L 5 KA 2811/02

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KA 4543/00
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KA 2811/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 109/03
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die KV NW darf die Vergütung verspätet eingereichter Abrechnungsscheine auch dann ablehnen, wenn die verspätete Einreichung der Abrechnungsscheine (bzw. Überspielung der entsprechenden Daten) auf einem Fehler der EDV-Anlage des Arztes beruht. NZB anhängig unter B 6 KA 109/03 B
Auf die Berufung der Kläger werden das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. Juli 2002 und der Bescheid vom 22. Mai 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Juli 2000 abgeändert. Die Beklagte wird verpflichtet, die Abrechnungsscheine mit der Quartalsangabe 4/99 mit über das Quartalsende hinaus von den Klägern erbrachten Leistungen zu vergüten. Im Übrigen wird die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Die Beklagte hat den Klägern ein Drittel der außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen, die Kläger haben der Beklagten zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand:

Die Kläger begehren die Vergütung von 5106 Abrechnungsscheinen aus Vorquartalen, die sie mit der Abrechnung des Quartals 1/00 bei der Beklagten zur Abrechnung eingereicht haben.

Die Kläger sind als Laborärzte in L. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und üben ihre vertragsärztliche Tätigkeit in Gemeinschaftspraxis aus. Die Diskettenabrechnung für das Quartal 1/00 übersandten sie innerhalb des Einsendetermins bis 8. April 2000, den die Beklagte mit Rundschreiben Nr. 1/2000 vom 27. März 2000 mitgeteilt hatte. Mit Bescheid vom 22. Mai 2000 sandte die Beklagte den Klägern u.a. 5202 Abrechnungsscheine der Primärkassen und Ersatzkassen aus Vorquartalen zurück und teilte mit, diese Abrechnungsscheine seien keine einzelnen Scheine im Sinne des § 5 Abs. 2 des Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) und hätten den Klägern zum Zeitpunkt der Abrechnung schon vorgelegen. Eine Vergütung könne deshalb nicht erfolgen.

Die Kläger erhoben Widerspruch. Durch einen EDV-Fehler seien zunächst 20.000 Scheine der Abrechnung 4/99 nicht abgerechnet worden. Nachdem der Fehler kurzfristig habe behoben und das Band rechtzeitig zur Abrechnung eingereicht werden können, hätten sie bei der nachträglichen Überprüfung entdeckt, dass immer noch über 5000 Scheine nicht abgerechnet gewesen seien. Daraufhin habe man bei Herrn L. um Rücksendung des Abrechnungsbandes gebeten. Dieser habe gesagt, dass das Band schon eingelesen sei, eine Korrektur nicht mehr möglich sei und die einzige Möglichkeit wäre, die restlichen Fälle im nächsten Quartal mit abzurechnen. Auch bekämen sie am letzten Tag des Quartals noch Überweisungsscheine, weshalb immer eine ganze Menge an Fällen als Nachzügler abgerechnet werden müssten. Die Kläger stellten während des Widerspruchsverfahrens auch fest, dass von den nicht abgerechneten Fällen doch 96 Fälle bereits im Quartal 4/99 abgerechnet worden seien.

Den Widerspruch der Kläger wies der Vorstand der Beklagten zurück (Widerspruchsbescheid vom 24. Juli 2000) mit der Begründung, bei der im Quartal 1/00 abgerechneten Fallzahl von 99.511 Fällen sei es offensichtlich, dass es sich bei den mit dieser Abrechnung nachgereichten 5202 Abrechnungsscheinen aus Vorquartalen nicht um einzelne Abrechnungsscheine bzw. -fälle gehandelt habe. In Zeiten der Budgetierung vertragsärztlicher Honorare sei eine restriktive Anwendung der HVM-Bestimmungen (des § 5 Abs. 2 HVM) zwingend erforderlich. Daran änderten auch die Ausführungen im Widerspruchschreiben nichts.

Die Kläger haben am 7. August 2000 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Ursache für die Einreichung der Abrechnungsscheine aus dem Quartal 4/99 im Quartal 1/00 bzw. die Deklaration als Fälle aus dem Quartal 4/99 sei: - ca. 1500 Scheine seien bei ihnen gegen Ende des Quartales eingegangen und seien über das Quartalsende hinaus bearbeitet worden. Die Untersuchungen seien erst zu Beginn des Quartals 1/00 fertig gestellt und in der EDV-Abrechnung für das Quartal 1/00 mit dem Einlesedatum aus dem Quartal 4/99 eingereicht worden; - ca. 3000 Fällen resultierten aus einem Softwarefehler in ihrer EDV-Anlage. Die Software habe fehlerhaft Abrechnungsscheine auf den Status "nicht abrechnen" gesetzt, was sie zunächst nicht hätten bemerken können; - ca. 500 Scheinen seien ihnen von den einsendenden Ärzten als Privatpatienten überwiesenen worden, obwohl diese Patienten gesetzlich versichert gewesen seien. Die Patienten hätten ihre Krankenversichertenkarte erst später vorgelegt, worauf der jeweilige Einsender die entsprechenden Überweisungsscheine erst im Folgequartal nachgereicht habe. Bei den zirka 1500 Scheinen (ca. 1,5% der Gesamtfallzahl) handele es sich bei Laborärzten, die generell eine wesentlich höhere Scheinzahl als andere Arztpraxen hätten, um einzelne Scheine im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 HVM. Bezüglich der 3000 Scheine, die wegen Softwareproblemen nachgereicht worden seien, hätten sie sich auf die Mitteilung des zuständigen Mitarbeiters der Beklagten verlassen dürfen, was der bisherigen Verwaltungspraxis der Beklagten entsprochen habe. Die Abrechnung der ca. 500 Fälle vermeintlicher Privatpatienten sei eben objektiv nicht möglich gewesen.

