L 2 RJ 4080/98

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 8 RJ 2704/95
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 RJ 4080/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Begriff der "zuständigen Behörde" iSd § 44 Abs. 3 SGB X: Maßgeblich für die Korrektur eines Verwaltungsakts nach Eintritt der Unanfechtbarkeit ist diejenige Behörde, die nach dem im Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblichen Recht örtlich und sachlich zuständig ist. Hat -wie hier- die BfA die Gewährung von Rente bindend abgelehnt, danach aber die LVA ab einem späteren Zeitpunkt bewilligt und beantragt der Kläger im Wege der Rücknahme die Gewährung von Rente ab einem früheren Zeitpunkt -für den die BfA bindend abgelhnt hatte- , so bleibt für die Entscheidung über die Rücknahme die LVA zuständig, welche die Rente bewilligt hat. § 126 Abs 1 S 3 SGB VI, wonach derjenige Träger der Rentenversicherung zuständig bleibt, der zu Beginn eines Leistungsverfahrens zuständig gewesen ist, steht nicht entgegen. Denn als Leistungsverfahren ist dasjenige Verfahren anzusehen, in dem die Leistung erstmalig bewilligt worden ist.
Das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16. September 1998 sowie der Bescheid vom 4. November 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. August 1995 werden aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger unter Rücknahme des Bescheides der Beigeladenen vom 12. April 1989 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit vom 1. Januar 1990 bis 28. Februar 1993 zu gewähren.

Die Beklagte erstattet dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten in beiden Rechtszügen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger, der von der Beklagten seit 1. März 1993 Erwerbsunfähigkeitsrente bezieht, im Zugunstenwege ein Rentenanspruch bereits ab 1. Januar 1990 zusteht.

Der Kläger ist am 1945 geboren. Nach dem Besuch der Volksschule absolvierte er von 1960 bis 1963 bei der C. M. GmbH in K. eine Lehre als Werkzeugmacher und war nach deren erfolgreichem Abschluss bis 1964 dort tätig. Danach arbeitete er - unterbrochen durch die Wehrdienstzeit - bis 1969 als Werkzeugmacher bei der F. KG, K., und als Automatenmonteur bei der Fa. E. K ... Vom 15. September 1969 bis 15. Februar 1970 war er als Versicherungsvertreter beschäftigt. Die Fachschule für Maschinentechnik, die er von 1970 bis 1972 besuchte, schloss er als staatlich geprüfter Maschinenbautechniker mit der Gesamtnote "befriedigend" ab. Danach arbeitete er als Maschinenbautechniker bei der Fa. Sch. & Co. in K. und vom 1. April 1973 bis 31. Januar 1979 bei der Fa. H. in S ... Berufsbegleitend absolvierte er von 1976 bis 1979 ein 6-semestriges Betriebswirtschaftsstudium an der Volks- und Betriebswirtschaftsakademie in Stuttgart, das er ebenfalls mit der Gesamtnote "befriedigend" abschloss. Ab 1. Juli 1979 war er als Technischer Angestellter in der Kalkulation bei der Fa. T. R. beschäftigt; dieses Arbeitsverhältnis wurde mit Ablauf der Probezeit am 31. Oktober 1979 durch den Arbeitgeber beendet. Nach einer anschließenden Zeit der Arbeitsunfähigkeit und Arbeitslosigkeit nahm der Kläger am 28. Juli 1980 eine Beschäftigung als Materialdisponent bei der Fa. R., Kessel- und Apparatebau, auf, die - nach Angaben des Klägers wegen Leistungsabbaus - zum 30. Juni 1981 vom Arbeitgeber gekündigt wurde. Vom 1. Juli 1981 bis 19. März 1991 übte der Kläger keine versicherungspflichtige Beschäftigung aus. Vom 20. März und 15. April 1991 sind Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung der Arbeiter geleistet, für Juli bis September 1993 drei Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung der Angestellten, 1997 drei und 1998 zwei Pflichtbeiträge wieder zur Rentenversicherung der Arbeiter sowie 1998 erneut ein Pflichtbeitrag zur Rentenversicherung der Angestellten. Danach war der Kläger nur noch geringfügig versicherungsfrei beschäftigt (Versicherungsverlauf vom 17. Januar 2002).

Der Kläger befand sich seit 15. Juli 1980 in Behandlung des Praktischen Arztes Dr. P., der ihn wegen einer depressiven Erkrankung in das PLK W. überwies; dort wurde er seit 17. September 1980 ambulant, zeitweise auch stationär, psychosomatisch behandelt, wobei die Behandlungshäufigkeit ab 1982 zunahm. Am 14. Mai 1982 stellte der Kläger bei der damals für ihn zuständigen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) Antrag auf Gewährung von Berufsunfähigkeitsrente. Nach Einholung eines Gutachtens bei Dr. K./Neuropsychiatrische Klinik M. (Diagnose: chronifiziert verlaufende endoreaktive depressive Verstimmung; Leistungsbeurteilung: vollschichtiges Leistungsvermögen für einfache psychisch und körperlich nicht belastende Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt) führte die BfA auf dessen Empfehlung für den Kläger vom 16. Dezember 1982 bis 27. Januar 1983 eine Rehabilitationsmaßnahme in der T.klinik, B. Sch. durch. Nach dem Entlassungsbericht vom 8. Februar 1983 hielt Dr. St. den an einer Konversionsneurose mit depressiv-zwanghaft strukturiertem Charakter leidenden Kläger bei stufenweiser Eingliederung in den Arbeitsprozess für vollschichtig leistungsfähig. Daraufhin lehnte die BfA den Rentenantrag ab (Bescheid vom 12. März 1983). Im Widerspruchsverfahren erstattete der Neurologe und Psychiater Dr. R. das Gutachten vom 28. Juni 1983. Obwohl dieser eine stationäre psychiatrische Begutachtung vorschlug, wies die BfA ohne weitere Ermittlungen den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 8. September 1983). Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Heilbronn (S 4 An 1555/83) legte der Kläger einen Bericht des Dr. P. an das PLK W. vom 12. April sowie ein Attest vom 22. Juni 1983 und eine ärztliche Bescheinigung des Dr. R., Oberarzt des PLK W., vom 27. Juni 1983 vor. Das Sozialgericht Heilbronn hörte Dr. R. als sachverständigen Zeugen, der mit der Beurteilung im Gutachten von Dr. K. vom 23. Juni 1982, im Entlassungsbericht der T.-Klinik vom 8. Februar 1983 sowie im Gutachten von Dr. R. vom 28. Juni 1983 (diese Unterlagen sind infolge Aktenvernichtung durch die Beklagte nicht mehr vorhanden) übereinstimmte. Ferner holte das Sozialgericht Heilbronn das Gutachten vom 25. Mai 1984 bei Dr. R., Chefarzt der Klinik O. - Fachklinik für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie - ein. Dieser diagnostizierte beim Kläger eine depressiv-narztistische Kernneurose mit konversionsneurotischem Anteil, beurteilte seine Leistungsfähigkeit jedoch wegen eines überwiegenden Anteils bewusstseinsnaher Vorstellungen der seelischen Fehlhaltung als nicht wesentlich beeinträchtigt und kam damit zu dem Ergebnis, der Kläger könne als Werkzeugmacher, Maschinenbautechniker oder Betriebswirt noch vollschichtig arbeiten. Daraufhin wies das Sozialgericht Heilbronn die Klage ab (Urteil vom 26. Juni 1984). Im anschließenden Berufungsverfahren vor dem LSG Baden-Württemberg (L 6 An 1900/84) reichte der Kläger ein Attest des Dr. R. vom 20. Dezember 1984 ein, demzufolge der depressive Verstimmungszustand des Klägers eine berufliche Tätigkeit für mindestens 6 Monate nicht zulasse und eine stationäre psychotherapeutische Behandlung vorgesehen sei. Auf Anfrage des LSG berichtete Dr. R. unter genauer Angabe aller Konsultationen über eine fortlaufende Behandlung, in deren Verlauf sich der depressive Zustand des Klägers sowohl gebessert als auch verschlechtert habe. Mit Urteil vom 23. April 1985 wies das LSG die Berufung des Klägers zurück, da dieser zwar in seinem zuletzt ausgeübten Beruf als Disponent nicht mehr, dagegen als Maschinenbautechniker noch vollschichtig erwerbsfähig sei. Wegen des Auftretens von Sehstörungen, Migräne und eines Verdachts auf Gehirnstörungen stellte der Kläger am 8. November 1985 erneut Rentenantrag, diesmal auf Gewährung von Erwerbsunfähigkeitsrente (hilfsweise Berufsunfähigkeitsrente), den die BfA nach Erhebung eines Gutachtens bei Dr. B. im Januar 1986 (auch dieses Gutachten liegt nicht mehr vor) mit Bescheid vom 11. Februar 1986 ablehnte. Im nachfolgenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Heilbronn (S 4 An 292/86) holte das Sozialgericht zunächst gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das neuro-psychiatrische Gutachten des Prof. Dr. D., Psychiatrische Klinik der Universität H., vom 22. Dezember 1986 ein. Im Gegensatz zu den Vorbegutachtungen beurteilte Prof. Dr. D. die Auswirkungen der neurotischen Störung des Klägers auf dessen Leistungsfähigkeit als erheblich und ging von einem höchstens halb- bis unter vollschichtigem Leistungsvermögen als Werkzeugmacher, Maschinenbautechniker und Betriebswirt aus. Ferner erhob das Sozialgericht von Amts wegen ein Gutachten bei Prof. Dr. F., Psychiatrische Universitätsklinik T., einschließlich eines fachpsychologischen Zusatzgutachtens bei Diplom-Psychologe O. vom 1. September bzw. 24. August 1987. Nach der Beurteilung von Prof. Dr. F. konnte bei dem Kläger keine depressive Erkrankung festgestellt werden, so dass ein vollschichtiges Leistungsvermögen des Klägers in seinen erlernten Berufen angenommen wurde. Hinsichtlich der bestehenden und als behandlungsbedürftig eingestuften chronifizierten funktionellen Beschwerden des Klägers empfahl Prof. Dr. F. eine verhaltenstherapeutisch orientierte Behandlung in der psychosomatischen Klinik B. D ... Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 18. Mai 1988 schlossen die Beteiligten einen Vergleich, nach dem der Kläger die Klage zurücknahm, der Durchführung eines Heilverfahrens in der B.-Klinik (richtig: Klinik B.), Zentrum für Psychosomatik und Verhaltensmedizin, zustimmte und die BfA nach Abschluss des Heilverfahrens den Rentenanspruch des Klägers - auch unter Berücksichtigung des § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) - erneut zu bescheiden hatte. Das genannte Heilverfahren wurde in der Zeit vom 8. November bis 14. Dezember 1988 durchgeführt. Die dortigen Ärzte diagnostizierten eine Persönlichkeitsstörung mit chronifizierten depressivem Syndrom und multiplen funktionellen Organbeschwerden. Die Entlassung erfolgte als arbeitsunfähig, dennoch hielten die Ärzte eine Berufstätigkeit als Werkzeugmacher für möglich, vermuteten aber gleichzeitig, dass es aufgrund der Persönlichkeitsstörung innerhalb kurzer Zeit wieder zu Schwierigkeiten am Arbeitsplatz kommen werde, und empfahlen deshalb berufsfördernde Maßnahmen, um zu versuchen, den Kläger stufenweise wieder an die Belastungen zu gewöhnen. Die BfA lehnte die Rentengewährung mit Bescheid vom 12. April 1989 ab. Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Heilbronn ( S 4 An 765/89) erhob das Sozialgericht die Auskunft des Dr. R. vom 24. August 1989, in der sich dieser mit den Gutachten der Prof. Dres. D. und H. (richtig Prof. Dr. F.) sowie dem Entlassungsbericht der Klinik B. und der ärztlichen Stellungnahme der Dr. B. auseinandersetzte und eine vollschichtige Erwerbsfähigkeit des Klägers im erlernten Beruf verneinte, den Versuch einer stufenweisen Wiedereingliederung des Klägers in das Arbeitsleben jedoch befürwortete. Das Sozialgericht Heilbronn, bei dem neben dem Rentenrechtsstreit auch ein Schwerbehindertenrechtsstreit des Klägers anhängig war (S 8 Vs 838/87), beauftragte daraufhin Prof. Dr. T./Direktor der Psychiatrischen Klinik des B.hospital S. mit der Begutachtung des Klägers. In seinem Gutachten vom 5. Januar 1990 gelangte dieser zu dem Ergebnis, beim Kläger liege eine neurotische Entwicklung bei depressiv-zwanghaft strukturierter Primärpersönlichkeit mit funktionellen Organbeschwerden vor. Als Betriebswirt und Maschinentechniker könne er nicht mehr berufstätig sein; dagegen sei ihm der Beruf des Werkzeugmachers vollschichtig zumutbar, ebenso Tätigkeiten, die keine allzu großen Anforderungen an die Übernahme von Verantwortung stellten. Der Sachverständige beurteilte den Grad der Behinderung (GdB) aufgrund der neurotischen Entwicklung nach dem Schwerbehindertengesetz mit 50. Mit Urteil vom 26. September 1990 wies das Sozialgericht Heilbronn die Klage ab. Im anschließenden Berufungsverfahren (L 6 An 2304/90) erteilte Dr. R. die sachverständige Zeugenaussage vom 22. Mai 1991, in der er mit der Beurteilung durch Prof. Dr. T., insbesondere hinsichtlich der Einleitung berufsfördernder Maßnahmen, übereinstimmte. Ferner holte das LSG gemäß § 109 SGG ein Gutachten bei Prof. Dr. W., Landeskrankenhaus M. ein (Gutachten vom 28. Februar 1992 mit ergänzender Stellungnahme vom 26. März 1992). Darin stellte der Sachverständige diagnostisch eine ausgeprägte narzistische Persönlichkeitsstruktur mit einer zwanghaft-ehrgeizigen Abwehrhaltung und funktionellen Beschwerden fest. Im Ergebnis beurteilte er die Erkrankung des Klägers als behandlungsbedürftig und therapiefähig und schlug deshalb eine Berentung auf Zeit für zwei Jahre vor, um zunächst eine stationäre, anschließend eine ambulante psychotherapeutische Behandlung durchzuführen. Das LSG wies die Berufung des Klägers mit Urteil vom 26. August 1992 zurück; hinsichtlich der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Klägers ist es dem Sachverständigen Prof. Dr. T. gefolgt. Die gegen dieses Urteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundessozialgericht (BSG) wurde als unzulässig verworfen (Beschluss vom 14. Juli 1993 - 4 BA 70/93 -).

Auf seinen erneuten Antrag vom 5. Februar 1993, gerichtet an die BfA, die ihn zuständigkeitshalber an die vormalige LVA Baden, diese wiederum an die vormalige LVA Württemberg weiterleitete, gewährte letztere dem Kläger mit Bescheid vom 7. September 1994 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. März 1993. Grundlage dieser Entscheidung war das Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Sch. vom 9. August 1994 sowie die Stellungnahme des Beratungsarztes Dr. H. vom 31. August 1994. Nach der Beurteilung des Arztes Sch. war der Kläger psychisch hochgradig auffällig, dabei körperlich - abgesehen von einer unbehandelten arteriellen Hypertonie - in einem ausgezeichneten Zustand. Der Arzt diagnostizierte eine sehr schwere Persönlichkeitsstörung; angesichts ausgeprägter depressiver Störungen in der Vergangenheit und zum Teil wahnhaften Wahrnehmungsstörungen ging er vom Vorliegen einer sogenannten Borderline-Psychose aus. Das Ausmaß der Schädigung sei gravierend und in völliger Übereinstimmung mit dem Gutachten von Prof. Dr. D. von 1986 therapierefraktär, das Leistungsvermögen des Klägers auf Dauer auf zweistündig bis unter halbschichtig herabgesunken. Vermutlich bestehe die Leistungsminderung bereits seit Ende 1982. Der Beratungsarzt Dr. H. setzte - ohne Begründung - den Eintritt des Versicherungsfalles auf den Zeitpunkt der Antragstellung (Februar 1993) fest.

Am 4. Oktober 1994 stellte der Kläger den hier streitgegenständlichen Antrag, ihm in Anwendung des § 44 SGB X Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. Januar 1990 zu gewähren, weil der jetzt festgestellte Gesundheitszustand bereits damals vorgelegen habe. Nach Einholung einer Stellungnahme des Beratungsarztes M. vom 24. Oktober 1994 (für die Vorverlegung des Versicherungsfalles finde sich in den ärztlichen Unterlagen keine fundierte Begründung) erließ die Beklagte den negativen Zugunstenbescheid vom 4. November 1994. Der Widerspruch des Klägers, in dem dieser auf die Beurteilung des Arztes Sch. und des Arbeitsamtsarztes A. (Unterlage liegt nicht vor) verwies, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 8. August 1995).

Deshalb hat der Kläger am 8. September 1995 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Er hat auf die Beurteilung des Prof. Dr. D. verwiesen und insbesondere vorgetragen, das Gutachten des Prof. Dr. T., auf das sich das Urteil vom 26. August 1992 maßgeblich stütze, hätte nicht verwertet werden dürfen, da es allein von dem damaligen Assistenzarzt Dr. C. angefertigt worden sei. Ohne weitere Ermittlung hat das SG mit Urteil vom 16. September 1998 die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es im Wesentlichen ausgeführt, einer Verwertung des Gutachtens von Prof. Dr. T. stehe nichts entgegen; hinsichtlich der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Klägers schließe es sich den Darlegungen im Urteil des LSG vom 26. August 1992 und damit dem Gutachten von Prof. Dr. T. an; demgegenüber sei das Gutachten des Arztes Sch. - mangels Auseinandersetzung mit den Vorgutachten - nicht nachvollziehbar.

Gegen das am 27. Oktober 1998 zugestellte Urteil hat der Kläger am 6. November 1998 Berufung eingelegt und an seinem Begehren festgehalten. Im weiteren Verfahrensverlauf hat er einen Bericht der Medizinischen Klink der St. V.-Kliniken K. vom 18. Oktober 2001 über den stationären Aufenthalt vom 4. bis 12. Oktober 2001 vorgelegt.

Der Senat hat mit Beschluss vom 30. Januar 2002 die BfA gemäß § 75 Abs. 2 SGG beigeladen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16. September 1998 sowie den Bescheid vom 4. November 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. August 1995 aufzuheben und die Beklagte, hilfsweise die Beigeladene zu verurteilen, ihm unter Rücknahme des Bescheides vom 12. April 1989 vom 1. Januar 1990 bis 28. Februar 1993 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die angefochtene Entscheidung im Hinblick auf die beratungsärztliche Stellungnahme der Obermedizinalrätin F. vom 31. Oktober 2001 für zutreffend. Sie hat ferner die Niederschrift zu Punkt 7 der Tagesordnung der Sitzung 4/82 der Arbeitsgruppe des Fachausschusses für Versicherung und Rente am 28. Juli 1982 zu den Akten gereicht. Die Beigeladene hat mit Schreiben vom 18. März 2002 mitgeteilt, nach Auswertung der Akten durch ihren beratungsärztlichen Dienst ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Erwerbsminderung bereits früher eingetreten sei; es bleibe daher bei der Zuständigkeit der Beklagten.

Der Senat hat die Stellungnahme des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Sch. vom 5. Juni 2001 erhoben. Darin führt der Arzt aus, er habe aufgrund des Untersuchungsbefundes vom 9. August 1994 nicht den geringsten Zweifel am Vorliegen einer quantitativen Leistungsminderung für den allgemeinen Arbeitsmarkt gehabt. Naturgemäß sei es schwierig, gegen vielfach anders lautende Beurteilungen zu argumentieren, zumal diese auch Grundlage für ein letztinstanzliches Urteil des LSG im Jahre 1992 gewesen seien. Insoweit könne eine Leistungsminderung schon im Jahr 1982 nicht bewiesen werden - auch nicht im Nachhinein. Gleichwohl sei er auch in Kenntnis der ihm jetzt vorliegenden Gutachten gerade unter Würdigung der von ihm gewählten Formulierungen offensichtlich der Auffassung gewesen, dass die Leistungsbeurteilung in den vielfachen Vorgutachten nicht die Schwere des Leidens erfasst hätten. Dessen ungeachtet meine er heute auch, eine weitere Verschlechterung der schweren Persönlichkeitsstörung im Krankheitsverlauf seit 1982 erkennen zu können. Auf der anderen Seite habe ihn offenbar die gutachterliche Einschätzung des Prof. Dr. D. 1986 überzeugt, so dass er von einem gesicherten Eintrittszeitpunkt 1986 ausgegangen sei und weitergehend noch eine quantitative Leistungsminderung bereits für Ende 1982 vermutet habe. Er halte daher nach seinem heutigen Kenntnisstand eine quantitative Leistungsminderung auch bereits 1990 bzw. 1986 für überwiegend wahrscheinlich.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die bei der Beklagten geführte Rest-Verwaltungsakte, die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die beigezogenen Akten des Sozialgerichts Heilbronn S 4 An 1555/83, 292/86, 765/89 und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg L 6 An 1900/84 und 2304/90 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat Erfolg.

Die Berufung ist statthaft (§ 143 SGG), da die Beschränkungen des § 144 Abs. 1 SGG nicht eingreifen; sie ist zudem frist- und formgerecht eingelegt (§ 151 SGG) und somit insgesamt zulässig.

Die Berufung ist auch begründet. Dem Kläger steht im Zugunstenwege auch für die Zeit vom 1. Januar 1990 bis 28. Februar 1993 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu.

Der Kläger begehrt von der Beklagten mit der von ihm erhobenen Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) die Aufhebung des (negativen Zugunsten-) Bescheides vom 4. November 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. August 1995 und - unter Rücknahme des Bescheides vom 12. April 1989 - die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für den Zeitraum vom 1. Januar 1990 bis 28. Februar 1993. Rechtsgrundlage für diesen Anspruch ist § 44 SGB X. Danach ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (Abs. 1 Satz 1). Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches für einen Zeitraum bis zu 4 Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag (Abs. 4 Sätze 1 bis 3). Somit setzt § 44 Abs. 1 SGB X zum einen die Rechtswidrigkeit des (Erst-)Bescheides zum Zeitpunkt seines Erlasses und zum anderen voraus, dass deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Ausreichend ist die objektive Rechtswidrigkeit des (Erst-)Bescheides, wobei das Gericht seine Überzeugung uneingeschränkt an die Stelle der die Aufhebung ablehnenden Behörde setzten kann (vgl. Wiesner in von Wulffen, SGB X § 44 Rdnr. 8; Pickel, Kommentar zum SGB X, § 44 Rdnr. 24; BSG SozR 2200 § 1251 Nr. 102; BSG, Urteil vom 31. August 1983 - 2 RU 22/83 - unveröffentlicht - ). Einer Aufhebung und Neufeststellung für die Vergangenheit steht auch nicht die Bestätigung eines Verwaltungsaktes durch ein Urteil entgegen, mit der Folge, dass das Gericht, das über einen negativen Zugunstenbescheid zu entscheiden hat, durch frühere Urteile über den aufzuhebenden Bescheid nicht gebunden ist (vgl. hierzu m.w.N. Wiesner a.a.O., vor § 44 bis 49 Rdnr. 7; Steinwedel in Kasseler Kommentar, SGB X § 44 Rdnr. 5; BSGE 51, 139, 142; BSG SozR 3900 § 40 VwVfG Nr. 15; Bundesverwaltungsgericht (BverwG) in JuS 1985, 488 mit zustimmender Anmerkung von Sachs: JuS 1985, 447; BSG SozR 2200 § 1268 Nr. 29 S. 94 f.). Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist (Abs. 3). Soweit ersichtlich geht die überwiegende Meinung (vgl. Wiesner in Schröder-Printzen, § 44 Rdnr. 18; Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 44 SGB X Rdnr. 44; Zweng/Scheerer u.a., Handbuch der Rentenversicherung, Teil I Band 2, § 44 Rdnr. 12, 124, 125; Hauck/Haines, SGB X/1, 2, K § 44 Rdnr. 30; BSG, Urteile vom 17. Juli 1985 - 1 RA 35/84 - = DRV 1986, 90 ff. und vom 9. Juni 1999 - B 6 KA 70/98 R - = SozR 3-2500 § 95 Nr. 20; a.A.: Verbandskommentar, § 44 Rdnr. 11) davon aus, dass die Regelung des § 44 Abs. 3 SGB X nicht auf die örtliche Zuständigkeit beschränkt ist, sondern auch die sachliche Zuständigkeit erfasst. Nach Eintritt der Unanfechtbarkeit soll für die Korrektur diejenige Behörde zuständig sein, die nach dem im Zeitpunkt der Entscheidung über die Korrektur des Verwaltungsaktes maßgeblichen Recht örtlich und sachlich zuständig ist. Es gelten demnach die allgemeinen Zuständigkeitsregelungen. Die sachliche Zuständigkeit richtet sich nach § 126 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), der mit Wirkung vom 1. Januar 1992 durch Art. 1 RRG 1992 vom 18. Dezember 1989 (BGBl. I 2261) eingeführt wurde und insoweit drei Grundsätze aufstellt: (1) Die sachliche Zuständigkeit hängt von der Art der versicherten Beschäftigung ab, (2) die einmal begründete Zuständigkeit bleibt solange erhalten bis aufgrund einer Beschäftigung eine andere ausschließliche Zuständigkeit begründet wird und (3) ist ein Träger zu Beginn eines Leistungsverfahrens zuständig, bleibt seine Zuständigkeit für dieses Verfahren auch erhalten, wenn ein anderer Träger ausschließlich zuständig wird. Die Begriffe "Leistungsverfahren" und "für dieses Verfahren" sind in § 126 SGB VI nicht definiert. In der Kommentar-Literatur wird - soweit hierzu Äußerungen erfolgen (vgl. Störmann in Gesamtkommentar, § 126 Nr. 3; Niesel aaO, § 126 Rdnr. 9) - die Auffassung vertreten, dass hierunter nicht nur die Feststellung, sondern auch die Zahlung der Leistung fällt mit der Konsequenz, dass die Zuständigkeit für die gesamte Dauer des Bezugs einer Leistung erhalten bleibt und daher unter einem anderen Leistungsverfahren im Sinne des Abs. 1 Satz 3 nur ein Verfahren zu verstehen ist, bei dem eine andere Rentenart festzustellen - und gegebenenfalls zu leisten - ist. In Anwendung dieser rechtlichen Gegebenheiten kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass die Beklagte die für die Rücknahme des Bescheides vom 12. April 1989 zuständige Behörde ist. Ihre Zuständigkeit folgt entsprechend Satz 3 aus dem - aufgrund des Bezugs der Erwerbsunfähigkeitsrente ab März 1993 - andauernden Leistungsverfahren. Dabei wird nicht verkannt, dass der Wortlaut des Abs. 1 Satz 3 den vorliegenden Fall nicht unmittelbar deckt. Nach Auffassung des Senats muss dieser Grundsatz mit Blick auf den Normzweck - Vermeidung von Zuständigkeitsänderungen während eines Leistungsverfahrens - auch für einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X gelten. Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zu den Entscheidungen des BSG vom 22. März 1984 - 11 RA 22/83 - (= SozR 1300 § 45 SGB X Nr. 7) und vom 17. Juli 1985 - 1 RA 35/84 - (= DRV 1986, 90 ff.); zum einen sind die dortigen Sachverhalte nicht mit dem vorliegenden vergleichbar, zum anderen erschöpfte sich das Begehren in den dortigen Rechtsstreiten in der Rücknahme der Bescheide; dabei handelte es sich nicht um "Leistungsverfahren" im Sinne der oben genannten Vorschrift (zur Rücknahme eines von der sachlich unzuständigen Behörde erlassenen rechtswidrigen Verwaltungsaktes vgl. BVerwG in NJW 2000, 1512). Die in der oben bezeichneten Niederschrift erkennbare Auffassung der Rentenversicherungsträger teilt der Senat aus den dargelegten Gründen nicht. Diese Vereinbarung ist auch in keiner Weise für den Senat verbindlich, denn die Zuständigkeitsregelungen der §§ 126 ff. SGB VI sind zwingend und können durch Vereinbarungen der Versicherungsträger nicht geändert werden (vgl. BSG, Urteil vom 10. Dezember 1970 - 5/12 RJ 36/67 - = SozR Nr. 4 zu § 180 SGG).

Der Senat ist ferner nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu der Überzeugung gelangt, dass der Bescheid vom 12. April 1989 rechtwidrig ist, weil der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit beim Kläger bereits zum damaligen Zeitpunkt eingetreten war. Insoweit stützt sich der Senat auf das im früheren Rentenverfahren eingeholte Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Sch. vom 9. August 1994 und auf seine ergänzende Stellungnahme vom 5. Juni 2001 sowie auf das Gutachten von Prof. Dr. D. vom 22. Dezember 1986 und die Beurteilung der Ärzte im Entlassungsbericht der Klinik B. über das Heilverfahren vom 8. November bis 14. Dezember 1988 (soweit sich dessen Inhalt aus den beigezogenen sozialgerichtlichen Verfahrensakten und den darin befindlichen ärztlichen Unterlagen ergibt). Für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Klägers ist und war dessen psychische Erkrankung von ausschlaggebednder Bedeutung (eine die Leistungsfähigkeit wesentlich und dauerhaft einschränkende organische Erkrankung ist bei allen Untersuchungen und Begutachtungen nicht festgestellt worden). Abgesehen von den Angaben des Klägers, nach denen er schon als Kind wegen Unruhe und Nervosität (s. "Biographische Anamnese" im Gutachten Dr. R. vom 25. Mai 1984; "Eigene Angaben" im Gutachten Prof. Dr. D. vom 22. Dezember 1986; "Eigenanamnese" im Gutachten Prof. Dr. F. vom 1. September 1987) in Behandlung stand und denen der Ehefrau gegenüber Prof. Dr. D., dass die Klagen über Kopfschmerzen und Nervosität etwa 1976 begonnen hätten, ist in den Akten eine psychiatrische ambulante und stationäre Behandlung des Klägers seit September 1980 dokumentiert, deren Häufigkeit - wie sich aus der Stellungnahme des Dr. R. vom 19. Februar 1985 (Bl. 26 der Akte L 6 An 1900/84) ergibt - ab 1982 zunahm. Diagnostisch wird das Krankheitsbild des Klägers von den Sachverständigen Dr. R., Prof. Dr. D., Prof. Dr. F., Prof. Dr. T. und Prof. Dr. W. als "depressiv-narzistische Kernneurose mit konversionsneurotischen Anteilen" (Gutachten Dr. R.), "neurotische Entwicklung bei asthenischer, selbstunsicherer Persönlichkeit" (Prof. Dr. D.), "chronifizierte funktionelle Beschwerden bei primär zwanghaft strukturierter, depressiv gefärbter Persönlichkeit" (Prof. Dr. F.), "neurotische Entwicklung bei depressiv-zwanghaft strukturierter Primärpersönlichkeit" (Prof. Dr. T.) und "ausgeprägte narzistische Persönlichkeitsstruktur mit einer zwanghaft ehrgeizigen Abwehrhaltung und funktionellen Beschwerden" (Prof. Dr. W.) bezeichnet und damit von einer neurotischen Entwicklung bei zwanghaft strukturierter, depressiv gefärbter Persönlichkeit ausgegangen. Im Gegensatz hierzu haben Dr. R. und die Ärzte der Klinik B. eine Persönlichkeitsstörung mit depressiver Erkrankung festgestellt. Eine depressive Erkrankung mit schwerer Persönlichkeitsstörung hat auch der Arzt Sch. angenommen. Welche diagnostische Einordnung im vorliegenden Fall die zutreffende ist, kann jedoch letztlich dahinstehen, weil es für die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit des Klägers allein darauf ankommt, zu welchen Einschränkungen der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit dessen psychische Erkrankung geführt hat. In diesem Zusammenhang hat Prof. Dr. W. (s. ergänzende Stellungnahme vom 26. März 1992) ausgeführt, er könne "zwar nicht ausschließen", halte es aber für "sehr unwahrscheinlich", dass der Kläger aus eigener Kraft die bestehende Erkrankung, d.h. seine seelische Fehlhaltung, überwinde. Auf S. 5 der Stellungnahme führt er weiter aus, dass die z.Z. bestehende innere Sperre Grund seiner derzeitigen Erwerbsunfähigkeit ist". Daher schlägt er vor, den Kläger mit Hilfe einer Zeitrentengewährung für eine stationäre und anschließend ambulante psychotherapeutische Behandlung zu motivieren und gibt weiter an, eine genaue Prognose bezüglich der späteren Erwerbsfähigkeit des Klägers könne nicht gestellt werden, da diese vom Erfolg der vorgeschlagenen Behandlung abhänge. Im Gutachten des Prof. Dr. T. ist dargelegt, die seelische Fehlhaltung beruhe "mit hinreichender Sicherheit nicht auf Begehrens- oder sonstigen bewussten oder bewusstseinsnahen Vorstellungen" und könne nicht aus eigener Kraft überwunden werden. Der Kläger sei durch die festgestellten Gesundheitsstörungen im freien Gebrauch seiner geistigen und körperlichen Kräfte "nicht unerheblich" gehindert. Damit korrespondiert auch seine Einschätzung des GdB von 50 nach dem Schwerbehindertengesetz. Auch nach der Beurteilung von Prof. Dr. F. kann der Kläger die festgestellten Gesundheitsstörungen nicht aus eigener Kraft überwinden und ist "zum jetzigen Zeitpunkt" im freien Gebrauch seiner geistigen und körperlichen Fähigkeiten "erheblich eingeschränkt". Zu inhaltlich derselben Beurteilung kommen auch die Ärzte der Klinik B., die den Kläger als arbeitsunfähig entlassen haben und bei einer generellen Bejahung einer Berufstätigkeit als Werkzeugmacher gleichzeitig darauf hinweisen, dass es aufgrund seiner Persönlichkeitsstörung nach kurzer Zeit wieder zu Schwierigkeiten am Arbeitsplatz führen werde; deshalb empfehlen sie mittels berufsfördernder Maßnahmen eine stufenweise Heranführung des Klägers an die Belastungen des Arbeitsmarktes. Aus diesen Beurteilungen ergibt sich nach Auffassung des Senats, dass der Kläger zum Zeitpunkt der jeweiligen Begutachtung aufgrund der bei ihm festgestellten psychischen Gesundheitsstörungen nicht in der Lage war, regelmäßig einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Die Beurteilung des Prof. Dr. D. ist insoweit eindeutig, dasselbe gilt für die von Prof. Dr. W ... Aber auch Prof. Dr. F. macht eine vollschichtige Leistungsfähigkeit des Klägers von einer "verhaltenstherapeutisch orientierten Behandlung in Kombination mit einem konsequenten sozialen Rehabilitationstraining" in einer psychosomatischen Klinik abhängig, was nur Sinn macht, wenn der Kläger zum Zeitpunkt der Untersuchung in einem Zustand war, der eine regelmäßige vollschichtige Erwerbstätigkeit nicht zuließ. Ebenso sind die Ärzte der Klinik B. nach Ablauf des sechswöchigen Heilverfahrens nicht von einer vollschichtigen Leistungsfähigkeit des Klägers ausgegangen, wie sich zum einen aus der Entlassung als arbeitsunfähig und zum anderen - ungeachtet des Hinweises auf die sich ergebenden Schwierigkeiten am Arbeitsplatz infolge der Persönlichkeitsstörung - am Vorschlag der stufenweisen Wiedereingliederung zeigt. Dem-gegenüber hat Prof. Dr. T. einerseits den Kläger als vollschichtig leistungsfähig in seinem erlernten Beruf als Werkzeugmacher beurteilt, andererseits berufsfördernde Maßnahmen (ohne hierzu nähere Ausführungen zu machen) für "wesentlich" gehalten, was der Senat im Hinblick darauf, dass Prof. Dr. T. "zu einer vergleichbaren Beurteilung kommt (wie) das Gutachten der Klinik B.", so versteht, dass er gleichfalls eine stufenweise Wiedereingliederung mittels berufsfördernder Maßnahmen für notwendig erachtet und damit auch im Zeitpunkt der Begutachtung ein unter vollschichtiges Leistungsvermögen des Klägers angenommen hat. Folgt man dieser Auslegung des Gutachtens von Prof. Dr. T. nicht und sieht in dessen Beurteilung eine uneingeschränkte Aussage hinsichtlich eines vollschichtigen Leistungsvermögens als Werkzeugmacher, so könnte dies einer Entscheidung dennoch nicht zugrunde gelegt werden, weil insbesondere auf medizinischer Seite keine konkreten Angaben des Sachverständigen vorliegen, die eine nachvollziehbare Beurteilung der Eignung des Klägers für die Tätigkeit als Werkzeugmacher erlauben (vgl. BSG, Urteil vom 17. Februar 1994 - 13 RJ 45/93 - = SozR 3-2200 § 1246 Nr. 44). Eine Begründung dafür, warum der Kläger, der seine seelische Fehlhaltung aus eigener Kraft nicht überwinden kann, der hierdurch im Gebrauch seiner geistigen und körperlichen Fähigkeiten erheblich gehindert ist, dem der Sachverständige für die Persönlichkeitsstörung, die die eingeschränkte Berufstätigkeit (als Betriebswirt, Disponent und Maschinenbautechniker) bedingt, einen GdB von 50 zuerkennt, vollschichtig und regelmäßig als Werkzeugmacher arbeiten kann, ist vom Sachverständigen nicht dargelegt worden und deshalb für den Senat nicht nachvollziehbar. Der Beurteilung von Prof. Dr. T. kann der Senat daher nicht folgen (die Frage, ob dessen Gutachten hätte verwertet werden dürfen, ist daher nicht entscheidungsrelevant), vielmehr überzeugt ihn hinsichtlich des Zeitpunktes des Eintritts des Versicherungsfalles der Erwerbsunfähigkeit beim Kläger die Beurteilung des Arztes Sch. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 5. Juni 2001, der in Übereinstimmung mit Prof. Dr. D. das Vorliegen einer quantitativen Leistungsminderung 1990 bzw. ab 1986 im Ergebnis bejaht. Hinzu kommt, dass aus heutiger Sicht mit Sicherheit gesagt werden kann, dass alle Prognosen der Sachverständigen bezüglich der Therapiefähigkeit der neurotischen Entwicklung des Klägers, die auch ein entscheidendes Kriterium bei der Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit darstellten, sich als unzutreffend erwiesen haben. Von daher gesehen hat die Leistungsbeurteilung in den vielfachen Vorgutachten - wie der Arzt Sch. es in seiner Stellungnahme vom 5. Juni 2001 ausdrückt - die Schwere des Leidens nicht erfasst.

Damit kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass der Kläger beim Erlass des Bescheides vom 12. April 1989 nicht mehr vollschichtig leistungsfähig war. Er hat daher - auch unter Berücksichtigung des für ihn verschlossenen Arbeitsmarktes - in der streitbefangenen Zeit Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wobei mit Blick auf den psychiatrischen Befund davon auszugehen ist, dass die Arbeit vom 20. März bis 15. April 1991, die er auch nur etwas mehr als drei Wochen ausgeübt hat, auf Kosten der Gesundheit verrichtet worden ist. Der - nach heutiger Beurteilung - rechtswidrige Bescheid hatte auch zur Folge, dass Sozialleistungen (s. § 11 Sozialgesetzbuch Allgemeiner Teil (SGB I)) zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Damit liegen die Voraussetzungen des § 44 SGB X vor. Die Beklagte ist daher verpflichtet, den rechtswidrigen Bescheid vom 12. April 1989 zurückzunehmen und dem Kläger in Anwendung des § 44 Abs. 4 SGB X für die Zeit vom 1. Januar 1990 bis 28. Februar 1993 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.

Auf die Berufung des Klägers sind daher die erstinstanzliche Entscheidung sowie der Bescheid vom 4. November 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. August 1995 aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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