L 10 AL 451/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 AL 582/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 451/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7 AL 262/04 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 23.10.2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist das Erlöschen des Anspruches auf Arbeitslosenhilfe und die Aufhebung der Bewilligung sowie Rückforderung überzahlter Leistungen in Höhe von 1.728,24 DM.

Der 1951 geborene afghanische Staatsangehörige bezog nach Erschöpfung des Anspruches auf Arbeitslosengeld seit 08.08.1991 mit kurzen Unterbrechungen im Wesentlichen Unterhaltsgeld und Arbeitslosenhilfe. Nach Abbruch einer beruflichen Fortbildungs-/Umschulungsmaßnahme ohne wichtigen Grund am 12.01.1996 stellte die Beklagte mit bestandskräftigem und mit einer Rechtsfolgenbelehrung über das Erlöschen des Leistungsanspruches bei erneuten Eintritt einer entsprechend langen Sperrzeit versehenem Bescheid vom 12.02.1996 den Eintritt einer 12-wöchige Sperrzeit fest. Hernach erhielt der Kläger vom 05.04.1996 bis 31.08.1999 erneut Alhi. In der Zeit vom 09.01.1998 bis 29.01.1998 (3 Wochen) war eine weitere Sperrzeit wegen der Ablehnung einer Trainingsmaßnahme eingetreten. Die Beklagte hatte dabei auf die Rechtsfolgen bei Eintritt mehrerer Sperrzeiten von einer Dauer von insgesamt 24 Wochen nach Entstehung des Anspruches auf Alhi hingewiesen (bestandskräftiger Bescheid vom 23.04.1998). In seinen letzten Anträgen auf Fortzahlung von Alhi seit 1997 gab er keine gesundheitlichen Einschränkungen hinsichtlich seiner Vermittlungsfähigkeit an.

Am 29.06.1999 erhielt der Kläger zwei schriftliche Vermittlungsvorschläge für die Firma B. und K. (Helfertätigkeit im Verleih, Schichtbetrieb) und für Firma U. GmbH Arbeitnehmerüberlassung (Produktionshelfer mit Schichtbereitschaft) jeweils mit Rechtsfolgenbelehrung R 2. Nach Auskunft der Firma B. und K. war der Kläger für die vorgesehene Tätigkeit im Bereich der Gebäudereinigung nicht geeignet, da er bei seiner persönlichen Vorsprache am 05.07.1999 eine Allergie gegen Staub und Reinigungsmittel angegeben habe. Diese Aussage bestätigte der Kläger gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 22.07.1999. Gegenüber der Firma U. GmbH Arbeitnehmerüberlassung gab der Kläger bei der persönlichen Vorsprache am 06.07.1999 an, die angebotene Tätigkeit in der Buchbinderei sei ihm zu schnell und er habe eine Stauballergie bei Papier. Zusätzlich führte er in seiner Erklärung über das Nichtzustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses vom 22.07.1999 aus, er könne nicht im Schichtbetrieb arbeiten.

Gegenüber dem Arzt der Beklagten Dr.K. , der nach Untersuchung des Klägers am 01.09.1999 ein Gutachten zur Frage der gesundheitlichen Einschränkungen und Geeignetheit der angebotenen Arbeitsplätze erstattete, brachte der Kläger vor, wegen seiner Magenprobleme nicht im Schichtbetrieb arbeiten zu können. Dr.K. konnte die vorgebrachten Beschwerden nicht objektivieren und hielt den Kläger vollschichtig (auch im Schicht- und Nachtschichtbetrieb) für mittelschwere und zeitweise schwere Tätigkeiten als einsatzfähig.

Mit Bescheid vom 29.09.1999 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe wegen Erlöschens des Anspruches ab 06.07.1999 auf. Die angebotene Tätigkeit bei der Firma B. und K. sei zumutbar gewesen und vom Kläger trotz Belehrung über die Rechtsfolgen abgelehnt worden, ohne dass hierfür ein wichtiger Grund vorgelegen habe. Eine Sperrzeit von 12 Wochen ab 06.07.1999 sei eingetreten. Unter Berücksichtigung der vorangegangenen Sperrzeiten sei der Anspruch auf Alhi erloschen und überzahlte Leistungen in Höhe von 1.728,24 DM seien zurückzuzahlen.

Zur Begründung seines Widerspruches hiergegen legte der Kläger ein Attest von Dr.M. (Hautarzt/Allergologe), der eine schwach positive Reaktion auf Hausstaub- und Mehlmilben beschrieb, und von Dr.K. (Internist) vor, der den Kläger vor Jahren wegen rezidivierender Magenbeschwerden und psychischer Erschöpfung behandelt hatte und eine Freistellung vom Schichtdienst anregte. Im Übrigen suche er eine längerfristige Arbeit.

Nach Einholung eines Gutachtens nach Aktenlage von Dr.K. und eines psychologischen Gutachtens nach Untersuchung des Klägers am 22.11.1999 durch die Dipl.Psychologin C. ("Psychisch sind keinerlei Störungen zu erkennen") wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19.06.2000 zurück. Laut dem ärztlichen Gutachten seien die angebotenen Tätigkeiten zumutbar und eine besondere Härte liege nicht vor. Deshalb sei eine 12-wöchige Sperrzeit eingetreten, die zusammen mit den vorangegangenen Sperrzeiten (12 Wochen und 3 Wochen) zu einem Erlöschen des Anspruches auf Alhi führe. Der Kläger habe gewusst bzw grob fahrlässig nicht gewusst, dass der Anspruch auf Alhi zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen sei.

Die dagegen zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobene Klage hat der Kläger damit begründet, bei einer früheren Tätigkeit habe er festgestellt, unter allergischen Reaktionen auf Staub und Glaswolle und beim langen Umgang mit Reinigungsmitteln zu leiden. Auch habe er erhebliche Magenbeschwerden, soweit er einen geregelten Tagesablauf nicht einhalten könne. Kunstlicht beeinträchtige sein Sehvermögen und verursache ihm Kopfschmerzen. Er habe wahrheitsgemäß seine gesundheitlichen Beschwerden geschildert und daher keinen Anlass für den Eintritt einer Sperrzeit gegeben. Die angebotenen Tätigkeiten seien aus psychischer und physischer Sicht nicht zumutbar gewesen.

In seinem Befundbericht an das SG hat Dr.M. seine bisherigen Angaben wiederholt und eine rezidivierende Dyshidrosis der Hände und Füße beschrieben. Dr.K. hat ausgeführt, Ulcusrezidive nach der Behandlung im Juli 1996 seinen nicht aufgetreten, es fänden sich jedoch Zeichen zunehmender Erschöpfung.

Das SG hat mit Urteil vom 23.10.2001 die Klage abgewiesen. Gemäß §§ 144 Abs 1 Nr 2, 198 Abs 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) sei ab 06.07.1999 eine 12-wöchige Sperrzeit eingetreten. Der Kläger könne im Schichtbetrieb Tätigkeiten verrichten, rezidivierende Ulcera seien seit Juli 1996 nicht mehr festgestellt worden. Eine Reinigungstätigkeit sei durch die schwach positive Reaktion auf Hausstaubmilben nicht ausgeschlossen. Eine allergische Reaktion auf Reinigungsmittel sei nicht nachgewiesen. Von psychischer Seite seien gemäß der Fachbegutachtung keinerlei Störungen erkennbar, eine diesbezügliche Behandlung habe auch nicht stattgefunden. Der Kläger habe die angebotene Tätigkeit durch sein Verhalten, insbesondere durch die Schilderung einer Vielzahl gesundheitlicher Einschränkungen abgelehnt, obwohl er im Leistungsantrag keine Angaben dazu gemacht habe. Ein wichtiger Grund für sein Verhalten sei nicht erkennbar und die Sperrzeit stelle keine besondere Härte dar. Aufgrund der vormals eingetretenen Sperrzeiten sei sein Leistungsanspruch erloschen. Auf diese Rechtsfolge sei er zutreffend hingewiesen worden. Die Aufhebung der Bewilligung ab 06.07.1999 sei rechtmäßig, der Kläger habe aufgrund der erteilten Sperrzeitbescheide, Rechtsfolgenbelehrungen und Merkblätter grob fahrlässig nicht gewusst, dass sein Anspruch auf Alhi erloschen sei. Die weiteren Voraussetzungen für die Aufhebung lägen vor. Die Erstattungsforderung beruhe auf § 50 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).

Zur Begründung der dagegen zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegten Berufung hat der Kläger vorgetragen, die angebotenen Tätigkeiten seien ihm wegen des Erfordernisses des Schichtdienstes und der Staubentwicklung nicht zumutbar gewesen und er hätte bei den Vorstellungsgesprächen lediglich auf später durch ärztliche Atteste bestätigte gesundheitliche Einschränkungen hingewiesen, die angebotenen Tätigkeiten aber nicht abgelehnt. Er sei vielmehr von potenziellen Arbeitgebern für ungeeignet gehalten worden. Die von der Beklagten veranlasste Untersuchung sei den geäußerten Beschwerden nicht nachgegangen bzw hätte diese in Abrede gestellt oder als nicht leistungseinschränkend gewürdigt. Die vorangegangene Sperrzeit hätte lediglich 3 Wochen betragen.

Daraufhin hat der Senat Befundberichte von Dr.M. und Dr.K. eingeholt. Dr.M. hat angegeben, den Kläger zwischen 1989 und 1995 wegen Juckreiz an Armen und Beinen und im Genitalbereich und 1998 wegen juckender Bläschen an den Füßen und Handtellern behandelt zu haben. Im Oktober 1999 habe der Kläger den Verdacht auf eine Staub- und Baumpollenallergie geäußert. Dr.K. beschreibt u.a. einen Zustand nach rezidivierenden Ulcera duodeni, die im Juli 1996 medikamentös behandelt worden seien. Es fänden sich auch Symptome, die auf eine Refluxösophagitis hinwiesen. Wegen psychischer und physischer Erschöpfung sei der Kläger im Dezember 1995 und 1996 nach einer Belastungssituation zweimal in seiner Sprechstunde gewesen. Eine medikamentöse Behandlung habe aber nicht stattgefunden.

Im Auftrag des Senates hat der Internist und Sozialmediziner Dr.G. (N.) nach Untersuchung des Klägers am 25.06.2003 ein Gutachten erstattet und auf Nachfrage am 07.01.2004 und 07.02.2004 ergänzt. Er beschreibt eine rezidivierende Refluxösophagitis, einen Zustand nach erfolgreicher Eradikationsbehandlung bei Helicobacter pylori-assoziierter Ulcuskrankheit, eine Dyshidrosis an Händen und Füßen, eine einmalig abgelaufene Urticaria und ein psychosomatisches Beschwerdebild. Zumutbar seien dem Kläger Tätigkeiten im Reinigungsgewerbe und der Buchbinderei, wegen des somatischen Beschwerdebildes jedoch nicht im Schichtbetrieb. Die physischen Befunde selbst würden keine Leistungseinschränkung bedingen. Nach Untersuchung des Klägers am 15.03.2004 hat der Arzt für Psychiatrie, Neurologie und Psychotherapie Dr.H. (Klinikum Nord, N.) ein nervenärztliches Fachgutachten erstattet. Eine Somatisierungsstörung oder ein Entwurzelungssyndrom bestehe nicht, es sei aber eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit paranoiden und narzisstischen Anteilen zu erkennen. Diese Störung sowie die weiteren physischen Gesundheitsstörungen ließen aber eine Tätigkeit im Reinigungsgewerbe und in der Buchbinderei auch im Schicht- und Nachtschichtbetrieb zu.