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 17. Juli 2002). Es hat § 5 HVM u.a. unter Hinweis auf das Urteil des Senats vom 22. Mai 1996 - L 5 KA 2710/95 - als rechtmäßig angesehen und weiter ausgeführt, die Beklagte habe die noch streitigen 5106 Abrechnungsscheine (5202 abzüglich 96 nach Angaben der Kläger bereits im Quartal 4/99 eingereichter Abrechnungsscheine) unter Berufung auf § 5 Abs. 2 HVM zu Recht nicht vergütet. Die (wegen Softwareproblemen nachgereichten) Abrechnungsscheine hätten Einlesedaten aus dem Quartal 4/99. Aus der (behaupteten) Auskunft des Mitarbeiters L. der Beklagten könnten die Kläger keinen Vertrauensschutz herleiten, da dieser Auskunft mangels Schriftform keine Rechtswirksamkeit im Sinne einer Bindungswirkung bzw. Zusicherung zukomme. Die Berücksichtigung der Überweisungsscheine der zunächst als Privatpatienten überwiesenen Behandlungsfälle scheide im Rahmen der Nachzüglerregelung aus. Die Kläger könnten sich in diesen Fällen allein bei den Patienten selbst oder den einsendenden Vertragsärzten schadlos halten. Denn letztere hätten ohne Vorlage der Krankenversichertenkarte eine "Überweisung" als Auftragsleistung nicht vornehmen dürfen. Bei den quartalsübergreifenden Abrechnungsscheinen hätten die Kläger die gesamten Leistungen entsprechend der ab Januar 2000 gültigen Erläuterungen zur Vereinbarung über Vordrucke für die vertragsärztliche Versorgung für das Quartal 1/00 abrechnen müssen. Zwar hätten die Kläger die erbrachten Leistungen im richtigen Quartal zur Abrechnung eingereicht. Sie hätten dies indes auf Unterlagen getan, die nicht für das abzurechnende Quartal 1/00, sondern für das Vorquartal 4/99 gegolten hätten. Es wäre ihnen durchaus zumutbar gewesen, die ihnen bereits im Quartal 4/99 vorgelegten Überweisungsscheine vor deren Einreichung bei der Beklagten im rechten oberen Feld - gegebenenfalls handschriftlich oder durch Änderung ihres Abrechnungsprogramms - auf das Quartal 1/00 umzutragen oder der Abrechnung eine Liste der hiervon betroffenen Fälle beizufügen. Sie hätten aber auch bei der Beklagten nach § 5 Abs. 1 Satz 2 HVM einen Antrag auf Ausnahme von der Einhaltung der Einreichungsfrist stellen können. Eine nachträgliche Berichtigung der Quartalsangabe in den Abrechnungsscheinen sei nach Abgabe der Abrechnungsunterlagen bei der Beklagten nicht (mehr) zulässig, denn die unrichtige Quartalsangabe in den Abrechnungsunterlagen stelle eine "unvollständige Abrechnung" im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 3 HVM dar. Des Weiteren habe die Beklagte die Vergütung der streitigen 5106 Abrechnungsscheine auch deshalb zu Recht abgelehnt, weil es sich nicht um "einzelne Abrechnungsscheine" im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 HVM handele. Es könnten nur wenige (vereinzelte) Abrechnungsscheine sein, die als Nachzügler im nachfolgenden Quartal zur Abrechnung eingereicht werden dürften. Entgegen der Ansicht der Kläger sei nicht ein prozentualer Anteil der insgesamt im Quartal abgerechneten Fälle als Nachzüglerfälle, die noch abgerechnet werden könnten, anzuerkennen und enthalte § 5 Abs. 2 Satz 1 HVM in Verbindung mit § 5 Abs. 1 HVM auch einen Ausschluss der Vergütung von mehr als einzelnen Nachzüglerscheinen. Denn nach § 5 Abs. 2 Satz 3 HVM sei eine nachträgliche Berichtigung oder Ergänzung einer irrtümlich unvollständigen Abrechnung für eingereichte Behandlungsfälle nach Abgabe der Abrechnungsunterlagen nicht zulässig. Auch aus § 6 HVM folge entgegen der Auffassung der Kläger nicht, dass verspätet eingereichte Abrechnungsunterlagen stets berücksichtigt würden. Schließlich könne auch aus Gründen des Vertrauensschutzes eine großzügigere Vergütung von Nachzüglerscheinen im Quartal 1/00 nicht erfolgen. Nach Aussetzung der Regelungen zur Fallzahlzuwachsbegrenzung (Anlage 2 zum HVM) in den Quartalen 3/98 bis 2/99 hätten viele Ärzte Scheine in großem Umfang nachgereicht, was nur den Schluss zulasse, dass Ärzte, denen Behandlungsfälle wegen der Fallzahlzuwachsbegrenzung nicht vergütet worden seien, diese als Nachzügler deklariert hätten. Ein solches auf Missbrauch ausgerichtetes Verfahren habe die Beklagte nicht hinnehmen müssen und sei deshalb berechtigt gewesen, ohne weitere Ankündigung die zuvor geübte großzügige Verfahrensweise abzuändern und nunmehr lediglich noch maximal zehn Nachzüglerscheine als "einzelne Scheine" anzuerkennen. Auch die Abrechnungshinweise im Handkommentar von Wezel/Liebold begründeten keinen Vertrauensschutz.

