L 10 AL 15/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 52 AL 916/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 AL 15/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. Januar 2002 und die Bescheide der Beklagten vom 13. Oktober 2000, 15. Februar 2001 (Widerspruchsbescheid) und 09. März 2001 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Arbeitslosenhilfe ab dem 09. Oktober 2000 bis zum Ablauf des 13. November 2001 zu gewähren. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Weitergewährung von Arbeitslosenhilfe (Alhi), nachdem der Kläger aus einem genehmigten Aufenthalt in den Niederlanden zum Zwecke der Arbeitssuche verspätet zurückgekehrt ist.

Am 13. Juni 2000 beantragte der Kläger, ihm zu gestatten, unter Aufrechterhaltung des Leistungsbezuges im Bewilligungsabschnitt vom 14. November 1999 bis 13. November 2000 für 3 Monate in den Niederlanden eine Arbeit zu suchen. Er habe über Bekannte Kontakte dort geknüpft, sein Bruder habe dort bereits eine Arbeit gefunden. Die Beklagte händigte ihm das sogenannte Zusatzblatt E 303 sowie eine Information für arbeitslose Arbeitnehmer aus EU-Ländern, die sich in einen anderen Mitgliedsstaat begeben wollten, aus. Der Kläger bestätigte mit seiner Unterschrift, das Merkblatt gelesen zu haben, in dem es u.a. heißt:

"Während Ihres Aufenthalts im anderen Mitgliedsstaat sind die dort geltenden Meldevorschriften und mögliche Aufenthaltsbeschränkungen (z. B. für Staatenlose) zu beachten; Sie unterliegen wie alle anderen Leistungsbezieher der Kontrolle durch die Arbeitsvermittlung dieses Staates. Die Auszahlung der Leistungen erfolgt aus- schließlich nach den üblichen Verfahren des Landes der Arbeitssuche. Beträge, die durch diesen Leistungsträger nicht ausgezahlt wurden, können im allgemeinen in Deutschland nicht nachgezahlt werden.

Stellen Sie fest, dass Sie im anderen Mitgliedsstaat keine Arbeit finden und wollen Sie deshalb wieder in der Bundesrepublik Deutschland als Arbeitnehmer erwerbstätig sein, so erhalten Sie Leistungen nach deutschen Rechtsvorschriften nur dann, wenn Sie innerhalb des Zeitraumes, für den Sie im anderen Mitgliedsstaat deutsche Leistungen beanspruchen können, zurückgekehrt sind. Deshalb der Rat: Kehren Sie so schnell wie möglich zurück, wenn Sie feststellen, dass Sie im anderen Mitgliedsstaat keine Arbeit finden".

Die Beklagte händigte dem Kläger den Vordruck E 303 zum Bezug von Leistungen in den Niederlanden aus, in dem bestätigt wurde, dass der Kläger unter den Voraussetzungen des Art. 69 der EWG-Verordnung 1408/71 (VO) ab seiner Eintragung bei der Arbeitsvermittlung in den Niederlanden für den Zeitraum vom 01. Juli 2000 für eine Höchstdauer von 92 Tagen jedoch nicht länger als bis zum 30. September 2000 Anspruch auf Leistungen habe.

Der Kläger beantragte am 22. Juni 2000 eine Abschlagszahlung, die er am 26. Juni 2000 i.H.v. 1.111,50 DM erhielt und begab sich in die Niederlande. Unter dem 19. Juli 2000 teilte der zuständige niederländische Träger (gak nederland bv) mit, der Kläger habe sich am 10. Juli 2000 als arbeitssuchend eintragen lassen.

Am 30. August, 04. September und 07. September 2000 meldete sich der Kläger telefonisch bei der Beklagten. Er habe die ihm zustehende Leistung in Holland lediglich bis zum 09. Juli 2000 erhalten. Die zuständige Behörde zahle die Leistung nicht aus, weil er einen "Scheck" zu spät eingereicht haben solle.