Der Kläger hat hierzu ergänzend vorgetragen, die von ihm gegenüber den potenziellen Arbeitgebern angegebenen gesundheitlichen Einschränkungen hätten tatsächlich vorgelegen. Er leide unter einer Stauballergie, Reinigungsmittel könnten die Ursache der Hauterscheinungen sein und seine psychische Belastbarkeit schränke seine Eingliederungsfähigkeit lt. dem von der Beklagten eingeholten psychologischen Gutachten ein. Er habe wahrheitsgemäß Fragen nach seinem Gesundheitszustand beantwortet.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 23.10.2001 sowie den Bescheid vom 29.09.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.2000 aufzuheben, und hilfsweise, die Sperrzeit auf 6 Wochen zu reduzieren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Das psychosomatische Beschwerdebild beim Kläger sei nicht so stark ausgeprägt, dass eine Tätigkeit im Schichtdienst ausgeschlossen sei.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, insbesonders auf den Inhalt der ärztlichen Gutachten, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zutreffend hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 29.09.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.09.2000 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Anspruch auf Alhi ist ab 06.07.1999 wegen Eintritts einer weiteren Sperrzeit von 12 Wochen erloschen (§§ 198 Abs 1, 144 Abs 1 Nr 2 Abs 2 und 3 in der vom 01.01.1998 bis 31.12.2001 geltenden Fassung, 147 Abs 1 Nr 2 SGB III), nachdem bereits zwei Sperrzeiten (Bescheid vom 12.02.1996: 12 Wochen; Bescheid vom 23.04.1998: 3 Wochen) eingetreten waren. Die Aufhebung der Bewilligung von Alhi findet ihre Rechtsgrundlage in § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X iVm § 330 Abs 3 SGB III. Die Pflicht zur Erstattung überzahlter Leistungen ergibt sich aus § 50 Abs 1 SGB X. Diesbezüglich wird auf den Inhalt der Entscheidungsgründe des SG gemäß § 153 Abs 2 SGG insgesamt Bezug genommen.

Ergänzend ist lediglich auf Folgendes hinzuweisen:

