L 4 KR 1525/01

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 KR 3932/98
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 1525/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 4/03 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Abgabepflicht einer Handelsgesellschaften zur Künstlersozialkasse.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Februar 2001 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das von der Klägerin betriebene Unternehmen der Pflicht zur Künstlersozialabgabe (KSA) nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) unterliegt.

Die Klägerin betreibt ein Versandhandelsunternehmen überwiegend im Bekleidungsbereich. Zur Erstellung der Versandkataloge beauftragt sie Werbefotografen und Layouter. Der Modeteil des Heine-Hauptkatalogs Herbst/Winter 2002 umfasst 325 Seiten und enthält ca. 690 Aufnahmen, die in etwa vier Wochen parallel mit fünf Fototeams zum Teil im Ausland fotografiert werden, was allein für den genannten Katalog Kosten von 1,1 Millionen EUR verursacht. Die Beklagte stell-te mit Bescheid vom 11. November 1988 die grundsätzliche Künstlersozialabgabepflicht der Klägerin fest. Hiergegen legte die Klägerin mit der Begründung Widerspruch ein, dass sie nur freie Mitarbeiter beschäftige, die im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 KSVG nicht als Künstler anzusehen seien. Der bei der Beklagten für den Bereich Bildende Kunst gebildete Widerspruchsausschuss wies den Widerspruch mit Bescheid vom 20. April 1989 zurück und verwies zur Begründung darauf, dass nach § 24 Abs. 1 Satz 2 KSVG ab 01. Januar 1988 zur KSA auch Unternehmer verpflichtet seien, die für Zwecke ihres eigenen Unternehmens Werbung betrieben, wenn diese Werbung nach Art und Umfang der Tätigkeit der in der Nr. 5 genannten Unternehmen entspricht und sie nicht nur gelegentliche Aufträge an selbstständige Künstler oder Publizisten erteilten. Die von der Klägerin beauftragten Fotografen seien freie künstlerisch tätige Mitarbeiter, weshalb die an diese bezahlten Entgelte der KSA unterlägen.

Hiergegen erhob die Klägerin am 17. Mai 1989 Klage beim Sozialgericht (SG) Karlsruhe (S 3 KR 1807/89). Mit Beschluss vom 29. November 1989 wurde wegen außergerichtlicher Ver-gleichsverhandlungen das Ruhen angeordnet. Mit Schriftsatz vom 22. September 1998 rief die Klägerin das Verfahren wiederum an (S 3 KR 3932/98) und trug zur Begründung im Wesentlichen vor, dass den Fotografen bei der Modefoto-grafie wie auch bei der Hartwarenfotografie kein künstlerischer Spielraum verbleibe, da sie durch die im Rahmen des Briefing-Ablaufes erteilten Vorgaben weitestgehend gebunden seien. Aufgabe der Fotografen sei es, eine technisch einwandfreie Ablichtung dessen zu besorgen, was vorgegeben werde.

Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten entgegen und verwies auf die Zuordnung des "Werbefotografen" in § 2 Abs. 2 Nr. 7 der Verordnung zur Durchführung des KSVG (KSVGDV) vom 23. Mai 1984 zum künstlerischen Bereich. Bei der gleichzeitigen Be-nennung von künstlerischen Fotografen und Werbefotografen in § 2 Abs. 2 Nr. 7 KSVGDV zei-ge sich, dass der Gesetzgeber grundsätzlich von einer künstlerischen Leistung auch beim Wer-befotografen ausgehe, ohne dass es auf die "Werkhöhe" ankomme. Das SG gab mit Urteil vom 23. Februar 2001, das der Beklagten gegen Empfangsbekenntnis am 05. März 2001 zugestellt wurde, der Klage statt und hob den Bescheid vom 11. November 1988 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 1989 auf. In den Entscheidungsgrün-den, auf die zur weiteren Darstellung Bezug genommen wird, führt das SG nach Darlegung der rechtlichen Grundlage im Wesentlichen aus, wegen der Vorgaben im Rahmen des Briefings habe der Werbefotograf auf die Motivwahl und Motivgestaltung nach ästhetischen Gesichtspunkten keinen wesentlichen Einfluss. Ein nach dezidierter Layoutvorgabe zu gestaltender Freiraum der entscheidend künstlerisch ausgefüllt werden könnte, liege nicht vor. Das Werbefoto sei somit im Wesentlichen durch die technisch-handwerkliche Aufnahme ohne entscheidenden eigenen ge-stalterischen Ansatz geprägt, was ebenso auf Modefotografie wie auf Hartwarenfotografie zu-treffe. Im Vordergrund stehe nicht eine über die optimale Darstellung hinausgehende, kreativ-gestalterische Darstellung des Objektes als solchem mit einer eigenständigen, fotografisch zum Ausdruck gebrachten Aussage.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der am 05. April 2001 schriftlich beim Landessozialge-richt (LSG) eingelegten Berufung, zu deren Begründung sie im Wesentlichen ihr Vorbringen im Klageverfahren wiederholt. Die von der Klägerin beauftragten Fotografen bzw. Layouter hätten einen schöpferischen Gestaltungsspielraum. Das vom SG herangezogene Urteil des Bundessozi-algerichts (BSG) vom 24. Juni 1998 (B 3 KR 11/97 R = SozR 3 - 5425 § 25 Nr.11) - Gemäldefotografien - sei für den hier vorliegenden Sachverhalt nicht einschlägig.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Februar 2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des SG für richtig.

Der Berichterstatter hat den Sachverhalt mit den Beteiligten am 28. Juni 2002 erörtert. Einer entsprechenden Auflage gemäß hat der Marketingleiter der Klägerin A. seine Erläuterungen im Erörterungstermin zusammengefasst, den Produktionsprozess hinsichtlich der Modekataloge am 20. September 2002 im Einzelnen dargestellt und Briefing-Unterlagen sowie Kataloge vorgelegt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die entsprechend den Form- und Fristvorschriften des § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig, statthaft und begründet. Die Beteiligten haben in zulässiger Weise den Streitgegenstand auf die Abgabepflicht der Kläge-rin dem Grunde nach und auf die Rechtmäßigkeit des Grund- oder Erfassungsbescheides vom 11. November 1988 eingeschränkt.(vgl. hierzu zuletzt BSG Urteil vom 30. Januar 2001 - B 3 KR 1/00 R - Industriedesigner- SozR 3 5425 § 2 Nr.11). Es entspricht der geltenden Rechtsprechung, zunächst darüber zu entscheiden, ob ein Unternehmer zum Kreis der grundsätzlich Abgabe-pflichtigen gehört, und erst danach beim Erlass etwaiger Beitragsbescheide den Umfang der Ab-gabepflicht zu bestimmen. Die Beklagte hat die Klägerin zu Recht mit dem hier streitgegenständlichen Erfassungsbescheid zur KSA veranlagt. Dieser ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in Ihren Rechten.

Die Klägerin unterliegt mit der Herstellung ihrer Verkaufskataloge der Abgabepflicht hinsicht-lich der KSA. Dies gilt, soweit sie sich selbstständiger Fotografen zur Erstellung der Katalogauf-nahmen bedient. Dies kann in gleicher Weise auf Layouter, Designer und ähnliche Personen im Zusammenhang mit der Katalogherstellung zutreffen, soweit die Klägerin sich insoweit selbst-ständig Tätiger in diesen Berufen bedient und entsprechende Entgelte bezahlt, deren Höhe durchaus einen Anhaltspunkt für die hier zu entscheidende Frage bieten kann ... Das SG hat zu Unrecht angenommen, dass infolge der von der Klägerin dargestellten genauen Vorgaben für die Katalogfotografie kein Gestaltungsspielraum für die Werbefotografen bestehe, weshalb die an diese bezahlten Entgelte nicht der Künstlersozialabgabepflicht unterlägen Gemäß § 2 Satz 1 KSVG (in der mit Wirkung vom 01. Januar 1989 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988 [BGBl. I S. 2606]) ist Künstler im Sinne dieses Ge-setzes, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt. Publizist im Sinne dieses Gesetzes ist, wer als Schriftsteller, Journalist oder in anderer Weise publizistisch tätig ist (Satz 2). Der Finanzierung der Künstlersozialversicherung durch die KSA liegen somit vier Sparten (Musik, bildende Kunst, darstellende Kunst und die Publizistik) zugrunde. Der Gesetz-geber hat bewusst auf eine Aufzählung der zur Versicherung führenden Berufe verzichtet, da er die künstlerischen und publizistischen Berufe in umfassender Weise berücksichtigt haben wollte. Es kann davon ausgegangen werden, dass die überwiegende Zahl der im Künstlerbericht der Bundesregierung aufgeführten Berufsgruppen sowie der im Bereich "Wort" tätigen Autoren, insbesondere Schriftsteller und Journalisten, grundsätzlich zu den Künstlern und Publizisten im Sinne des KSVG gehören. Bei ihnen kann die Künstler- bzw. Publizisteneigenschaft im Allge-meinen unterstellt werden (vgl. Finke/Brachmann/Nordhausen KSVG, Kommentar 2. Aufl. Rdnr. 2 zu § 2 KSVG mit Hinweis auf die Gesetzesmaterialien). Auf dieser Grundlage und der ausdrücklichen Nennung des Werbefotografen im Zusammenhang mit dem Grafik-, Mode-, Tex-til-, Industrie-Designer sowie dem Layouter kann die Künstler- bzw. Publizisteneigenschaft auch unterstellt werden. Bei dem Werbefotografen handelt es sich also nicht um einen Grenzberuf, bei dem die Künstlereigenschaft im Einzelfall durch die Künstlersozialkasse geprüft werden muss (vgl. hierzu Finke u.a. aaO Rdnr. 7). Nur bei einer erforderlichen Einzelfallbeurteilung gilt letzt-lich die schwierige und vom Gesetz bewusst nicht angesprochene Frage nach dem Wesensgehalt von Kunst und Publizistik. Nach den Gesetzesmaterialien und der Rechtsprechung des BSG kommt es bei einer evtl. erforderlichen Einzelfallbeurteilung nicht auf den künstlerischen Wert einer Leistung an. Maßgebend ist dann allein - in Anlehnung an das Steuerrecht - der eigen-schöpferische Charakter einer Leistung (aaO). Da hier allein die Abgabepflicht der Klägerin dem Grunde nach in Streit steht, ist diese Frage hier letztendlich nicht zu entscheiden. Maßgeblich für die Abgabepflicht der Klägerin ab 1989 ist § 25 KSVG in der ab 01. Januar 1989 gültigen Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I S. 2606). Bemessungsgrundlage der KSA sind nach § 25 Abs. 1 Satz 1 KSVG die Entgelte für künstleri-sche und publizistische Werke oder Leistungen, die ein nach § 24 Abs. 1 oder 2 KSVG zur Ab-gabe Verpflichteter im Rahmen der dort aufgeführten Tätigkeiten oder ein in § 24 Abs. 3 KSVG genannter Dritter im Laufe eines Kalenderjahres an selbstständige Künstler oder Publizisten zahlt, auch wenn diese selbst nach dem KSVG nicht versicherungspflichtig sind.

Die Voraussetzungen der Abgabepflicht der Klägerin dem Grunde nach sind hier erfüllt. Die Klägerin ist durch ihre regelmäßige Katalogwerbung im Versandhandel gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 KSVG ein künstlersozialabgabepflichtiges Unternehmen. Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 KSVG ist ein Unternehmer zur KSA verpflichtet, der "Werbung (einschließlich Öffentlichkeitsarbeit) für Dritte" betreibt. Nach § 24 Abs. 1 Satz 2 KSVG (ange-fügt mit Wirkung vom 01. Januar 1988 durch Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes vom 18. Dezember 1987 [BGBl. I S. 2794] und Abs. 1 und 2 neu gefasst mit Wirkung ab 01. Januar 1989 durch Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988 [BGBl. I S. 2606]) sind zur KSA auch Unternehmer verpflichtet, die für Zwecke ihres eigenen Unternehmens Werbung betreiben, wenn

1. diese Werbung nach Art und Umfang der Tätigkeit der in Satz 1 Nr. 2 genannten Unter-nehmen entspricht und sie nicht nur gelegentlich Aufträge an selbstständige Künstler oder Publizisten erteilen oder 2. sie Aufträge an Künstler oder Publizisten erteilen, die durch ein in Satz 1 Nr. 7 genanntes Unternehmen vermittelt worden sind.

Die Beklagte unterliegt im Rahmen ihrer laufenden Katalogwerbung deshalb der Künstlersozial-abgabepflicht im Sinne des § 24 KSVG, weil es dabei nicht mehr auf eine Werbung für Dritte ankommt. Inwieweit eine Abgabeschuld gemäß § 25 KSVG besteht, hängt davon ab, ob die Klä-gerin in den jeweiligen maßgeblichen Kalenderjahren Entgelte für künstlerische oder publizisti-sche Werke oder Leistungen erbracht hat. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist je-doch, wie dargelegt, allein die Abgabepflicht dem Grunde nach, deren Berechnung dann im Rahmen der Katalogherstellung nicht nur auf grund von an selbständige Werbefotografen ge-zahlten Entgelten erfolgt. Soweit die Klägerin insbesondere hinsichtlich der Einschaltung von selbständigen Werbefotografen darauf abhebt, dass diese keinen eigenen gestalterischen Spiel-raum hätten, hindert dies die Feststellung der grundsätzlichen Abgabepflicht nicht, da im vorlie-genden Verfahren nicht Streitgegenstand ist, ob die an selbstständige Werbefotografen durch die Klägerin bezahlten Entgelte im Rahmen der Katalogherstellung in die Bemessungsgrundlage der KSA einzubeziehen sind. Hierüber wäre erst im Rahmen einer Überprüfung von eventuellen Abrechnungsbescheiden zu entscheiden. Erst in jenen Verfahren sind möglicherweise Feststel-lungen notwendig, ob die von der Klägerin zur Katalogherstellung eingesetzten Werbefotografen tatsächlich keinen Gestaltungsspielraum haben und etwa den Gemäldefotografen gleichzustellen sind. Bei diesen hat das BSG mit Urteil vom 24. Juni 1998 (aaO) entschieden, dass die von den grundsätzlich abgabepflichtigen Unternehmen erteilten Aufträge zur Anfertigung von Gemälde-fotografien keine künstlerischen oder publizistischen Leistungen oder Werke betreffen. Darüber, ob die Werbefotografie einen künstlerischen Charakter trägt, ob eine freie schöpferische Gestal-tung zumindest in Ansätzen erkennbar ist oder eine solche trotz genauer Vorgaben verbleibt, ist im Rahmen der grundsätzlichen Abgabepflicht nicht zu entscheiden, dies kann im vorliegenden Verfahren deshalb offen bleiben, weil von einer Reduzierung der gestalterischen Möglichkeiten des Werbefotografen auf Null infolge eines genauen detaillierten Briefings nicht generell ausge-gangen werden kann. Offen ist zudem, ob die Klägerin im Rahmen der Katalogwerbung nicht auch Aufträge an andere selbstständige Künstler oder Publizisten erteilt. Schon allein dadurch, dass sie zum Kreis der grundsätzlich Abgabepflichtigen gehört, ist die Entscheidung der Beklag-ten zutreffend. Ob und in welchem Umfang gegebenenfalls KSA zu zahlen ist, war nicht Ge-genstand dieses Rechtsstreits.

Die Berufung der Beklagten erwies sich somit als begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der bis 1. Januar 2002 geltenden Fassung.

Für die Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
Saved