Gegen das den Prozessbevollmächtigten der Kläger am 24. Juli 2002 zugestellte Urteil haben die Kläger am 30. Juli 2002 Berufung eingelegt. Sie machen geltend, bei den 1500 Fällen der Fallgruppe 1 sei das Datum der Auftragserteilung/Materialentnahme (aus dem Quartal 4/99) auf dem Überweisungs-/Abrechnungsschein automatisch eingetragen worden, da sie an der EDV-Abrechnung mit einem von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zertifizierten Abrechnungsprogramm teilnähmen. Dies habe der bisherigen Abrechnungspraxis entsprochen. Ihre Abrechnungssoftware sei auf Grund der Neubekanntmachung der Erläuterungen zur Vordruck-Vereinbarung im März 2000 erst nach dem Einreichen der Honorarabrechnung für das Quartal 1/00 angepasst worden. Diese Abrechnungsscheine seien formal korrekt ausgefüllt. Die Änderung der Vordruck-Vereinbarung sei von der Beklagten mit Rundschreiben vom 27. März 2000 bekannt gemacht worden und könne für diese Fälle aus dem Quartal 4/99 keine Geltung beanspruchen. Diese Abrechnungsscheine seien auch materiell-fristgerecht zur Abrechnung eingereicht worden. Auf § 5 HVM könne sich die Beklagte insoweit nicht stützen. Diese Regelung sei im Übrigen rechtswidrig und unwirksam. Bezüglich der zweiten Fallgruppe sei, nachdem ihnen der Softwarefehler aufgefallen sei, auf Nachfrage der Abrechnungsabteilung mitgeteilt worden, dass die Fälle im nächsten Quartal mit eingereicht und abgerechnet werden sollten. Diese Empfehlung begründe ein rechtlich schutzwürdiges Vertrauen. Im Übrigen könne sich die Beklagte insoweit ebenfalls nicht auf § 5 HVM stützen. Bezüglich der dritten Fallgruppe hätten sie erst nach Nachreichen der Überweisungsaufträge die Leistungen im Folgequartal abrechnen können. Wenn überweisende Ärzte entgegen den bundesmantelvertraglichen Vorschriften trotzdem Überweisungsaufträge erteilt hätten, falle dieser Verstoß nicht in ihren Rechtskreis. Im Übrigen befinde sich ein Honorarabrechnungssystem, in dem selbst geringfügige formale Fehler der abrechnenden Ärzte unkorrigierbar seien und auch bei einschneidenden Fehlern voll zu ihren Lasten gingen, während Fehler der Beklagten ohne weiteres nachträglich zu deren Gunsten korrigiert werden könnten, in einer Schieflage.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. Juli 2002 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 22. Mai 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Juli 2000 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihnen weitere 5106 Abrechnungsscheine im Quartal 1/00 zu vergüten,

hilfsweise, über ihre Honorarforderung für das Quartal 1/00 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu entscheiden,

hilfsweise, die Revision zuzulassen

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und verweist auf das zwischenzeitlich ergangene Urteil des Senats vom 16. Juli 2003 - L 5 KA 3151/02 -.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Kläger ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund des § 144 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist nicht gegeben. Der Beschwerdewert von EUR 500,00 ist überschritten. Streitig ist die Vergütung von insgesamt 5106 Abrechnungsscheinen. Es kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die auf diesen Abrechnungsscheinen berechneten Leistungen einen Wert von deutlich mehr als EUR 500,00 haben.

II.

Die zulässige Berufung der Kläger ist teilweise begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, die Abrechnungsscheine mit der Quartalsangabe 4/99 mit über das Quartalsende hinaus von den Klägern erbrachten Leistungen (Fallgruppe 1) zu vergüten. Hinsichtlich der übrigen Abrechnungsscheine (Fallgruppen 2 und 3) hat die Beklagte die Vergütung zu Recht abgelehnt.

1. Für die Abrechnung enthält der HVM u.a. folgende Vorschriften:

§ 5

Abrechnungs-, Verjährungs- und Ausschlussfristen

1. Um einen geordneten Abrechnungsverkehr zu gewährleisten, ist es notwendig, die Abrechnungen vollständig bis zu den Einsendeterminen einzureichen, die die KV NW rechtzeitig vor Ablauf des jeweiligen Kalendervierteljahres durch Rundschreiben bekannt gibt. Ausnahmen von der Einhaltung dieser Fristen können nur auf rechtzeitig vorher gestellten und begründeten Antrag gewährt werden.

2. Soweit zum Zeitpunkt der Einreichung der Abrechnungen einzelne Abrechnungsscheine noch nicht vorliegen, sind sie nicht nachzureichen, sondern den Abrechnungsunterlagen des folgenden Kalendervierteljahres beizufügen. Diese Abrechnungsscheine werden mit den Vergütungen abgerechnet, die für das Kalendervierteljahr gelten, mit dem die Abrechnungsscheine nachgereicht wurden. Eine nachträgliche Berichtigung oder Ergänzung einer irrtümlich unvollständigen Abrechnung für eingereichte Behandlungsfälle ist nach Abgabe der Abrechnungsunterlagen unzulässig.

3. Die vertraglichen Verjährungs- bzw. Ausschlussfristen für die Abrechnung von Leistungen sind zu beachten. Damit die KV NW die Möglichkeit der noch fristgerechten Bearbeitung verspäteter Abrechnungen vor ihrer Verjährung bzw. ihrem Ausschluss hat, endet die Möglichkeit der Abrechnung von Leistungen einschließlich Kostenersatz bei der KV NW zwei Monate vor der vertraglichen Verjährungs- bzw. Ausschlussfrist. Soweit Verträge keine Verjährungs- bzw. Ausschlussfrist enthalten, endet die Abrechnungsmöglichkeit bei der KV NW nach Ablauf des achten Kalendervierteljahres, das auf das Leistungsvierteljahr folgt.

§ 6

Folgen bei Fristversäumnis der Abrechnungsfristen

1. Bei ungenügend begründetem Überschreiten der Abrechnungsfristen gemäß § 5 Abs. 1 HVM wird ein Abzug von der Abrechnungssumme des Arztes vorgenommen. Der Abzug beträgt pro Kalendertag 0,5 % der rechnerisch-sachlich geprüften Abrechnungssumme, gerechnet vom ersten Kalendertag nach Fristablauf bis zum Kalendertag, an dem die Abrechnungsunterlagen eingehen. Der Abzug beträgt insgesamt höchstens pro Abrechnungsquartal bei einer Verspätung innerhalb des ersten Monats, der auf das Abrechnungsquartal folgt, DM 2.000,00, innerhalb des zweiten Monats DM 3.500,00 und bei einer Verspätung von mehr als zwei Monaten DM 5.000,00. Der Abzug wird durch eine schriftliche Mitteilung ersetzt, wenn die ungenügend begründete Überschreitung der Abrechnungsfrist erstmalig nach Beginn der Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung eingetreten ist.

2. Abrechnungsunterlagen, die so spät eingehen, dass sie bei der laufenden Abrechnung keine Berücksichtigung mehr finden können, werden unbeschadet des Abzuges nach vorstehenden Absatz 1 bis zum nächsten Abrechnungsvierteljahr zurückgestellt.

1.1. § 5 HVM ist rechtlich nicht zu beanstanden und ist Rechtsgrundlage für den Ausschluss von Abrechnungsscheinen, die nicht fristgerecht zur Abrechnung eingereicht werden. In zwei den Beteiligten bekannten Urteilen vom 16. Juli 2003 - L 5 KA 2935/01 und L 5 KA 3151/02 - hat der Senat ausgeführt:

"Der HVM der Beklagte beruht auf der gesetzlichen Regelung des § 85 Abs. 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V). Nach § 85 Abs. 4 Satz 1 SGB V verteilt die Beklagte die Gesamtvergütung unter die Vertragsärzte. Sie wendet dabei den im Benehmen mit den Verbänden der Krankenkassen festgesetzten Verteilungsmaßstab an (§ 85 Abs. 4 Satz 2 SGB V). § 85 Abs. 4 SGB V ist eine hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage (vgl. zur im Wesentlichen gleichlautenden Vorgängervorschrift des § 368 f Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO): BVerfGE 33, 171 ff). Vorschriften des Honorarverteilungsmaßstabes hat das BVerfG vorrangig als Berufsausübungsregelungen angesehen (BVerfGE aaO, 185). Regelungen der Berufsausübung lässt Art. 12 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes zu. Als wirksame Berufsausübungsregelung taugt jede normative Regelung, der vernünftige Gründe des Gemeinwohls zugrunde liegen, die zur Erreichung des angestrebten Zweckes geeignet und erforderlich sind und die berufliche Betätigungsfreiheit nicht unzumutbar behindern (vgl. BVerfGE 7, 377, 405 ff; 78, 155, 162; ständige Rechtsprechung). Diesen Anforderungen genügt die Regelung des § 5 HVM. Denn unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Verteilung der Gesamtvergütung ist das Setzen einer Ausschlussfrist, innerhalb der Abrechnungsunterlagen einzureichen sind, erforderlich, geeignet und verhältnismäßig.

