L 13 VG 21/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 48 VG 92/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 VG 21/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Zwischenurteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. April 2002 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass das Ereignis vom 18. März 2000 keinen rechtswidri- gen Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Opferentschädigungsgesetz dar- stellt. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil des Sozialgerichts vorbehal- ten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Feststellung, ob ein Ereignis vom 18. März 2000 einen vorsätzlichen rechtswidrigen Angriff darstellt.

Der 1938 geborene Kläger zeigte am 18. März 2000 frühmorgens einer Funkstreife an, um 4.00 Uhr von einem ihm unbekannt gebliebenen Täter mehrmals in das Gesicht geschlagen worden zu sein. Der Täter habe sich mit einer anderen Person am Imbiss auf dem Marktplatz Kplatz (ca. 60m vom Tatort entfernt) Würstchen gekauft, um diese an seinen Hund zu verfüttern. Als er dies untersagt habe, habe eine der beiden Personen mit beiden Fäusten auf ihn eingeschlagen. Weiter ist in der Anzeige vermerkt, dass der Kläger, dessen rechte Gesichtshälfte und Augenbraue als stark geschwollen beschrieben werden, nicht habe angeben können, ob beide Personen auf ihn eingeschlagen hätten. Der bzw. die Täter hätten sich anschließend in unbekannter Richtung entfernt. Der Kläger habe bei der Anzeigenaufnahme unter Einfluss alkoholischer Getränke gestanden. Nachdem er sich vom Ort der Anzeige entfernt habe, habe er den eingesetzten Beamten zugerufen, seine Brille, die während der körperlichen Auseinandersetzung zu Boden gefallen sei, noch nicht wiedergefunden zu haben. Eine anschließende Absuche sei ergebnislos verlaufen.

Zugleich erstattete der Kläger Anzeige wegen unterlassener Hilfeleistung. Er habe, als er Opfer der Körperverletzung geworden sei, laut um Hilfe gerufen. Dennoch seien ihm die Arbeiter, die Marktstände aufgebaut hätten, nicht zu Hilfe gekommen, obwohl sie die Körperverletzung hätten sehen müssen. Die daraufhin vor Ort vernommenen Arbeiter gaben an, weder die Hilferufe noch die Körperverletzung bemerkt zu haben.

Im Bericht der vom Kläger um 5.50Uhr aufgesuchten Erste-Hilfe-Abteilung des Universitätsklinikums B F ist als Aufnahmestatus Restalkohol vermerkt. Die Diagnose lautete: dislozierte Orbitabodenfraktur.

Bei seiner Vernehmung als Zeuge zu dem Tatvorwurf der unterlassenen Hilfeleistung gab der Kläger am 23. März 2000 an, bei dem Schlag sei seine Brille abgefallen. Eine unbekannte Person habe ihm die Brille sowie sein Handy übergeben. Er sei zur Tatzeit nüchtern gewesen, da er seit dem Einsatz eines Herzkatheters im Dezember 1999 keinen Alkohol mehr trinke. Nach Beendigung der Zeugenvernehmung äußerte der Kläger einem Aktenvermerk vom 24. März 2000 zufolge, der Täter, von dem er den Schlag ins Gesicht erhalten habe, sei anschließend in das dort befindliche Lokal geflüchtet. Im polizeilichen Abschlussbericht vom 19. April 2000 ist angegeben, Ermittlungen hätten ergeben, dass das vom Kläger angegebene Lokal zum Tatzeitpunkt bereits geschlossen gewesen sei.

Nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen unbekannt wegen Körperverletzung mit Bescheid der Staatsanwaltschaft vom 17. Mai 2000 erstattete der Kläger am 18. August 2000 zwei Anzeigen wegen Strafvereitelung im Amt. Mit der einen machte er geltend, zur Tatzeit seien zwei Funkstreifenbesatzungen seinem Hinweis auf den Aufenthalt eines der beiden Täter nicht nachgekommen. Dabei schilderte er dem Vernehmungsprotokoll zufolge den Vorgang dahingehend, dass er in Höhe des dort befindlichen Lokals von zwei Männern überholt worden sei. Diese seien stehengeblieben und hätten den Hund gefüttert. Als er sich dies höflich verbeten habe, habe er plötzlich einen Schlag in das Gesicht erhalten und sei gestürzt. Als er sich gebückt habe, um seine abgefallene Brille zu suchen, habe ihm der kleinere der Täter seine Brille und sein Handy gegeben und sich in Richtung O Weg entfernt. Zunächst sei auf seinen Notruf über Handy eine Zivilstreife eingetroffen, die die Verfolgung des kleineren der Täter aufgenommen habe. Als anschließend eine Funkstreife und die Feuerwehr sich am Tatort befunden hätten, sei der größere der Täter nur mit einem Hemd bekleidet aus der nahegelegenen Kneipe gekommen und dorthin auch wieder zurückgekehrt. Seinem Hinweis, dass sich der Täter im Lokal befinde, seien die Polizisten nicht nachgegangen. Im Zuge der Ermittlungen wurden die Aufzeichnungen des Notrufs und die Einsatzdokumentation des Streifendienstes zur Akte genommen, aus der sich ein Einsatz von 4.10 bis 4.30 Uhr am Kplatz mit einer Absuche nach flüchtigen Tätern ohne Erfolg ergab.

Mit der weiteren Anzeige wegen Strafvereitelung im Amt vom 18. August 2000 machte der Kläger geltend, anlässlich der Aufnahme seiner Strafanzeige wegen unterlassener Hilfeleistung habe ein sich im Zimmer befindender Polizeibeamter verhindert, dass er zugleich die Anzeige wegen Strafvereitelung im Amt erstatte.

Den von der Allgemeinen Ortskrankenkasse aufgenommenen, vom Kläger unterschriebenen Antrag auf Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) vom 15. Juni 2000 lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 7. August 2000 ab. Es sei nicht nachgewiesen, dass der Kläger am 18. März 2000 infolge eines vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffs eine gesundheitliche Schädigung erlitten habe. Zeugen des Vorfalls seien nicht bekannt geworden, das Ermittlungsverfahren sei von der Staatsanwaltschaft eingestellt worden. Da die Angaben des Klägers erhebliche Widersprüche aufwiesen, ergäben sich keine Täter- und Ermittlungsanhalte. Die vom Kläger gemachten Angaben reichten als Nachweise nicht aus. Mit seinem Widerspruch verwies der Kläger auf seine Anzeigen vom 18. August 2000. Er leide unter erheblichen Schädigungsfolgen am rechten Auge. Nachdem das Verfahren wegen des Verdachtes der Strafvereitelung wegen fehlenden Tatverdachtes eingestellt worden war, wies der Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 6. August 2001 zurück.

Vor dem Sozialgericht hat der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 12. April 2002 ausgeführt, kurz vor einer "Russen-Mafia-Kneipe" seien zwei junge Männer gekommen und hätten seinen Hund gefüttert. Ohne dass es Streit oder eine Beleidigung gegeben habe, habe er nur einen einzigen Schlag abbekommen. Die Brille sei heruntergefallen, sein Handy habe er nicht verloren. Erst nachdem die Polizei eingetroffen sei, habe ein Kellner ihm beim Suchen der Brille geholfen und sie ihm übergeben. Die Angaben in der Strafanzeige seien in der Form zustande gekommen, dass er noch verletzt und blutend den Hergang geschildert habe. Die Vernehmungen als Zeuge seien alle auf Druck und nicht ordnungsgemäß zustande gekommen.

Durch Zwischenurteil vom 12. April 2002 hat das Sozialgericht festgestellt, dass das Ereignis vom 18. März 2000 einen vorsätzlichen rechtswidrigen Angriff im Sinne des § 1 Abs.1 S.1 OEG darstellt und ein Versagungsgrund nach § 2 Abs.1 OEG nicht vorliegt. Nach § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOV-VfG) seien die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen bezögen, der Entscheidung zugrunde zu legen, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen seien, soweit sie nach den Umständen des Falls glaubhaft erschienen. Die Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung erschienen der Kammer glaubhaft. Sie stimmten mit seinen vorherigen Aussagen gegenüber den Polizeibeamten am Tatort sowie seinen Vernehmungen am 23. März und 18. August 2000 überein. Die Schädigung werde auch durch den Erste-Hilfe-Bericht vom 18. März 2000 und den in der Strafanzeige mitgeteilten Tatfolgen belegt. Art und Ausmaß der Verletzung sprächen für eine Gewaltanwendung durch Faustschlag. Zwar ergäben sich hinsichtlich des Kerngeschehens insoweit Ungereimtheiten, als die am Tatort anwesenden Beamten in der Strafanzeige vermerkt hätten, dass einer der beiden Täter mit beiden Fäusten zugeschlagen hätte, der Kläger aber auf Nachfrage nicht habe sagen können, ob beide zugeschlagen hätten. Zu berücksichtigen sei jedoch, dass die Strafanzeige auf der Grundlage der freien Schilderung des Klägers gefertigt worden sei. Die Darlegungen müssten nicht in jedem Fall den Äußerungen des Klägers entsprechen, zumal der Kläger sich noch verletzt und blutend am Tatort befunden habe. Die Widersprüche zwischen den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung und den Angaben im Fragebogen der Krankenkasse und dem Antragsformular erklärten sich daraus, dass diese Angaben nicht vom Kläger selbst niedergelegt worden seien. Auf dem Antragsformular sei dies ausdrücklich vermerkt, auf dem Fragebogen der Krankenkasse ergebe es sich aus der Verwendung eines anderen Kugelschreibers und einem abweichenden Schriftbild. Unerheblich seien die Ungereimtheiten der Angaben des Klägers, die sich auf das Nachtatgeschehen bezögen, nämlich der Verbleib der Brille und die Flucht der Täter. Sie führten nicht dazu, dass seine Aussage hinsichtlich des Kerngeschehens nicht glaubhaft erscheine. Dieses werde nämlich im Gegensatz zu den sonstigen Umständen konstant dargestellt. Das sich aus den Ermittlungsakten und den Verwaltungsakten des Beklagten ergebende charakterliche Bild des Kläger als eines "Quertreibers" mit Alkoholkonsum vermöge an der Beurteilung nichts zu ändern, da dies die Glaubhaftigkeit der Aussage nicht berühre. Da ein Rechtfertigungsgrund nicht ersichtlich sei, sei die Rechtswidrigkeit des Angriffs indiziert. Anhaltspunkte für Versagungsgründe im Sinne des § 2 Abs. 1 OEG ergäben sich ebenfalls nicht.

Gegen das am 6. Mai 2002 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten vom 17. Mai 2002. Er macht geltend, die Angaben des Klägers könnten nicht zugrunde gelegt werden, weil sie widersprüchlich seien. Bereits im Schlussvermerk der Polizei werde auf die Widersprüchlichkeiten hingewiesen. So habe der Kläger angegeben, keinen Alkohol mehr zu trinken, sei aber zum Zeitpunkt der Tat alkoholisiert gewesen. Der Fluchtweg der Täter werde widersprüchlich beschrieben, zumal nach den Ermittlungen das Lokal, in das sich einer oder beide Täter begeben haben sollten, bereits geschlossen gewesen sei. Widersprüchlich seien auch die Angaben zur Vorgeschichte hinsichtlich des Erscheinens der Täter, ihr Verhalten gegenüber dem Hund sowie die Angaben darüber, was mit der Brille geschehen sei. Da auch die gesamten Umstände um die Tat herum glaubhaft sein müssten, reiche die gleichbleibende Angabe des Geschädigten, einen Faustschlag in das Gesicht erhalten zu haben, zur Anerkennung eines schädigenden Ereignisses nicht aus.

Der Beklagte beantragt,

das Zwischenurteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. April 2002 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 18. März 2000 keinen rechtswidrigen Angriff im Sinne des § 1 Abs.1 Satz 1 OEG darstellt, bzw. dass ein Versagungsgrund im Sinne des § 2 Abs.1 OEG vorliegt.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat einen Befundbericht der den Kläger behandelnden Augen-Ärztin Dr. SchR eingeholt und Kopien des Unfallberichts der Erste-Hilfe-Station des.-M-Krankenhauses und der Erste-Hilfe-Station des Universitätsklinikums BF vom 18. März 2000 sowie des Nachschauberichts vom 20. März 2000 zur Akte genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten und und der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung ist zulässig.

Das Zwischenurteil ist selbständig anfechtbar. Der in der Literatur vertretenen Meinung, das Zwischenurteil sei nicht selbständig anfechtbar, sondern werde auf Rechtsmittel gegen das Endurteil mit geprüft ( § 202 i.V.m. §§ 512,557 Abs.2 ZP) ( so Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz mit Erläuterungen,7. Auflage, § 130 Rdnr. 11), folgt der Senat nicht. Gegen diese Ansicht sprechen sowohl systematische Argumente als auch Gründe der Prozessökonomie. Anders als § 511 Abs.1 Zivilprozessordnung, wonach die Berufung gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile stattfindet, enthält § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) keine Beschränkung der Berufung gegen Endurteile. Abgesehen davon wurde schon nach altem Recht ein auf eine reine Leistungsklage ergehendes Grundurteil als Zwischenurteil angesehen, das hinsichtlich der Rechtsmittel einem Endurteil gleichsteht (vgl. BSG, SozR3-1500 § 193 Nr.1) Des Weiteren ist die Vorschrift derjenigen des § 99 Abs.2 Finanzgerichtsordnung nachgebildet. Insoweit ist unstreitig, dass gegen Zwischenurteile die Revision statthaft ist (vgl. BFH BStBl. II 2000,139). Ließe man eine selbständige Anfechtung des Zwischenurteils nicht zu, würde auch der von der Vorschrift beabsichtigte Beschleunigungseffekt beseitigt werden (vgl. Pawlak in Hennig u.a. SGG, § 130 Rdnr.99).

Die Berufung ist auch begründet. Der Senat konnte unter Berücksichtigung sämtlicher zur Akte gelangten Unterlagen nicht feststellen, dass das vom Kläger angegebene Ereignis einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff im Sinne des § 1 OEG darstellt.

Gemäß § 1 Abs.1 S. 1 OEG hat Anspruch auf Versorgung, wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes ...infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine ...Person eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Der vorsätzliche rechtswidrige Angriff als anspruchsbegründende Tatsache im Sinne des § 1 OEG muss zur Überzeugung des Gerichts erwiesen sein, d. h. es muss grundsätzlich von einer an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit oder von einem so hohen Grad der Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden, dass kein vernünftiger Mensch noch zweifelt. Fehlt es daran, geht dies zu Lasten des Antragstellers. Das gilt auch für den erforderlichen Vorsatz des tätlichen Angriffs. Eine fahrlässige Schädigung genügt nicht. Dabei reicht es in Fällen, in denen ein Täter nicht ermittelt werden kann, aus, auf die Grundsätze des Beweises des ersten Anscheins zurückzugreifen, im Rahmen dessen von einem bestimmten Erfolg auf eine bestimmte Ursache geschlossen werden kann (vgl. BSG SozR 3-3800 § 1 Nr. 12).

Des weiteren lässt § 15 KOV-VfG eine Beweiserleichterung zu. Nach § 15 KOV-VfG sind die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, der Entscheidung zugrunde zu legen, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen sind, soweit sie nach den Umständen des Falls glaubhaft erscheinen. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun überwiegender Wahrscheinlichkeit, d.h. der guten Möglichkeit, dass der Vorgang sich so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können. Dieser Beweismaßstab ist - wie das Bundessozialgericht dargelegt hat (SozR 3-3900 § 15 Nr 4) - durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muß nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die gute Möglichkeit aus, d.h. es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht; von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muß den übrigen gegenüber einer das Übergewicht zukommen. Wie bei den beiden anderen Beweismaßstäben reicht die bloße Möglichkeit einer Tatsache nicht aus, die Beweisanforderungen zu erfüllen.

Glaubhaft zu machen ist als Tatsache ein vorsätzlicher und rechtswidriger tätlicher Angriff. Fest steht lediglich, dass der Kläger eine Verletzung am rechten Auge erlitten hat. Alle weiteren Umstände, wie es zu der Verletzung gekommen ist, sind vom Kläger in den verschiedenen Zusammenhängen so unterschiedlich geschildert worden, dass jedenfalls eine vorsätzliche, rechtswidrige Tat nicht relativ am wahrscheinlichsten ist.

Dabei unterstellt der Senat, dass der Kläger bei einer erneuten persönlichen Anhörung dieselben Angaben wie vor dem Sozialgericht machen würde. Dies ändert jedoch nichts daran, dass schon zu dem eigentlichen Tatgeschehen, ob es sich nämlich um einen oder mehrere Schläge gehandelt hat, unterschiedliche Angaben bestehen. Während in der Strafanzeige von mehreren Schlägen in das Gesicht die Rede ist, wobei der Kläger nicht habe angeben können, ob der Angriff von einem oder mehreren Tätern ausgeführt worden sei, ist in den Angaben in der Folgezeit meist ein einziger Schlag angegeben worden. Lediglich um 5.15 Uhr, also noch in relativer Nähe zur angegebenen Tat, gab der Kläger im -M-Krankenhaus an, von zwei Leuten geschlagen worden zu sein. Demgegenüber ist im Bericht der Erste-Hilfe-Abteilung des Klinikums B-F "Faustschlag von unbekannt" vermerkt.

Da nach § 15 KOV-VfG auch die Angaben, die sich auf die mit der Schädigung in Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, zugrunde zu legen sind, waren die teilweise unterschiedlichen Darstellungen zu den sonstigen Umständen der Tat ebenfalls zu berücksichtigen.

Dabei hat der Senat zugunsten des Klägers in Betracht gezogen, dass einzelne, von einander abweichende Angaben des Klägers, wie sie sich aus dem bei der AOK aufgenommenen Antrag und dem vom Versorgungsamt ausgefüllten Antrag ergeben, auf der Grundlage seines mündlichen Vortrages zustande gekommen sind. Dies hat das Sozialgericht bereits dargelegt. Dass er in diesem Zusammenhang die schriftlich festgehaltenen Aussagen nicht in allen Einzelheiten überprüft hat, ist jedenfalls für den Formularantrag nach dem OEG schon deshalb nachvollziehbar, weil dort vermerkt ist, dass der Kläger nicht lesen könne. Auch bei der Krankenkasse hatte er angegeben, eine neue Brille zu benötigen.

Selbst wenn diese Unstimmigkeiten außer Acht gelassen werden, bleiben jedoch miteinander unvereinbare Darstellungen zu dem übrigen Tatgeschehen bestehen, die eine Glaubhaftmachung insgesamt ausschließen. Dies betrifft zum Einen die Angaben über die Rückgabe der Brille, zum anderen seine Angaben zum Alkoholgenuss.

Nach der Aussage des Klägers vor dem Sozialgericht ist ihm die Brille von einem Kellner der Kneipe übergeben worden, nachdem die Polizei eingetroffen war. Dies unterstellt, ist es nicht nachvollziehbar, warum er noch am Morgen des 18. März 2000 den Beamten zurief, seine Brille noch nicht wiedergefunden zu haben. Demgegenüber gab er am 18. August 2000 anlässlich seiner Anzeige wegen unterlassener Hilfeleistung an, der kleinere der Täter habe ihm seine Brille zurückgegeben. Als Zeitpunkt hierfür käme- die Angaben in dieser Anzeige als wahr unterstellt- nur ein solcher unmittelbar nach der Tat und damit vor dem von den Beamten protokollierten Zuruf bei Verlassen des Ortes in Betracht.

Des Weiteren hat der Kläger bestritten, zum Zeitpunkt der Tat alkoholisiert gewesen zu sein, während im Polizeibericht angegeben worden ist, dass der Kläger unter Einfluss alkoholischer Getränke gestanden habe. Dies wird durch den Aufnahmebericht der Erste-Hilfe-Abteilung des Universitätsklinikums B F bestätigt, wo als Aufnahmestatus Restalkohol vermerkt ist.

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Schilderung, unmittelbar nach der Tat sei eine Zivilstreife eingetroffen, die auf seine Angaben hin die Verfolgung eines der Täter aufgenommen habe, mit nachprüfbaren Vorgängen übereinstimmt. Denn dem Einsatzprotokoll ist nur ein Absuchen der Umgebung zu entnehmen, nicht aber sonstige Einzelheiten einer eventuellen Tat.

Berücksichtigt man neben den ungeklärt gebliebenen Umständen des zur Verletzung führenden Vorfalls noch das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit seinen Anzeigen wegen unterlassener Hilfeleistung und Strafvereitelung im Amt sowie die Angabe anlässlich der Untersuchung im Klinikum am 20. März 2000 "Patient sehr unverschämt", so besteht die eine Glaubhaftmachung eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs ausschließende gute Möglichkeit, dass der Kläger die Augenverletzung im Zusammenhang mit einer Rangelei erlitten hat. Danach ist das Vorliegen eines vorsätzlichen rechtswidrigen Angriffs nicht relativ am wahrscheinlichsten.

Eine Kostenentscheidung ergeht bei einem Zwischenurteil nicht, sie bleibt dem Endurteil vorbehalten.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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