erfasst grundsätzlich jedoch nicht die Entgeltbestandteile, die nur deshalb nicht lohnsteuerpflichtig sind, weil sie nicht bezahlt wurden, sondern diejenigen, die von Haus aus lohnsteuerfrei sind (z.B. Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit). Dies ist bei Urlaubs- und Weihnachtsgeldern nicht der Fall. Sie bleiben, auch wenn sie nicht gezahlt werden, dem Grunde nach lohnsteuerpflichtig. Lediglich aufgrund des im Steuerrecht geltenden Zuflussprinzipes ist für sie, da sie nicht ausbezahlt wurden, keine Lohnsteuer zu bezahlen. Den Sonderzuwendungen mangelt es auch nicht an der erforderlichen monatlichen Regelmäßigkeit des Überschreitens der Geringfügigkeitsgrenze des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV. Das SG ist insoweit zu der Überzeugung gelangt, dass unter Geltung der Tarifverträge bei einer vorausschauenden Betrachtung nicht mit hinreichender Sicherheit zu erwarten gewesen sei, dass die Beigeladenen zu Ziff. 2 bis 4 auch einen Anspruch auf die Jahressonderzuwendung und das Urlaubsgeld erwerben würden. Bei Begründung der Arbeitsverhältnisse sei insbesondere nicht abzusehen gewesen, ob die Arbeitnehmerinnen einen "fälligen" Anspruch auf diesbezügliche Arbeitsentgelte erlangen würden (so auch Beschluss des SG Ulm vom 08.08.2002 - S 10 RA 1802/02 ER - und Urteil des SG Hamburg vom 29.01.2003 S- 10 RA 55/01 -). Dieser Ansicht vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Das BSG hat in diesem Zusammenhang in seinem Urteil vom 28.02.1984 - 12 RK 21/83 - dargelegt, es komme auf das im Laufe eines Jahres mit hinreichender Sicherheit zu erwartende Arbeitsentgelt an, ohne dass darauf ein Rechtsanspruch bestehen müsse und ohne Rücksicht darauf, wann der Anspruch entstehe. Man muss demzufolge im Rahmen einer jeweils auf ein Jahr vorausschauenden Betrachtungsweise die Feststellung treffen können, ob das Weihnachtsgeld für das Jahr 1999 für die Beigeladenen Ziff. 2 bis 4 mit der erforderlichen Sicherheit zu erwarten war bzw. sich mit der erforderlichen Sicherheit aus den Tarifverträgen ergab. Falls ja, ist die Regelmäßigkeit zu bejahen. Zwar sehen die maßgeblichen Tarifverträge diesbezüglich Einschränkungen im Hinblick auf die Fälligkeit, Rückzahlungsverpflichtungen und Inanspruchnahme von Jahresurlaub vor. Es handelt sich jedoch insoweit um eindeutige Regelungen. Die Sonderzuwendungen werden dadurch nicht zu unvorhergesehenen unplanbaren Leistungen. Die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse der Beigeladenen Ziff. 2-4 waren auch auf Dauer angelegt. Es bestand insoweit kein Unterschied zu einem "normalen" Beschäftigungsverhältnis. Eine Befristung war nicht vereinbart. Zur Beendigung des geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses hätte es einer Kündigung bedurft. Aus diesen Gründen war - wobei ergänzend auch noch anzuführen ist, dass in den Jahren 1997 und 1998 tatsächlich diese Sonderzuwendungen geflossen sind - Anfang des Jahres 1999 hinreichend sicher, dass diese Sonderzuwendungen den Beigeladenen Ziff. 2 bis 4 wie auch jedem in Vollzeit arbeitenden Arbeitnehmer nach den Tarifverträgen zustehen würden. Die einmaligen Zahlungen sind auch nicht dem jeweiligen Entgeltabrechnungszeitraum zuzuordnen, sondern anteilig auf die einzelnen Monate des Jahres zu verteilen. Insoweit weist die Beklagte zu Recht auf die versicherungsrechtliche Kontinuität hin. Es würde den Interessen aller Beteiligten widersprechen, wenn in 10 Monaten Versicherungsfreiheit und in 2 Monaten Versicherungspflicht bestehen würde. Zwar mögen insoweit auch fiskalische Erwägungen eine Rolle spielen, doch ist insbesondere auch zu beachten, dass durch das