L 5 B 34/01 KR

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 34 RJ 88/99
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 B 34/01 KR
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 30.08.2000 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen den Ausschluss ihres Prozessbevollmächtigten von der mündlichen Verhandlung und dem schriftlichen Verfahren vor dem Sozialgericht.

In der Hauptsache ist zwischen den Beteiligten umstritten, ob die Beschwerdeführerin und Klägerin aufgrund der Bescheide der Beklagten vom 20.08.1998 und 12.01.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.04.1999 verpflichtet ist, Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 14.573,22 DM zu zahlen.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ist von Beruf Diplomkaufmann und Steuerberater, der eine Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz nicht besitzt.

Das Sozialgericht hat den Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin durch Beschluss vom 30.08.2000 als Prozessbevollmächtigten für die mündliche Verhandlung und das schriftliche Verfahren ausgeschlossen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich eine Befugnis des Prozessbevollmächtigten der Beschwerde führerin zur Vertretung nicht aus § 73 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ergebe; außerdem verstoße der Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführerin gegen das Rechtsberatungsgesetz, so dass er nicht nur als Bevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung ausgeschlossen sei, sondern auch von dem schriftlichen Verfahren ausgeschlossen werden müsse.

Gegen den ihr am 18.09.2000 zugestellten Beschluss hat die Beschwerdeführerin am 16.10.2000 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung bringt sie vor: Der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 30.08.2000 sei rechtswidrig. Artikel 1 § 5 Nr. 2 des Rechtsberatungsgesetzes sei mit Wirkung zum 08.09.1998 geändert und Steuerberater den Wirtschaftsprüfern gleichgestellt worden. Außerdem habe sich auch die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte für eine Vertretungsberechtigung der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in Widerspruchsverfahren und Klageverfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ausgesprochen. Auch beanstande die Bundessteuerberaterkammer das Auftreten von Steuerberatern auch in Rechtsbehelfsverfahren gegen Verwaltungsakte der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte nicht.

Die Beschwerdeführerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 30.08.2000 aufzuheben.

Die Beschwerdegegnerin hat keinen Antrag gestellt.

II.

Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat, ist zulässig, aber unbegründet (§§ 172, 173, 174 SGG). Das Sozialgericht hat zu Recht entschieden, dass der Prozessbevollmächtigte der Beschwerde führerin als Prozessbevollmächtigter von der mündlichen Verhandlung und auch darüber hinaus vom Verfahren insgesamt ausgeschlossen ist.

Gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 SGG kann sich ein Beteiligter durch jede prozessfähige Privatperson vertreten lassen. Nach § 73 Abs. 6 SGG i.V.m. § 157 Zivilprozessordnung (ZPO) sind Bevollmächtigte allerdings in der Verhandlung ausgeschlossen, wenn sie weder Rechtsanwälte noch Mitglieder oder Angestellte von Gewerkschaften oder den in § 73 Abs. 6 S. 3 SGG genannten Vereinigungen mit der Befugnis zur Prozessvertretung sind und dennoch ohne Befugnis fremde Rechtsangelegenheiten vor Gericht geschäftsmäßig besorgen. Der Bevollmächtigte der Klägerin, der weder Rechtsanwalt ist noch zu dem in § 73 Abs. 6 Satz 3 SGG genannten Personenkreis gehört, ist sowohl von der Verhandlung als auch im schriftlichen Verfahren von der Prozessvertretung ausgeschlossen.

Dem Bevollmächtigten der Klägerin ist auch nicht nach § 73 Abs. 6 Satz 1 SGG i.V.m. § 157 Abs. 3 ZPO das mündliche Verhandeln gestattet, denn eine entsprechende Befugnis ist ihm nicht durch Anordnung der Justizverwaltung erteilt worden.

Der Bevollmächtigte der Klägerin ist von der mündlichen Verhandlung ausgeschlossen, da er fremde Rechtsangelegenheiten vor Gericht geschäftsmäßig betreibt. Geschäftsmäßig ist eine selbständige und auf öftere Wiederholung gerichtete Tätigkeit, wobei unerheblich ist, ob sie hauptberuflich oder nebenberuflich, entgeltlich oder unentgeltlich ausgeübt wird. Zur Selbständigkeit muss die Absicht des Handelnden hinzutreten, die betreffende Betätigung in gleicher Art zu wiederholen und sie dadurch zu einem dauernden oder wenigstens zu einem wiederkehrenden Bestandteil seiner Beschäftigung zu machen. Schon die erste von derartigen Tätigkeiten kann genügen. Eine gewisse tatsächliche Häufung der Betätigung ist nicht erforderlich (Peters in: Münchener Kommentar, ZPO, 1992, § 157 Rdnr. 12; Stein/Jonas, ZPO, 21. Auflage, § 157 Rdnrn. 22 bis 24 mit weiteren Nachweisen). Dies ist hier der Fall, denn der Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführerin begreift sein Tätigwerden als Teil seiner Tätigkeit als Steuerberater; seinen Ausführungen ist zu entnehmen, dass er eine Vertretung durch Steuerberater in Beitragsstreitigkeiten generell für zulässig hält, so dass von einer Wiederholgungsabsicht auszugehen ist.

Darüber hinaus verstößt das Tätigwerden des Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin gegen das Rechtsberatungsgesetz (RBerG). Dieses regelt die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten und macht sie von einer behördlichen Erlaubnis abhängig. Die Erlaubnis wird auf Antrag demjenigen erteilt, der die erforderliche Zuverlässigkeit, persönliche Eignung und genügend Sachkunde besitzt. Das Rechtsberatungsgesetz regelt jede geschäftsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten, nicht nur das in § 157 ZPO getroffene Auftreten vor Gericht. Rechtsfolge des Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz ist der Ausschluss vom Verfahren insgesamt.

