L 13 AL 2437/01

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 8 AL 3117/00
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 2437/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Kann ein Regelbemessungsentgelt für das während des Besuchs einer Vollzeitmaßnahme zu gewährende Unterhaltsgeld nicht gebildet werden, hat aber der Teilnehmer innerhalb der letzten drei Jahre vor Beginn der Maßnahme ein nach einer Teilzeitbeschäftigung bemessenes Arbeitslosengeld bezogen, ist das Unterhaltsgeld nicht nach diesem Bemessungsentgelt, sondern gem § 158 Abs. 2 SGB III nach dem Entgelt einer Inanspruchnahme durch die Maßnahme entsprechenden Vollzeitbeschäftigung zu bemessen.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23. April 2001 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verurteilt wird, dem Kläger vom 7. Februar bis 7. Dezember 2000 Unterhaltsgeld nach einem Bemessungsentgelt von 1.160,00 DM (Leistungsgruppe B, Kindermerkmal 1) zu gewähren.

Die Beklagte hat fünf Sechstel der außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Rechtszüge zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt höheres Unterhaltsgeld (Uhg) für den Zeitraum 7. Februar bis 7. Dezember 2000.

Der am 1961 geborene Kläger absolvierte am 5. September 1986 die Prüfung als Fachgehilfe in steuer- und wirtschaftsberatenden Berufen und arbeitete anschließend in diesem Beruf. Am 14. Oktober 1988 beantragte er die Förderung der Teilnahme am Vorbereitungslehrgang zur Prüfung als Bilanzbuchhalter, die am 3. November 1988 begann und von der Beklagten gefördert wurde (Bescheid vom 23. November 1988, Änderungsbescheid vom 7. Juli 1989). Aufgrund seiner familiären Situation – Trennung und Übernahme des Sorgerechts für zwei 1985 und 1987 geborene Kinder – beendete der Kläger diesen Vorbereitungslehrgang bereits am 1. Oktober 1989. Am 16. August 1993 bestand er die Prüfung zum Steuerfachwirt. Er arbeitete als solcher mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 21,5 Stunden pro Woche bis zum 31. März 1998 (überwiegendes monatliches Bruttoarbeitsentgelt 2767,70 DM). Am 1. April 1998 meldete sich der Kläger beim Arbeitsamt L. (ArbA) arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg). Nach dem Bezug von Alg in der Zeit vom 1. April bis 1. November 1998 (Bescheid vom 14. April 1998, Bemessungsentgelt 610,- DM, Leistungsgruppe B, Kindermerkmal 1) war der Kläger vom 2. November 1998 bis 15. August 1999 als selbstständiger Unternehmensberater tätig. Am 16. August 1999 meldete er sich wiederum arbeitslos, wobei er sich der Vermittlung im Umfang von 20 Arbeitsstunden/Woche zur Verfügung stellte. Als Grund hierfür gab er die Betreuung seiner minderjährigen Tochter an. Mit Bescheid vom 26. August 1999 gewährte das ArbA dem Kläger Alg ab 16. August 1999 in Höhe von 291,76 DM wöchentlich (Bemessungsentgelt 580,- DM, Leistungsgruppe B, Kindermerkmal 1); es wurde bis zur Anspruchserschöpfung am 11. Januar 2000 gezahlt. Am 30. Dezember 1999 beantragte der Kläger die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi). Diese wurde mit unangegriffen gebliebenem Bescheid vom 26. Januar 2000 wegen fehlender Bedürftigkeit abgelehnt.

Auf seinen Antrag vom 21. Januar 2000 förderte das ArbA seine Teilnahme an der beruflichen Weiterbildungsmaßnahme im Rechnungswesen/Controlling und Steuerrecht für die Zeit vom 7. Februar bis 7. Dezember 2000. Bei der Maßnahme handelte es sich um eine Vollzeitmaßnahme mit Unterrichtszeiten von Montag bis Freitag von jeweils 8.30 Uhr bis 15.30 Uhr. Mit unangefochten gebliebenem Bescheid vom 9. März 2000 bewilligte das ArbA - dieses hatte auch Lehrgangs-, Fahr- und Kinderbetreuungskosten (Kinderbetreuung durch die Mutter des Klägers und dessen Lebensgefährtin) bewilligt - für den Maßnahmezeitraum Uhg in Höhe von 296,03 DM wöchentlich (Bemessungsentgelt 580,- DM, Leistungsgruppe B, Kindermerkmal 1). Am 30. Juni 2000 beantragte der Kläger nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die Überprüfung der Uhg-Bewilligung. Da er an einer Vollzeitmaßnahme teilnehme, müsse das Bemessungsentgelt, das sich nach seiner bisherigen Arbeitszeit von 21,5 Stunden gerichtet habe, entsprechend auf 40 Stunden wöchentlich angehoben werden; so sei die Beklagte bei einem anderen Kursteilnehmer verfahren. Mit Bescheid vom 17. Juli 2000 lehnte das ArbA den Zugunstenantrag ab. Der Kläger habe seine Arbeitszeit grundsätzlich auf eine wöchentliche Stundenzahl von 20 Stunden pro Woche eingeschränkt; deshalb könne auch bei einer Maßnahme mit zeitlich höherer Inanspruchnahme für die Bemessung keine höhere Arbeitszeit zu Grunde gelegt werden. Im dagegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, zwar sei richtig, dass er in den nächsten zwei Jahren nur als Teilzeitbeschäftigter eine Anstellung annehmen könne. Dies habe jedoch mit der momentanen Fortbildungsmaßnahme, die eine zeitliche Abwesenheit von 7.30 Uhr bis 16.30 Uhr mit sich bringe, nichts zu tun. Wenn er die Maßnahme nicht besuchte, wäre er weiterhin nur in der Lage, ca. 21 Wochenstunden zu arbeiten. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. September 2000 wies das ArbA den Widerspruch zurück. Auch die Härteregelung des § 158 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) stütze den Anspruch nicht, da die Vermittlungsfähigkeit während der Teilnahme an der Weiterbildungsmaßnahme hinsichtlich der möglichen Dauer der Arbeitszeit eingeschränkt sei.

Der Kläger hat beim Sozialgericht (SG) Freiburg Klage gegen diese Entscheidung erhoben und sein Begehren weiterverfolgt. Nach einer Erhebung der Steuerberaterkammer F. aus dem Jahre 1998 sei für Steuerfachwirte mit einer Berufserfahrung, wie er sie aufweise, bei einer 38-Stunden-Woche ein Arbeitsentgelt in Höhe von 5.800,- DM bis 6.500,- DM zuzüglich 13. Monatsgehalt ortsüblich. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten; sie hat an der Nichtanwendbarkeit des § 158 Abs. 2 SGB III festgehalten und eingewandt, dass nach einer Umfrage bei ortsansässigen Steuerberatern ein fiktives Monatsgehalt von höchstens 5.000,00 DM in Betracht komme. Die Steuerberaterkammer Südbaden hat auf Befragung durch das SG mit Schreiben vom 22. Februar 2001 mitgeteilt, laut einer Umfrage Ende 1998/Anfang 1999 bei den Mitgliedern der Kammer habe der durchschnittliche Verdienst eines Steuerfachwirts in der Altersgruppe zwischen 31 und 40 Jahren bei 5.008,- DM gelegen; es werde angenommen, dass dieser Betrag in etwa noch im Jahre 2000 aktuell sei. Mit Urteil vom 23. April 2001 hat das SG den Bescheid vom 17. Juli 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. September 2000 aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 9. März 2000 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 7. Februar bis 7. Dezember 2000 Uhg nach einem Bemessungsentgelt für eine Vollzeitbeschäftigung zu zahlen. Über die Härteregelung des § 158 Abs. 2 SGB III sei von einem Bemessungsentgelt für eine Vollzeitbeschäftigung auszugehen. § 158 Abs. 2 SGB III knüpfe das Vorliegen einer unbilligen Härte ausdrücklich an den durchschnittlichen wöchentlichen Umfang der Maßnahme an. Vergleichsmaßstab sei die Zahl der durchschnittlichen wöchentlichen Stunden, die für die Teilnahme an der Maßnahme benötigt würden. Dementsprechend sei als Bemessungsentgelt das Entgelt für diejenige Beschäftigung entscheidend, auf die die Beklagte zu Beginn der Teilnahme an der Maßnahme die Vermittlungsbemühungen zu erstrecken gehabt hätte. Da der Kläger an einer Vollzeitmaßnahme teilgenommen habe, hätten sich die Vermittlungsbemühungen auf eine entsprechende Vollzeittätigkeit erstrecken müssen. Das Urteil ist dem ArbA am 8. Mai 2001 zugestellt worden.

Die Beklagte hat hiergegen am 7. Juni 2001 beim Landessozialgericht schriftlich Berufung eingelegt. Zwar sei auch nach Auffassung der Beklagten von einer unbilligen Härte im Sinne von § 158 Abs. 2 SGB III auszugehen. Trotzdem sei das Uhg nicht nach einem Bemessungsentgelt für eine Vollzeitbeschäftigung zu zahlen. Auch im Falle einer unbilligen Härte sei als Entgelt nur das tarifliche Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung zu Grunde zu legen, auf die das Arbeitsamt die Vermittlungsbemühungen zu Beginn der Teilnahme an der Maßnahme in erster Linie zu erstrecken hätte. Die Vermittlungsbemühungen hätten sich vorliegend in erster Linie auf eine Teilzeitbeschäftigung zu erstrecken gehabt. Der Kläger habe nämlich seinen eigenen Angaben zufolge wegen der Betreuung seiner Tochter nur eine Teilzeitarbeit verrichten können.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23. April 2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Seiner Auffassung nach sei § 158 Abs. 2 SGB III so zu verstehen, dass in Härtefällen als Entgelt das tarifliche Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung zu Grunde zu legen sei, auf die das Arbeitsamt die Vermittlungsbemühungen zu Beginn der Teilnahme an der Maßnahme in erster Linie zu erstrecken hätte, wenn der Teilnehmer anstelle der Teilnahme an der vollzeitigen Fortbildungsmaßnahme die Vermittlung in eine Vollzeittätigkeit begehrt hätte. Ein anderes Verständnis verletze Art. 3 des Grundgesetzes.

Im Übrigen wird auf die Verwaltungsakte des ArbA, die Klageakte des SG (S 8 AL 3117/00) und die Berufungsakte des Senats (L 13 AL 2437/01) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und auch nach §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist jedoch unbegründet und mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagte - unter Zurücknahme des Bescheids vom 9. März 2000 - verurteilt wird, dem Kläger für die Zeit vom 7. Februar bis 7. Dezember 2000 Uhg nach einem Bemessungsentgelt von 1.160,00 DM wöchentlich (Leistungsgruppe B, Kindermerkmal 1) zu gewähren. Die Höhe des Uhg festzulegen wäre schon Aufgabe des SG gewesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 17. Juli 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. September 2000 hat die Beklagte den Antrag des Klägers vom 2. Juli 2000 abgelehnt, ihm im Zugunstenweg Uhg für den Zeitraum 7. Februar bis 7. Dezember 2000 zu gewähren, welches nach dem (fiktiven) Entgelt eines vollzeitbeschäftigten Steuerfachwirts bemessen ist. Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nach dem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Die Beklagte hat bei Erlass des bestandskräftig gewordenen Bescheids vom 9. März 2000, mit dem sie dem Kläger Uhg ab 7. Februar 2000 in Höhe von 296,03 DM wöchentlich (Bemessungsentgelt 580,00 DM, Leistungsgruppe B, Kindermerkmal 1) bewilligt hat, das Recht unrichtig angewandt. Zu Unrecht ist die Beklagte bei der Bewilligung von Uhg nicht über die Härteregelung des § 158 Abs. 2 SGB III von einem mit 1.160,00 DM wöchentlich anzusetzenden Bemessungsentgelt für eine dem zeitlichen Umfang der Maßnahme entsprechenden Vollzeitbeschäftigung als Steuerfachwirt ausgegangen.

Der Kläger erfüllt grundsätzlich die Voraussetzungen für die Bewilligung von Uhg. Arbeitnehmer können bei Teilnahme an einer für die Weiterbildungsförderung anerkannten Vollzeitmaßnahme ein Uhg erhalten, wenn sie die allgemeinen Förderungsvoraussetzungen für die Förderung der beruflichen Weiterbildung einschließlich der Vorbeschäftigungszeit erfüllen (§ 153 SGB III). Der Kläger hat vom 7. Februar bis 7. Dezember 2000 an der Bildungsmaßnahme "Qualifizierung, Rechnungswesen/Controlling und Steuerrecht" teilgenommen; diese war als Maßnahme für die Weiterbildungsförderung anerkannt. Die Weiterbildung war - auch nach der Entscheidung des ArbA - notwendig, um die Arbeitslosigkeit des Klägers zu überwinden und ihn beruflich einzugliedern; es erfolgte auch vor Beginn der Teilnahme eine Beratung durch das ArbA (vgl. § 77 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 SGB III). Der Kläger hat auch, wie es § 77 Abs. 1 Nr. 2 SGB III fordert, die Vorbeschäftigungszeit erfüllt; er stand innerhalb der letzten drei Jahre vor Beginn der Weiterbildungsmaßnahme mehr als zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis (vgl § 78 Satz 1 Nr. 1 SGB III).

Die Höhe des Uhg richtet sich nach § 157 Abs.1 Nr. 2 SGB III, der hinsichtlich der Höhe des Uhg vorbehaltlich von Abweichungen in den nachfolgenden Bestimmungen die entsprechende Anwendung der Vorschriften über das Alg vorschreibt. Heranzuziehen ist deshalb § 129 Nr. 1 SGB III, wonach das Uhg für Maßnahmeteilnehmer, die - wie hier - mindestens ein Kind im Sinn des § 32 Abs. 1, 3 bis 5 des Einkommensteuergesetzes haben, 67 Prozent des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt) beträgt, das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Teilnehmer im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). In den letzten 52 Wochen vor der Entstehung des Anspruchs auf Uhg am 7. Februar 2000 liegen keine Entgeltabrechnungszeiträume, in denen Versicherungspflicht bestanden hat (vgl. § 130 Abs. 1 SGB III). Vielmehr hat der Kläger nach einer selbständigen Versicherungspflicht nicht begründenden Tätigkeit vom 2. November 1998 bis 15. August 1999 aufgrund des am 1. April 1998 erworbenen nicht voll ausgeschöpften Anspruchs auf Alg diese Leistung wieder vom 16. August 1999 bis zur Erschöpfung am 11. Januar 2000 bezogen. Ein Regelbemessungsentgelt kann deshalb nicht gebildet werden. Für Fälle des Bezugs von Alg vor der Teilnahme an der Maßnahme der Weiterbildungsförderung enthält § 158 Abs. 1 SGB III indes eine Sonderregelung. Nach dieser Vorschrift ist dem Uhg das Bemessungsentgelt zugrunde zu legen, nachdem das Alg oder die Alhi zuletzt bemessen worden ist, wenn der Arbeitnehmer innerhalb der letzten drei Jahre vor Beginn der Teilnahme Alg oder Alhi im Anschluss an den Bezug von Alg bezogen hat und er danach nicht erneut die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg erfüllt. Zwar sind die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt. Denn der Kläger hatte innerhalb der letzten drei Jahre vor Beginn der Maßnahme, also in der Zeit vom 7. Februar 1997 bis 6. Februar 2000 Alg bezogen, nämlich vom 1. April bis 1. November 1998 und vom 16. August 1999 bis 11. Januar 2000. Der Kläger hat auch danach nicht erneut die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg erfüllt. Denn er stand in keinem Versicherungspflichtverhältnis; weder war er als Beschäftigter noch aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig (vgl. § 123 Satz 1, 124 SGB III i. V. m. §§ 24, 25 und 26 SGB III). Gleichwohl war das Uhg nicht nach dem Bemessungsentgelt des Alg, also mit 580,00 DM wöchentlich zu bemessen.

Denn maßgebend und insoweit § 158 Abs. 1 SGB III verdrängend ist hier § 158 Abs. 2 SGB III. Wäre es mit Rücksicht auf den durchschnittlichen wöchentlichen Umfang der Maßnahme unbillig hart, von dem im Bemessungszeitraum erzielten Entgelt oder dem für das Alg oder die Alhi im Anschluss an den Bezug von Alg maßgeblichen Bemessungsentgelt auszugehen, ist nach § 158 Abs. 2 SGB III als Entgelt das tarifliche Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung zugrundezulegen, auf die das Arbeitsamt die Vermittlungsbemühungen zu Beginn der Teilnahme an der Maßnahme in erster Linie zu erstrecken hätte. Diese Bestimmung ersetzt als Nachfolgeregelung mit dem Inkrafttreten des SGB III ab 1. Januar 1998 (vgl. Artikel 1 des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24. März 1997, BGBl I S. 594) die Vorschrift des § 44 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 AFG. Die Regelung ermöglicht ebenso wie andere das Bemessungsentgelt in Sonderfällen festlegende Vorschriften (vgl. z. B. §§ 133, 165, 200 SGB III) ausnahmsweise eine nicht an einem zuvor tatsächlich erzielten Arbeitsentgelt oder dem Bemessungsentgelt der zuvor bezogenen Alg bzw. der Alhi und damit nicht am aktuellen Lebensstandard anknüpfende Leistungsbemessung. Erfasst werden nur die Fälle, in denen die unbillige Härte aus einem Vergleich des durchschnittlichen wöchentlichen Umfangs der Maßnahme einerseits und dem ebenfalls durch den Zeitfaktor bestimmten Regelbemessungsentgelt oder dem ebenfalls aus dem Zeitfaktor gebildeten Bemessungsentgelt des Alg oder der Alhi andererseits resultiert. Damit enthält § 152 Abs. 2 SGB III ähnlich dem früheren § 112 Abs. 7 AFG keine offene Härteklausel, die eine Korrektur des Bemessungsentgelts in allen Fällen unbilliger Härte erlaubt (vgl. Niewald in Gagel, Kommentar zum SGB III, Stand August 2001, § 158 Randnr. 20). Damit stellt sich die Rechtslage anders als nach § 44 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 AFG dar, wonach sich die unbillige Härte auf die Zugrundelegung des Regelbemessungsentgelts nach § 44 Abs. 2 oder 2 b i. V. m. § 112 AFG bezog und dann eine fiktive Bemessung wie in den Fällen des § 112 Abs. 7 AFG ermöglichte. Zwar wird im Entwurf des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes der Bundesregierung zur Begründung von § 158 Abs. 2 SGB III ausgeführt (vgl. BT-Drs 13/4941 S. 182), dass die Vorschrift inhaltlich § 44 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 AFG entspreche. Dieser Wille hat im Gesetzeswortlaut indes keinen Niederschlag gefunden, denn nach der klaren Fassung der Vorschrift kommt es für die unbillige Härte auf einen Vergleich der zeitlichen Belastung des Teilnehmers durch den durchschnittlichen wöchentlichen Umfang der Maßnahme mit dem jeweiligen das Regelbemessungsentgelt des zuvor bezogenen Alg oder der Alhi bestimmenden Zeitfaktor an. Insofern kommt, was die Beklagte ebenfalls so sieht, ein Rückgriff auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu § 44 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 AFG, wonach die Bemessung des Uhg nach dem für Teilzeitarbeit bezogenen Arbeitsentgelts keine unbillige Härte begründet, auch wenn die Maßnahme eine höheren Zeitaufwand erforderte (BSG SozR 3-4100 § 44 Nr. 15; BSG Urteil vom 12. September 1996 - 7 RAr 88/95 - in DBlR 4299 AFG/44), nicht mehr in Betracht. Der Sinn des § 158 Abs. 2 SGB III ist in der Vermeidung von Nachteilen zu sehen, die dadurch entstehen können, dass ein Arbeitnehmer, der vor Eintritt in die Maßnahme teilzeitbeschäftigt gewesen oder dessen Bemessungsentgelt aus anderen Gründen nach verminderter Stundenzahl bemessen worden ist, ohne Erhöhung der Leistungen an einer Vollzeitmaßnahme teilnehmen soll. Praktisch wird dem Uhg damit die Funktion eines Entgelts für die Teilnahme gegeben (vgl. Niewald in Gagel, a. a. O., § 158 Randnr. 21). Mit dieser Regelung ist der Gesetzgeber von der oben erwähnten Rechtsprechung des BSG abgerückt.

Vorliegend kann offen bleiben, ab welcher Abweichung der für die Maßnahme beachtlichen Stundenzahl von der Zahl der für die Bemessung maßgeblichen Arbeitsstunden eine unbillige Härte gegeben ist. Die Beklagte bejaht eine solche dann, wenn die für die Maßnahme beachtliche Stundenzahl mehr als 20 Prozent über den für die Bemessung maßgebenden Arbeitsstunden liegt (Dienstanweisung der Beklagten zu § 158 SGB III, Stand Mai 1998, 158.2). Jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem der durchschnittliche wöchentliche Umfang der Maßnahme 35 Stunden beträgt und demgegenüber dem Bemessungsentgelt des zuvor bezogenen Alg eine Arbeitszeit von wöchentlich 21,5 Stunden zugrunde liegt, die Abweichung also über 62 Prozent beträgt, ist eine unbillige Härte gegeben. Rechtsfolge hieraus ist, dass der Bemessung des Uhg als Entgelt das tarifliche Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung zugrunde zu legen ist, auf die das Arbeitsamt die Vermittlungsbemühungen zu Beginn der Teilnahme an der Maßnahme in erster Linie zu erstrecken hätte. Welche Beschäftigungen hierbei für Vermittlungsbemühungen in Betracht kommen, ist - wie bisher - vor allem anhand der Ausbildung, des Berufs und des Lebensalters des Arbeitnehmers zu bestimmen. Dabei ist jedoch von einer Vollzeitbeschäftigung auszugehen (vgl. insoweit Niewald in Gagel, a. a. O. , § 158 Randnr. 26; Stephan in Wissing/Mutschler/Bartz/Schmidt de Caluwe, Kommentar zum SGB III, § 158 Randnr. 14; Holst in Gemeinschaftskommentar zum Arbeitsförderungsrecht (GK-SGB III), § 158 Randnr. 5). Zu Unrecht beruft sich die Beklagte insoweit darauf, dass bei einer Maßnahme mit zeitlich höheren Inanspruchnahme für die fiktive Bemessung keine höhere Arbeitszeit zugrunde gelegt werden könne, wenn der Arbeitslose die Arbeitszeit grundsätzlich eingeschränkt habe (vgl. auch Dienstanweisungen a. a. O. 158.2 Abs. 5). Diese Auffassung unterläuft den Zweck der gesetzlichen Regelung des § 158 Abs. 2 SGB III. Durch den Rückgriff der Beklagten auf die tatsächliche grundsätzliche Einschränkung der Arbeitszeit, die der Kläger vorliegend in seinem Antrag auf Alg vom 16. August 1999, in seinem Antrag auf Alhi vom 28. Dezember 1999 sowie in der Widerspruchsbegründung auf circa 21 Wochenstunden vorgenommen hat, trägt die Beklagte nicht dem Umstand Rechnung, dass sich die unbillige Härte des § 158 Abs. 2 SGB III gerade aus einem Vergleich der zeitlichen Belastung durch die Teilnahme an der Maßnahme mit den Arbeitszeiten der Beschäftigung ergibt, deren davon abhängiges Entgelt für den Uhg-Anspruch regulär maßgebend wäre. Es handelte sich dabei um eine Teilzeitbeschäftigung aus dem gleichen Grund, der auch weiterhin die zeitliche Einschränkung der Verfügbarkeit des Klägers bedingte. Nachteile für die Beklagte ergeben sich hieraus nicht. Denn ein nach Beendigung der Maßnahme etwa zu zahlendes Alg wäre nicht nach dem Bemessungsentgelt des Uhg zu bemessen, da es eine § 112 Abs. 5 Nr. 8 AFG vergleichbare Vorschrift im SGB III nicht mehr gibt.

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ist dem Uhg das Entgelt einer der vollzeitigen Inanspruchnahme durch die Maßnahme entsprechenden Vollzeitbeschäftigung als Steuerfachwirt zugrundezulegen. Nach § 158 Abs. 2 SGB III ist hierfür an sich das tarifliche Arbeitsentgelt heranzuziehen. Nach der in der mündlichen Verhandlung mitgeteilten Auskunft der Steuerberaterkammer S. vom 25. März 2002 gibt es für die als Steuerfachwirte bei Steuerberatern beschäftigten Arbeitnehmer jedoch keinen Tarifvertrag. Auch ein Rückgriff auf den für den öffentlichen Dienst geltenden Bundesangestelltentarifvertrag scheidet aus, da ausweislich den ebenfalls in der mündlichen Verhandlung verlesenen Auskünften der Oberfinanzdirektion S. und der Gewerkschaft "v." vom 25. März 2002 in der Finanzverwaltung keine Steuerfachwirte beschäftigt werden. Für einen solchen Fall des Fehlens eines tariflichen Entgelts geht der Senat von einer planwidrigen Lücke des Gesetzes aus, die durch Rückgriff auf das "ortsübliche Entgelt" (ebenso § 165 Satz 1 SGB III; früher § 112 Abs. 7 AFG) zu schließen ist. Nach der für repräsentativ und beweiskräftig erachteten Auskunft der Steuerberaterkammer S. vom 22. Februar 2001 ist das ortsübliche Entgelt zu Beginn der Maßnahme mit monatlich 5.008,00 DM zu veranschlagen, was im übrigen dem bis März 1998 bezogenen Entgelt des Klägers - hochgerechnet auf eine Vollzeitbeschäftigung mit 38 Stunden - entspricht. Hieraus ergibt sich ein Bemessungsentgelt von gerundet 1.160,00 DM wöchentlich, welches für die Berechnung des Uhg zugrunde zu legen ist. Von einem Arbeitsentgelt in Höhe von 5.800,00 DM bis 6.500,00 DM - so vom Kläger noch im Klageverfahren verlangt - konnte nicht ausgegangen werden. Hierzu beruft er sich auf die Auskunft einer Steuerberaterin vom 17. Januar 2000, die selbst auf eine Erhebung der Steuerberaterkammer S. verweist. Letztere hat jedoch den durchschnittlichen Verdienst eines Steuerfachwirts in der Altersgruppe des Klägers mit damals 5.008,00 DM mitgeteilt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat für die Beklagte die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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