L 11 EG 767/02

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 5 EG 5388/00
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 EG 767/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Aus dem Deutsch-Kroatischen Sozialversicherungsabkommen ergibt sich kein Anspruch auf Bundeserziehungsgeld.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. Januar 2002 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Bundeserziehungsgeld (ErzG) im Sinne des Bundeserziehungsgeldgesetzes (BErzGG) für das erste Lebensjahr der am 27.7.1999 geborenen Ines P.

Die am 23.9.1967 geborene Klägerin besitzt die kroatische Staatsangehörigkeit. Sie ist die Mutter von Ines P. Sie ist seit 1989 mit einem kroatischen Staatsangehörigen verheiratet und hält sich seit dem 28.11.1991 im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland auf. Ausweislich des Aufnahmebescheids des Bundesverwaltungsamts Nürnberg vom 23.3.1994 erfüllte die Klägerin nach den im Aufnahmeverfahren gemäß § 27 Abs. 2 Bundesvertriebenengesetz (BVFG) getroffenen Feststellungen die Voraussetzungen für eine Aufnahme als Aussiedler in der Bundesrepublik Deutschland. Das von der Klägerin im Anschluss daran betriebene Aufnahmeverfahren auf Feststellung ihrer Eigenschaft als Aussiedlerin im Sinne des BVFG blieb jedoch -eigenen Angaben zufolge- erfolglos. Die Landeshauptstadt Stuttgart erteilte ihr am 22.6.1998 eine bis zum 23.6.2000 befristete Aufenthaltsbefugnis.

Am 23.9.1999 beantragte die Klägerin ErzG für das erste Lebensjahr ihrer Tochter Ines, was die Beklagte unter Hinweis auf die fehlende Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung ablehnte (Bescheid vom 5.10.1999).

Dagegen erhob die Klägerin gestützt auf den Aufnahmebescheid des Bundesverwaltungsamtes, wonach sie die Voraussetzungen für eine Aufnahme als Aussiedlerin erfüllt, und die Tatsache, dass ihrem Ehemann für die Tochter Kindergeld bewilligt worden sei, Widerspruch. Bezüglich des Kindergeldes legte sie einen Bewilligungsbescheid des Arbeitsamtes Stuttgart vom 21.9.1999 vor. In diesem Bescheid wird unter anderem ausgeführt, dass, nachdem der Ehemann der Klägerin seine Vertriebenen- bzw. Spätaussiedlereigenschaft noch nicht abschließend nachgewiesen habe, ungewiss sei, ob die Voraussetzungen für die Entstehung des Kindergeldanspruches vorliegen würden. Sollte keine entsprechende Anerkennung erfolgen, sei man gezwungen, die Festsetzung des Kindergeldes aufzuheben, das bereits gezahlte Kindergeld sei dann zu erstatten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14.8.2000 wies die Beklagte den Widerspruch im wesentlichen mit der Begründung zurück, dass die Klägerin die Voraussetzungen nach § 1 Abs. 1a Satz 1 BErzGG, wonach der Ausländer für den Anspruch auf ErzG im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Aufenthaltserlaubnis sein müsse, nicht erfülle, da sie lediglich im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis sei. Auf die Aussiedlereigenschaft könne sich die Klägerin nicht berufen, da die Anerkennung als Aussiedler bereits rechtskräftig negativ abgeschlossen sei.

Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Sie machte im wesentlichen geltend, dass sie trotz fehlender Aufenthaltsberechtigung und Aufenthaltserlaubnis einen Anspruch auf ErzG habe, da auf sie die Vorschriften des Deutsch- Jugoslawischen Abkommens über Soziale Sicherheit (DJSVA) anzuwenden seien. In die Rechte und Pflichten dieses Abkommens sei Kroatien als Rechtsnachfolgestaat Jugoslawiens eingetreten. Die Vorschriften des Abkommens gingen - was sich aus dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 12.04.2000 -BSGB 14 KG 2/99 R - ergebe - als spezielle Regelung dem BErzGG vor. Entscheidend sei daher lediglich die Staatsangehörigkeit und die Arbeitnehmereigenschaft, womit sie einen Anspruch auf ErzG unabhängig von ihrem ausländerrechtlichen Status habe.

Die Beklagte vertrat demgegenüber die Ansicht, dass das von der Klägerin erwähnte Urteil nicht einschlägig sei, da es sich zum einen in dem vom BSG zu entscheidenden Fall um Bosnier und zum anderen um Kindergeld gehandelt habe. Die Klägerin könne sich auf das Deutsch-Jugoslawische Abkommen über Soziale Sicherheit nicht berufen, denn dieses gelte nur für Kindergeld, nicht jedoch für Familienleistungen oder Bundes- bzw. Landeserziehungsgeld. Im übrigen gelte für Kroatien seit dem 1.12.1998 auch ein neues Abkommen über Soziale Sicherheit. Nach dessen Artikel 2 sei weder Bundes- bzw. Landeserziehungsgeld noch Kindergeld in den Anwendungsbereich des Abkommens miteinbezogen.