Im Rahmen eines Schriftwechsels mit der Beklagten erläuterte der niederländische Träger, dass der Arbeitslose nach niederländischem Recht alle vier Wochen einen sogenannten Arbeitslosenbrief vorlegen müsse, in dem er u.a. seine Bewerbungen nachzuweisen habe. Der Kläger habe seinen Arbeitslosenbrief erst am 18. August 2000, statt am 07. August 2000 vorgelegt. Er habe dies mit Wohnungsproblemen begründet. Ihm sei eine Wohnung zugewiesen worden, den Schlüssel habe er nicht erhalten. Somit habe ihn auch keine Post erreichen können. Man bitte um Mitteilung, ob dem Kläger die Leistungen trotzdem ausgezahlt werden könnten (Schreiben der gak nederland bv, zuletzt vom 12. September 2000).

Am 19. September 2000 teilte die Beklagte mit, es könne zunächst eine Abschlagszahlung von umgerechnet 200,00 DM erfolgen. Am 21. September 2000 wies die Beklagte den niederländischen Träger an, keine Leistungen auszubezahlen, da der Kläger nach deutschem Recht nicht verfügbar, da postalisch nicht erreichbar gewesen sei. Daraufhin erwiderte der niederländische Träger (22. September 2000), die Antwort sei ihm unverständlich. Der Kläger habe nicht gegen niederländische Vorschriften in Hinblick auf den Wohnort verstoßen, sondern gegen seine Pflicht, den Arbeitslosenbrief (sogenannte "werkbriefjes") zum 07. August 2000 vorzulegen. Daher sei immer noch nicht klar, wie verfahren werden solle. Der Kläger behaupte insoweit weiter, eine Person auf der Straße habe ihm die fragliche Wohnung zugewiesen, sei dazu aber gar nicht berechtigt gewesen. Mittlerweile habe sich ein weiteres Problem im Hinblick auf den Nachweiszeitraum vom 07. August bis 03. September 2000 ergeben. Nach den geltenden Vorschriften sei der Kläger verpflichtet gewesen, sich einmal wöchentlich zu bewerben. Statt der erforderlichen 4 habe er nur 2 Bewerbungen vorgelegt. Zur Entschuldigung habe er vorgebracht, nicht einmal ausreichend Geld für Essen gehabt zu haben, da ihm ja seit dem 09. Juli 2000 keine Mittel ausgezahlt worden seien, weil eine Klärung der streitigen Fragen zwischen den deutschen und niederländischen Behörden nicht gelungen sei.

Am 27. September 2000 - 3 Tage vor Ablauf der Rückkehrfrist - erwiderte die Beklagte, die geschilderte Situation sei ihr nunmehr durchaus verständlich. Die Problematik der in Rede stehenden Sachverhalte liege in den unterschiedlichen Kontrollvorschriften bei Arbeitslosigkeit begründet. Ihrer Auffassung nach sei deutsches Recht anzuwenden. Darin gebe es keine der holländischen Vorschrift entsprechende Norm zur Vorlage von Arbeitslosenbriefen. Allerdings sei der Kläger nicht postalisch erreichbar und danach nach deutschem Recht nicht verfügbar gewesen und habe deshalb keinen Leistungsanspruch gehabt. Es sei daher zu ermitteln, ab wann der Kläger für den holländischen Träger wieder erreichbar gewesen sei. Bis zu diesem Zeitpunkt seien Leistungen zu versagen. Zu dem Verstoß betreffend den Zeitraum vom 07. August bis 03. September 2000 sei auszuführen, dass nur dann keine Leistungen erbracht werden dürften, wenn der Kläger zuvor auf diese Rechtsfolge mittels schriftlichem Verwaltungsakt hingewiesen worden sei. Ein solches Verfahren entspreche den deutschen Verfahrensvorschriften.

Am 05. Oktober 2000 teilte der holländische Träger der Beklagten mit, es sei immer noch nicht klar, ob und wenn ja welche Leistungen ab dem 10. Juli 2000 erbracht werden könnten.

Daraufhin teilte die Beklagte mit Schreiben ohne Datum mit (Bl. 810 der Verwaltungsakte), wie zu verfahren sei.

Mit Schreiben vom 31. Oktober 2000 teilte der holländische Träger dann mit, welche Leistungen er mit Zahlung vom 18. Oktober für den Zeitraum ab 10. Juli 2000 (Zahlungen erfolgten vom 19. August bis 30. September 2000) erbracht habe.

Am Montag, dem 09. Oktober 2000, sprach der Kläger bei der Beklagten vor und gab an, dass es ihm trotz seiner Bemühungen nicht gelungen sei, die ihm zustehenden Leistungen in den Niederlanden zeitgerecht zu erhalten. Um seinen Lebensunterhalt finanzieren zu können, habe er für den Zeitraum vom 26. September bis 02. Oktober 2000 ein Darlehen der Gemeinde Rotterdam erhalten. Vom 02. bis 05. Oktober 2000 habe er versucht, die Auszahlung der ihm zustehenden Leistung zu erreichen. Man habe ihm das Geld aber überweisen wollen, womit er nicht einverstanden gewesen sei, da er sein niederländisches Bankkonto bereits aufgegeben hatte (vgl. Bl. 811 Verwaltungsakte). Erst am 05. Oktober 2000 sei ihm Bargeld ausgehändigt worden. Am Freitag, dem 06. Oktober 2000, sei er nach Deutschland zurückgekehrt.

Die Beklagte erläuterte ihm, dass die Nachzahlung der in den Niederlanden noch ausstehenden Beträge nach internationalen Rechtsvorschriften, auf die der Kläger hingewiesen worden sei, nicht mehr möglich sei. Der Kläger hätte sich in den Niederlanden um die Auszahlung der ihm zustehenden Leistungen bemühen müssen.

Dem am 11. Oktober 2000 abgegebenen Formularantrag (einschließlich des Fragebogens die Bedürftigkeit betreffend) auf Gewährung von Alhi blieb der Erfolg mit Bescheid vom 13. Oktober 2000 versagt. Der Anspruch sei erloschen, da der Kläger nicht bis zum 30. September 2000 (Samstag) nach Deutschland zurückgekehrt sei. Er habe sich erst am 11. Oktober 2000 arbeitslos gemeldet und daher den Anspruch verloren. Diese Entscheidung bestätigte die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 2001. Eine Verlängerung der Rückkehrfrist sei nur in Ausnahmefällen anzuerkennen und zwar dann, wenn der Arbeitslose durch einen nichtvorhergesehenen Umstand an der rechtzeitigen Rückreise gehindert gewesen sei.

Am 11. Dezember 2000 verzog der Kläger in den Zuständigkeitsbereich des Arbeitsamtes Südwest. Dort meldete er sich am 11. Dezember 2000 arbeitslos (Bl. 862 der Verwaltungsakte). Dem Antrag blieb mit Bescheid vom 09. März 2001 der Erfolg versagt. Wie der Kläger bereits dem ablehnenden Bescheid vom 13. Oktober 2000 habe entnehmen können, sei der Leistungsanspruch nach Art. 69 der VO 1408/71 erloschen, da er nicht rechtzeitig in die Bundesrepublik zurückgekehrt sei. Einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe könne er erst dann wieder geltend machen, wenn er innerhalb eines Jahres vor einer erneuten Antragstellung mindestens 8 Monate in einer Beschäftigung gestanden oder eine Zeit zurückgelegt habe, die zur Erfüllung der besonderen Anspruchsvoraussetzungen herangezogen werden könne. Zeiten einer Beschäftigung, die vor dem Tage gelegen seien, an denen der Leistungsanspruch erloschen sei, blieben gemäß § 123 Satz 2 SGB III außer Betracht.

Die gegen den Ablehnungsbescheid vom 13. Oktober 2000 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2001 erhobene Klage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 17. Januar 2002 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei nicht vor Ablauf des Mitnahmezeitraums am 30. September 2000 in die Bundesrepublik zurückgekehrt. Eine Verlängerung der Rückkehrfrist komme nicht in Betracht, da ein Ausnahmefall nicht vorliege. Ein solcher sei nur dann gegeben, wenn der Arbeitslose durch einen nichtvorhersehbaren Umstand an der rechtzeitigen Rückreise gehindert worden sei. Als solcher käme nur ein Umstand in Betracht, den der Arbeitslose nicht zu vertreten habe, z. B. Reiseunfähigkeit bedingende Erkrankung, Unfall, Arbeitskampf, Einstellungsverhandlungen. An diesen Voraussetzungen fehle es jedoch. Der Vortrag des Klägers, dass er den Auszahlungsschein für September 2000 erst am 02. Oktober 2000 bei der gak nederlend bv habe abgeben können, damit das Geld nicht gesperrt werde, sei nicht als Ausnahmefall anzuerkennen, da dies kein unvorhersehbarer Umstand im o.g. Sinne sei. Auf Nachfrage des Gerichts im Termin habe der Kläger erklärt, dass er gewusst habe, dass er den Termin zur rechtzeitigen Rückreise habe einhalten müssen, um hier Leistungsansprüche geltend machen zu können. Er habe ihn trotzdem verstreichen lassen. Er habe die Möglichkeit gehabt, den Auszahlungsschein vorher einzureichen und ggf. über die Botschaft seine Ausreise vorzufinanzieren, um hier rechtzeitig einen Antrag stellen zu können.

Gegen das ihm am 22. Februar 2002 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der Berufung vom 04. März 2002.

Zur Begründung trägt er vor, den Auszahlungsschein bezüglich des Zeitraumes vom 04. bis 30. September 2000 habe er nicht bis 30. September 2000 (Samstag) oder gar vorher abgeben können, da er sonst keine Zahlungen erhalten hätte, mit der Begründung, er hätte ja noch bis zum 30. September 2000 Arbeit finden können. So sei es ihm von der "gak" gesagt worden. Die ihm für vorangegangene Zeiträume zustehenden Leistungen habe er wegen der Streitigkeiten zwischen den deutschen und niederländischen Behörden nicht erhalten können. Die Ausreise habe sich dann weiter verzögert, weil der niederländische Träger ihm Geldbeträge habe überweisen wollen, obwohl er zu diesem Zeitpunkt gar kein Konto in den Niederlanden mehr gehabt habe. Auch die Klärung dieser Frage habe sich hingezogen, so dass er schließlich den Kredit der Gemeinde Rotterdam als Sozialleistung zur Rückkehr habe in Anspruch nehmen müssen. Schließlich habe er nach den ihm erteilten Belehrungen auch mit dem endgültigen Verlust des ihm in den Niederlanden zustehenden Geldes rechnen müssen, da dieses nach einer Rückkehr nach Deutschland angeblich nicht nachgezahlt werden könne.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. Januar 2002, den Bescheid vom 13. Oktober 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2001 und den Bescheid vom 09. März 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm vom 09.Oktober 2000 bis 13. November 2001 Arbeitslosenhilfe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf den Inhalt ihrer Bescheide und das ihrer Auffassung nach zutreffende Urteil des Sozialgerichts Berlin.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Sachdarstellung und der Rechtsausführungen wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten (Kd.-Nr.: 944A090857) und auf die Gerichtsakten Bezug genommen. Diese haben im Termin vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet. Zu Unrecht haben die Beklagte und das Sozialgericht entschieden, dass der Anspruch des Klägers auf Alhi erloschen ist, weil er erst nach Ablauf des Mitnahmezeitraums (30. September 2000) aus den Niederlanden zurückgekehrt ist. Der Senat konnte über den Rechtsstreit entscheiden, obwohl der Kläger zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, weil dieser in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist. Der Bescheid vom 09. März 2001, ergangen nach Erlass des Widerspruchsbescheides und vor Klageerhebung am 12. März 2001, war nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in das Verfahren einzubeziehen (Meyer-Ladewig, SGG, § 96, RN2). Damit ist Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sowohl der Anspruch des Klägers auf Wiederbewilligung von Alhi vom 09. Oktober 2000 bis zum Ablauf des damals laufenden Bewilligungsabschnitts (13. November 2000), als auch der Anspruch für den folgenden Bewilligungsabschnitt bis 13. November 2001 (Ablehnung durch Bescheid vom 09. März 2001). Über diesen Zeitpunkt hinaus konnte eine Entscheidung des Gerichts nicht erfolgen, weil insoweit keine anfechtbaren Entscheidungen der Beklagten vorliegen.

Nach § 190 SGB III hat Anspruch auf Arbeitslosenhilfe, wer u.a. arbeitslos ist, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet hat und bedürftig ist. Diese Voraussetzungen liegen ab dem 09. Oktober 2000, dem Tag, an dem der Kläger sich nach der Rückkehr aus den Niederlanden bei der Beklagten arbeitslos gemeldet und Leistungen beantragt hat, vor. Sie liegen aber auch für den folgenden Bewilligungsabschnitt vor.

Der Anspruch ist nicht nach Art. 69 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz der EWG-VO 1408/71 erloschen, weil die Beklagte im vorliegenden Ausnahmefall verpflichtet war, die Frist zur Rück- L 10 AL 15/02 - 9 -

kehr in die Bundesrepublik Deutschland über den Mitnahmezeitraum hinaus bis zur Meldung am Montag, dem 09. Oktober 2000, zu verlängern. Das ihr in Art. 69 Abs. 2 Satz 2 EWG-VO 1408/71 eingeräumte Ermessen ist insoweit auf Null reduziert, so dass der Senat den Anspruch selbst zusprechen konnte und die Beklagte nicht lediglich zur Neubescheidung über die Fristverlängerung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes zu verurteilen war.

Nach Art. 69 Abs. 2 Satz 1 EWG-VO 1408/71 hat der Arbeitslose weiterhin Anspruch auf Leistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Staates, wenn er vor Ablauf des Zeitraums, in dem er Anspruch auf Leistungen im anderen Staat hat, in den zuständigen Staat zurückkehrt; er verliert jedoch jeden Anspruch auf Leistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Staates, wenn er nicht vor Ablauf dieses Zeitraumes dorthin zurückkehrt. In Ausnahmefällen kann die zuständige Arbeitsverwaltung die Frist verlängern. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seiner ständigen Rechtsprechung (Rechtssache 41, 121, 796/79 Testa, Maggio, Vitale, Slg, 1980, 1979) hierzu ausgeführt, dass Art. 69 Abs. 2 EWG-VO 1408/71 mit den in der Gemeinschaftsordnung gewährleisteten Grundrechten vereinbar ist. Die in Art. 69 Abs. 2 EWG-VO 1408/71 bei verspäteter Rückkehr vorgesehene Sanktion muss danach auch im Lichte des Vorteils gesehen werden, den Art. 69 Abs. 1 der VO gewährt, und für den es im innerstaatlichen Recht keine Entsprechung gibt. Schließlich hat der EuGH hervorgehoben, dass Art. 69 Abs. 2 Satz 2 der EWG-VO Nr. 1408/71 eine Verlängerung der Frist in Ausnahmefällen gestattet, um unverhältnismäßige Ergebnisse zu vermeiden. Die Verlängerung der Frist ist danach auch dann zulässig, wenn der Antrag auf Fristverlängerung erst nach Fristablauf gestellt wird. Zwar verfügt die zuständige Arbeitsverwaltung bei der Entscheidung über eine mögliche Verlängerung der Frist über einen weiten Ermessensspielraum, sie hat jedoch bei der Ausübung des Ermessens den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Danach sind die Dauer der Fristüberschreitung, der Grund für die verspätete Rückkehr sowie die Schwere der an die verspätete Rückkehr geknüpften Rechtsfolgen zu berücksichtigen.

Wird berücksichtigt, dass der Kläger letztlich nur um 4 Werktage bzw. Diensttage der Beklagten verspätet zurückgekehrt ist, der Grund für die verspätete Rückkehr wesentlich durch die Beklagte mitverursacht wurde, weil es in Zusammenarbeit mit dem niederländischen Träger nicht gelungen ist, über die Ansprüche des Klägers noch in den Niederlanden - sei es positiv oder negativ - zu entscheiden, dieser also das ihm im Ausland - auch für die Rückkehr - zustehende Geld tatsächlich nicht zur Verfügung hatte, vielmehr nach den Belehrungen der Beklagten damit rechnen musste, in Deutschland erst recht kein Geld für diesen Zeitraum mehr zu erhalten, wenn ihm dies nicht schon in den Niederlanden gelänge, ist die Ablehnung der Fristverlängerung offensichtlich unverhältnismäßig.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Fristüberschreitung nur geringfügig. Sie beträgt nicht 11, sondern nur 4 (Werk -) Tage. Selbst wenn der Kläger am 30. September 2000 in die Bundesrepublik zurückgekehrt wäre, hätte er sich erst am Montag, dem 02. Oktober 2000 bei der Beklagten melden können. Der Dienstag war mit dem 03. Oktober 2000 ein Feiertag. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Kläger sich auch nicht erst am 11. Oktober 2000 mit der Abgabe des Formularantrages arbeitslos gemeldet, sondern bereits am Montag, dem 09. Oktober 2000. An diesem Tag hat er Leistungen begehrt und amtlich gemacht, dass er sich dem Arbeitsmarkt wieder zur Verfügung stellen wolle (vgl. den Aktenvermerk vom 11. Oktober 2000, Bl. 809 der Verwaltungsakte, in dem von einer persönlichen Vorsprache des Klägers am 09. Oktober 2000 die Rede ist). Somit hat sich der Kläger nicht erst - wie die Beklagte meint - knapp 2 Wochen nach Ablauf des Mitnahmezeitraumes, sondern lediglich 4 Tage - bezogen auf eine mögliche Antragstellung - verspätet gemeldet.

Weiter ist zu berücksichtigen, dass auch die Beklagte eine wesentliche Ursache für die verspätete Rückkehr gesetzt hat. Denn es ist nicht ernsthaft zu bestreiten, dass es zu den vorliegend zu bewertenden Vorgängen so nicht gekommen wäre, wenn der Kläger auch über den 09. Juli 2000 hinaus die ihm zustehenden Leistungen erhalten hätte. Dies war aber nicht der Fall, weil die beteiligten Behörden zwar bemüht waren, den Sachverhalt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht aufzuklären, dies allerdings erst nach Ablauf des Mitnahmezeitraums endgültig gelungen ist, so dass es zu weiteren Auszahlungen des holländischen Trägers erst am 18. Oktober 2000 gekommen ist. Zugunsten des Klägers ist weiter zu berücksichtigen, dass über seine Ansprüche in den Niederlanden nicht etwa endgültig, und sei es auch abschlägig, entschieden wurde, so dass er sich ohne weiteres zur Rückreise hätte gedrängt fühlen müssen, sondern dass er über die Auszahlung seiner Ansprüche über den 09. Juli 2000 hinaus im Unklaren gelassen wurde. So geriet er vor dem Hintergrund der Belehrungen ganz unzweifelhaft in eine Zwangslage. Denn einerseits wurde er dahin belehrt, dass eine Nachzahlung der Geldleistungen, die er in den Niederlanden zu beanspruchen hatte, in Deutschland nicht erfolgen könne, andererseits wurde ihm mitgeteilt, dass er bei verspäteter Rückkehr in Deutschland im Regelfall gar keine Leistungen mehr erhalten könne. Wäre die Leistung in den Niederlanden nun abgelehnt worden, so hätte der Kläger angesichts der eindeutigen Entscheidung eine Rückkehr in Betracht ziehen müssen. Hätte er dies unterlassen, so wäre ihm ohne weiteres ein Verschuldensvorwurf zu machen, der auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu einer Versagung der Leistungen in Deutschland im Sinne des Art. 69 Abs. 2 EWG-VO 1408/71 hätte führen können. Angesichts des Umstandes, dass sich die beteiligten deutschen und niederländischen Behörden für den Zeitraum vom 09. Juli 2000 bis zum Ablauf des Mitnahmezeitraums am 30. September 2000 nicht zu einer Entscheidung über die Leistung durchringen konnten, haben sie einen wesentlichen, wenn auch nicht alleinigen Grund für die verspätete Rückkehr des Klägers gesetzt. Es erscheint bei der Prüfung der Voraussetzungen für eine Verlängerung der Rückkehrfrist auch nicht angemessen, allein darauf abzustellen, dass der Kläger seinen Auszahlungsschein für den Zeitraum vom 04. September bis 30. September 2000 hätte einreichen können, um in den Besitz ausreichender Geldbeträge für seine Rückkehr zu kommen. Zum einen hat der Kläger geltend gemacht, dass er von den niederländischen Behörden darauf hingewiesen worden sei, dass er die Auszahlung erst nach dem 30. September 2000 geltend machen könne, weil er bis zu diesem Zeitpunkt zur Arbeitssuche verpflichtet sei und eine Bewilligung erst nachträglich erfolgen könne. Dieser Vortrag ist insoweit unwidersprochen geblieben. Zum anderen steht fest, dass der Kläger trotz Einreichung seines Auszahlungsscheines spätestens am 02. Oktober 2000 nicht in Besitz der ihm ab dem 04. September 2000 zustehenden Geldbeträge gelangt ist. Denn nach dem Akteninhalt der Beklagten steht fest, dass die Auszahlungen erst am 18. Oktober 2000, also zu einem Zeitpunkt als der Kläger schon wieder in Deutschland weilte, vorgenommen wurden. Der Senat hat keinen Anlass die Behauptung des Klägers in Zweifel zu ziehen, die niederländischen Behörden hätten ihm den zustehenden Geldbetrag am 02. Oktober 2000 überweisen wollen, was aber nicht mehr möglich gewesen wäre, da er sein Konto im Hinblick auf die Rückkehr bereits aufgelöst hatte (vgl. Bl. 811 VA unten). Eine Barauszahlung sei wegen der Unüblich- keit dieses Verfahrens so schnell nicht möglich gewesen. Angesichts des gesamten Ablaufs des Auslandsaufenthalts hat der Senat an diesen Angaben keine Zweifel.

Insgesamt bleibt damit festzustellen, dass die Überschreitung der Rückkehrdauer vor dem Hintergrund einer möglichen Antragstellung in Deutschland mit 4 Tagen gering war, die verspätete Rückkehr auch wesentlich durch das Behördenhandeln mitverursacht wurde und die Ablehnung der Verlängerung der Rückkehrfrist bis zum 09. Oktober 2000 daher unverhältnismäßig ist. Deshalb war das Ermessen der Beklagten auf Null reduziert.

Der Senat hat auch keine Bedenken, dass der Kläger ab dem 09. Oktober 2000 weiter bedürftig i.S.d. § 193 SGB III war, wie sich dies aus den seinen Anträgen vom 11. November und 11. Dezember 2000 beigefügten Unterlagen zur Überprüfung der Bedürftigkeit ergibt. Es bestehen auch keine Bedenken an der Verfügbarkeit für den Zeitraum vom 09. Oktober 2000 bis 13. November 2001. Dies ergibt sich aus den von der Beklagten mit Schriftsatz vom 21. April 2004 übersandten Unterlagen.

Der Berufung war daher stattzugeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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