Die von der Beklagten angebotene Tätigkeit als Leiharbeitnehmer im Reinigungsgewerbe bzw in der Buchbinderei - auch im Schichtbetrieb - ist dem Kläger zumutbar. Dabei ist auf die beiden unterbreiteten Vermittlungsvorschläge einzugehen, denn eine Sperrzeit tritt kraft Gesetzes ein, so dass vorliegend dahingestellt bleiben kann, auf welchen Vermittlungsvorschlag sich die Beklagte beruft. Allenfalls für den Beginn der Sperrzeit (06.07.1999 aufgrund des Vermittlungsvorschlages Fa.B. & K. , 07.07.1999 aufgrund des Vermittlungsvorschlages Fa. U.) hat Bedeutung, auf welchen Vermittlungsvorschlag abzustellen ist. Der Kläger besitzt sehr gute Deutschkenntnisse. Er hat ab Oktober 1981 einen 10-monatigen Deutschkurs besucht und beschäftigt sich lt. den Angaben gegenüber dem Sachverständigen Dr.H. mit deutscher Literatur. Aufgrund der seit langem bestehenden Arbeitslosigkeit des ungelernten Klägers, der vergeblichen Bemühungen der Beklagten, ihm eine Tätigkeit zu vermitteln bzw Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen durchzuführen und wegen des Fehlens anderweitiger allgemeiner oder personenbezogener Gründe kann der Kläger in eine Tätigkeit als Leiharbeitnehmer vermittelt werden (vgl hierzu BSG SozR 3-4300 § 144 Nr 7). Nach den vom Senat eingeholten Gutachten, die hinsichtlich der physischen Leistungseinschränkung die von der Beklagten eingeholten Gutachten bestätigen und im Einklang mit den eingeholten Befundberichten stehen, ist der Kläger auch in der Lage, Tätigkeiten im Reinigungsgewerbe, aber auch in der Buchbinderei aufzunehmen. Allein aus psychischen Gründen hat der Sachverständige Dr.G. eine Tätigkeit im Schichtbetrieb (Wechsel- oder Nachtschicht) nicht für zumutbar erachtet. Seiner Auffassung kann jedoch aufgrund des eingeholten fachärztlichen Gutachtens von Dr.H. nicht gefolgt werden. Dr.H. hat als Facharzt zwar eine psychische Störung im Sinne einer kombinierten Persönlichkeit mit paranoiden und narzisstischen Anteilen feststellen können, eine Somatisierungsstörung erkannte er jedoch ebensowenig wie eine psychisch bedingte Leistungseinschränkung. Diese Auffassung von Dr.H. wird dadurch gestützt, dass der behandelnde Arzt Dr.K. den Kläger wegen psychischer Erschöpfung lediglich im Winter 1995/1996 zweimal in seiner Sprechstunde hatte - eine medikamentöse Behandlung ist nicht erfolgt - und die Dipl.-Psychologin C. bei ihrer Untersuchung für die Beklagte am 22.11.1999 ebenfalls eine psychische Störung nicht erkennen konnte. Als eine Möglichkeit zur Wiedereingliederung hält sie es u.a. für sinnvoll, durch Qualifizierungsmaßnahmen mit Schwerpunkt auf praktischer Wissensvermittlung eine berufliche Eingliederung zu versuchen. Diese praktische Wissensvermittlung sollte jedoch - wie im Vermittlungsvorschlag hinsichtlich der Fa.B. & K. ausdrücklich erwähnt - vorliegend durch Anlernung erfolgen. Zudem werden andere Wege der Wiedereingliederung durch die Dipl.-Psychologin C. nicht ausgeschlossen. Dr.H. erhebt als Facharzt eine ausführliche Anamnese und setzt sich mit der von Dr.G. gestellten Diagnose einer Somatisierungsstörung auseinander. Er geht auf alle, insbesondere von Dr.K. angegebenen Behandlungsdaten entsprechend ein. In Zusammenschau der vorliegenden objektiven Befunde und Behandlungsdaten hält der Senat das Gutachten von Dr.H. für überzeugend. Er stellt nicht lediglich eine Ausschlussdiagnose. Dies aber hat Dr.G. getan. Damit liegt keine, die Schichttätigkeit ausschließende psychische Erkrankung beim Kläger vor. Bei den Vermittlungsvorschlägen der Beklagten handelte es sich somit um dem Kläger zumutbare Tätigkeiten. Ein weiteres Gutachten war nicht einzuholen, denn eine Allergie auf Reinigungsmittel ist im streitgegenständlichen Zeitraum vom Kläger gegenüber Dr.M. nicht angegeben und damit auch nicht getestet worden. Die Feststellung, ob heute eine solche besteht, hat für die Entscheidung des Rechtsstreits keine Bedeutung.

Der Kläger hat eine angebotene Tätigkeit durch sein Verhalten auch abgelehnt (§ 144 Abs 1 Nr 2 SGB III in der vom 01.01.1998 bis 31.12.2001 geltenden Fassung), ohne hierfür einen wichtigen Grund zu haben. Eine angebotene Beschäftigung wird dann nicht angenommen, wenn eine entsprechende Erklärung gegenüber dem potenziellen Arbeitgeber erfolgt oder - wie vorliegend - die Ablehnung dem schlüssigen Verhalten des Arbeitslosen zu entnehmen ist. Dazu muss aber dem gesamten Verhalten der eindeutige Wille entnommen werden können, dass der Arbeitslose nicht bereit ist, die ihm angebotene Arbeit anzunehmen (vgl Niesel, SGB III, 1. Auflage, § 144 RdNr 47). So ist es hier. Der Kläger hat gesundheitliche Einschränkungen geschildert, die zumindest im Zeitpunkt des Vorstellungstermines (05.07.1999/06.07.1999) nicht bzw nicht im angegebenen Umfang ärztlich festgestellt waren. Wegen der Schwierigkeiten, bei Kunstlicht zu arbeiten, war der Kläger, wie der Krankheitsanamnese des Sachverständigen Dr.H. zu entnehmen ist - lediglich Anfang der 90er Jahre in ärztlicher Behandlung, wobei das Tragen einer getönten Brille für ausreichend gehalten wurde. Wegen der rezidivierenden Ulcera ist er nur bis Juli 1996 medikamentös behandelt worden. Rezidive sind hernach nicht aufgetreten. Eine Stauballergie hat Dr.M. nicht bestätigt, er fand bei der Testung am 12.10.1999 - also erst nach dem Vorstellungstermin - nur eine schwach positive Reaktion auf Hausstaub- und Mehlmilben. Eine Allergie auf Reinigungsmittel wird nirgends beschrieben. Eine Testung auf Reinigungsmittel ist bis heute nicht erfolgt, wie sich aus dem Schreiben des Klägers an den Senat vom 16.07.2004 ergibt. Zudem fanden sich bei der Begutachtung durch Dr.K. im Auftrag der Beklagten am 01.09.1999 von Seiten des Hautorganes keine Auffälligkeiten. Dr.M. beschreibt solche ebenfalls nicht in seinem Attest vom 13.10.1999. Zu einer Reinigungsmittelallergie äußert er sich gar nicht, wie sich sowohl aus den vom SG als auch vom Senat eingeholten Befundberichten ergibt. Im Übrigen beschreibt Dr.M. Anfang 1998 zuerst Bläschen an den Fußsohlen und später erst an den Händen. Den Verdacht auf eine Staub- und Baumpollenallergie - nicht aber auf eine Reinigungsmittelallergie - habe der Kläger selbst erst im Oktober 1999 geäußert. Damit hat der Kläger gesundheitliche Einschränkungen angegeben, die zum einem bereits seit langer Zeit nicht mehr behandelt worden waren bzw die erst später und dann in einem lediglich ganz geringen Ausmaß bzw gar nicht festgestellt worden sind. Durch die verdeutlichende Schilderung solcher lange zurückliegenden, nicht bzw nicht mehr bestehenden oder nicht nachgewiesenen Einschränkungen zeigt er in der Zusammenschau eindeutig den Willen, die angebotenen Tätigkeiten nicht annehmen zu wollen, unabhängig davon, ob eine der Einschränkungen (Stauballergie) später tatsächlich - allerdings in einem nur ganz geringen Ausmaß - bestätigt wurde. Er hat nicht lediglich wahrheitsgemäß auf zum Zeitpunkt der Vorstellung bestehende gesundheitliche Einschränkungen hingewiesen (vgl hierzu: Niesel, SGB III, 2. Auflage, § 144 RdNr 58). Zudem hat er in seinem Widerspruch angegeben, er habe sich bei allen vorgeschlagenen Zeitarbeitsfirmen vorgestellt, obwohl die Beklagte wisse, dass er eine längerfristige Arbeit suche.