Mit Urteil vom 24.1.2002, den Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 04.02.2002, wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es aus, dass Voraussetzung für den Anspruch eines Ausländers auf ErzG sei, dass er "im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis" sei. Diese Voraussetzungen erfülle die Klägerin nicht. Die Aufenthaltsbefugnis stehe diesen Aufenthaltstiteln nicht gleich, denn die Aufenthaltsbefugnis sei für Ausländer vorgesehen, denen aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen die Einreise und der Aufenthalt im Bundesgebiet gewährt werde. Es handele sich mithin um einen zweckgebunden Aufenthaltstitel, bei dem ungewiss sei, ob und gegebenenfalls wann dieser Zweck entfalle, die Aufenthaltsbefugnis sei lediglich eine mögliche Vorstufe für einen Daueraufenthaltstitel. Der Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder -berechtigung sei auch nicht auf Grund des DJSVA vom 12.10.1968 in der Fassung des Änderungsabkommens vom 30.09.1974 entbehrlich, denn Leistungen im Sinne des BErzGG würden vom sachlichen Geltungsbereich des Abkommens (Artikel 2 Abs. 1 Nr. 1) nicht erfasst. Gleiches gelte für das mit Wirkung vom 1.12.1998 (Bekanntmachung vom 14.12.1998 BGBl. 1999 II S. 25) an die Stelle des DJSVA getretenen Deutsch-Kroatischen Sozialversicherungsabkommens (DKSVA), dessen sachlicher Geltungsbereich (Art. 2 I DKSVA) Familienleistungen wie das Bundes- oder Landeserziehungsgeld ebenfalls nicht beinhalte.

Dagegen hat die Klägerin am 4.3.2002 Berufung eingelegt. Sie ist weiter der Ansicht, dass sich ihr Anspruch auf ErzG aus den Vorschriften des Deutsch- Jugoslawischen Abkommens über Soziale Sicherheit ergibt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. Januar 2002 sowie den Bescheid vom 5. Oktober 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. August 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr für das erste Lebensjahr ihrer Tochter Ines Erziehungsgeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte der Beklagten sowie den der Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und insgesamt zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf BErzG für das erste Lebensjahr ihres Kindes Ines.

Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1a Satz 1 BErzGG die vorliegen müssen, damit ein Ausländer Anspruch auf ErzG hat, sind im Urteil des SG zutreffend dargestellt. Darauf wird verwiesen.

Nach Auffassung des Senats hat das SG zutreffend und ausführlich begründet, dass bei der Klägerin diese Voraussetzungen nicht vorliegen und eine Aufenthaltsbefugnis einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis nicht gleichgestellt werden kann und dass sich der Anspruch der Klägerin auch nicht auf zwischenstaatliche Abkommen mit Jugoslawien oder Kroatien stützen lässt. Insoweit nimmt der Senat auf die Entscheidungsgründe des SG Bezug und verzichtet auf deren erneute Darstellung (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Entscheidung nicht im Widerspruch zu der von der Klägerin erwähnten Entscheidung des BSG vom 12.4.2000 -B 14 KG 3/99- steht. Das BSG hatte in diesem Fall über den Anspruch eines Bosniers auf Kindergeld zu entscheiden, im konkreten Fall geht es um den Anspruch einer Kroatin auf Erziehungsgeld. Aus dem Urteil des BSG kann wohl gefolgert werden, dass das DJSVA vom 12.10.1968 in der Fassung des Änderungsabkommens vom 30.09.1974 nicht nur für bosnische, sondern auch für kroatische Staatsangehörige galt, denn es ist von der Fortgeltung Deutsch- Jugoslawischer Verträge im Verhältnis zu den Nachfolgestaaten Jugoslawiens und damit auch Kroatiens ipso iure auszugehen. Ab dem 1.12.1998 wurde das DJSVA für kroatische Staatsangehörige jedoch durch das DKSVA vom 24.11.1997 abgelöst. Nach dessen Artikel 42 trat zeitgleich mit dem Inkrafttreten des Abkommens am 1.12.1998 das DJSVA außer Kraft. Für kroatische Staatsangehörige gilt damit ab 1.12.1998 nur noch das DKSVA. Die Tochter der Klägerin wurde am 27.7.1999 und damit zu einem Zeitpunkt geboren, an dem das DJSVA bereits außer Kraft getreten war und im Verhältnis zwischen Kroatien und der Bundesrepublik nur noch das DKSVA galt. In diesem Abkommen ist nun in Artikel 2 zum sachlichen Geltungsbereich aufgeführt, dass sich dieses Abkommen auf die deutschen Rechtsvorschriften über die 1. Krankenversicherung, 2. Unfallversicherung, 3. Rentenversicherung, 4. hüttenknappschaftliche Zusatzversicherung und 5. Alterssicherung der Landwirte bezieht. Hierbei handelt es sich jeweils um Versicherungen, die mit einer Beitragsleistung verbunden sind. Nicht erwähnt ist das Kindergeld, das ErzG oder sonstige Familienleistungen. Nach Auffassung des Senats kann das Abkommen auf Grund des eindeutigen Wortlauts auf diese Leistungen auch nicht übertragen werden. Eine Analogie verbietet sich, da es sich um völlig anders geartete Leistungen handelt. Während die aufgezählten Leistungen mit einer Beitragsleistung verknüpft sind, stellt das ErzG eine freiwillige Leistung des Staates im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit ohne finanzielle Gegenleistung dar. Dies steht einer Übertragung des Abkommens auf das ErzG zwingend entgegen. Damit fehlt aber hinsichtlich des ErzG und letztendlich nunmehr auch des Kindergeldes für kroatische Staatsangehörige eine dem BErzGG vorrangige spezielle Vorschrift. Der Anspruch der Klägerin richtet sich allein nach § 1 BErzGG und die darin aufgestellten Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht.

Die Berufung der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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