L 12 AL 1082/02

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AL 1412/00
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 1082/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Aufhebungsvertrag liegt immer dann vor, wenn die vertragliche Vereinbarung wesentliche Bedingung für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ist. Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn der Aufhebungsvertrag vor Ausspruch der Kündigung oder unabhängig von der Kündigung erfolgt, sondern auch dann, wenn zu einen Zeitpunkt, zu dem die Unwirksamkeit der Kündigung vor dem Arbeitsgericht noch geltend gemacht werden kann, eine Vereinbarung über die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses geschlossen wird.

Beschäftigungslosigkeit i.S der Sperrzeitregelung tritt bereits dann ein, wenn der Arbeitnehmer unter Fortzahlung seiner Bezüge endgültig unter Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses von der Arbeit freigestellt wird, weil auch dann das (faktische) Beschäftigungsverhältnis geendet hat (BSG 25.4.2002 - Az: B 11 AL 65/01 R).

Im Fall einer Kündigung kann ein wichtiger Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses nur vorliegen, wenn die Kündigung nach dem jeweils maßgebenden Kündigungsrecht objektiv rechtmäßig ist (BSG 25.4.2002. - B 11 AL100/01 R). Eine rechtmäßige Kündigung ist kein wichtiger Grund für die Herbeiführung der Arbeitslosigkeit, wenn die Kündigung erst zu einem späteren Zeitpunkt wirksam geworden wäre.

Zudem hat der Arbeitslose die Obliegenheit, alles Zumutbare zu unternehmen, um einen wichtigen Grund und den Eintritt des Versicherungsfalls der Arbeitslosigkeit zu beseitigen (BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 14). Der Versicherungsfall der Arbeitslosigkeit tritt erst ein, wenn alle Voraussetzungen des § 117 SGB III vorliegen und nicht bereits dann, wenn Beschäftigungslosigkeit gegeben ist. Im Fall der Freistellung hat der Arbeitslose die Obliegenheit, sich bereits mit Eintritt der Arbeitslosigkeit beim Arbeitsamt arbeitssuchend zu melden, um die Vermittlung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses zu ermöglichen.
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 27. Februar 2002 wird abgeändert:Der Bescheid vom 10. Januar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Juni 2000 wird abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld vom 1. Januar 2000 bis 24. März 2000 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit.

Der 1949 geborene Kläger war vom 01.07.1990 bis zum 31.12.1999 als Vertriebsingenieur bei der Firma Sch. R. GmbH, K. als Vertriebsingenieur bei einem Monatsgehalt von zuletzt ca. 11.000,00 DM beschäftigt. Die Kündigungsfrist betrug sechs Monate zum Monatsende. Regelungen eines Tarifvertrages fanden auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung. Mit Schreiben vom 22.06.1999 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis: " ... hiermit kündigen wir das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis - aus betriebsbedingten Gründen - fristgerecht zum 31.12.1999 ...". Nach Ausspruch der Kündigung schlossen die Arbeitsvertragsparteien die "Abwicklungsvereinbarung" vom 28.06.1999, nach der das Arbeitsverhältnis auf Grund der betriebsbedingten Kündigung vom 22.06.1999 zum 31.12.1999 endete, der Kläger als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Sozialabfindung in Höhe von DM 70.000,- erhielt und unter Fortzahlung der Bezüge bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses freigestellt wurde. Die Parteien waren sich des Weiteren darüber einig, dass über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und den Inhalt dieser Vereinbarung keine arbeitsgerichtliche Auseinandersetzung geführt werde.

Der Kläger meldete sich zum 01.01.2000 beim Arbeitsamt (AA) Mannheim arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg). Mit Bescheid vom 10.1.2000 lehnte das AA den Antrag für die Zeit vom 1.1.2000 bis 24.3.2000 ab, weil eine zwölfwöchige Sperrzeit eingetreten sei. Das Arbeitsverhältnis habe auf Grund eines Aufhebungsvertrages geendet. Dieser stehe der Eigenkündigung gleich. Durch die Kündigung sei die einvernehmliche Auflösung nur verdeckt worden. Wegen Eintritts der Sperrzeit ruhe Anspruch auf Alg, des Weiteren vermindere sich der Anspruch auf Alg um 165 Tage. Ab 25.3.2000 bewilligte das AA Alg in Höhe von wöchentlich 648,30 DM (Bescheid vom 19.2.2000). Die Bewilligung hob das AA ab 25.4.2000 wegen Teilnahme an einer Maßnahme auf.

Der Kläger erhob Widerspruch: Er habe im D. Verkaufsbüro seines Arbeitgebers gearbeitet. Dieses Verkaufsbüro sei geschlossen worden und sein Arbeitsplatz entfallen. Eine andere Beschäftigungsmöglichkeit sei nicht vorhanden gewesen, weshalb er die Kündigung als rechtmäßig akzeptiert habe. Die auf Grund der Abwicklungsvereinbarung ausbezahlte Abfindung beruhe lediglich auf freiwilligen sozialen Erwägungen des Arbeitgebers.

Im Widerspruchsverfahren holte das AA die Auskünfte der früheren Arbeitgeberin vom 28.3.2000 und 30.5.2000 ein. Diese teilte mit, der Kläger sei im Außendienstbüro in D. tätig gewesen. Wegen der Umstrukturierung und Neuorganisation des gesamten Außendienstes innerhalb von Deutschland sei das Büro zum 31.12.1999 geschlossen worden. Damit seien alle dortigen Arbeitsplätze weggefallen. Im gesamten Unternehmen sei kein anderer freier Arbeitsplatz vorhanden gewesen, weil auch sonst Stellen abgebaut worden seien. Es gebe noch weitere Außendienstbüros in anderen Bundesländern. Die Kündigung sei sozial gerechtfertigt gewesen. Dies habe der Kläger eingesehen und die Abwicklungsvereinbarung unterschrieben, nachdem er sich von der Aussichtslosigkeit einer Kündigungsschutzklage überzeugt habe.

Den Widerspruch wies das AA mit Widerspruchsbescheid vom 5.6.2000 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 28.06.2000 Klage beim Sozialgericht (SG) Mannheim erhoben: Die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit lägen nicht vor. Das Arbeitsverhältnis habe auf Grund der rechtmäßigen und zulässigen betriebsbedingten Kündigung zum 31.12.1999 geendet, wie auch der ehemalige Arbeitgeber bestätigt habe. Die Beklagte vertrete die Auffassung, er wäre verpflichtet gewesen, eine Kündigungsschutzklage zu erheben. Diese Auffassung seien nicht zutreffend. Auch der Abschluss des Abwicklungsvertrages falle zeitlich nicht mit der Kündigung zusammen. Er habe den Abwicklungsvertrag nur geschlossen, weil er nach anwaltlicher Beratung zu der Überzeugung gelangt sei, das Erheben einer Kündigungsschutzklage sei aussichtslos. Die Abfindung sei allein aus sozialen Gründen gezahlt worden.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat an ihrer Auffassung festgehalten.

Das SG hat die Personalakten der früheren Arbeitgeberin über den Kläger beigezogen.

Im Termin zur Beweisaufnahme vom 12.07.2001 hat das SG den Zeugen W. (früherer Personalleiter der Arbeitgeberin) vernommen. Hinsichtlich seiner Angaben wird auf die Niederschrift (Blatt 51/53 SG-Akten) Bezug genommen.

Mit Gerichtsbescheid vom 27.2.2002 hat das SG den Bescheid vom 10.01.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.06.2001 aufgehoben: Die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit lägen nicht vor. Dies gelte auch dann, wenn man den auf die Kündigung folgenden Abwicklungsvertrag in die Beurteilung einbeziehe. Der Arbeitsplatz des Klägers sei weggefallen. Wie der Zeuge bestätigt habe, habe die Arbeitgeberin ihm bereits im Vorfeld einen Aufhebungsvertrag angeboten. Damit sei der Kläger nicht einverstanden gewesen. Erst nach Ausspruch der Kündigung habe er sich davon überzeugt, dass eine Klage aussichtslos sei. Unter Berücksichtigung dieser Umstände lägen die für den Abschluss eines Aufhebungsvertrages maßgeblichen übereinstimmenden Willenserklärungen nicht vor.

Am 26.3.2002 hat die Beklagte Berufung eingelegt: Unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls sei von einem Aufhebungsvertrag auszugehen. Kurz nach der Kündigung sei der Abwicklungsvertrag geschlossen worden. Der Zeuge habe bestätigt, zunächst sei nur ein niedrigerer Abfindungsbetrag angeboten worden. Dieser sei im Lauf der Zeit hoch verhandelt worden. Aus den Personalakten gehe hervor, das der Kläger flexibel einsetzbar gewesen sei, er sei auch mehrfach im Ausland tätig gewesen. Es sei daher davon auszugehen, dass ein anderer Einsatzbereich hätte gefunden werden können. Vom AA habe sich der Kläger nicht beraten lassen. Er hätte sich nicht allein auf die Auskunft der Arbeitgeberin oder seiner Prozessbevollmächtigten verlassen dürfen, die im Termin zur Beweisaufnahme eingeräumt hätten, anwaltlich für die früheren Arbeitgeberin tätig zu sein.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 27. Februar 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagte verurteilt wird, ihm vom 1.1.2000 bis 24.3.2000 Arbeitslosengeld ohne Minderung der Anspruchsdauer zu gewähren.

Er hält den Gerichtsbescheid für richtig: Es sei unzutreffend, wenn die Beklagte unterstelle, die frühere Arbeitgeberin habe ein Interesse am Ausgang des Verfahrens gehabt. Auch der Zeuge sei zum Zeitpunkt seiner Vernehmung nicht mehr dort beschäftigt gewesen. Der Zeuge habe klar dargelegt, dass es keine Verwendungsmöglichkeit für den Kläger mehr gegeben habe. Die Frage der Sozialauswahl habe sich nicht gestellt, weil es sich bei dem Büro in D. um einen eigenständigen Betrieb gehandelt habe. Es habe auch keinen dem Kläger vergleichbaren Mitarbeiter gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und auf die beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Gegenstand des Rechtsstreits ist auch der Bescheid über die Bewilligung von Alg ab 25.3.2000, jedoch nur insoweit, als das AA mit diesem Bescheid Alg mit verkürzter Anspruchsdauer bewilligt hat.

Der Sache nach hat der Kläger eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 2 und 4 SGG) erhoben. Zwar hat der ausschließlich die Aufhebung der Bescheiden beantragt, ihm kommt es jedoch sichtlich darauf an, für den Zeitraum, für den die Beklagte die Bewilligung abgelehnt hat, Alg zu erhalten. Insoweit ist das Gericht nicht an den förmlichen Antrag gebunden (§ 123 SGG). Dies hat der Kläger im Termin zu mündlichen Verhandlung klar gestellt. Damit hätte sich das SG nicht damit begnügen dürfen, die Bescheide aufzuheben.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Insbesondere übersteigt der Beschwerdewert die nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG maßgebliche Grenze von 500,00 EUR.

Die Berufung hat teilweise Erfolg. Der Bescheid vom 10.1.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.6.2001 ist teilweise rechtswidrig. Der Kläger hat Anspruch auf Alg für den streitigen Zeitraum. Es ist zwar eine Sperrzeit von zwölf Wochen eingetreten, allerdings im Zeitraum vom 29.6.1999 bis 21.9.1999. Zu Recht hat die Beklagte die kraft Gesetzes eingetretene Anspruchsminderung ausgesprochen und Alg dementsprechend nach einer geminderten Anspruchsdauer bewilligt.

Nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III tritt eine Sperrzeit von 12 Wochen Dauer ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grobfahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe). Die Sperrzeit beginnt mit dem Tag nach dem Ereignis, das sie begründet, oder, wenn dieser Tag in eine Sperrzeit fällt, mit dem Ende dieser Sperrzeit; während der Sperrzeit ruht der Anspruch auf Alg (§ 144 Abs. 2 SGB III). Gemäß § 128 Absatz 1 Nr. 4 SGB III mindert sich die Dauer des Anspruchs auf Alg um die Anzahl von Tagen einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe, in Fällen einer Sperrzeit von 12 Wochen mindestens jedoch um ein Viertel der Anspruchsdauer, die dem Arbeitslosen bei erstmaliger Erfüllung der Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, zusteht.

Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Kläger hat das Beschäftigungsverhältnis gelöst. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Abschluss eines Aufhebungsvertrages der Eigenkündigung gleichsteht. Vorliegend hat der Kläger einen Aufhebungsvertrag geschlossen. Ein solcher Aufhebungsvertrag liegt immer dann vor, wenn die vertragliche Vereinbarung wesentliche Bedingung für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ist. Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn der Aufhebungsvertrag vor Ausspruch der Kündigung oder unabhängig von der Kündigung erfolgt, sondern auch dann, wenn vor Wirksamkeit der Kündigung eine Vereinbarung über die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses geschlossen wird. Eine solche liegt nicht nur vor, wenn mit der Vereinbarung als solcher die Beendigung festgelegt wird, sondern auch dann wenn, wie hier, die Wirksamkeit einer noch nicht wirksamen Kündigung zu einem bestimmten Zeitpunkt vereinbart wird, denn beide Tatbestände führen hinsichtlich der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zum gleichen Ergebnis auf vertraglicher Basis.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Kläger vorliegend einen Aufhebungsvertrag geschlossen. Mit der Vereinbarung vom 28.6.1999 ist die Beendigung des Arbeits- und damit des Beschäftigungsverhältnisses dadurch festgelegt worden, dass die Wirksamkeit der zuvor ausgesprochenen Kündigung gegen Zahlung einer Abfindung unter Erledigung sämtlicher Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis vereinbart worden ist. Da der Vertrag wesentliche Ursache für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewesen ist, stellt sich die Frage nach einem verdeckten Aufhebungsvertrag nicht. Für diesen ist typisch, dass nicht eine Vereinbarung die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses herbeiführt, sondern die Kündigung wirksam wird, wobei sich die Frage stellt, ob die mit der Bereitschaft, dem Arbeitnehmer finanzielle Leistungen zu erbringen, verbundene Kündigung des Arbeitgebers und das vorausgehende oder nachgehende Verhalten des Arbeitnehmers einen Aufhebungsvertrag verdecken, so dass die für diesen Fall geltenden Vorschriften anzuwenden sind (hierzu: BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 9).

Durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages hat der Kläger die Arbeitslosigkeit zumindest grobfahrlässig herbei geführt. Er hat kein Anschlussarbeitsverhältnis in Aussicht gehabt. Er musste - auch in Anbetracht seines Alters - damit rechnen, arbeitslos zu werden. Ob ihm ohne sein Einverständnis mit der Kündigung gleichfalls zum 31. 12.1999 hätte rechtmäßig gekündigt werden können, ist für die Kausalität des Aufhebungsvertrages für den Eintritt der Arbeitslosigkeit unerheblich. Eine möglicherweise rechtmäßige Kündigung beseitigt nicht die Kausalität der auf Grund des abgeschlossenen Aufhebungsvertrages eingetretenen Arbeitslosigkeit, hypothetische Geschehensabläufe sind nicht zu prüfen; dieser Umstand kann allenfalls im Rahmen des wichtigen Grundes geprüft werden (BSG SozR 3-4100 § 110 Nr 2).

Der Kläger hat für sein Verhalten auch keinen wichtigen Grund gehabt. Ein solcher könnte nur dann angenommen werden, wenn ihm unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung ihrer Interessen mit denen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten nicht hätte zugemutet werden können. Grundgedanke der Sperrzeitregelung ist es, dass sich die Versichertengemeinschaft gegen die Risikofälle erwehren muss, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat oder an deren Behebung er unbegründet nicht mithilft. Der wichtige Grund muss objektiv bestehen und nicht nur die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses als solchen, sondern auch den Zeitpunkt der Beendigung decken (zum Ganzen: z.B. BSG SozR 3-4100 § 110 Nr. 2). Im Fall einer Kündigung kann ein wichtiger Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses nur vorliegen, wenn die Kündigung nach dem jeweils maßgebenden Kündigungsrecht objektiv rechtmäßig ist (BSG Urteil vom 25.4.2002. - B 11 AL100/01 R -). Zudem hat der Arbeitslose die Obliegenheit, alles Zumutbare zu unternehmen, um einen wichtigen Grund zu beseitigen (BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 14). Dazu gehört es u. a., dass er versucht, möglichst einen Anschlussarbeitsplatz zu erhalten, was mindestens voraussetzt, dass er sich so rechtzeitig beim AA arbeitssuchend meldet, dass dieses Vermittlungsbemühungen unternehmen kann (BSG ebenda). Verletzt er diese Obliegenheit, kann er sich auf einen eventuell vorliegenden Grund nicht berufen.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann vorliegend ein wichtiger Grund nicht anerkannt werden. Es ist dem Arbeitnehmer grundsätzlich zumutbar, ein Arbeitsverhältnis fortzusetzen, bis er einen Anschlussarbeitsplatz findet. Die Zahlung einer Abfindung stellt allein keinen wichtigen Grund dar. Erforderlich sind überlagernde Sachzwänge in der betrieblichen Situation des Arbeitnehmers.

Derartige Sachzwänge haben nicht vorgelegen. Dem Kläger wäre es im Interesse der Versichertengemeinschaft zuzumuten gewesen, sich gegen die Kündigung zur Wehr zu setzen, anstatt sich frühzeitig gegen die Hinnahme finanzieller Vorteile jeder Möglichkeit hierzu zu begeben. Ob dies auch dann gilt, wenn die Kündigung vorliegend objektiv rechtmäßig wäre, kann dahinstehen. Denn selbst bei Rechtmäßigkeit der Kündigung wäre die Arbeitslosigkeit erst zum 1.1.2000 eingetreten. Durch den Aufhebungsvertrag hat der Kläger die Arbeitslosigkeit jedoch bereits zum 29.6.1999 herbeigeführt. Das die Sperrzeit begründende Ereignis ist die Beteiligung des Versicherten an der Herbeiführung der Beschäftigungslosigkeit, hier: der Abschluss des Auflösungsvertrages vom 28.6.1999 und die Herbeiführung der Beschäftigungslosigkeit ab 29.6.1999. Die Beschäftigungslosigkeit ist unabhängig vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses im Sinne des Arbeitsrechts durch die tatsächliche Nichtbeschäftigung des Versicherten gekennzeichnet (BSGE 73, 126, 129 = SozR 3-4100 § 101 Nr 5). Auch für die Sperrzeit geht die Rechtsprechung des BSG davon aus, dass die Sperrzeitfolgen mit der Arbeitslosigkeit und nicht etwa erst mit der Inanspruchnahme von Leistungen eintreten (zu § 119 AFG: BSGE 54, 41, 44 = SozR 4100 § 119 Nr 20; BSGE 76, 12, 13 f = SozR 3-4100 § 119a Nr 2; BSGE 84, 225, 231 = SozR 3-4100 § 119 Nr 17; BSG SozR 3-4100 § 110 Nr 2; zu § 144 SGB III: BSG 25.4.2002 - Az: B 11 AL 65/01 R -). Beschäftigungslosigkeit in diesem Sinn tritt bereits dann ein, wenn der Arbeitnehmer unter Fortzahlung seiner Bezüge endgültig unter Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses von der Arbeit freigestellt wird, auch dann das (faktische) Beschäftigungsverhältnis geendet hat (BSG, Urteil vom 25.4.2002 - Az: B 11 AL 65/01 R -). Die Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe beginnt daher mit der durch die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses herbeigeführten Beschäftigungslosigkeit; die weiteren Merkmale der Arbeitslosigkeit als Leistungsvoraussetzung (Verfügbarkeit, Beschäftigungssuche) und Leistungsbezug sind nicht erforderlich (ebenda). Mithin hat der Kläger die Arbeitslosigkeit bereits zum 29.6.1999 herbeigeführt und damit um mehr als 6 Monate vorverlagert.

Aber selbst wenn man unterstellt, dass ein wichtiger Grund vorgelegen hätte, die Arbeitslosigkeit bereits zu 29.6.1999 herbeizuführen, könnte sich der Kläger hierauf nicht berufen, weil er seinen Obliegenheiten nicht genügt hat. Er hat nicht das Erforderliche getan, um den Eintritt des Versicherungsfalls der Arbeitslosigkeit zu vermeiden.

Ihm ist spätestens seit dem 28.6.1999 bekannt gewesen, dass er ab 1.1.2000 nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis stehen würde. Dennoch hat er sich erstmals am 27.12.1999 beim AA gemeldet. Es wäre ihm möglich und zumutbar gewesen, sich bereits nach Abschluss der Abwicklungsvereinbarung arbeitssuchend zu melden. Hiervon ist er insbesondere nicht durch einen Berufstätigkeit gehindert worden, denn er ist seit dem 28.6.1999 unter Fortzahlung der Bezüge freigestellt gewesen. Die Meldung als arbeitssuchend wäre nicht von vornherein aussichtslos gewesen, denn der Kläger besitzt eine Berufsausbildung und hat eine hoch qualifizierte Tätigkeit ausgeübt. Dem steht nicht entgegen, dass die Arbeitslosigkeit i.S. der Sperrzeitregelung bereits am 29.6.1999, der Versicherungsfall der Arbeitslosigkeit dagegen erst aufgrund der Arbeitslosmeldung vom 27.12.1999 eingetreten ist. Die Obliegenheit bezieht sich darauf, den Eintritt des Versicherungsfalls der Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Der Versicherungsfall der Arbeitslosigkeit tritt erst ein, wenn alle Voraussetzungen des § 117 SGB III vorliegen und nicht bereits dann, wenn Beschäftigungslosigkeit gegeben ist.

Die Regelsperrzeit von 12 Wochen ist nicht zu verkürzen. Nach § 144 Abs. 2 Satz 1 SGB III umfasst die Sperrzeit sechs Wochen, wenn eine Sperrzeit von 12 Wochen für den Arbeitslosen nach den für ihren Eintritt maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeutet. Unter dem Gesichtspunkt eines Irrtums ist eine besondere Härte nicht anzunehmen. Diese kann nur bei einem unverschuldeten Irrtum vorliegen, der für den Arbeitslosen unvermeidbar gewesen ist, was regelmäßig voraussetzt, dass der Irrtum durch das Arbeitsamt hervorgerufen oder unterhalten wird (BSG SozR 3-1500 § 144 Nr. 12). Der Kläger hat sich nicht um eine Beratung bezüglich der Folgen der einvernehmlichen Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch das AA bemüht. Der Umstand, dass der Leistungsfall möglicherweise ohnehin zum 1.1.2000 eingetreten wäre, begründet in Anbetracht der Vorverlegung der Arbeitslosigkeit um mehr als 6 Monate und der mangelhaften Bemühungen, alsbald einen Arbeitsplatz zu finden, keine Härte. Auch ansonsten liegen keine Anhaltspunkte für das vorliegen einer Härte vor.

Eine zwölfwöchige Sperrzeit ist somit eingetreten, allerdings schon im Zeitraum vom 29.6.1999 bis 21.9.1999. Die Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe beginnt - wie bereits ausgeführt - mit der durch die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses herbeigeführten Beschäftigungslosigkeit; die weiteren Merkmale der Arbeitslosigkeit als Leistungsvoraussetzung (Verfügbarkeit, Beschäftigungssuche) und Leistungsbezug sind nicht erforderlich (BSG 25.4.2002 - Az: B 11 AL 65/01 R). Beschäftigungslosigkeit in diesem Sinn tritt bereits dann ein, wenn der Arbeitnehmer unter Fortzahlung seiner Bezüge endgültig unter Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses von der Arbeit freigestellt wird, weil auch dann das (faktische) Beschäftigungsverhältnis geendet hat (ebenda). Demnach beginnt die Sperrzeit bereits am 29.6.1999.

Damit steht die eingetretene Sperrzeit dem Leistungsbezug im streitigen Zeitraum nicht entgegen. Auch die übrigen Anspruchsvoraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger ist ab 1.1.2000 arbeitslos, insbesondere verfügbar gewesen. Er hat sich des Weiteren arbeitslos gemeldet, die Anwartschaftszeit hat er erfüllt. Deswegen hat er Anspruch auf Alg bereits ab 1.1.2000.

Wegen des Eintritts der Sperrzeit mindert sich der Anspruch gemäß § 128 Abs 1 Nr 4 SGB III um ein Viertel der Anspruchsdauer. Die Anspruchsminderung beträgt 165 Tage, wie die Beklagte zutreffend errechnet hat. Damit hat das AA Alg zu Recht mit einer verkürzten Anspruchsdauer bewilligt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (Folgerungen aus dem BSG-Urteil vom 25.4.2002) zugelassen worden.
Rechtskraft
Aus
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