Die Auskehrung der Gesamtvergütungsanteile durch die Kassenärztlichen Vereinigungen im Wege der Honorarverteilung ist dadurch gekennzeichnet, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen quartalsmäßig auf die Honoraranforderungen ihrer Vertragsärzte und Psychologischen Psychotherapeuten hin Bescheide zu erlassen haben. Auch können die Vertragsärzte und Psychologischen Psychotherapeuten von den Kassenärztlichen Vereinigungen eine zeitgerechte Verteilung der Gesamtvergütung verlangen, weil diese gehalten sind, die ihnen von den Krankenkassen gezahlten Gesamtvergütungen umgehend gemäß § 85 Abs. 4 SGB V an die Vertragsärzte zu verteilen (vgl. BSG SozR 2200 § 368d Nr. 5; SozR 3-2500 § 85 Nr. 42). Um dies erfüllen zu können, ist die Beklagte darauf angewiesen, dass die ihr angehörenden Vertragsärzte und Psychologischen Psychotherapeuten nach jedem Quartal ihre Abrechnungsunterlagen pünktlich und vollständig vorlegen (zur Pflicht der fristgerechten Einreichung der Abrechnung vgl. auch § 34 Abs. 3 Satz 2 EKV-Ä). Denn nur dann kann zeitnah feststehen, wie die von den Krankenkassen gezahlte Gesamtvergütung an die Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten zu verteilen ist. Wird eine umfangreiche Abrechnung zu einem Quartal erst verspätet eingereicht, können sich erhebliche Veränderungen ergeben. Da die Höhe der an die Vertragsärzte für ein Quartal zu verteilenden Gesamtvergütung nicht nachträglich geändert werden kann, insbesondere die Beklagte von den Krankenkassen keine Nachforderungen verlangen kann, kann dies gegebenenfalls eine Neuberechnung der an jeden einzelnen Vertragsarzt und Psychologischen Psychotherapeuten zu zahlenden Honorare erforderlich machen, unter Umständen mit der Folge von Rückforderungen bereits gezahlter Honorare (vgl. zur Rückforderung bei notwendigen Neuberechnungen der Vergütungen u.a.: BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 42). Dies wäre mit einem zusätzlichen erheblichen Verwaltungsaufwand verbunden. Die Nichteinhaltung der Abrechnungstermine beschränkt sich in ihrer Auswirkung auch nicht auf die eigene wirtschaftliche Lage des Vertragsarztes (Honorarabzüge), sie stört vielmehr auch die reibungslose Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung. Diese ist nicht nur davon abhängig, dass der Vertragsarzt seine Patienten sachgemäß behandelt, sondern auch davon, dass die Zusammenarbeit der Organe der vertragsärztlichen Selbstverwaltung mit den Vertragsärzten auf dem Verwaltungssektor nicht in einem unerträglichen Umfange erschwert wird (BSG, Urteil vom 8. Juli 1980 - 6 RKa 10/78 - ArztR 1980, 325). Gerade bei einer budgetierten Gesamtvergütung ist die in § 5 HVM getroffene Regelung deshalb erforderlich und auch geeignet, um den angestrebten Zweck - die möglichst zügige Abwicklung der Abrechnung eines Quartals - zu erreichen.

Sie ist auch verhältnismäßig. Denn sie belastet die Vertragsärzte und Psychologischen Psychotherapeuten nicht unzumutbar. Die Vertragsärzte und Psychologischen Psychotherapeuten machen einen Anspruch auf eine Vergütung geltend. Es ist ihre Sache, die für die Abrechnung notwendigen Unterlagen vollständig zu erlangen und vorzulegen. Eine schnelle und möglichst umfassende Auskehrung der für die Honorarverteilung zur Verfügung stehenden Beträge entspricht vor allem auch der Interessenlage der Vertragsärzte und Psychologischen Psychotherapeuten; denn sie sind zum einen - insbesondere wegen der Bestreitung der Praxiskosten - regelmäßig auf eine möglichst kurze Zeitspanne zwischen Leistungserbringung und Leistungshonorierung angewiesen. Zum anderen widerspräche die Zahlung lediglich von Abschlägen auf das voraussichtliche Quartalshonorar über einen längeren Zeitraum hinweg dem berechtigten Interesse der Vertragsärzte und Psychologischen Psychotherapeuten an einer Kalkulierbarkeit ihrer Einnahmen (vgl. BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 42).

Daraus ergibt sich dann auch, dass innerhalb des festgelegten Einsendetermins die Abrechnungsunterlagen eines Quartales vollständig - wie dies auch der Wortlaut des § 5 Abs. 1 HVM fordert - einzureichen sind, also sämtliche Unterlagen für Behandlungsfälle, für die im jeweiligen Quartal Ansprüche auf Honorar geltend gemacht werden. Dies ist auch Folge zahlreicher Bestimmungen der Bundesmantelverträge und auch des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen (EBM), die festlegen bzw. voraussetzen, dass die vertragsärztlichen Leistungen in einem Kalendervierteljahr zusammengefasst, vom Arzt abgerechnet und von der Kassenärztlichen Vereinigung honoriert werden. Die Leistungen eines Vertragsarztes in einem Quartal gegenüber einem Patienten gelten als ein Behandlungsfall (§ 21 Abs. 1 des Bundesmantelvertrages-Ärzte - BMV-Ä -; § 25 Abs. 1 des Bundesmantelvertrages Ärzte-/Ersatzkassen - EKV-Ä -). Auch die Regelungen der § 42 Abs. 3 und 4 BMV-Ä, § 35 Abs. 3 und 4 EKV-Ä gehen von der "Quartalsabrechnung" aus. Im EBM sind gleichfalls eine Reihe von Leistungspositionen auf die quartalsmäßige Erfassung von Leistungen ausgerichtet, wie z.B. die, die auf eine Inanspruchnahme oder Erbringung im Quartal abstellen (vgl. beispielhaft BSG SozR 3-5533 Nr. 100 Nr. 1). Die Regelungen des EBM-Ä über die Praxisbudgets nehmen ebenfalls auf den Behandlungsfall im Sinne des BMV-Ä Bezug (vgl. z.B. BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 23).

Aus alle dem ergibt sich deshalb entgegen der Auffassung des Klägers auch in ausreichendem Maße, dass § 5 HVM eine Ausschlussfrist enthält, auch wenn § 5 HVM nicht ausdrücklich erwähnt, dass bei Überschreiten des im Rundschreiben bekannt gegebenen Einsendetermins diese Rechtsfolge eintritt.

Diese dargestellten Besonderheiten des vertragsärztlichen Versorgungssystems rechtfertigen es schließlich auch, die Abrechnungs- und Verwirkungsfristen kurz zu bemessen (vgl. BSG SozR 2200 § 368d Nr. 5) sowie Ausnahmen von der Einhaltung der Einsendetermins nur in sehr eng begrenztem Umfang zuzulassen."

Weiter hat der Senat ausgeführt, dass sich auch aus § 6 HVM nicht ergibt, dass Abrechnungsscheine, die Leistungen eines vorangegangenen, bereits bei der Beklagten zur Abrechnung eingereichten Quartals beinhalten, mit der Abrechnung eines späteren Quartals nachgereicht werden können. Denn § 6 HVM erfasst die Fälle, in denen innerhalb des von der Beklagten bekannt gegebenen Einsendetermins des § 5 Abs. 1 HVM überhaupt keine Abrechnung vorgelegt worden ist.

1.2. Hieran hält der Senat fest. Das Vorbringen der Kläger erfordert keine andere Beurteilung. Auch bei Auslegung des § 5 HVM als materielle Ausschlussfrist haben die Vertragsärzte und Psychologischen Psychotherapeuten keine Nachteile im Hinblick auf die Vergütung der von ihnen erbrachten Leistungen zu befürchten, wenn die gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen beachtet werden. Denn bei vertragsgerechtem Verhalten haben die Vertragsärzte und Psychologischen Psychotherapeuten grundsätzlich am Ende eines Quartals die notwendigen Angaben und Unterlagen für die Abrechnung gegenüber der Beklagten, also insbesondere die auf den Krankenversicherungskarten der Versicherten enthaltenen Daten, zur Verfügung. Nach § 15 Abs. 2 SGB V haben Versicherte, die ärztliche Behandlung in Anspruch nehmen, dem Arzt vor Beginn der Behandlung ihre Krankenversichertenkarte auszuhändigen. Dementsprechend bestimmen § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 BMV-Ä; § 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 EKV-Ä, dass die Vertragsärzte und Psychologischen Psychotherapeuten sich von den Versicherten bei jeder Inanspruchnahme die Krankenversichertenkarte vorlegen lassen müssen, um die Anspruchsberechtigung nachzuweisen und die Versicherten verpflichtet sind, die Krankenversichertenkarte bei jeder Inanspruchnahme eines Vertragsarztes bzw. Psychologischen Psychotherapeuten mit sich zu führen. Werden diese vertraglichen Regelungen befolgt, ist jeder Vertragsarzt und Psychologische Psychotherapeut bereits im laufenden Quartal im Besitz der für die Abrechnung notwendigen Angaben und ist damit in der Lage, innerhalb des bekannt gegebenen Einsendetermins seine Vergütung für die Behandlung der Versicherten in einem Quartal bei der Beklagten geltend zu machen. Nichts anderes gilt auch bei den Vertragsärzten, die nur auf Überweisung tätig werden können. Denn sie haben darauf zu achten, dass der Überweisungsschein bei Beginn der Behandlung vorliegt, der von dem überweisenden Arzt auch nur ausgestellt werden darf, wenn ihm eine gültige Krankenversicherungskarte vorgelegen hat (§§ 24 Abs. 2 Satz 1 BMV-Ä, 27 Abs. 2 Satz 1 EKV-Ä). Daraus ergibt sich auch, dass es nur in sehr wenigen Fällen vorkommen kann, dass zum Zeitpunkt des Einreichens der Abrechnung eines Quartals die notwendigen Abrechnungsunterlagen nicht vorliegen. Dies dürften insbesondere zum Quartalsende aufgetretene Fälle von Dringlichkeit sein (vgl. Vordruck-Erläuterungen (Stand 1.Oktober 1999) Nr. 4 zu Muster 10 in Verbindung mit Nr. 4 zu Muster 6), in denen das Ersatzverfahren (vgl. Anlage zu den Vordruck-Erläuterungen im Roten Ordner der Beklagten Seite P 27) nicht durchgeführt werden konnte und die 10-Tages-Frist der §§ 18 Abs. 1 Nr. 1 BMV-Ä, 27 Abs. 1 Nr. 1 EKV-Ä erst nach Einreichung der Abrechnung bei der Beklagten zu Ende geht. Für diese wenigen Fälle sieht § 5 Abs. 2 Satz 1 HVM eine Ausnahme vor. Solche Fälle, in denen der Arzt trotz vertragsgemäßen Handelns die Abrechnungs-/Überweisungsscheine erst im nächsten Quartal abrechnen kann, hat die Beklagte allerdings als Nachzüglerscheine zu vergüten.

Der Auffassung des Senats, § 5 HVM sei als materielle Ausschlussfrist verhältnismäßig, kann nicht entgegengehalten werden, dass der Ausschluss von Abrechnungsscheinen von der Vergütung zu erheblichen Einnahmeausfällen bei einem Vertragsarzt oder Psychologischen Psychotherapeuten führt. Denn diese Folge tritt nur ein, wenn der Vertragsarzt oder Psychologische Psychotherapeut sich nicht in ausreichendem Umfang darum kümmert, die für die Abrechnung notwendigen Unterlagen vollständig zu erlangen und/oder vollständig bei der Beklagten innerhalb des bekannt gegebenen Einsendetermins vorzulegen.

2. Die Vergütung der Abrechnungsscheine des Quartals 4/99, die wegen eines Fehlers der EDV-Anlage der Kläger der Abrechnung des Quartals 4/99 nicht beigefügt waren (Fallgruppe 2), sowie der Abrechnungsscheine, in denen die Kläger die Laborleistungen in einem vorangegangenen Quartal erbrachten, diese nur deshalb nicht in dem vorangegangenen Quartal bei der Beklagten zur Abrechnung einreichten, weil ihnen nur ein fehlerhaft ausgestellter Überweisungsschein vorlag (Fallgruppe 3), hat die Beklagte zu Recht unter Berufung auf § 5 HVM abgelehnt. Denn diese Abrechnungsscheine sind erst nach dem jeweiligen von der Beklagten mit Rundschreiben bekannt gegebenen Einsendetermin des jeweiligen vorangegangenen Quartals zur Abrechnung und mithin verspätet eingereicht worden.