Der Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführerin besitzt keine Erlaubnis nach Artikel 1 RBerG; er zählt nicht zu den dort genannten Berufen (Rentenberater, Versicherungsberater, Fachprüfer usw.). Er unterliegt auch nicht der Ausnahmevorschrift des Artikels 1 § 3 RBerG, denn er übt weder den Beruf des Notars, des Rechtsanwalts oder des Prozessagenten aus.

Auch kann er sich auch nicht auf Artikel 1 § 5 RBerG berufen. Nach dieser gesetzlichen Bestimmung in der Fassung vom 31.08.1998 (BGBl. I 2585) stehen die Vorschriften dieses Gesetzes dem nicht entgegen, dass kaufmännische oder sonstige gewerbliche Unternehmen für ihre Kunden rechtliche Angelegenheiten erledigen, die mit einem Geschäft ihres Gewerbebetriebes in unmittelbarem Zusammenhang stehen; dass öffentlich bestellte Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer sowie Steuerberater und Steuerbevollmächtigte in Angelegenheiten, mit denen sie beruflich befasst sind, auch die rechtliche Bearbeitung übernehmen, soweit dies mit den Aufgaben des Wirtschaftsprüfers, Buchprüfers, Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten in unmittelbarem Zusammenhang steht und diese Aufgaben ohne die Rechtsberatung nicht sachgemäß erledigt werden können, dass Vermögensverwalter, Hausverwalter und ähnliche Personen die mit der Verwaltung in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Rechtsangelegenheiten erledigen. Die Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin als Steuerberater ist weder eine kaufmännische noch eine sonstige gewerbliche Angelegenheit, da ein Steuerberater gemäß § 32 Abs. 2 des Steuerberatungsgesetzes in der Fassung vom 24.06.2000 (BGBl. I 874) einen freien Beruf ausübt.

Ferner fällt das Tätigwerden des Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin auch nicht unter Artikel 1 § 5 Nr. 2 RBerG. Die rechtliche Bearbeitung in den vorliegenden Streitsachen steht nicht mit den Aufgaben eines Steuerberaters in unmittelbarem Zusammenhang. Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften haben die Aufgabe, im Namen ihres Auftrags ihre Auftraggeber in Steuersachen zu beraten, sie zu vertreten und ihnen bei der Bearbeitung ihrer Steuerangelegenheiten und bei der Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten Hilfe zu leisten. Dazu gehören auch die Hilfeleistungen in Steuerstrafsachen und in Bußgeldsachen wegen einer Steuerordnungswidrigkeit sowie die Hilfeleistung bei der Erfüllung von Buchführungspflichten, die aufgrund von Steuergesetzen bestehen, insbesondere die Aufstellung von Steuerbilanzen und deren steuerliche Beurteilung (§ 33 Steuerberatungsgesetz). Die Führung der vorliegenden Rechtsstreitigkeit liegt außerhalb des mit diesen Vorschriften beschriebenen Tätigkeitsbereiches eines Steuerberaters, denn dieser Rechtsstreit betrifft die Frage, inwieweit die Beschwerdeführerin zur Nachentrichtung eines Gesamtsozialversicherungsbeitrags für bei ihr Beschäftigte verpflichtet ist. Der in Artikel 1 § 5 Nr. 2 RBerG geforderte unmittelbare Zusammenhang mit den Aufgaben eines Steuerberaters liegt nur vor, wenn die steuerberatende Tätigkeit im Vordergrund steht und vom Steuerberater nicht ohne die rechtliche Bearbeitung sachgemäß erledigt werden könnte. Lässt sich die Rechtsbesorgung von der eigentlichen Berufstätigkeit des Steuerberaters trennen, ohne dass letztere unangemessen erschwert wird, fehlt ein unmittelbarer Zusammenhang (BGH vom 16.12.1999, NJW 2000, 1333; BGH vom 04.11.1987, BGHZ 102, 128). Auch das Bundessozialgericht hat entschieden, dass ein unmittelbarer Zusammenhang mit einer Steuerberatung nicht mehr vorliegt, wenn sie auch ohne die Vertretung in fremden Verwaltungsverfahren weiterhin sinnvoll wahrgenommen werden könnte (BSG vom 13.08.1996 SozR 3-1300 § 13 Nr.3). Hier ist kein Grund ersichtlich, warum der Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführerin nicht seiner Tätigkeit als Steuerberater nachgehen und die Angelegenheiten der Beschwerdeführerin sachgerecht erledigen könnte, auch wenn er die beitragsrechtliche Streitigkeit der Beschwerdeführerin nicht selbst erledigt. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang der Einwand der Klägerin, Steuerberater seien durch Art.1 § 5 Nr.1 des Rechtsberatungsgesetzes den Wirtschaftsprüfern gleichgestellt, weil auch für einen Wirtschaftsprüfer nichts anderes gilt.

Soweit sich die Klägerin auf die Auffassung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte beruft, die die Ansicht vertrete, dass Steuerberatern die Vertretung in beitragsrechtlichen Streitigkeiten ermöglicht werden soll, verkennt sie, dass dies nach der gegenwärtigen Rechtslage nicht möglich ist; hierzu wäre eine Änderung der gesetzlichen Regelungen erforderlich.

Folge des Verstosses gegen das Rechtsberatungsgesetz ist der Ausschluss des betreffenden Bevollmächtigten vom gesamten Verfahren (vergl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 04.08.2000, L 4 B 38/00 KR; Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 6.Aufl. § 73 Rdnr. 11d mit weiteren Nachweisen).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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