Er hat ohne - objektiv vorliegenden (vgl Niesel aaO RdNr 78) - wichtigen Grund eine angebotene Tätigkeit abgelehnt. Dies ist den eingeholten Sachverständigengutachten zu entnehmen (vgl oben). Selbst wenn er bereits im Zeitpunkt der Vorstellungsgespräche von der - erst später ihm ärztlicherseits bestätigten - schwach positiven Reaktion auf Hausstaub- und Mehlmilben gewusst hätte, hätte kein wichtiger Grund vorgelegen, denn auch unter Berücksichtigung dieser Allergie sind die angebotenen Tätigkeiten zumutbar. Eine Tätigkeit im Reinigungsgewerbe oder in der Buchbinderei wird nämlich weder von den Sachverständigen noch von den behandelnden Ärzten ausgeschlossen und eine Reinigungsmittelallergie oder Allergie auf Papier nicht festgestellt. Ein Irrtum des Klägers über das Vorliegen eines wichtigen Grundes kann allenfalls unter Umständen eine besondere Härte iS des § 144 Abs 3 Satz 1 SGB III begründen (vgl Niesel aaO RdNr 78). Dieser Irrtum muss jedoch unverschuldet sein (vgl Niesel aaO RdNr 100). Dies ist hier aber nicht der Fall, denn die - geringfügige - Stauballergie ist erst später, die Reinigungsmittelallergie bis heute nicht ärztlicherseits festgestellt worden und wegen der weiteren vom Kläger angegebenen Einschränkungen (Ulcera, psychische Beeinträchtigung) war er seit längerem nicht mehr in Behandlung. Wenn er selbst jedoch meint, stärker eingeschränkt zu sein, als von den behandelnden und begutachtenden Ärzten festgestellt wird und zum damaligen Zeitpunkt diagnostiziert war, so beruht dieser Irrtum allein auf eigenem Verschulden.

Die sich damit ergebende 12-wöchige Sperrzeit ist gemäß § 144 Abs 2 Satz 1 SGB III ab 06.07.1999 eingetreten, denn das Vorstellungsgespräch bei der Firma B. und K. fand am 05.07.1999 statt. Hier hatte der Kläger die Staub- und Reinigungsmittelallergie angegeben.

Unter Berücksichtigung der bereits eingetretenen Sperrzeiten ist somit der Anspruch auf Alhi erloschen (§ 147 Abs 1 Nr 2 SGB III). Der Kläger war durch die Sperrzeitbescheide vom 12.02.1996 (12 Wochen) und 23.04.1998 (3 Wochen in Abänderung des Bescheides vom 24.02.1998) entsprechend vorgewarnt und darin über die Rechtsfolgen belehrt worden. Diese vorangegangenen Sperrzeiten sind bindend, eine Überprüfung ist nicht beantragt worden (vgl hierzu BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 23; Niesel, aaO, 2. Auflage, § 147 RdNr 17).

Die Sperrzeittatbestände sind alle nach Entstehen des streitgegenständlichen Anspruches auf Alhi eingetreten.

Der Kläger hat auch zumindest grob fahrlässig nicht gewusst, dass der Anspruch auf Alhi ab 06.07.1999 weggefallen ist. Über diese Rechtsfolge ist in den entsprechenden Bescheiden, aber auch auf der Rückseite der jeweiligen Vermittlungsvorschläge (lt. BEWA-Ausdruck: R2) belehrt worden und er hat die Belehrung über die Rechtsfolgen in seiner Erklärung über das Nichtzustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses auch unterschriftlich bestätigt. Ihm musste es aufgrund dieser Belehrungen und der vorhandenen Sprachkenntnisse - er hat gegenüber Dr.H. angegeben, einen Sprachkurs besucht zu haben, sich mit deutscher Literatur zu beschäftigen und er ist lt. Dr.H. sehr gut und durchaus differenziert in der Lage, sich in der deutschen Sprache zu artikulieren - ohne Weiteres einleuchten, dass er durch zumindest übertriebene Schilderung gesundheitlicher, zum Teil aber nicht mehr vorhandener bzw zu behandelnder oder nicht objektivierter Beschwerden eine angebotene Tätigkeit durch schlüssiges Verhalten ablehnt und damit den Anspruch auf Alhi verliert. An seiner persönlichen Einsichtsfähigkeit bestehen keine Zweifel.

Nach alledem ist die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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