Die Voraussetzungen einer der Ausnahmen, in denen nach Ablauf des Einsendetermins eingereichte Abrechnungsscheine vergütet werden können, sind nicht gegeben.

2.1. Die Ausnahme nach § 5 Abs. 1 Satz 2 HVM ist nicht gegeben, weil die Kläger vor Ablauf des jeweiligen Einsendetermins keinen Antrag gestellt haben, bis zu einem späteren Einsendetermin die Abrechnungsunterlagen einreichen zu können.

2.2. Die Ausnahme nach § 5 Abs. 2 Satz 1 HVM ist ebenfalls nicht gegeben. Bezüglich der Abrechnungsscheine der Fallgruppe 2 sind die Voraussetzungen schon deshalb nicht erfüllt, weil diese Abrechnungsscheine den Klägern zum Einsendetermin der Abrechnung des Quartals 4/99 vorlagen. Bezüglich der Abrechnungsscheine der Fallgruppe 3 lagen diese den Klägern zum Einsendetermin des Quartals 4/99 zwar nicht vor. Allerdings können auch solche Abrechnungsscheine nicht nachträglich vergütet werden, die den Vertragsärzten und Psychologischen Psychotherapeuten zum Einsendetermin hätten vorliegen können, wenn die oben angeführten gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen beachtet worden wären. Es wäre Sache der Kläger gewesen, entweder sich umgehend einen ordnungsgemäß ausgestellten Überweisungsschein für die vertragsärztliche Behandlung zu besorgen, so dass die fristgerechte Abrechnung mit der Beklagten möglich wird, oder ohne ordnungsgemäß ausgestellten Überweisungsschein die Erbringung der Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung abzulehnen bzw. gemäß §§ 18 Abs. 1 BMV-Ä, 27 Abs. 1 EKV-Ä privat abzurechnen. Dafür, dass bei den streitigen Abrechnungsscheinen ein begründeter Ausnahmefall, in welchem ein Überweisungsschein auch ohne Vorlage der Krankenversichertenkarte vom überweisenden Arzt ausgestellt werden darf, gegeben sein soll, gibt es keine Anhaltspunkte.

Des Weiteren handelt es sich bei den ca. 3500 Abrechnungsscheinen der beiden Fallgruppen 2 und 3 nicht um "einzelne Abrechnungsscheine" im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 HVM. "Einzelne Abrechnungsscheine" können nur wenige (vereinzelte) Abrechnungsscheine sein (vgl. dazu Urteile des Senats vom 16. Juli 2003, a.a.O.) und im Wesentlichen nur solche, die ein Vertragsarzt auch bei Beachtung der gesetzlichen und vertraglichen Regelungen nicht hat erhalten können, dem Vertragsarzt also - wie bei der Nachsichtgewährung (vgl. BSG, Urteil vom 18. Januar 1990- 4 RK 4/88 -) - kein Verschuldensvorwurf zu machen ist. Um solche Scheine handelt es sich hier nicht.

2.3. Indem die Kläger die ihnen nachträglich zugegangenen Überweisungsscheine aus Vorquartalen mit der Abrechnung eines späteren Quartals einreichen, berichtigen sie auch ihre Abrechnung aus den entsprechenden Vorquartalen. Genau dies ist aber nach § 5 Abs. 2 Satz 3 HVM ausgeschlossen. Diese Regelung ist nicht nur auf die irrtümlich unvollständige Abrechnung für (bereits) eingereichte Behandlungsfälle, sondern auch auf die Nachreichung bisher nicht vorgelegter Behandlungsfälle anzuwenden (vgl. Urteile des Senats vom 16. Juli 2003, a.a.O.).

2.4. Bezüglich der Abrechnungsscheine der Fallgruppe 2 führt auch die von den Klägern behauptete Mitteilung des Mitarbeiters L. der Beklagten nicht zu einem Anspruch auf Vergütung.

Unter dem Gesichtspunkt einer Zusicherung im Sinne des § 34 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) haben die Kläger keinen Anspruch auf Vergütung dieser Abrechnungsscheine. Denn eine wirksame Zusicherung bedarf der Schriftform. Eine schriftliche Bestätigung, die Abrechnungsscheine würden mit der Abrechnung des folgenden Quartals vergütet, liegt nicht vor. Sie wird von den Klägern auch nicht behauptet. 3. Die Beklagte kann sich auf § 5 HVM allerdings nicht berufen, soweit sie Abrechnungsscheine nicht vergütet hat, bei denen Leistungen über das Quartalsende hinaus erbracht worden und deshalb mit den Abrechnungen des Quartals 1/00 erst eingereicht wurden (Fallgruppe 1). § 5 HVM ist im vorliegenden Fall nicht einschlägig, weil eine verspätete Abrechnung nicht vorliegt.

Die Kläger reichten die Abrechnung des Quartals 1/00 bis zu dem Einsendetermin 8. April 2000, den die Beklagte mit den Rundschreiben Nr. 1/2000 vom 27. März 2000 mitgeteilt hatte, ein. Dieser Abrechnung waren die ca. 1500 Abrechnungsscheine der Fallgruppe 1 beigefügt. Sie waren auch richtigerweise zu dem Einsendetermin für die Abrechnung des Quartals 1/00 zur Abrechnung bei der Beklagten einzureichen. Denn nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten wurden diese Abrechnungsscheine vom überweisenden Arzt im Quartal 4/99 ausgestellt und gingen bei den Klägern noch an einem Tag des Quartals 4/99 ein. Die letzte, von den Klägern berechnete Untersuchung wurde von ihnen nicht mehr im Quartal 4/99, sondern jeweils an einem Tag des Quartals 1/00 ausgeführt. Da erst zu diesem Zeitpunkt die Kläger den Leistungsinhalt der entsprechenden Gebührennummer des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen (EBM) vollständig erfüllt hatten, waren die Leistungen überhaupt erst im Quartal 1/00 berechnungsfähig (Allgemeine Bestimmungen A I Teil A Nr. 1 Satz 1 EBM). Dass Abrechnungsscheine, die am Ende eines Quartals einem Laborarzt zugehen und auf denen Leistungen berechnet werden, die über das Quartalsende hinaus ins Folgequartal hinein erbracht werden, grundsätzlich in dem Folgequartal zur Abrechnung einzureichen sind, räumt auch die Beklagte ein.

Dies entspricht auch den Erläuterungen zur Vereinbarung über die Vordrucke für die vertragsärztliche Tätigkeit - Stand: Januar 2000 - (Deutsches Ärzteblatt 97, Heft 10 vom 10. März 2000, S. A-640 ff). Dort ist zum Überweisungs-/Abrechnungsschein für Laboratoriumsuntersuchungen als Auftragsleistung (Muster 10) unter 9. im 3. Abs. ausgeführt (aaO, S. A-645; siehe auch Roter Ordner der Beklagten "Kassenarztrecht in Nordwürttemberg", Abschnitt P, S. P 16): "Werden Laboratoriumsuntersuchungen nach Kapitel O des EBM an demselben Körpermaterial durchgeführt, sind die Untersuchungen unter dem Datum einzutragen, an dem die letzte Einzeluntersuchung durchgeführt wurde, sofern das Körpermaterial an einem Tag oder an zwei aufeinander folgenden Tagen entnommen und gegebenenfalls an mehreren Tagen untersucht wurde. Erstreckt sich die Leistungserbringung eines Auftrags in das Folgequartal, wird der gesamte Auftrag im Folgequartal abgerechnet". Allerdings galten diese Erläuterungen im hier streitigen Quartal 1/00 noch nicht. Denn die Änderung der Vordruck-Vereinbarung mit den entsprechenden Erläuterungen erfolgte erst mit Wirkung zum 1. April 2000 und damit erst ab dem Quartal 2/00. In den vorangegangenen Erläuterungen zur Vereinbarung über Vordrucke für die vertragsärztliche Versorgung - Stand Juli 1999 - (Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 21 vom 28. Mai 1999, S. A-1436 ff) war die zuvor genannte Regelung, die die Abrechnung im Folgequartal vorsieht, nicht enthalten. Die Abrechnungsweise der Kläger entsprach deshalb den noch für das Quartal 1/00 geltenden vertraglichen Bestimmungen und auch den Abrechnungs- und Anschreibevorschriften der Beklagten (Stand 1. Juli 1999, 102. Lieferung des Gelben Ordners der Beklagten "Hinweise der Kassenärztlichen Vereinigung Nordwürttemberg", Abschnitt A; Bl. 88 der LSG-Akte). Um eine korrekte und übersichtliche Abrechnung zu ermöglichen wird unter Ziffer 1 ausgeführt: "Gebührenordnungsnummern dürfen nur nach der vollständigen Erbringung (Hervorhebung im Original) der entsprechenden Leistungen auf den Behandlungsausweisen eingetragen werden. Unvollständig erbrachte Leistungen können nicht abgerechnet werden. Dies gilt nicht für Laborleistungen; diese sind nach Vorliegen des Ergebnisses unter dem Datum der Materialentnahme abzurechnen."

4. Die Beklagte kann die Ablehnung der Vergütung der ca. 1500 Abrechnungsscheine der Fallgruppe 1 auch nicht darauf stützen, die Abrechnungsscheine seien nicht entsprechend den vertraglichen Bestimmungen, die für die Kläger verbindlich sind, ausgefüllt.

Nach § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 des auf der Grundlage des § 85 Abs. 4 SGB V ergangenen HVM sind für die Abrechnungen die gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen sowie die autonomen Satzungsnormen der Beklagten maßgebend. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 HVM prüft die Beklagte die eingereichten Abrechnungen in formaler Hinsicht. Bei dieser Prüfung ist nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b HVM u.a. darauf zu achten, ob die Bestimmungen der Verträge mit den Kostenträgern und der Gebührenordnungen beachtet worden sind. Wie zuvor dargelegt war die Abrechnung der Kläger bezüglich der Abrechnungsscheine der Fallgruppe 1 in formaler Hinsicht richtig.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG in der bis 2. Januar 2002 geltenden Fassung, die nach dem Urteil des BSG vom 30. Januar 2002 - B 6 KA 12/01 R in Fällen weiterhin anwendbar ist, in denen - wie hier - das gerichtliche Verfahren vor dem 2. Januar.2002 anhängig geworden ist.

Die Berufung der Kläger hatte zu etwa einem Drittel Erfolg. Soweit die Berufung der Kläger Erfolg hatte, betrifft dies ca. 1500 Abrechnungsscheine. Bezüglich weiteren ca. 3500 nicht vergüteten Abrechnungsscheinen blieb die Berufung der Kläger erfolglos.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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