L 5 KR 61/01

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 9 KR 157/99
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 61/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 23.01.2001 wird zurückgewiesen. Der Kläger hat dem Beklagten die Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Unterlassung von Äußerungen in Anspruch.

Der Kläger nimmt als niedergelassener Anaesthesist an der vertragsärztlichen Versorgung teil, der Beklagte ist Mitarbeiter der AOK Rheinland und leitete zum fraglichen Zeitpunkt die Geschäftsstelle in B ... Im September 1998 beantragte der bei der AOK versicherte Herr B ... für eine vom Kläger durchzuführende Schmerztherapie das Kostenerstattungsverfahren und wurde dabei von dem Beklagten beraten. Der Versicherte hielt an schließend in einer Notiz fest, der Beklagte habe gesagt, die Versicherten würden von den Ärzten unter Druck gesetzt, um ein Schreiben (gemeint offensichtlich: Wahl der Kostenerstattung) zu unterschreiben; das sei Betrug an der AOK. Der Kläger verlangte daraufhin von dem Beklagten die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung wegen der Äußerungen, er - der Kläger - habe den Versicherten unter Druck gesetzt, ein von ihm aufgesetztes Schreiben an die AOK zu unterschreiben und der Kläger betrüge die AOK. Der Beklagte lehnte dies ab und bestritt, entsprechende Äußerungen getan zu haben.

Der Kläger hat am 25.02.1999 beim Amtsgericht Bergisch-Gladbach Klage erhoben. Mit Beschluss vom 19.05.1999 hat sich das Amtsgericht für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Köln (SG) verwiesen. Es handele sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, denn der Beklagte habe bei der Beratung des Versicherten über die Wahl der Kostenerstattung in Wahrnehmung seiner dienstlichen Pflichten gehandelt. Die behaupteten ehrverletzenden Äußerungen seien Teil einer dienstlichen Beratung und nicht Ausdruck einer rein persönlichen Haltung des Beklagten gewesen. Aufgrund der speziellen Rechtswegzuweisung nach § 51 Abs. 2 Nr. 1 SGG seien die Sozialgerichte zuständig.

Nach Beweisaufnahme durch Vernehmung des Versicherten B ... und der Mitarbeiterin der AOK H ... hat das Sozialgericht mit Urteil vom 23.01.2001 die Klage abgewiesen. Es hat zum einen eine Wiederholungsgefahr verneint, weil die Möglichkeit der Kostenerstattung für gesetzlich Versicherte seit dem 01.01.1999 nicht mehr bestehe; darüber hinaus hat es die behaupteten Äußerungen als nicht erwiesen angesehen.

Gegen das ihm am 14.03.2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17.04.2001 (eingegangen beim SG am Dienstag nach Ostern) Berufung eingelegt. Er hält die gerügten Äußerungen für bewiesen und meint, wegen seiner weiteren Tätigkeit als Vertragsarzt bestehe auch die Wiederholungsgefahr. Auf den Hinweis, dass Bedenken gegen die Passivlegitimation des Beklagten bestünden, trägt er vor, im Falle von Beleidigungen und ehrverletzenden Äußerungen handele es sich regelmäßig um Ausdruck einer persönlichen Meinung, so dass nicht der Dienstherr, sondern der Betreffende selbst in Anspruch genommen werden könne. Zudem werde hier nur die Unterlassung der ehrverletzenden Äußerungen verlangt, passiv legitimiert sei der Dienstherr nur dann, wenn der Widerruf einer Äußerung verlangt werde.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 23.01.2001 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, es bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes bis 500.000,-- DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zwei Jahre zu unterlassen, zu äußern,

1. "Herr Dr. K ... hat Herrn F ... B ... unter Druck gesetzt, ein von ihm aufgesetztes Schreiben an die AOK zu unterschreiben",

2. "Herr Dr. K ... betrügt die AOK".

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und weist darauf hin, die Wiederholungsgefahr sei schon deshalb entfallen, weil er seit Mai 2001 in der Zentrale der AOK Rheinland arbeite und daher keinen Kontakt zum Kläger oder den Versicherten im örtlichen Bereich mehr habe.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist.

II.

Der Senat konnte durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung über die zulässige Berufung entscheiden, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Diese Möglichkeit besteht auch dann, wenn das Sozialgericht im Einvernehmen mit den Beteiligten schriftlich entschieden hat (Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl., § 153 Rdn. 14). Die Beteiligten sind zu dieser Möglichkeit angehört worden.

Das Sozialgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Sie ist schon deshalb unbegründet, weil der Beklagte nicht passiv legitimiert ist.

Die angegriffenen Äußerungen sind (angeblich) anlässlich einer Beratung des Versicherten B ... über die Wahl der Kostenerstattung und das Kostenerstattungsverfahren gefallen. Der Beklagte hat also in Erfüllung der nicht ihn persönlich, sondern die AOK treffenden Beratungspflicht (§ 14 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I)) gehandelt. Mithin stehen die Äußerungen in Zusammenhang mit einer (schlicht) hoheitlichen Tätigkeit, so dass das Streitverhältnis dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist (so auch der Beschluss des Amtsgerichts Bergisch-Gladbach vom 19.05.1999). Der öffentlich-rechtliche Abwehranspruch gegen ehrverletzende Äußerungen, die dem hoheitlichen Bereich zuzuordnen sind, richtet sich aber allein gegen den Dienstherrn, für den der Bedienstete bei der Äußerung tätig geworden ist (BVerwGE 75, 354; BVerwG NJW 1988, 2399; BGH NJW 1978, 1860; OVG Münster NJW 1988, 2636; OVG Koblenz NJW 1987, 1660; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., S. 244). Dies gilt nicht nur, wenn der Widerruf der Äußerungen verlangt wird, sondern auch für den Unterlassungsanspruch (vgl. BGH NJW 1978, 1860), zumal nicht ersichtlich ist, wie eine unterschiedliche Handhabung sachlich begründbar wäre.

Ein Ausnahmefall, dass die Äußerungen so sehr Ausdruck einer rein persönlichen Einstellung des Beklagten wären, dass er selbst persönlich in Anspruch genommen werden könnte, liegt nicht vor. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Beklagte eigene Interessen verfolgt hätte oder gar die Äußerungen Ausdruck einer rein persönlichen Kontroverse mit dem Kläger waren. Der Kläger irrt, wenn er den Beschluss des Großen Senats des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 19.12.1960 (BGHZ 34, 99) dahingehend interpretiert, im Falle von Beleidigungen seien diese regelmäßig Ausdruck einer rein persönlich geprägten Einstellung. In dem Beschluss (a.a.O. S. 107) wird vielmehr ausdrücklich für eine persönliche Inanspruchnahme des Beamten bei ehrverletzenden Äußerungen ein solches Übergewicht persönlicher Momente verlangt, dass der geforderte Widerruf eine unvertretbare Erklärung des einzelnen Beamten sei. Davon abgesehen, dass diese Ausführungen unschlüssig sind, weil bei einem Handeln des Amtsverwalters als Organ dieses immer der Körperschaft zugeschrieben werden muss, so dass folgerichtig nur diese den Widerspruch erklären kann (vgl. Jesch, DÖV 1961, 755, 756), kann selbst bei Aussagen mit objektiv beleidigendem Inhalt nicht im Regelfall davon ausgegangen werden, dass damit der Amtswalter den hoheitlichen Bereich verlassen und sich auf eine persönliche Ebene mit dem Betroffenen begeben hätte. Auch im vorliegenden Fall ist für das geforderte Überwiegen persönlicher Momente nichts ersichtlich, zumal die angebliche Äußerung, der Kläger habe den Versicherten unter Druck gesetzt, noch nicht einmal beleidigenden Charakter hat. Im übrigen ist auch der Kläger ersichtlich davon ausgegangen, dass der Beklagte als Bediensteter der AOK gehandelt hat und in dieser Funktion in Anspruch genommen werden sollte. Im Schriftsatz vom 22.04.1999 hat er ausgeführt, von der AOK werde Unterlassung "zunächst" nicht verlangt. In der Beschwerde vom 16.04.2001 hat er sogar ausdrücklich geltend gemacht, der Beklagte werde nicht als Privatmann, sondern als Repräsentant der AOK in Anspruch genommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

Der Senat durfte die für den Kläger günstige Kostenentscheidung des Sozialgerichts zu seinen Lasten ändern, obwohl nur der Kläger Berufung eingelegt hat, da das Verbot der reformatio in peius für die von Amts wegen zu treffende Kostenentscheidung nicht gilt (vgl. BSGE 62, 131, 136).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved