L 13 RA 890/02

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 RA 4805/97
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 RA 890/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 RA 5/02
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Dass nach derzeitigem Recht in der gesetzlichen Rentenversicherung die Betreuung und Erziehung von Kindern die Pflicht zur Entrichtung von Beiträgen weder dem Grunde noch der Höhe nach beeinflusst, ist nicht verfassungswidrig; die für die soziale Pflegeversicherung vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätze lassen sich nicht auf die gesetzliche Rentenversicherung übertragen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 15. Juni 1998 wird zurückgewiesen. Seine Klage auf Feststellung, dass er nicht verpflichtet ist, ab 1. April 1997 Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichten zu müssen, wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt vorrangig die Feststellung, ab 1. April 1997 keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung mehr zahlen zu müssen. Der am 1951 geborene Kläger ist verheiratet und Vater von fünf in den Jahren 1983, 1985, 1987, 1989 und 1991 geborenen Kindern. Nach Abschluss seines Studiums war er seit 1983 als Diplomsozialarbeiter und ist seit 1989 als Geschäftsführer des Beigeladenen zu 2 beschäftigt. Nach eigenen Angaben betrug sein Monatsbruttoverdienst im Jahre 1997 7.736,00 DM; er hat Anspruch auf eine Sonderzahlung (Weihnachtsgeld) nach dem Bundesangestelltentarifvertrag. Ausbezahlt wurden ihm einschließlich des Arbeitgeberanteils zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung 5.125,00 DM, wovon er 904,00 DM an die Beigeladene zu 1 abführte. Kindergeld wurde ihm in Höhe von 1.440,00 DM monatlich gewährt. Seine 1950 geborene Ehefrau ist seit 1983 nicht erwerbstätig. Am 6. März 1997 beantragte der Kläger bei der Beklagten, auf die Erhebung von Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung zu verzichten. Er vertrat die Auffassung, bei steigenden Beiträgen und sinkenden Leistungen sei private Vorsorge geboten, die sich eine siebenköpfige Familie nicht leisten könne. Die Generationengerechtigkeit sei nicht gewährleistet. Der Gesetzgeber habe seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 7. Juli 1992 die Lage der Familien gravierend verschlechtert. Mit Bescheid vom 25. März 1997 und Widerspruchsbescheid vom 2. September 1997 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil über die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung die jeweilige Krankenkasse als Einzugsstelle entscheide. Die hiergegen am 8. Oktober 1997 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene Klage hat der Kläger zusammengefasst wie folgt begründet: Die Beitragserhebung verstoße schon deswegen gegen die durch Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) garantierte allgemeine Handlungsfreiheit, weil der Bundesgesetzgeber keine Kompetenz zum Erlass des die gesetzliche Rentenversicherung regelnden Sozialgesetzbuchs Sechstes Buch (SGB VI) gehabt habe. Diese Kompetenz ergebe sich insbesondere nicht aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG, weil die gesetzliche Rentenversicherung nicht mehr zu der hiervon erfassten Sozialversicherung gehöre. Angesichts dessen, dass rund 85 Prozent der Bevölkerung in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert seien, könne von einem für die Sozialversicherung typischen abgrenzbaren Solidarkollektiv nicht mehr die Rede sein. Die für jedes Sozialsystem typische Umverteilung von oben nach unten sei zu einer Umverteilung von unten nach oben geworden. Durch die Einbeziehung versicherungsfremder Leistungen werde die gesetzliche Rentenversicherung zusätzlich dazu missbraucht, allgemeine Staatsaufgaben zu finanzieren. Ferner könne die Rentenversicherung keine angemessene Altersversorgung mehr sicherstellen. Die formelle Rechtswidrigkeit der gesetzlichen Grundlagen für die Beitragserhebung resultiere auch aus einem Verstoß gegen die Finanzverfassung des Grundgesetzes. Beitragsfinanzierung sei nur für homogene Sondergruppen zulässig. Aus der fehlenden Gruppenhomogenität folge die Unzulässigkeit der beitragsfinanzierten Sozialversicherung. Die von der Rentenversicherung abgedeckten Gemeinschaftsaufgaben seien durch Steuern zu finanzieren. Das Umlagesystem sei bei gleichzeitigem eigentumsrechtlichem Schutz der Rentenanwartschaften der Sache nach eine Kreditaufnahme und damit ein Verstoß gegen Art. 115 GG. Die Zwangsmitgliedschaft und Beitragspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung verstoße auch materiell gegen die in Art. 2 Abs. 1 GG normierte allgemeine Handlungsfreiheit. Denn die gesetzliche Rentenversicherung sei kein zur Gewährleistung einer angemessenen Altersvorsorge geeignetes System. Während das Rentenniveau sinke, steige die Beitragslast. Eine angemessene Rendite werde nicht mehr gewährleistet. Nicht einmal eine Verzinsung von vier Prozent werde erreicht. Zu berücksichtigen sei hierbei, dass auch der Bundeszuschuss zur Finanzierung der Rentenversicherung beitrage. Die mangelhafte Rendite lasse sich auch nicht durch einen Solidarausgleich rechtfertigen, weil sowohl die Finanzierung als auch die Leistungsseite des Sozialbudgets Verteilungsasymmetrien zu Lasten der ökonomisch Schwächeren beinhalteten. Da die Erhebung von Rentenversicherungsbeiträgen sein Existenzminimum gefährde, verstoße diese auch gegen die in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG garantierte Menschenwürde. Die Beitragslast habe unter Einbeziehung der direkten und der indirekten Steuern, die Familien besonders träfen, für ihn erdrosselnde Wirkung, sodass die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG, jedenfalls aber die allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG verletzt sei. Ein Verstoß gegen Art. 14 GG ergebe sich auch daraus, dass seine verfassungsrechtlich geschützten Rentenanwartschaften entwertet würden. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sei verletzt. Denn dieser gebiete auch eine "Gleichheit in der Zeit", womit eine Benachteiligung der jetzigen Beitragszahler gegenüber den jetzigen Rentenempfängern nicht vereinbar sei. Insbesondere jedoch sei die Verletzung von Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG zu rügen, weil Familien mit Kindern gegenüber Kinderlosen in verfassungswidriger Weise benachteiligt würden: Während kinderlose Ehepaare keine Unterhaltsverpflichtungen hätten, statt dessen aber in der Regel über zwei Einkommen verfügten, damit zwei eigenständige Rentenansprüche erwerben würden und zusätzliche Mittel zur privaten Altersvorsorge besäßen, hätten Eltern in der Regel nur ein Einkommen, hohe Unterhaltsaufwendungen und keine Möglichkeit zur Kapitalbildung sowie im Alter in der Regel keine doppelten Rentenansprüche. Andererseits kämen die Kinder der heutigen Eltern später auch für die (gegenüber der Rente ihrer eigenen Eltern höhere) Altersrente der Kinderlosen auf. Dies entwerte zugleich die Unterhaltsansprüche der heutigen Eltern gegenüber ihren Kindern im Alter, da diese vorrangig ihre Beitragspflicht zur Rentenversicherung zu erfüllen hätten. Vollkommen ungerecht sei, dass Kinder erziehende Eltern im Leistungsrecht die negativen Folgen der demographischen Entwicklung mittragen müssten. Das BVerfG habe dem Gesetzgeber u.a. in der Entscheidung vom 7. Juli 1992 (BVerfGE 87, 1 ff.) aufgegeben, den Mangel des Rentenversicherungssystems, der in den durch Kindererziehung bedingten Nachteilen bei der Altersversorgung liege, in weiterem Umfang als bisher auszugleichen. Diesem Auftrag sei der Gesetzgeber auch nicht dadurch nachgekommen, dass die Kindererziehung bei der Gewährung von Leistungen berücksichtigt werde. Denn hierbei handele es sich um einen "In-Sich-Transfer" der Familien, weil die durch die Berücksichtigung von Kindererziehung höheren Renten von den jetzigen Kindern, nicht von den Kinderlosen finanziert würden. Aus alledem resultiere auch ein Verstoß gegen das Sozialstaatsgebot gemäß Art. 20 Abs. 1 GG. Zudem sei auch die auf § 160 Nr. 1 SGB VI gestützte Verordnung über die Beitragssätze in der Rentenversicherung rechtswidrig. Denn die Beitragshöhe richte sich nach der Rentenhöhe, mithin auch nach dem aktuellen Rentenwert gemäß § 68 SGB VI. Für dessen Ermittlung sei die Entwicklung des Durchschnittsentgeltes aller Arbeitnehmer maßgeblich. Bei der Ermittlung dieses Wertes werde die Zahl der tatsächlich geringfügig beschäftigten Arbeitnehmer zu gering veranschlagt. Bei zutreffender Berechnung ergebe sich ein geringerer Rentenwert, was zu einem geringeren Beitragssatz führe. Sofern die der Ermittlung des Beitragssatzes zugrunde liegenden Vorschriften des SGB VI insoweit unklar seien, liege ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG vor. Auch die Gewährung von Hinterbliebenenrenten an Hinterbliebene aus kinderlosen Ehen sei rechtswidrig. Hinterbliebenenrenten dienten allein dem Zweck, Erziehungsleistungen zu honorieren und dürften deshalb nur an Versicherte gezahlt werden, die auch Erziehungsleistungen erbracht haben. Insoweit seien seine Beiträge zu vermindern. Schließlich verstoße das Dienstleistungs- und Versicherungsmonopol der gesetzlichen Rentenversicherung gegen die Bestimmungen des europäischen Gemeinschaftsrechts zum freien Wettbewerb und zur Freiheit des Dienstleistungsverkehrs, weil das Rentenversicherungssystem dem sozialen Ausgleich nicht mehr diene. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Durch Urteil vom 15. Juni 1998 hat das SG die Klage - teilweise als unzulässig, teilweise als unbegründet - abgewiesen. Gegen das dem Kläger mit Einschreiben vom 25. Juni 1998 zugestellte Urteil hat er am 3. Juli 1998 beim Landessozialgericht schriftlich Berufung eingelegt. Er wiederholt sein Begehren und ist ergänzend der Auffassung, die Klage sei insgesamt zulässig. Er stützt sich zudem nunmehr auf die Entscheidung des BVerfG vom 3. April 2001 - 1 BvR 1629/94 - (BVerfGE 103,242 ff). Diese Entscheidung bestätige, dass das Hauptproblem der gesetzlichen Rentenversicherung eine verfassungswidrige Transferausbeutung von Familien mit Kindern durch Kinderlose sei. Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 15. Juni 1998 sowie den Bescheid vom 25. März 1997 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 2. September 1997 aufzuheben und festzustellen, dass er keine Beiträge ab 1. April 1997 zur gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen hat, hilfsweise festzustellen, dass Beiträge nur in einer Höhe zu zahlen sind, die der tatsächlichen Zahl der geringfügig Beschäftigten bei der Ermittlung des aktuellen Rentenwerts und der Rentenanpassung gemäß § 68 SGB VI Rechnung trägt und die Rentenleistung abzüglich der an Hinterbliebene aus kinderlosen Ehen geleisteten Hinterbliebenenrenten deckt, hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, die ab 1. April 1997 zu Unrecht erhobenen Beiträge zu erstatten, hilfsweise das Verfahren gemäß Art. 100 GG auszusetzen und die Sache dem Bundesverfassungsgericht mit der Frage vorzulegen: "Ist die Beitragspflicht des Klägers zur gesetzlichen Rentenversicherung noch mit seinen Grundrechten aus Art. 2, 3, 6, 14 GG sowie dem Sozialstaatsprinzip und den Grundsätzen der Finanzverfassung, Art. 104a ff., 109 ff. GG vereinbar und ist sie von der Kompetenz des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG gedeckt?", hilfsweise eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes zu der Frage einzuholen, ob die angegriffenen Vorschriften mit den Grundsätzen der Freiheit des Dienstleistungsverkehrs - Art. 59 f. EGV - und dem Schutz des freien Wettbewerbs - Art. 85 ff., insbesondere Art. 90 EGV - vereinbar sind.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt Bezug auf ihr bisheriges Vorbringen und hält die Entscheidung des SG für richtig. Sie meint ergänzend, dass die im Urteil des BVerfG vom 3. April 2001 a. a. O. zur Pflegeversicherung aufgestellten Grundsätze zur Berücksichtigung von Kindererziehungsleistungen bei der Beitragsbemessung auf die gesetzliche Rentenversicherung nicht übertragbar seien. In der gesetzlichen Rentenversicherung sei - im Gegensatz zur Pflegeversicherung - eine Honorierung der Kindererziehung im Leistungsrecht möglich, geboten und ausreichend verwirklicht.

Die Beigeladenen haben im Berufungsverfahren keinen Antrag gestellt. Der Beigeladene zu 2 hat erklärt, dass sie auf die Wiederholung des Verwaltungsverfahrens verzichte.

Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten, der Klageakte des SG (S 9 AN 4805/97) und der Berufungsakten des Senats (L 13 RA 2248/98 und L 13 RA 890/02) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil die Beschränkungen des § 144 Abs. 1 SGG nicht vorliegen.

Der Kläger war aus prozessualen Gründen berechtigt, von dem erstinstanzlich gestellten und auf Verurteilung der Beklagten zum Verzicht auf die Erhebung der Pflichtbeiträge gerichteten Antrag auf den nunmehr gestellten Feststellungsantrag zu wechseln; die Feststellungsklage ist auch zulässig Die Zulässigkeit des Übergangs zur Feststellungsklage in der Berufungsinstanz ergibt sich aus § 99 Abs. 2 Nr. 3 SGG. Unter diese Vorschrift fällt - wie hier - der Übergang von einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungs- oder Leistungsklage zu einer Anfechtungs- und Feststellungsklage, wenn sich der Klagegrund nicht ändert (vgl. BSGE 68, 228, 229; BSG SozR 3 - 1500 § 55 Nr. 18). Beim gestellten Feststellungsantrag handelt es sich um den interessengerechten Antrag, der bei verständiger Würdigung dem Begehren des Klägers entspricht und entsprach. Die Feststellungsklage ist zulässig. Denn mit ihr wird die Feststellung des Nichtbestehens der Beitragspflicht des Klägers im Rentenversicherungsverhältnis zur derzeit zuständigen Beklagten begehrt (vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG); ob darüber hinaus auch die für die Beitragsberechnung oder -anrechnung zur Verfügung stehende Vorschrift des § 55 Abs. 2 SGG eingreift, braucht deshalb nicht entschieden zu werden. Jedenfalls wäre das für deren Zulässigkeit geforderte Verwaltungsverfahren (vgl. BSGE 58, 150, 152, f.) durchgeführt. Das berechtigte Interesse des Klägers an der baldigen Feststellung ist zu bejahen. Der Grundsatz der Subsidiarität steht nicht entgegen. Denn der Kläger macht einen vom Beitragseinzug durch die Beigeladene zu 1 unabhängigen und insbesondere nicht auf jede einzelne Beitragserhebung beschränkten grundsätzlichen Anspruch auf beitragsfreie oder beitragsgeminderte Versicherung bei der Beklagten geltend. Diese Frage könnte im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen einen einzelnen Beitragsbescheid nicht dauerhaft geklärt werden (vgl. BSG SozR 3-2600 § 3 Nr. 5).

Die Berufung ist mit sämtlichen vom Kläger gestellten Anträgen nicht begründet. Der Kläger hat, was er in erster Linie begehrt, gegen die Beklagte keinen Anspruch darauf, ab 1. April 1997 keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichten zu müssen. Der Kläger ist sowohl der Beklagten als auch der Beigeladenen zu. 1 als Einzugsstelle (§§ 28d, 28 h Viertes Buch Sozialgesetzbuch [SGB IV]) gegenüber beitragspflichtig zur gesetzlichen Rentenversicherung. Der Kläger ist gemäß § 1 Nr. 1 SGB VI versicherungspflichtiger Beschäftigter, denn er ist gegen Arbeitsentgelt beim Beigeladenen zu 2 beschäftigt. Tatbestände der Versicherungsfreiheit (§ 5 SGB VI) oder für eine Befreiung von der Versicherungspflicht (§ 6 SGB VI) liegen nicht vor. Der Versicherungspflicht folgt die Beitragspflicht. Nach § 168 Nr. 1 SGB VI ist der Kläger neben dem Beigeladenen zu 2 verpflichtet, die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu tragen. Die Höhe der zu zahlenden Beiträge ergibt sich aus den §§ 157 ff SGB VI. Die der Versicherungs- und Beitragspflicht zugrunde liegenden Vorschriften sind weder formell noch materiell verfassungswidrig. Ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG liegt nicht vor. Allerdings ist die durch dieses Grundrecht garantierte allgemeine Handlungsfreiheit verletzt, wenn eine Belastung - wie hier die vom Kläger gerügte Zwangsmitgliedschaft und Beitragspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung - sich nicht auf eine verfassungsmäßige gesetzliche Vorschrift stützen kann. Denn zur verfassungsmäßigen Ordnung im Sinne des Art. 2 Abs. 1 SGG gehören nur formell und materiell verfassungsmäßige Gesetze (BVerfGE 6,32, 37 ff; 63, 88, 108 ff; 90, 145, 172). Im Gegensatz zur Meinung des Klägers hat der Bund die Gesetzgebungskompetenz für das SGB VI. Diese beruht auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG n.F. (früherer Art. 74 Nr. 12 GG, der bisherige Text von Art. 74 wurde durch Gesetz vom 27. Oktober 1994 - BGBl. I S. 3146 - zu Abs. 1). Nach dieser Vorschrift hat der Bund die konkurrierende Gesetzgebung für die Sozialversicherung. Bei der gesetzlichen Rentenversicherung handelt es sich um "Sozialversicherung" in diesem Sinne. Das BVerfG geht von einem klassischen, historisch entwickelten weit gefassten Begriff der "Sozialversicherung" aus. Im Wesentlichen müssen zwei Elemente zusammenkommen, um ein Versicherungssystem als Sozialversicherung bezeichnen zu können: Zur Sozialversicherung gehört die gemeinsame Deckung eines möglichen, in seiner Gesamtheit schätzbaren Bedarfs durch Verteilung auf eine organisierte Vielheit. Maßgeblich ist zudem, dass diese Bedarfsdeckung durch Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts erfolgt, die ihre Mittel durch Beiträge der Beteiligten aufbringen (BVerfG SozR 5425 § 1 Nr. 1; Maunz/Dürig, Grundgesetz, Rdnr. 171 zu Art. 74). Die gesetzliche Rentenversicherung erfüllt diese Merkmale. Sie gehört zur klassischen Sozialversicherung, verteilt die finanziellen Risiken von verminderter Erwerbsfähigkeit, Alter und Tod auf die Vielzahl ihrer Mitglieder, insbesondere der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmer, und wird durch selbstständige Körperschaften des öffentlichen Rechts durchgeführt. Im Gegensatz zur Meinung des Klägers ist die Größe des in die Sozialversicherung einbezogenen Personenkreises verfassungsrechtlich nicht relevant. Entscheidend ist vielmehr allein, ob eine von der übrigen Bevölkerung abgrenzbare Solidargemeinschaft feststellbar ist. Dies ist der Fall. Der von der gesetzlichen Rentenversicherung erfasste Personenkreis ist in Abgrenzung zu anderen Bevölkerungsgruppen klar definiert (§§ 1 bis 8 SGB VI). Da die abhängige Arbeit seit Beginn der gesetzlichen Sozialversicherung in Deutschland Haupteinnahmequelle für einen Großteil der Bevölkerung ist, hat sich das klassische Bild der Sozialversicherung seitdem auch nicht gewandelt. Im Hinblick darauf, dass die gesetzliche Rentenversicherung auch versicherungsfremde Leistungen - d.h. auch Leistungen, die außerhalb der Äquivalenz von Beitrag und Leistung stehen - erbringt, wird der formale und offene Begriff der Sozialversicherung allerdings kritisiert und es wird stattdessen eine stärkere Orientierung am Versicherungskonzept durch Finanzierung der versicherungsfremden Leistungen aus Steuermitteln gefordert (z.B. Ruland, Deutsche Rentenversicherung 1995, 28 f.). Diese Forderung führt indes nicht zum Wegfall des Kompetenztitels für den Bundesgesetzgeber gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG. Denn das "Versicherungsprinzip" hat innerhalb der Gesetzgebungskompetenz für die Sozialversicherung keinen Verfassungsrang und ist im Grundgesetz nicht inhaltlich bestimmt (vgl. BSGE 68, 276, 283). Demzufolge hat das BVerfG mit Beschluss vom 29. Dezember 1999 - 1 BvR 679/98 - die Verfassungsbeschwerde gegen dieses Urteil des BSG nicht zur Entscheidung angenommen und sich den kompetenzrechtlichen Ausführungen des BSG ausdrücklich angeschlossen. Im Hinblick auf den formalen und offenen Begriff der Sozialversicherung ist es für die Gesetzgebungskompetenz irrelevant, dass nach Meinung des Klägers ein sozialer Ausgleich durch die gesetzliche Rentenversicherung nicht stattfindet.

Die gesetzlichen Regelungen zur Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen verstoßen nicht gegen die Grundsätze der Finanzverfassung (Art. 104a ff. GG); denn Sozialversicherungsbeiträge sind keine Sonderabgaben im Sinne der finanzverfassungsrechtlichen Rechtsprechung des BVerfG (vgl. auch BSGE 81, 276, 284). Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG räumt dem Bundesgesetzgeber mit dem Recht zur konkurrierenden Gesetzgebung auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechts bereits aus sich heraus auch ein Recht zur Regelung zur Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen ein (BVerfG SozR 5425 § 1 Nr. 1; BSGE 81, 276, 284). Ein Verstoß gegen Art. 115 GG liegt allein deswegen nicht vor, weil es sich bei der Begründung von Rentenanwartschaften nicht um eine Kreditaufnahme im Sinne dieser Vorschrift handelt. Das Grundgesetz setzt einen finanzwissenschaftlichen Kreditbegriff voraus. Nicht erfasst sind hiervon die Erhebung öffentlich-rechtlicher Abgaben und die Begründung öffentlich-rechtlicher Ansprüche (im Einzelnen Maunz/Dürig, Grundgesetz, Rdnrn. 10 f. zu Art. 115 Grundgesetz).

Die Mitgliedschaft und Beitragspflicht des Klägers zur gesetzlichen Rentenversicherung verstößt auch nicht als materiell unzulässige Zwangsmitgliedschaft gegen die durch Art. 2 Abs. 1 GG garantierte allgemeine Handlungsfreiheit. Eine Zwangsmitgliedschaft in öffentlich-rechtlichen Verbänden ist nur zulässig, wenn der Verband legitime öffentliche Aufgaben erfüllt und die Mitgliedschaft zur Erfüllung der übertragenen öffentlichen Aufgaben erforderlich und angemessen ist (vgl. BVerfGE 10, 89, 102; 38, 281, 299, 302). Diesen Anforderungen wird die gesetzliche Rentenversicherung gerecht; sie belastet den Kläger nicht unverhältnismäßig. Die Annahme des Klägers, dass das Beitragsrecht in der Sozialversicherung gegenüber dem Steuerrecht geringer Verdienende gegenüber besser Verdienenden tendenziell benachteilige, spricht allenfalls gegen eine übermäßige Belastung der Gemeinschaft der Beitragszahler mit versicherungsfremden Aufgaben der Allgemeinheit, also mit solchen Aufgaben, für die grundsätzlich der Steuerzahler aufzukommen hat. Die Bildung einer spezifischen Solidargemeinschaft, die wechselseitige Risikoentlastung außerhalb des allgemeinen Staatshaushaltes betreibt, wird hierdurch nicht ausgeschlossen. Das BVerfG hat die Zulässigkeit kollektiver Altersversorgungssysteme bereits mehrfach betont (BVerfG NJW 1991, 746 f. m.w.N.). Die mit der Einbeziehung des Klägers in die gesetzliche Rentenversicherung einhergehende Belastung ist gerechtfertigt, weil sozialer Schutz gegen die versicherten Risiken nicht mit einem milderen Mittel erreichbar ist. Nur die Sozialversicherung gewährleistet, dass Beiträge nicht nach einem individuellen Risiko, sondern - geknüpft an das erzielte Arbeitsentgelt - nach typisierter wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit erhoben werden (so auch Merten, NZS 1998, 545 f.). Die erzielbare "Rendite" steht vor diesem Hintergrund bei der Prüfung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Beitragserhebung nicht im Vordergrund, zumal bei derzeitigem Beitragssatz die durchschnittlichen Rentenleistungen die Einzahlungen übersteigen (Kufner, NZS 1996, 559 f.). Zu berücksichtigen ist zudem, dass die gesetzliche Rentenversicherung nicht nur ein Altersversorgungssystem ist, sondern auch die Risiken verminderte Erwerbsfähigkeit und Tod abgedeckt werden. Gerade die Abdeckung der letztgenannten Risiken kommt Familien bzw. Geringerverdienenden besonders zugute, weshalb die These des Klägers, im Rentenversicherungsrecht finde sozialer Ausgleich nicht statt, nicht stichhaltig ist. Aus den dargelegten Gründen verletzt die Beitragspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung auch nicht das Sozialstaatsgebot (Art. 20 Abs. 1 GG).

Der Schutzbereich von Art. 14 GG wird durch die Auferlegung von Geldleistungspflichten grundsätzlich nicht beeinträchtigt, denn dieses Grundrecht schützt nicht das Vermögen als solches (BVerfG, NJW 1991, 746 f.). Anderes gilt, wenn eine Abgabe den Pflichtigen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen würde (BVerfGE 78, 232, 243; 82, 159, 190), die Abgabe also "erdrosselnde Wirkung" hätte (Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 4. Auflage, Rdnr. 12, 50 zu Art. 14). Dies ist bei den Rentenversicherungsbeiträgen allein deshalb nicht der Fall, weil - anders als im Steuerrecht, für das das BVerfG als Grenze der steuerlichen Gesamtbelastung den Grundsatz hälftiger Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand aufgestellt hat (BVerfGE 93, 121, 138) - im Rentenversicherungsrecht der Zahlung von Beiträgen die Begründung von Rentenanwartschaften und Ansprüchen gegenübersteht, für die ein vernünftiger Bürger sonst privat aufkommen müsste (Merten, NZS 1998, 545 f.). Für die Frage einer möglicherweise "erdrosselnden Wirkung" von Sozialversicherungsbeiträgen kommt es daher nicht auf den Gesamtbeitrag, sondern allenfalls auf den Beitragsanteil an, der dem Kläger unwirtschaftlich und durch ein anderes Versicherungssystem einsparbar erscheint. Dieser - vom Kläger nicht bezifferte und auch kaum bezifferbare Anteil - jedenfalls dürfte keine "erdrosselnde Wirkung" haben. Deshalb greift auch die Rüge des Klägers gegen die behauptete Verletzung des Existenzminimums durch Erhebung von Rentenversicherungsbeiträgen nicht durch. Die vom Kläger angenommene Verfassungswidrigkeit zu geringer Rentenanwartschaften ist bei einer Klage gegen die Beitragserhebung irrelevant.

Die Beitragspflicht des Klägers zur gesetzlichen Rentenversicherung verstößt auch nicht wegen einer angeblichen Benachteiligung der jetzigen Beitragszahler gegenüber den jetzigen Rentenempfängern gegen den allgemeinen Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG. Der Schutzbereich des Art. 3 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn wesentlich Gleiches ungleich behandelt wird, ohne dass es hierfür einen sachlichen, d.h. durch vernünftige Erwägungen getragenen Grund gibt (BVerfGE 82, 60, 86; 95, 39, 45). Bei den jetzigen Beitragszahlern und den jetzigen Rentenempfängern handelt es sich nicht um wesentlich gleiche Personengruppen. Die Beklagte wendet hiergegen zu Recht ein, dass bei einem Belastungsvergleich nicht mehr verschiedene Altersgruppen zu einem bestimmten Zeitpunkt beobachtet werden dürfen, sondern - sofern überhaupt eine Vergleichbarkeit für möglich gehalten wird - der gesamte Lebenszyklus mit seinen Belastungen und Vergünstigungen zu berücksichtigen ist. Leistungen, die eine Generation bereits erhalten hat und die zu erwarten sind, sind im Sinne einer Gesamtbilanz mit einer anderen Generation zu vergleichen; die von den jeweiligen Generationen getragenen Belastungen sind zu saldieren. So verstanden hat der Kläger nicht plausibel darlegen können und ist auch sonst nicht ersichtlich, weshalb heutige Beitragszahler gegenüber heutigen Rentnern benachteiligt werden sollen (Stichwort z.B.: Generation der Erben; zu berücksichtigen sind auch der Konsumverzicht und die Aufbauleistung der heutigen älteren Generation in der Nachkriegszeit). Die vom Kläger in Anspruch genommene "Gleichheit in der Zeit" - Gleichbehandlung der Rentnergenerationen untereinander - als Verfassungsgebot gibt es nicht. Zwar ist nicht sichergestellt, dass die künftige Rentnergeneration, zu der sich der Kläger zählt, die gleiche "Rendite" aus ihren Beiträgen erzielen oder unter Ausgleich der Inflation gleich hohe Leistungen erhalten wird wie die jetzige Rentnergeneration aufgrund der von ihr früher aufgebrachten Beiträge. Eine uneingeschränkte Gleichbehandlung "in der Zeit" unter Berufung auf Art. 3 Abs. 1 GG würde den dem Gemeinwohl verpflichteten Gesetzgeber lähmen, das Gemeinwohl schwerwiegend gefährden und eine Versteinerung der Gesetzgebung bedeuten (vgl. BSG SozR 2200 § 1385 Nr. 16; BSG, Urteil vom 11. Oktober 2001 - B 12 KR 19/00 R - in USK 0144). Dagegen spricht, dass das BVerfG die Anwendung des Gleichheitssatzes abgelehnt hat, wenn die Vergleichsfälle anderen rechtlichen Ordnungsbereichen angehören und in anderen systematischen und sozialgeschichtlichen Zusammenhängen stehen (BVerfGE 40, 121, 139 f.).

Schließlich verstößt die uneingeschränkte Heranziehung des Klägers zu den Rentenversicherungsbeiträgen - im Gegensatz zur gesetzlichen Pflegeversicherung - nicht gegen Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG. Diese Vorschriften sind nicht dadurch verletzt, dass die Betreuung und Erziehung der Kinder des Klägers bei der Beitragsbemessung keine Berücksichtigung finden. Als Freiheitsrecht verpflichtet Art. 6 Abs. 1 GG den Staat, Eingriffe in die Familie zu unterlassen. Darüber hinaus enthält die Bestimmung eine wertentscheidende Grundsatznorm, die für den Staat die Pflicht begründet, Ehe und Familie zu schützen und zu fördern. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet es, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu regeln. Zwar ist der Gesetzgeber grundsätzlich darin frei zu entscheiden, welche Merkmale er beim Vergleich von Lebenssachverhalten als maßgebend ansieht, um sie im Recht gleich oder verschieden zu behandeln. Art. 3 Abs. 1 GG verbietet es ihm nur, Art und Ausmaß der tatsächlichen Unterschiede sachwidrig außer Acht zu lassen. Eine weitergehende Einschränkung kann sich allerdings aus anderen Verfassungsnormen ergeben. Insbesondere ist bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Beitragsregelungen, die Personen mit und ohne Kinder gleich behandeln, der besondere Schutz zu beachten, den der Staat nach Art. 6 Abs. 1 GG der Familie schuldet (hierzu und zum Folgenden BVerfG vom 3. April 2001 - 1 BvR 1629/94 - BVerfGE 103, 242 ff). Hiervon ausgehend hat das BVerfG für die gesetzliche Pflegeversicherung entschieden, dass Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG dadurch verletzt ist, dass die Betreuung und Erziehung von Kindern bei der Bemessung von Beiträgen keine Berücksichtigung findet. Dadurch werde die Gruppe Versicherter mit Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sozialen Pflegeversicherung, die aus der Betreuungs- und Erziehungsleistung im Falle ihrer Pflegebedürftigkeit Nutzen ziehen, in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Das BVerfG hat darauf hingewiesen, dass die heutigen Beitragszahler der erwerbsfähigen Generation im Umlageverfahren darauf vertrauen, dass in der Zukunft in ausreichendem Umfang neue Beitragsschuldner vorhanden sind, welches nur die heutigen Kinder sein können. Damit erwachse Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall ein Vorteil aus der Erziehungsleistung anderer beitragspflichtiger Versicherter, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil auf Konsum und Vermögensbildung verzichten. Dieser aus der Konzeption der sozialen Pflegeversicherung den kinderlosen Versicherten entstehende systemspezifische Vorteil unterscheide sich vom Nutzen, der einer Gesellschaft durch Kinder und ihre Betreuung und Erziehung im Allgemeinen erwachse. Die benachteiligende Wirkung des generativen Beitrages führe zu einer spezifischen Belastung kindererziehender Versicherter im Pflegeversicherungssystem, die innerhalb des Systems auszugleichen sei. Diese Ausführungen des BVerfG sind indes nach Auffassung des Senats auf das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung nicht übertragbar.

Zuzugestehen ist dem Kläger allerdings, dass das gesetzliche Rentenversicherungs- und das gesetzliche Pflegeversicherungssystem viele Gemeinsamkeiten aufweisen, die es - wie auch vom BVerfG ausdrücklich gefordert - erforderlich machen zu prüfen, ob und inwieweit sich die Entscheidung des BVerfG auch auf die gesetzliche Rentenversicherung übertragen lässt. Wie die Pflegeversicherung ist auch die Rentenversicherung umlagefinanziert (§ 153 Abs. 1 SGB VI). Damit ist auch das Rentenversicherungssystem darauf angewiesen, dass heute Kinder geboren und großgezogen werden, um später als Beitragszahler die Renten der dann Leistungsberechtigten zu finanzieren. Hierbei handelt es sich - wie in der gesetzlichen Pflegeversicherung - um einen systemspezifischen Vorteil, der über den Vorteil, der der Allgemeinheit durch Kinder erwächst, hinausgeht. Damit leisten Versicherte, die Kinder erziehen, einen systemerhaltenden generativen Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung. Im Gegensatz zur Pflegeversicherung als Risikoversicherung ist es jedoch im Rentenversicherungsrecht möglich, die Kindererziehung leistungsrechtlich - insbesondere durch die Anerkennung von Kindererziehungs- und Kinderberücksichtigungszeiten (§§ 56, 57 SGB VI) - zu honorieren. Ein beitragsrechtlicher Ausgleich braucht im Rentenversicherungsrecht nicht zu erfolgen und wäre ein krasser Verstoß gegen wesentliche Strukturprinzipien der gesetzlichen Rentenversicherung. Zwar hat das BVerfG in der Entscheidung vom 3. April 2001 gefordert, dass der zwischen Eltern und kinderlosen Personen vorzunehmende Ausgleich durch Regelungen erfolgen muss, die die älteren Generationen während der Zeit der Betreuung und Erziehung entlasten. Die mit der Kindererziehung verbundene Belastung trete in der Erwerbsphase auf, sie sei deshalb auch in diesem Zeitraum auszugleichen. Für die Pflegeversicherung hat das BVerfG entschieden, dass der verfassungsgebotene Ausgleich zwischen erziehenden und nichterziehenden Mitgliedern nicht durch unterschiedliche Leistungen im Falle des Eintritts der Pflegebedürftigkeit erfolgen kann. Diese Erwägungen sind indes nicht auf das Rentenversicherungsrecht übertragbar. Seit der Entscheidung des BVerfG vom 28. Februar 1980 - 1 BvL 17/77 u.a. - ist es mittlerweile ständige verfassungsgerichtliche Rechtsprechung, dass Rentenanwartschaften dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG unterliegen. Dieser verfassungsrechtliche Eigentumsschutz beruht insbesondere darauf, dass der Umfang der Rentenanwartschaften durch die persönliche Arbeitsleistung des Versicherten mitbestimmt wird. Deshalb müssen Berechtigung und Eigenleistung einander zwar nicht entsprechen, je höher indessen der einem Anspruch zu Grunde liegende Anteil der eigenen Leistung ist, desto stärker tritt der verfassungsrechtlich wesentliche personale Bezug und mit ihm ein tragender Grund des Eigentumsschutzes hervor (vgl. auch BSGE 100, 59 f. zum Schutz von in der DDR erworbenen Rentenanwartschaften; ähnlich BVerfG vom 1. November 1995 - 1 BvR 892/88 und vom 24. Mai 2000 - 1 BVL 1/98 u.a., wonach bei der Berechnung kurzfristiger Lohnersatzleistungen zwar eine versicherungsmathematische Äquivalenz zwischen entrichteten Beiträgen und der Höhe der Leistungen nicht geboten ist, der Gesetzgeber jedoch nicht berechtigt ist, bei der Leistungsbemessung sämtliche beitragspflichtigen Entgeltbestandteile außer Betracht zu lassen). In der Konsequenz bedeutet dies, dass es unzulässig wäre, kinderlose Versicherte mit höheren Beiträgen zu belegen, ohne ihnen gleichzeitig höherwertige Rentenanwartschaften und höhere Renten zuzubilligen, wodurch der vom Kläger gewünschte Ausgleich wieder zunichte gemacht würde. Die Erhöhung der Beitragsleistung für Kinderlose wäre jedoch zwangsläufige Folge der Verminderung der Beitragsleistung für Kindererziehende, weil ansonsten die finanzielle Basis der Rentenversicherung nicht gewährleistet wäre. Einem Ausgleich der Beitragsminderleistung der Kindererziehenden durch Steuermittel steht entgegen, dass das BVerfG - wie ausgeführt - in der Entscheidung vom 3. April 2001 fordert, dass der Belastungsausgleich systemimmanent, also gerade nicht durch die Inanspruchnahme von Steuermitteln zu erfolgen hat.

Das Leistungsrecht der gesetzlichen Rentenversicherung genügt - im Gegensatz zur Meinung des Klägers - den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die das BVerfG im Urteil vom 7. Juli 1992 - 1 BvL 51/96 u.a. - ( BVerfGE 87,1 ff.) aufgestellt hat. Das BVerfG hat den Gesetzgeber nach Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG verpflichtet, den Mangel des Rentenversicherungssystems, der in den durch Kindererziehung bedingten Nachteilen bei der Altersversorgung liegt, über die Regelungen des Hinterbliebenen- und Erziehungszeitengesetzes - HEZG - und des Gesetzes über Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung für Kindererziehung an Mütter der Geburtsjahrgänge vor 1921 - RVKLG - hinaus zu berücksichtigen. Diesem Verfassungsauftrag ist der Gesetzgeber durch die zeitliche Ausdehnung der Kindererziehungszeiten für Kinder mit einem Geburtsdatum ab dem 1. Januar 1992 auf drei Jahre nachgekommen und er hat ihre Bewertung von 75 Prozent des Durchschnittsverdienstes auf 100 Prozent angehoben (BVerfG vom 29. März 1996 - 1 BvR 1238/95 - FamRZ 1996, 789). Verfassungswidrig war allein die Regelung zur Bewertung von Kindererziehungszeiten bei Zusammentreffen mit Beitragszeiten; diese verfassungswidrige Rechtslage ist seit der Entscheidung des BVerfG vom 12. März 1996 - 1 BvR 609/90 u.a. - (SozR 3 - 2200 § 1255 a Nr. 5) korrigiert (§ 70 Abs. 2 SGB VI). Durch § 70 Abs. 3a SGB VI hat der Gesetzgeber diesen Familienlastenausgleich im Sinne der Vorgaben des BVerfG weiter ausgebaut. Es erfolgt eine Höherbewertung von Beitragszeiten, die Eltern begünstigt, die während der ersten zehn Lebensjahre des Kindes - also während der Kinderberücksichtigungszeit (§ 57 SGB VI) - erwerbstätig sind und nur unterdurchschnittlich verdienen. Die in dieser Zeit erzielten Entgelte werden - für Zeiten ab 1992 - bei der Rentenberechnung um 50 Prozent auf maximal 100 Prozent des Durchschnittseinkommens aufgewertet. Dasselbe gilt für Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer nichterwerbsmäßigen Pflege eines pflegebedürftigen Kindes bis zu seinem 18. Lebensjahr. Vorausgesetzt werden 25 Jahre mit rentenrechtlichen Zeiten, wozu auch Kinderberücksichtigungszeiten zählen.

Soweit der Kläger die Herabsetzung seiner Beiträge begehrt, indem er die teilweise Rechtswidrigkeit von Leistungen der Beklagten rügt, ist die Klage als Popularklage unzulässig. Dies hat das BSG für die Kranken- und Rentenversicherung entschieden (vgl. BSGE 57, 184; 81, 276, 281) und dabei der Rechtsprechung des BVerfG Rechnung getragen, das Klagen gegen Rentenversicherungsträger auf Unterlassung von angeblich verfassungswidrigen Leistungen als unzulässig angesehen hat (BVerfG SozR 1500 § 54 Nrn. 60, 84 und BSGE 60, 248). Unerheblich ist hierbei, ob der Kläger die Berechnung des allgemeinen Rentenwertes oder die Gewährung von Hinterbliebenenrente an Kinderlose rügt. In beiden Fällen will er über eine Verminderung seiner Beitragslast die Bewilligung von Leistungen an Dritte bekämpfen, wofür ihm ein Rechtsschutzanspruch nicht zusteht. Zudem richtet sich die Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung gemäß § 153 Abs. 1 SGB VI nach dem Bedarf. Der Bedarf wird u.a. durch die zu erbringenden Rentenleistungen bestimmt. Solange also die leistungsberechtigten Versicherten zu Recht Rentenzahlungen verlangen können, wird dieser Bedarf zu Recht auf die Beitragszahler umgelegt (vgl. BSGE 57, 184), so dass der Feststellungsantrag auch in dieser Hinsicht unbegründet ist. Soweit der Kläger geltend macht, die auf der Grundlage der § 160 Nr. 1 SGB VI erlassenen die Beitragssätze in der gesetzlichen Rentenversicherung festsetzenden Rechtsverordnungen seien rechtswidrig, weil sie von unzutreffenden tatsächlichen Annahmen ausgingen und ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot in Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG vorliege, vermag der Senat ihm nicht zu folgen. Die Ermächtigungsnorm des § 160 Nr. 1 SGB VI ist in Verbindung mit der die Grundsätze der Beitragsfestsetzung festlegenden Norm hinreichend bestimmt; die für Rechtsverordnungen geltenden Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen des Art. 80 GG sind auch sonst erfüllt. Dass der Verordnungsgeber bei Erlass der Verordnungen von unzutreffenden Zahlen der geringfügig Beschäftigten ausgegangen ist, ist nicht belegt.

Die hilfsweise auf Beitragserstattung der Arbeitnehmeranteile gerichtete Berufung - eine Beitragserstattung hat der Kläger sinngemäß schon mit seinem Antrag vom 6. März 1997 sowie seiner weiteren Begründung beansprucht und hierüber hat die Beklagte auch sinngemäß entschieden (vgl. BSG USK 0144) - ist unbegründet. Denn Beiträge sind, was hierfür jedoch Voraussetzung ist (vgl. § 26 Abs. 2 SGB IV), nicht zu Unrecht entrichtet.

Weil sich der Senat nicht von der Verfassungswidrigkeit der einschlägigen Normen zur Versicherungs- und Beitragspflicht überzeugen kann, ist, kommt eine Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 GG nicht in Betracht.

Schließlich ist auch eine Vorlage an den EuGH nicht geboten. Gemäß Art. 234 EGV kann über die Auslegung des EG-Vertrages eine Vorabentscheidung des EuGH eingeholt werden, wenn ein Gericht eine Entscheidung über die Auslegung des EG-Vertrages zum Erlass seines Urteils für erforderlich hält. Eine Vorlagepflicht ergibt sich für den Senat nicht (Art. 234 Satz 3 EGV).

Es ist nicht zweifelhaft, dass das deutsche gesetzliche Rentenversicherungsrecht mit dem EGV vereinbar ist. Insbesondere liegt ein Verstoß gegen Art. 81 EGV (Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen und Verhaltensweisen) sowie Art. 86 EGV (öffentliche und monopolartige Unternehmen) nicht vor. Denn bei der gesetzlichen Rentenversicherung handelt es sich nicht um ein Unternehmen im Sinne dieser Vorschriften. Eine nähere Definition des europarechtlichen Unternehmensbegriffs gibt es nicht. In der Gemeinschaftspraxis wird der Unternehmensbegriff schon angesichts der unterschiedlichen nationalen Rechtslage flexibel verstanden, ohne aber auf rechtliche Eckwerte zu verzichten. Wesentlich ist das Vorhandensein einer juristischen Persönlichkeit, die am Wirtschaftsverkehr teilnimmt (Oppermann, Europarecht, 2. Aufl., Rdnr. 1039 zu § 14). Für die Frage, ob Sozialversicherungsträger als Unternehmen im Sinne des EGV auszulegen sind, ist nach der Rechtsprechung des EuGH im Gegensatz zur Meinung des Klägers nicht in erster Linie von Belang, ob das System einem sozialen Zweck dient und auf dem Grundsatz der Solidarität beruht, sondern maßgeblich ist die Art der Finanzierung. Für die traditionellen Pensionssysteme, die nach dem Umlageverfahren funktionieren, wäre es nicht denkbar, dass private Unternehmen ohne eine dauerhafte Intervention des Staates auf dem Markt ähnliche Produkte anbieten können, die auf dem Prinzip der Solidarität der Generationen beruhen. Damit ist die umlagefinanzierte gesetzliche Rentenversicherung mit Elementen des sozialen Ausgleichs kein Unternehmen im Sinne der Art. 81, 86 EGV. Auch der vom Kläger gerügte Verstoß gegen den durch Art. 49 EGV gewährleisteten freien Dienstleistungsverkehr liegt nicht vor, weil der EuGH bereits mehrfach entschieden hat, dass das Marktrecht der Gemeinschaft nicht auf die Existenz öffentlicher Monopole der sozialen Sicherheit anzuwenden ist, soweit diese keine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben (Bieback in Fuchs, Kommentar zum europäischen Sozialrecht, Art. 22 Rdnr. 30 m.w.N.), was bei der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung - wie dargelegt - nicht der Fall ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, weil die Rechtssache insbesondere unter Beachtung der Entscheidung des BVerfG vom 3. April 2001 - BvR 1629/94 - (BVerfGE 103, 242 ff.) und dem Umstand, dass beim 12. Senat des BSG zwei Revisionen zum gleichen Problemkreis anhängig sind, grundsätzliche Bedeutung hat.
Rechtskraft
Aus
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