Überschreiten der Versicherungspflichtgrenze in 2 Monaten der ggf. bestehende Anspruch auf Familienhilfe entfallen würde, in den anderen Monaten würde er wiederaufleben. Eine solche Regelung würde nicht nur beim einzelnen Versicherten, sondern auch bei den Arbeitgebern und Versicherungsträgern zu erheblichen Problemen führen. Diese Auffassung wird im Grunde auch von der Klägerin vertreten, die für die Jahre 1997 und 1998 durch die Rücknahme ihres Widerspruchs akzeptiert hat, dass die Sonderzuwendungen anteilig auf die jeweiligen Monate zu verteilen sind. Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Zwar mögen die Einzugsstellen in der Vergangenheit im Hinblick auf die geringfügigen Beschäftigungs-verhältnisse keine sorgfältige Prüfung bei den Arbeitgebern durchgeführt und die Handhabung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse nicht beanstandet haben, doch ist insoweit zu beachten, dass auch wenn solche Betriebsprüfungen bei der Klägerin stattgefunden haben sollten, die zu keiner Beanstandung geführt haben, es sich insoweit grundsätzlich nur um sog. Stichprobenüberprüfungen gehandelt hat. Dies allein mag Vertrauensschutz nicht zu begründen. Ein Unterlassen der Einzugsstelle reicht als Verwirkungshandeln grundsätzlich nicht aus. Ein Unterlassen kann ein schutzwürdiges Vertrauen nur dann begründen, wenn der Schuldner das Nichtstun des Gläubigers nach den Umständen als bewusst und planmäßig betrachten dürfte (vgl. BSG Urteile vom 28.04.1987 - 12 RK 47/85 - und vom 08.12.1997 - 7 RAr 14/96 - Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 28.01.2003 - L 5 KR 73/02 -). Für ein solches bewusstes und planmäßiges "Nichtstun" der Einzugsstellen gibt es keine Belege. Insbesondere vermochte auch die Klägerin keinen Verwaltungsakt der Einzugsstellen vorzulegen, wonach bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen das Zuflussprinzip gilt. Auch ein Schutz durch die frühere Rechtsprechung kommt nicht in Betracht. Spätestens seit dem Jahr 1994 hat sich das BSG eindeutig auf den Standpunkt gestellt, dass das Entstehungsprinzip für die Sozialversicherungsbeiträge entscheidend ist. Im Übrigen ist auch noch zu beachten, dass der Grundsatz von Treu und Glauben in all seinen Anwendungsfällen auch eine umfassende Interessenabwägung erfordert (BGHZ 49, 153; SG Augsburg in NZS 2002, 543 Urteil vom 23.04.2002 S 5 RA 310/01 -). Hier steht auf Seiten der Beklagten das öffentliche Interesse an der Eintreibung der zustehenden Beiträge für die jeweiligen Träger der Sozialversicherung. Auf Seiten der Klägerin ist zu beachten, dass sie es trotz der Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge unterließ, den Beigeladenen zu Ziff. 2 bis 4 die Sonderzuwendungen zu bezahlen. Unter Beachtung dieser Gesichtspunkte ist es nicht gerechtfertigt dem Arbeitgeber, nachdem er Sozialversicherungsbeiträge eingespart hat, einen besonderen Vertrauensschutz zu gewähren. Aus diesem Grunde spielt letztendlich auch der Aspekt, dass der Arbeitgeber durch die Nachforderung einseitig belastet wird, keine Rolle. Zum einen hat er durchaus die Möglichkeit, sich an die Arbeitnehmerinnen im Hinblick auf ihren Anteil an den Sozialversicherungsbeiträgen zu wenden, zum anderen muss er jedoch, wenn er entgegen dem für ihn gültigen Tarifvertrag handelt, damit rechnen, dass diese Vorgehensweise zugleich mit finanziellen Risiken verbunden ist.

Nach alledem war dem Berufungsbegehren der Beklagten stattzugeben.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Der Senat hat dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung beigemessen und daher die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved