L 10 AL 289/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 AL 630/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 289/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 20.05.2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen ab 01.01.1998 sowie deren Erstattung und die Erstattung erbrachter Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge.

Der 1940 geborene Kläger beantragte nach einer Tätigkeit als Geschäftsführer Arbeitslosengeld (Alg). In seinem Antrag vom 05.08.1997 bestätigte er unterschriftlich, das Merkblatt 1 für Arbeitslose "Ihre Rechte, Ihre Pflichten" erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Als Adresse gab er an: "S. Hof, O.". Er erhielt daraufhin ab 31.07.1997 (Bescheid vom 03.11.1997) und zuletzt vom 02.08.1998 bis 27.09.1999 (Bescheid vom 17.02.2000) Alg.

Nach einem Postrücklauf erklärte das Einwohnermeldeamt O. , der Kläger wohne noch unter der dortigen Adresse (19.02.1998), so dass von der Beklagten die Verfügbarkeit angenommen wurde.

Mit Veränderungsmitteilung vom 10.11.1998 gab der Kläger an, ab 10.11.1998 unter der Adresse: "P. " in O. zu wohnen.

Am 02.08.1999 erreichte das Arbeitsamt eine Mitteilung darüber, dass der Kläger einen Nachsendeauftrag von P. nach L. in H. gestellt habe. Hierzu erklärte der Kläger am 16.11.1999 und 10.02.2000, er sei nicht nach H. verzogen, sondern habe lediglich einen Nachsendeauftrag zu der Adresse seines Schwagers gestellt, der ihm bei der Arbeitssuche behilflich gewesen sei. Über eingehende Post habe ihn sein Schwager umgehend per Handy informiert. Ab 19.12.1999 erkrankte der Kläger bei einem genehmigten Urlaub auf den Philippinen und war bis 07.02.2000 arbeitsunfähig.

Am 15.02.2000 stellte der Kläger Antrag auf Gewährung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) unter der Adresse: "P." und bestätigte den Erhalt und die Kenntnisnahme des Merkblattes 1 für Arbeitslose "Dienste und Leistungen".

Vom 28.09.1999 bis 09.03.2001 gewährte die Beklagte Alhi (erster Bescheid vom 23.02.2000).

Mit Bescheid vom 07.03.2001 stellte die Beklagte die Zahlung von Alhi ab 10.03.2001 wegen mangelnder Mitwirkung ein. Der Widerspruch hiergegen wurde mit bestandskräftigem Widerspruchsbescheid vom 07.05.2001 als unzulässig verworfen.

Am 16.07.2001 und später erhielt die Beklagte Mitteilungen darüber, der Kläger habe in C. / Philippinen einen festen Wohnsitz, die Adresse in der Bundesrepublik Deutschland sei ein Scheinwohnsitz, Ende 1997 sei der Kläger auf die Philippinen umgezogen. Bei der von ihm angegebenen Adresse in "P. " habe es sich lediglich um ein möbliertes Gästezimmer in einem Einfamilienhaus der Familie S. gehandelt. Dort gewohnt habe der Kläger nicht. Seit Ende 1997 praktiziere er als Heilpraktiker auf den Philippinen, den Doktortitel habe er sich in den USA gekauft. Zu weiteren Meldeaufforderungen (04.07.2001 / 12.07.2001) erschien der Kläger nicht.

Am 06.12.2001 suchte ein Mitarbeiter der Beklagten die Anschrift "P." auf. Die Eigentümer des dortigen Anwesens (Fam. S.) gaben an, der Kläger sei dort zwar gemeldet, habe sich aber nur gelegentlich dort aufgehalten. Wohnhaft sei er dort nicht gewesen. Post an den Kläger habe man nach H. an den Schwager des Klägers weitergeleitet.

Nach Anhörung hob die Beklagte die Bewilligung von Alg und Alhi für die Zeit vom 10.11.1998 bis 09.03.2001 auf bzw. nahm diese zurück, denn der Kläger sei seiner Mitteilungspflicht bezüglich seiner Anschrift nicht nachgekommen. Er sei für Briefpost nicht erreichbar und damit nicht in der Lage gewesen, Vorschlägen des Arbeitsamtes orts- und zeitnah Folge leisten zu können. Unter Berücksichtigung der geleisteten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge habe er 57.616,01 EUR zu erstatten (Bescheid vom 17.01.2002).

Auf den Widerspruch hin wurde nach einer weiteren Ortsbesichtigung der Anwesen "P." und "S. Hof" der Bescheid vom 18.01.2002 dahingehend abgeändert, dass die Bewilligung von Alg / Alhi bereits ab 01.10.1998 aufgehoben bzw. zurückgenommen werde und insgesamt 60.428,08 EUR zu erstatten seien (Änderungsbescheid vom 04.03.2002). Gegen diesen Bescheid legte der Kläger ebenfalls Widerspruch ein. Die Widersprüche wurden mit Widerspruchsbescheid vom 17.04.2002 zurückgewiesen. Der Kläger sei seiner Pflicht zur Mitteilung wesentlicher Änderungen der Verhältnisse grob fahrlässig nicht nachgekommen. Die Aufhebung der Bewilligung sei daher für die Zeit bis 01.08.1999 gerechtfertigt. Ab 02.08.1999 habe die Bewilligung zurückgenommen werden dürfen, denn diese beruhe von Anfang an auf einer in wesentlicher Beziehung unrichtigen bzw. unvollständigen Angabe des Klägers.

Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und beantragt, die Bescheide vom 17.01.2002 und 04.03.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.04.2002 zurückzunehmen und zudem Alhi ab 10.03.2001 zu zahlen. Die von ihm gestellten Fragen seien von der Beklagten ignoriert worden, er sei nie darauf aufmerksam gemacht worden, jederzeit und immer für Briefpost erreichbar sein zu müssen; vielmehr habe man ihm mitgeteilt, er brauche mit einer Aufforderung zu einer Bewerbung nicht zu rechnen. Es sei egal, was er tue und wo er sich aufhalte. Vermittlungsvorschlägen wäre er rechtzeitig nachgekommen. Solche seien jedoch nicht unterbreitet worden. Er habe allen Aufforderungen der Beklagten Folge geleistet. Der Inhalt der Merkblätter sei, soweit er sich überhaupt daran erinnern könne, unvollständig.

Das SG hat mit Urteil vom 20.05.2003 die Klage abgewiesen. Der Kläger sei der Grundverpflichtung des Arbeitslosen zur Sicherstellung der postalischen Erreichbarkeit nicht nachgekommen, nämlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Adresse durch Briefpost erreichbar zu sein. Hierüber sei der Kläger durch die ausgehändigten Merkblätter informiert gewesen. Die Aufhebung bzw. Rücknahme sei daher zutreffend erfolgt. Ob tatsächlich Vermittlungsangebote durch die Beklagte unterbreitet worden sind, sei unerheblich.

Zur Begründung seiner dagegen zum Bayer. Landessozialgericht eingelegten Berufung hat der Kläger vorgetragen, die Urteilsbegründung des SG sei für ihn unverständlich.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des SG Nürnberg vom 20.05.2003 sowie die Bescheide vom 17.01.2002 und 04.03.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.04.2002 aufzuheben und Alhi ab 10.03.2001 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Ausführungen des SG für zutreffend.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist zulässig, aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage gegen die Bescheide vom 17.01.2002 und 04.03.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.04.2002 abgewiesen. Die Aufhebung und Rücknahme der Bewilligungsbescheide ist zu Recht erfolgt. Der Kläger hat für die Zeit ab 01.10.1998 keinen Anspruch auf Alg bzw. Alhi. Durch die Aufhebung bzw. Rücknahme der Bewilligungsbescheide ist er in seinen Rechten nicht verletzt. Dabei konnte die Beklagte mit Bescheid vom 04.03.2002 die Aufhebungsentscheidung auch auf die Zeit vom 01.10.1998 bis 09.11.1998 erweitern. Diese Verböserung ist im Rahmen des Widerspruchsverfahren zulässig (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 7.Aufl. § 85 Rdnr 5). Im Rahmen des hiergegen eingelegten Widerspruches wurde die fehlende Anhörung geheilt (§ 41 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X).

Der Senat konnte gemäß § 153 Abs 4 SGG durch Beschluss entscheiden, denn er hält die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligung von Alg (31.07.1997 bis 27.09.1999) und Alhi (28.09.1999 bis 09.03.2001) für die Zeit vom 01.10.1998 bis 01.08.1999 stellt § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X i.V.m. § 330 Abs 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III), für die Zeit vom 02.08.1999 bis 09.03.2001 § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X i.V.m. § 330 Abs 2 SGB III (bez. Alhi: i.V.m. § 198 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB III) dar.

Gemäß § 48 Abs 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher, für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (§ 48 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB X). Eine Ermessensentscheidung hat der Beklagte hierbei nicht zu treffen (§ 330 Abs 3 SGB III).

Die Verhältnisse, die dem Bewilligungsbescheid vom 03.11.1997 - einem Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - zugrunde lagen, haben sich wesentlich geändert. Der Kläger war nämlich ab 01.10.1998 nicht mehr unter der im Antrag vom 05.08.1997 angegebenen Adresse (S. Hof) wohnhaft. Dies ergibt sich aus der im Widerspruchsverfahren eingeholten Auskunft der Eigentümer des dortigen Wohnhauses. Hiernach ist der Kläger zum 01.10.1998 dort offiziell ausgezogen, die neuen Eigentümer sind eingezogen. Unter der ab 10.11.1998 angegebenen Adresse "P." habe der Kläger ebenfalls - wie die dortigen Eigentümer angegeben haben - nicht gewohnt, vielmehr in diesem Einfamilienhaus lediglich ein Gästezimmer besessen. Unter dieser Adresse war die ganze Familie des Klägers gemeldet. Dieses Gästezimmer hat der Kläger - so der Eigentümer gegenüber der Beklagten - wegen seiner vielen Reisen lediglich für kurze Aufenthalte genutzt. Die dort ankommende Post ist zum Teil liegen gelassen bzw. an seinen Schwager in H. geschickt worden.

Die wesentliche Änderung ist somit darin zu sehen, dass der Kläger spätestens ab 01.10.1998 der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung stand, denn Anspruch auf Alg hat nur, wer u.a. arbeitslos ist (§ 117 Abs 1 Nr 1 SGB III). Arbeitslos ist, wer u.a. eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht (§ 118 Abs 1 Nr 2 SGB III). Eine Beschäftigung sucht, wer u.a. den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung steht (§ 119 Abs 1 Nr 2 SGB III), d.h. wer arbeitsfähig und arbeitsbereit ist. Arbeitsfähig ist u.a., wer den Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann und darf (§ 119 Abs 3 Nr 3 SGB III). Die Pflichten des Arbeitslosen, Vorschlägen der Beklagten zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge zu leisten, sind in der Erreichbarkeitsanordnung (EAO) vom 23.10.1997 (ANBA 1997, 1695) geregelt, die auf der Anordnungsermächtigung des § 152 Nr 2 SGB III beruht (vgl. hierzu: BSG SozR 3-4300 § 119 Nr 3). Gemäß § 1 Abs 1 EAO kann den Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten, wer in der Lage ist, unverzüglich (1.) die Mitteilungen des Arbeitsamtes zur Kenntnis zu nehmen, (2.) das Arbeitsamt aufzusuchen, (3.) mit einem möglichen Arbeitgeber oder Träger einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme in Verbindung zu treten und bei Bedarf persönlich mit diesem zusammenzutreffen und (4.) eine vorgeschlagene Arbeit anzunehmen oder an einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen. Diese Regelungen der Erreichbarkeit des Arbeitslosen sind erfüllt, wenn er sich einmal werktäglich in seiner Wohnung aufhält, um Briefpost in Empfang und zur Kenntnis zu nehmen (BSG SozR 3-4300 § 119 Nr 2 mwN). Im Übrigen kann sich der Arbeitslose außerhalb seiner Wohnung aufhalten.

Der Arbeitslose hat jedoch sicherzustellen, dass das Arbeitsamt ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann (§ 1 Abs 1 Satz 2 EAO). Bei der Frage der Erreichbarkeit handelt es sich um eine objektive Voraussetzung für den Anspruch auf Alg bzw. Alhi, so dass unerheblich ist, ob den Arbeitslosen an der Nichterreichbarkeit ein Verschulden trifft (vgl. Brand in Niesel, SGB III, 2.Aufl., § 119 Rdnr 43).

Diese Erreichbarkeit ist vorliegend nicht gegeben. Zum einen wohnte der Kläger ab 01.10.1998 nicht mehr unter der angegebenen Adresse "S. Hof". Dies teilte er erst am 10.11.1998 mit. Damit war er vom 01.10.1998 bis 10.11.1998 nicht mehr unter der von ihm in seinem Antrag genannten Adresse erreichbar. Ab 10.11.1998 hat er angegeben, unter der Adresse "P." erreichbar zu sein. Dies war jedoch auch nicht der Fall. Der Kläger hielt sich nach den Angaben der dortigen Eigentümer wegen seiner vielen Reisen lediglich kurze Zeit dort auf. Die Post ist an seinen Schwager in H. geschickt worden. Dies wird bestätigt dadurch, dass der Kläger einen Nachsendeauftrag nach H. gestellt hatte. Hierzu hat er angegeben, er wäre von seinem Schwager in H. dann per Handy über eingehende Post informiert worden. Auch aufgrund dieses Nachsendeauftrages ist der Kläger jedoch nicht mehr erreichbar i.S. des § 1 Abs 1 Satz 2 EAO, denn Post- und Wohnanschrift sind nicht mehr identisch. Damit ist der Kläger nicht mehr in der Lage, orts- und zeitnah Vorschlägen der Beklagten zur beruflichen Eingliederung Folge zu leisten. Offen bleiben kann, ob der gestellte Nachsendeauftrag zu keinerlei zeitlichen Verzögerung der Kenntnisnahmemöglichkeit von Briefpost führt. Die infolge des Nachsendeauftrages möglicherweise gegebene postalische Erreichbarkeit unter der neuen - der Beklagten erst später bekannt gewordenen Adresse - wäre nämlich dann nur durch die technische Möglichkeit der Postabwicklung bedingt, nicht aber durch den gebotenen persönlichen Kontakt zwischen dem Arbeitslosen und der Beklagten, von dem die EAO ausgeht. Die Voraussetzung der Leistungen wegen Arbeitslosigkeit sollen gerade nicht von den Zufälligkeiten der Postzustellung abhängig sein (vgl. hier: BSG SozR 3-4300 § 119 Nr 4; Brand in Niesel, a.a.O. Rdnr 42).

Aber auch unabhängig von diesem Nachsendeauftrag war eine tägliche Erreichbarkeit unter der Adresse "P." ab 10.11.1998 nicht gegeben, denn der Kläger hatte dort - wie dem Besichtigungsprotokoll der Beklagten vom 07.12.2001 (165 AA) zu entnehmen ist - weder einen Briefkasten (vgl. Brand in Niesel aaO Rdnr 41), noch war er wegen seiner vielen Reisen dort täglich erreichbar (185 AA).

Somit ist der Kläger spätestens ab 01.10.1998 nicht mehr erreichbar und damit nicht mehr verfügbar gewesen.

Eine wesentliche Änderung ist somit eingetreten, ein Anspruch auf Alg bzw. Alhi bestand für die Zeit vom 01.10.1998 bis 01.08.1999 nicht mehr, er ist weggefallen.

Der Kläger ist auch seiner Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen. In dem ihm mit Antrag vom 05.08.1997 ausgehändigten Merkblatt 1 für Arbeitslose (Stand: April 1997) findet sich auf Seite 17 folgender Hinweis: "Haben Sie sich persönlich arbeitslos gemeldet und Alg beantragt, so hängt Ihr Anspruch noch von folgenden weiteren Voraussetzungen ab: ... Sie müssen verfügbar sein ... Darunter versteht man, dass Sie für Ihr Arbeitsamt jederzeit, d.h., zur üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost unter der von Ihnen benannten Anschrift erreichbar sind und das Arbeitsamt auch täglich aufsuchen können. Falls dies aus zwingenden, absehbaren Gründen einmal vorübergehend nicht möglich sein sollte, informieren Sie bitte frühzeitig Ihren Arbeitsvermittler. Wohn- und Postanschrift müssen identisch sein. Ein bei der Bundespost - im Falle eines Umzuges auch vorzeitig - gestellter Nachsendeauftrag oder eine Postnachsendung auf sonstige Weise (z.B. Postübermittlung durch Familienangehörige oder andere Personen) genügt nicht den Anforderungen der Erreichbarkeit." Auf Seite 18 ist zusätzlich ausgeführt: "Auf jeden Fall bedarf Ihr auswärtiger Aufenthalt der vorherigen Zustimmung des Arbeitsamtes. Beantragen Sie also frühzeitig und möglichst persönlich bei Ihrem Arbeitsvermittler diese Zustimmung zur Abwesenheit von Ihrem Wohnort." Ergänzt wird dies durch die Ausführungen auf Seite 49: "So müssen Sie nicht nur alle Tatsachen angeben, die für die Bewilligung erheblich sind ... Solange Sie solchen Mitwirkungspflichten nicht nachkommen, wird die Leistung evtl. ganz oder teilweise versagt oder entzogen. Wenn Sie eine Leistung beantragt haben oder beziehen, sind Sie auch verpflichtet, Ihrem Arbeitsamt solche Änderungen mitzuteilen, die für die Beurteilung Ihres Leistungsanspruches bedeutsam sein könnten. Falls sich solche Änderungen ergeben, melden Sie dies bitte unaufgefordert und sofort, notfalls sogar telefonisch, da nur so Tatbestände, die Ihren Leistungsanspruch beeinflussen, rechtzeitig berücksichtigt und somit Überzahlungen vermieden werden können ... Ob eine Änderung für Ihren Leistungsanspruch von Bedeutung ist, prüft das Arbeitsamt. Bitte unterrichten Sie deshalb das Arbeitsamt auch in Zweifelsfällen. Insbesondere in den nachstehend aufgeführten Fällen ist es wichtig, dass Sie sofort Ihr Arbeitsamt benachrichtigen: ... Wenn sich Ihre Anschrift ändert ... Wer zu Unrecht Leistungen erhalten hat, muss sie zurückzahlen." (Bl.49 ff des Merkblattes).

Hieraus ist für den Kläger, an dessen intellektuellen Fähigkeiten - er war vor dem Alg-Bezug als Geschäftsführer tätig - zur Erfassung der vorliegenden Zusammenhänge kein Zweifel besteht (subjektiver Sorgfaltspflichtmaßstab), klar und deutlich erkennbar, dass ein gestellter Nachsendeauftrag nach H. sowie die Angabe der Adresse eines bloß sporadisch genutzten Gästezimmers nicht ausreicht, um die erforderliche Erreichbarkeit zu gewährleisten.

Hatte der Kläger seine Wohnung noch in P. , so wäre er aufgrund des gestellten Nachsendeauftrages an seinen Schwager in H. nicht mehr per Briefpost erreichbar. Hat er seine Wohnung nicht mehr in P. , so wäre ebenfalls ein Auseinanderfallen von Wohn- und Postanschrift gegeben.

Der Kläger hat somit die Beklagte über die Änderung seiner tatsächliche Post- und Wohnanschrift ab 01.10.1998 nicht informiert. Dies hat er grob fahrlässig nicht getan.

Für die Zeit vom 02.08.1999 bis 09.03.2001 konnte die Beklagte die Bewilligung zurücknehmen, denn die Bewilligung von Alg mit Bescheid vom 17.02.2000 und hernach Alhi war von Anfang rechtswidrig. Rechtsgrundlage für die Rücknahme stellt § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X dar. Hiernach ist ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für Vergangenheit zurückgenommen werden, soweit er auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Dies liegt hier vor. Die Bewilligung der Leistung war von Anfang an aufgrund vorausgegangener unzutreffender Auskünfte über die Post- und Wohnanschrift rechtswidrig gewesen. Der Kläger hatte auch jeweils die Anschrift "P." angegeben, obwohl er dort nicht mehr wohnhaft, zumindest aber nicht täglich erreichbar war.

Die weiteren Voraussetzungen hinsichtlich der Aufhebung bzw. Rücknahme liegen vor. Die Jahresfrist gemäß § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X, die ab Beginn der Anhörung vom 13.12.2001 zu laufen begann, ist eingehalten worden.

Bezüglich der Aufhebungs- und Rücknahmeentscheidung hat die Beklagte kein Ermessen auszuüben (§ 330 Abs 2 und 3 SGB III).

Die Pflicht zur Erstattung überzahlter Leistungen ergibt sich aus § 50 Abs 1 SGB X.

Die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sind gemäß § 335 Abs 1, Abs 5 SGB III zu erstatten.

Bezüglich der Höhe der Erstattungsforderung bestehen keine Bedenken.

Über einen Anspruch ab 10.03.2001 hat der Senat nicht zu entscheiden, denn die Klage vor dem SG, die auch sein Begehren auf Alhi über den 09.03.2001 hinaus beinhaltete, hat der Kläger erst am 26.07.2002 erhoben. Sie richtete sich ausdrücklich nur gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 17.01.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.03.2002. Somit hat der Kläger entweder keine Klage gegen den bestandskräftigen Bescheid vom 07.03.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.05.2001 erhoben oder die erhobene Klage ist - soweit eine Bekanntgabe gemäß § 37 Abs 2 SGB X unterstellt wird - wegen Verfristung unzulässig. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger den Widerspruchsbescheid nicht erhalten hat, liegen nicht vor. Eine Wiedereinsetzung kommt gemäß § 67 Abs 3 SGG nicht in Betracht. Hierfür sind keine Gründe vorgetragen worden oder ersichtlich.

Selbst aber bei Annahme einer rechtzeitigen Widerspruchseinlegung und Klageerhebung wegen verspäteter Bekanntgabe der entsprechenden Bescheide besteht allerdings auch ab 10.03.2001 kein Anspruch des Klägers auf Bewilligung von Alhi mehr, denn der Kläger war unter der angegebenen Post- und Wohnanschrift nicht mehr i.S. der EAO erreichbar. Er ist auch während seines Aufenthaltes auf den Philippinen nicht mehr verfügbar, denn eine kurzfristige Anreise von dort ist aus zeitlichen und auch finanziellen Gründen nicht möglich.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG ist nach alledem zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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