L 4 KR 4360/00

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 8 KR 6077/98
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 4360/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Viagra zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung
Die Berufung der Beklagten wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des erstinstanzlichen Urteils wie folgt gefaßt wird:

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 13. Oktober 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. November 1998 verurteilt, beim Kläger die Kosten für drei Viagra-Tabletten monatlich gegen ärztliche Verordnung ab November 2001 zu übernehmen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Beklagte dem Kläger gegenüber die Kosten für drei Viagra-Tabletten monatlich ab November 2001 im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu übernehmen hat. Der am 28. Mai 1929 geborene Kläger ist seit August 1962 verheiratet. Der Kläger ist seit August 1947 bei der Beklagten versichert, und zwar seit 01. Juni 1992 als Rentner. Seine am 01. April 1940 geborene Ehefrau ist bei ihm familienversichert. Infolge eines Ende 1992 operierten Prostataleidens besteht beim Kläger eine erektile Dysfunktion. Seit 1994 ist der Kläger aufgrund eines Rezepts und einer ärztlichen Notwendigkeitsbescheinigung mit einem von der Beklagten zur Verfügung gestellten Erektionshilfegerät (Vakuumpumpe) von Osbon ErecAid (Preis: DM 882,75) als Hilfsmittel versorgt. Mit Schreiben vom 25. Juli 1998 wandte sich der Kläger erstmals an die Beklagte wegen "Bereitstellung des Medikaments Viagra als Sachleistung der Krankenkassen". Er schilderte seine Situation; er und seine Ehefrau verlangten die Bereitstellung des Medikaments Viagra als Sachleistung der GKV. Der Kläger bat die Beklagte eindringlich, im Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (BA) im August 1998 eine entsprechende Entscheidung herbeizuführen; wenn der BA auf seiner bisherigen Ablehnung beharre, werde er sofort nach Zulassung von Viagra in Deutschland Klage auf die Bereitstellung als Sachleistung erheben. Ein gleichlautendes Schreiben richtete der Kläger an den BA, das unter dem 14. August 1998 beantwortet wurde. Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 10. August 1998 mit, die neugefassten und genehmigten Arzneimittel-Richtlinien des BA (AMRL) seien für sie verbindlich; deshalb sehe sie keine Möglichkeit, in seinem Fall die Kosten für Viagra übernehmen zu können. Nach Zulassung von Viagra in Deutschland am 01. Oktober 1998 verordnete der den Kläger behandelnde Urologe Dr. S dem Kläger dann am 07. Oktober 1998 vier Tabletten Viagra zu 50 mg; das Rezept enthielt den Zusatz, dass es nach § 12 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) nicht erstattungsfähig sei. Am 08. Oktober 1998 kaufte der Kläger das verordnete Medikament für DM 93,90 und beantragte die Erstattung. Danach erfolgten weitere Arzneimittelverordnungen durch Dr. S, jeweils über zwölf Tabletten zu 50 mg (12. November 1998), die der Kläger für DM 263,48 erwarb und bezahlte, bzw. zu 100 mg (Juli 1999, Dezember 1999, 04. Juli 2000, 21. November 2000 und 25. Juni 2001), die der Kläger für je DM 312,50 erwarb und gleichfalls bezahlte. Rezept und Apothekenrechnung hinsichtlich der ersten Verordnung reichte der Kläger mit Schreiben vom 08. Oktober 1998 z000mur Erstattung bei der Beklagten ein; aufgrund seiner Erkrankung, nämlich einer seit Jahren bestehenden erektilen Dysfunktion, erwarte er die Kostenerstattung, nachdem Viagra ab 01. Oktober 1998 auch in Deutschland zugelassen sei. Mit Bescheid vom 13. Oktober 1998 lehnte die Beklagte die Erstattung der Kosten in Höhe von DM 93,90 ab. Der BA befinde bei Neueinführung von Arzneimitteln über deren Verordnungsfigkeit in der kassenärztlichen Versorgung. Mit Beschluss vom 03. August 1998 habe dieser Ausschuß Arzneimittel zur Behandlung der erektilen Dysfunktion von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen. Zu diesen ausgeschlossenen Mitteln gehöre das Arzneimittel Viagra. An den Kosten für die von der kassenärztlichen Versorgung ausgeschlossenen Arzneimitteln dürfe sie sich nicht beteiligen. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, die Verweigerung von kassenärztlichen Leistungen, die notwendig, wirksam und durch den begrenzten Umfang auch wirtschaftlich seien und deren Qualität sowie Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprächen und die auch den medizinischen Fortschritt berücksichtigten, wie das Arzneimittel Viagra, sei rechtswidrig. Er legte auch die Probleme hinsichtlich Verwendung der Vakuumpumpe, um die erektile Dysfunktion zu überwinden, dar. Er führte aus, verantwortungsvoll, bewusst und gesund zu leben. Bei ihm schieden als Grund für seine Erkrankung selbstverschuldete Risikofaktoren, wie Rauchen und Trinken, aus. Der BA habe sich einseitig und dies überbewertend dem Wirtschaftlichkeitsgebot unterworfen. Der Ausschuß habe den Anspruch kranker Versicherter auf Leistungen der Krankenkassen sowie den Anspruch auf solche Leistungen, die dem Stand der Wissenschaft entsprächen, unberücksichtigt gelassen. Deshalb habe der Ausschuss fehlerhaft entschieden. Mit dem Fehlen von Ausnahmeregelungen habe der BA den allgemeinen Rechtsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot) verletzt; Ausnahmen hätten jedenfalls für folgende Fälle gemacht werden müssen: sogenannte Altfälle, schwere Stoffwechselerkrankungen, Prostataoperierte und Querschnittsgelähmte. Ihm und seiner Ehefrau blieben der grundgesetzlich verbriefte besondere Schutz der Ehe durch die staatliche Ordnung und die Unantastbarkeit der Menschenwürde vorenthalten. Er lasse sich auch nicht vorwerfen, mit seinem Anspruchsverhalten die Sozialkasse zu plündern. Immerhin habe er im Jahr 1998 rund DM 4.800,000 als Krankenkassenbeitrag gezahlt; er wolle die Leistung nur im notwendigen Umfang in Anspruch nehmen, nämlich monatlich durchschnittlich drei bis vier ärztlich verordnete Tabletten, also jährlich 42 Tabletten. Der Kläger machte ferner Anmerkungen zur "Sicherung der Sozialkassen". Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten bestimmten Widerspruchsausschusses vom 23. November 1998). Am 02. Dezember 1998 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht (SG) Stuttgart. Er beantragte zuletzt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 13. Oktober 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. November 1998 zu verurteilen, die Kosten für das am 08. Oktober 1998 selbstbeschaffte Arzneimittel Viagra zuzüglich vier vom Hundert (v.H.) Verzugszinsen seit 08. April 1999 zu erstatten sowie die Kosten für drei Viagra-Tabletten monatlich zu übernehmen. Der Kläger wiederholte sein Vorbringen im Antrags- und Widerspruchsverfahren und machte geltend, ihm und seiner Ehefrau bliebe der grundgesetzlich verbriefte besondere Schutz der Ehe durch die staatliche Ordnung und die Unantastbarkeit der Menschenwürde vorenthalten, weil sie durch regierungsamtliches Handeln gehindert würden, den Vollzug der Ehe, d.h. den Geschlechtsverkehr, auf natürliche Art und Weise vorzunehmen. Die eheliche Lebensgemeinschaft werde dadurch von Staats wegen erheblich gestört. Sie sähen sich auch in ihrer personalen Identität (Selbstverwirklichung) und in der körperlichen Integrität beeinträchtigt. Er, der Kläger, habe sich auch schon vor dem 08. Oktober 1998 an die Beklagte gewandt, wie der von ihm vorgelegte Schriftwechsel belege. Der Beschluss des BA vom 03. August 1998 sei rechtswidrig. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der BA das Argument von unermesslichen Kosten falsch gewichtet habe. Denn seinerzeit sei offensichtlich davon ausgegangen worden, dass 7,5 Millionen Männer Kosten zwischen 15 und 52 Milliarden DM verursachen würden. Das sei jedoch eine bewusste Täuschung der Bevölkerung gewesen, denn tatsächlich habe sich ein Jahr nach Zulassung des Arzneimittels in Deutschland nach Auskunft des Herstellers ergeben, dass hier lediglich 5 Millionen Tabletten Viagra für ungefähr eine halbe Million Männer verschrieben worden seien. Bei einem angenommenen Preis von DM 25,00 pro Tablette wären damit nur Kosten von 125 Millionen DM angefallen bei Ausgaben für Arzneimittel im Jahre 1998 von insgesamt 33,341 Milliarden DM. Schon das Bundessozialgericht (BSG) habe im Urteil vom 30. September 1999 - B 8 KN 9/98 KR R - (= BSGE 85, 36 = SozR 3-2500 § 27 Nr. 11 = Breithaupt 2000, 251) den Beschluss des BA vom 03. August 1998 als rechtswidrig angesehen. Daraus ergebe sich insbesondere auch, dass die erektile Dysfunktion eine Krankheit im Sinne des SGB V sei. Auf dieses Urteil des 8. Senats des BSG beziehe er sich. Die Argumentationskette des BA sei nicht schlüssig. Das Problem der Wirtschaftlichkeit bei der Verwendung von Viagra könne anders gelöst werden, beispielsweise durch Erstellung eines Indikationskatalogs, Aufstellung von Richtlinien der Bundesärztekammer für die standardisierte Durchführung erforderlicher Untersuchungen, Befunderhebungen, Verordnungen sowie Dokumentationen, Einführung von Berechtigungsausweisen, um evtl. Arzttourismus durch Patienten zu verhindern, Festlegung des Bedarfs, ermittelt auf empirischer Grundlage, zeitlich befristete Regelung mit Auswertungspflicht und gegebenenfalls Korrekturen am Verfahren. Der Kläger legte die weiteren Verordnungen und Rechnungen über das Medikament Viagra für die Zeit nach dem 07./08. Oktober 1998 vor. Ferner reichte er zahlreiche weitere Unterlagen ein, wie - aufgrund der Auflage des SG vom 20. Juli 2000 - ein Attest des Dr. S vom 25. Juli 2000, ferner Presseberichte, Urteile sowie Veröffentlichungen zu Viagra. Weiter reichte er noch diejenigen Unterlagen ein, die er bereits im Antrags- bzw. Widerspruchsverfahren vorgelegt hatte. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten entgegen. Eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V komme nur dann in Betracht, wenn vor der selbstbeschafften Leistung die Krankenkasse den Anspruch abgelehnt habe, was hier hinsichtlich des Rezepts über DM 93,90 nicht geschehen sei. Sie vertrete im übrigen die gleiche Rechtsauffassung wie der BA. Mittel zur Behandlung der erektilen Dysfunktion und Mittel, die der Anreizung und Steigerung der sexuellen Potenz dienten, dürften nicht zu Lasten der Krankenkasse verordnet werden. Viagra sei von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen ausdrücklich ausgenommen. Zwar sei eine Krankenkasse nach dem Urteil des BSG vom 30. September 1999 nicht mehr berechtigt, die SKAT-Therapie zur Behandlung einer erektilen Dysfunktion abzulehnen. Dies beziehe sich aber nicht auf andere Behandlungsmethoden, wie das Einnehmen von Viagra. Das SG zog das - nicht rechtskräftige - Urteil des SG Hannover vom 16. November 1999 (S 2 KR 485/99) bei. Ferner erhob es zunächst vom BA Unterlagen zur Entscheidung des BA vom 03. August 1998 hinsichtlich der Nr. 17.1 Buchstabe f AMRL (Schreiben vom 08. Oktober 1999 mit Anlagen). Auf Antrag des BA wurde dieser sodann mit Beschluss des SG vom 15. Dezember 1999 zu dem Verfahren beigeladen. Der Beigeladene, der das Urteil des BSG vom 30. September 1999 vorlegte, trat der Klage ebenfalls entgegen. Er machte geltend, die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 SGB V lägen beim Kläger nicht vor. Im übrigen sei die Beklagte auch deswegen nicht zur Leistung verpflichtet, weil das vom Kläger begehrte Medikament unwirtschaftlich sei. Hinsichtlich Viagra als neue therapeutische Leistung im Sinne des § 135 SGB V habe der BA entsprechend seinem gesetzlichen Auftrag nach § 92 SGB V eine generelle Entscheidung zur Unwirtschaftlichkeit getroffen. Aufgrund der negativen Entscheidung des BA sei Viagra von der Leistungspflicht der Krankenkassen ausgenommen. Zwar stufe auch der BA die erektile Dysfunktion als Krankheit ein. Der BA habe jedoch die Wirtschaftlichkeit einer Arzneimittelbehandlung bei erektiler Dysfunktion verneint. Bei Viagra habe sich nicht die Möglichkeit ergeben, eine beschränkte Verordnungsfähigkeit bei konkreten Indikationen festzulegen. Auch nach Anhörung von medizinischen Sachverständigen könne kein überschaubarer und auch praktikabler Indikationenkatalog definiert werden, der von den verordnungsbefugten niedergelassenen Ärzten beherrschbar sei und eine missbräuchliche Inanspruchnahme ausschließe. Eine nähere Prüfung der Kriterien "medizinisch notwendig" und "wirtschaftlich" habe im übrigen einen fundamentalen Unterschied zwischen Viagra und der Anwendung aller sonstigen Arzneimittel ergeben. Während nämlich üblicherweise die Anwendung eines Arzneimittels sich nach objektiven medizinischen und pharmakologischen Kriterien richte, sei die Anwendung von Viagra ausschließlich von subjektiven Empfindungen abhängig. Nach Auffassung des BA sei daher das Wirtschaftlichkeitsgebot bei Viagra nicht sachgerecht zu handhaben. Die erektile Dysfunktion werde von den Betroffenen subjektiv sehr unterschiedlich bewertet und empfunden. Es müsste daher - mangels einer allgemein gültigen Norm - jedem Wunsch des Patienten auch nach einer maximalen Zahl von Tabletten nachgekommen werden, ohne prüfen zu können, ob der betreffende Patient die verlangte Anzahl von Tabletten zur Befriedigung seiner entsprechenden Bedürfnisse tatsächlich benötige. Auch aus dem Urteil des BSG vom 30. September 1999 könne der Kläger die Verordnungsfähigkeit von Viagra nicht herleiten. Denn darin gehe es um die sogenannte SKAT-Methode, nämlich die Injektion des Arzneimittels Prostafisin. Das BSG habe sich mit den Argumenten des BA nicht auseinandergesetzt. Insbesondere sei es nicht auf den Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit eingegangen. Das Urteil des BSG enthalte keine Aussage darüber, wie oft Versicherten für einen bestimmten Zeitraum (Tag, Woche, Monat) ein Arzneimittel zur Überwindung der Folgen der erektilen Dysfunktion zugebilligt werden könne; das BSG habe lapidar auf die Menschenwürde verwiesen. Auch die Verneinung der Kompetenz des BA, auf der Grundlage des § 92 Abs. 1 SGB V einzelne Arzneimittel in ihrer Verordnungsfähigkeit zu Lasten der Krankenversicherung einzuschränken oder auszuschließen, überzeuge ihn nicht. Es gebe kein Monopol des Gesetzgebers oder des Verordnungsgebers in § 34 SGB V zum Leistungsausschluss von Arzneimitteln. Das Urteil des SG Hannover vom 16. November 1999 gehe gleichfalls auf die Problematik der Wirtschaftlichkeit bei der Verordnung von Viagra nicht ein. Mit Urteil vom 27. Juli 2000, der Beklagten gegen Empfangsbekenntnis am 23. Oktober 2000 zugestellt, hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 13. Oktober 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. November 1998 verurteilt, dem Kläger die Kosten für das am 08. Oktober 1998 selbstbeschaffte Arzneimittel Viagra zuzüglich vier v.H. Zinsen ab 08. April 1999 zu erstatten und die Kosten für drei Viagra-Tabletten monatlich zu übernehmen. Das SG führte im wesentlichen aus, dem Erstattungsanspruch stehe nicht entgegen, dass der Kläger vor der Inanspruchnahme den ablehnenden Bescheid der Beklagten nicht abgewartet habe. Dies sei nämlich entgegen der Ansicht des BSG dann nicht erforderlich, wenn, wie vorliegend, ein Arzneimittel aufgrund einer von den Krankenkassen grundsätzlich für verbindlich gehaltenen Entscheidung des BA allgemein, ohne dass es auf die Umstände des Einzelfalls ankomme, aus dem Leistungskatalog der GKV ausgeschlossen worden sei. Insoweit wäre das Erfordernis einer vorherigen Antragstellung eine bloße "Förmelei". Viagra gehöre auch zu den Sachleistungen im Sinne der GKV, zumal der Kläger an einer erektilen Dysfunktion, die eine Krankheit darstelle, leide. Den Ansprüchen des Klägers stehe Nr. 17.1 Buchstabe f der ARML nicht entgegen, denn der BA sei nicht berechtigt gewesen, Viagra aus der Verordnungsfähigkeit im Rahmen der GKV auszuschließen. Dem BA komme nämlich keine umfassende Normsetzungsbefugnis auch für diejenigen Gegenstände zu, die durch § 34 SGB V dem Verordnungsgeber zur Regelung zugewiesen seien. Der Leistungsausschluß stehe im Widerspruch zur bisherigen Rechtsanwendung und sei ersichtlich auch nicht von der Überzeugung getragen, die bisher schon teilweise von den Krankenkassen übernommene Behandlung einer erektilen Dysfunktion habe überhand genommen. Es sei auch nicht überzeugend, dass sich ein praktikabler Indikationsvorschlag nicht habe definieren lassen, um einem Missbrauch vorzubeugen. Im übrigen wäre eine Konkretisierung des Wirtschaftlichkeitsgebots bei Viagra durchaus möglich. Darauf habe auch der Kläger hingewiesen. Daraus ergebe sich insgesamt, dass der Beigeladene nicht berechtigt gewesen sei, Viagra aus der Versorgung in der GKV auszuschließen. Der Kläger habe daher auch Anspruch auf Versorgung mit dem Arzneimittel Viagra im geltend gemachten Umfang. Die Einnahme von drei Viagra-Tabletten monatlich überschreite die Grenze der Wirtschaftlichkeit nicht und sei auch nicht als missbräuchlich anzusehen. Der Kläger müsse sich schließlich auch nicht auf die Verwendung der Vakuumpumpe verweisen lassen, da diese kein gleich geeignetes "Hilfsmittel" darstelle und insbesondere in der praktischen Anwendung Nachteile aufweise. Im übrigen wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen. Gegen das Urteil des SG hat die Beklagte am 08. November 2000 schriftlich Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Im Berufungsverfahren haben die Beteiligten folgenden Teilvergleich geschlossen: Sie stellten im Berufungsverfahren nur noch den Anspruch des Klägers auf Übernahme der Kosten für drei Viagra-Tabletten pro Monat ab November 2001 gegen ärztliche Verordnung in Streit. Die Beklagte erklärte sich bereit, dem Kläger im Falle seines rechtskräftigen Obsiegens DM 1.919,99 (abzüglich eines eventuellen Eigenanteils) zuzüglich Zinsen nach § 44 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB I) zu erstatten. Die Beklagte trägt vor, sie vertrete dieselbe Rechtsauffassung wie der BA. Das Arzneimittel Viagra sei unwirtschaftlich. Trotz Anhörung medizinischer Sachverständiger habe eine praktikable Indikationslösung nicht festgestellt werden können. Die Anzahl der Einnahme von Viagra-Tabletten sei ausschließlich vom subjektiven Empfinden des einzelnen Versicherten abhängig, was letztlich einem Wirtschaftlichkeitsgebot nicht gerecht werde. Naturgemäß würden im übrigen erektile Funktionsstörungen bei älteren Menschen in vermehrtem Maße auftreten. Die Potenzschwäche sei kein Einzelfall, sondern ein Millionenproblem. Ab dem 70. Lebensjahr klage jeder dritte Mann über mangelnde Erektion. Inwieweit ein sexuelles Bedürfnis älterer Menschen durch die Einnahme des Arzneimittels Viagra kostenmäßig durch die Versichertengemeinschaft zu tragen sei, erscheine äußerst fraglich. Als zugelassene Behandlungsmethoden bei dem Krankheitsbild des Klägers gebe es im übrigen die Benutzung der Vakuumpumpe als Hilfsmittel oder die medikamentöse Behandlung im Rahmen der SKAT-Therapie. Die grundsätzliche Frage, ob der BA Viagra von den Sachleistungen im Sinne der GKV habe ausschließen können, bedürfe einer abschließenden Klärung, und zwar auch nachdem die beklagte Techniker-Krankenkasse im Revisionsverfahren B 1 KR 19/00 R die Revision zurückgenommen habe und damit das Urteil des SG Lüneburg vom 28. Februar 2000 (S 9 KR 97/99) rechtskräftig geworden sei. Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. Juli 2000 im noch streitbefangenen Umfang aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er hält das angegriffene Urteil für zutreffend. Er habe bisher nicht gehört, dass wegen der großen Zahl der Betroffenen die erforderliche medizinische Behandlung von Herz und Kreislaufpatienten, Stoffwechselpatienten oder Rheumakranken in Frage gestellt worden sie. Die von der Beklagten aufgeworfene grundsätzliche Frage, ob der BA Viagra als Sachleistung habe ausschließen dürfen, sei durch die Rechtsprechung des 1. und 8. Senats des BSG geklärt. Im übrigen wäre er bereit, ein anderes Medikament zur Behebung der erektilen Dysfunktion zu Lasten der Beklagten nach ärztlicher Verordnung einzunehmen, das preiswerter sei als Viagra, wenn die Wirkung vergleichbar wäre und die Nebenwirkungen nicht nachteiliger wären als bei Viagra. Insoweit habe sein Arzt ihn am 26. Juni 2001 darauf hingewiesen, dass es seit einigen Tagen das Medikament IXENSE auf dem Markt gebe, das im Vergleich zu Viagra preiswerter sei. Zum Testen habe er zwei Probepackungen erhalten. Von dem neuen Medikament kosteten zwölf Tabletten DM 263,50. Die P. GmbH habe ihm gegenüber auch bestätigt, dass sie mit dem Arzneimittel Viagra zu Hersteller-Abgabepreisen derzeit gleichbleibende Jahresumsätze in Höhe von ungefähr 110 Millionen DM erziele. Der Kläger reichte weitere Unterlagen ein, u.a. eine Rechtsgutachten des Prof. Dr. O. vom Juli 1998 zu "verfassungsrechtlichen Frage des Regelungsinstrumentariums in der gesetzlichen Krankenversicherung". Der Beigeladene schließt sich dem Antrag der Beklagten an. Er wiederholt im wesentlichen sein Vorbringen im Klageverfahren und macht ergänzend geltend, seine Überlegungen seien trotz des Urteils des BSG vom 30. September 1999 zur sogenannten SKAT-Methode nach wie vor zutreffend. Dieses Urteil überzeuge nicht, weil es sich mit der konkreten Begründung des BA zur Unwirtschaftlichkeit von Viagra nicht auseinandergesetzt und die Kompetenz des BA zum Ausschluss von einzelnen Arzneimitteln aus nicht zutreffenden Gründen verneint habe. Zwar sehe auch er, der BA, die erektile Dysfunktion als Krankheit und auch Viagra durchaus als Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes an. Gleichwohl habe er die Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln zur Behandlung der erektilen Dysfunktion ausgeschlossen. Keineswegs habe er die Behandlung dieser Erkrankung insgesamt ausgeschlossen, sondern nur die Behandlung mit Arzneimitteln, weil diese Form der Behandlung das Gebot der Wirtschaftlichkeit nicht erfüllen könne. Zu Unrecht gehe das SG davon aus, dass der BA - neben den Ermächtigungen in § 34 SGB V - keine Ausschlusskompetenz für die Verordnung unwirtschaftlicher Arzneimittel habe. Die Verordnungskompetenz des Bundesgesundheitsministeriums in § 34 Abs. 3 SGB V sei nur auf einen kleinen Sektor unwirtschaftlicher Arzneimittel beschränkt, nämlich auf solche, die dort in Satz 2 konkret genannt seien. Demgegenüber sei seine Kompetenz nach § 92 Abs. 1 SGB V umfassend auf die Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots insgesamt ausgerichtet. Beide Kompetenzen in § 34 Abs. 3 und in § 92 Abs. 1 SGB V stünden nebeneinander im Sinne sich überschneidender Kreise, wobei die Rechtsverordnung vorgehe, soweit sie Ausschlüsse in dem kleineren Kreis geregelt habe. § 31 SGB V in der Fassung des Gesetzes vom 22. Dezember 1999 rechtfertige jetzt den Schluss, dass Ausschlüsse von Arzneimitteln nicht nur nach § 34 SGB V zulässig seien. Es überzeuge nicht, wenn das SG ferner annehme, das Wirtschaftlichkeitsgebot habe trotz der Besonderheiten bei der Anwendung von Viagra beachtet werden können und dazu auf die vom Kläger behaupteten Mengen-Angaben verweise. Der Kläger habe höchst subjektive Vorstellungen von der Häufigkeit der Anwendung von Viagra. Was von ihm als angemessen angesehen werde, möge anderen Versicherten als zu wenig oder zu viel erscheinen. Die Zulassung einer mittleren Zahl von Tabletten pro Woche oder Monat könne keine Lösung des Problems sein, weil damit für den einen zu viel und für den anderen zu wenig verordnet würde. Das stünde aber nicht im Einklang mit den Leistungsgrundsätzen des SGB V. Ebensowenig sei der Auffassung des SG zu folgen, dass ein Katalog von Indikationen als Lösungsweg habe angeboten werden können. Die von den Sachverständigen genannten Indikationen seien so zahlreich und teilweise so wenig konkret gewesen, so dass ein solcher Katalog sich eher als eine Einladung zur Verordnung denn als eine Hürde dagegen erwiesen hätte. Schließlich könne auch das Zurückbleiben der tatsächlichen Verordnungszahlen hinter der früher genannten angeblich hohen Zahlen über die jährlich zu verkaufenden Pillen den Verordnungsausschluss nicht in Frage stellen. Zwar möge es zutreffen, dass die möglichen finanziellen Auswirkungen einer Freigabe von Viagra anfangs überschätzt worden seien. Die angesichts eines Verkaufspreises von ungefähr DM 25,00 pro Tablette erzielten Umsätze bewiesen jedoch, dass bei einem kostenfreien Bezug Ausgaben in Milliardenhöhe auf die Krankenkassen zukämen, selbst wenn die finanziellen Auswirkungen bei einer medizinisch notwendigen Behandlungsmethode kein ausreichender Grund für das Verordnungsverbot wäre. Es gebe somit keine überzeugenden Gründe, die für eine Leistungspflicht der Krankenkassen bei Viagra sprächen. Der Kläger sei vielmehr auf seine Eigenverantwortung zu verweisen; die Inanspruchnahme der Solidargemeinschaft für die Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse sei nicht gerechtfertigt. Der Berichterstatter des Senats hat eine Auskunft des SG Lüneburg und von dort dessen - rechtskräftig gewordenes - Urteil vom 28. Februar 2000 - S 9 KR 97/99 - beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet. Streitgegenstand des Verfahrens ist im Hinblick auf den zwischen den Beteiligten geschlossenen Teilvergleich nur der Anspruch des Klägers auf Übernahme der Kosten für drei Viagra-Tabletten monatlich ab November 2001 gegen ärztliche Verordnung. Denn die Beklagte hat sich aufgrund des geschlossenen Teilvergleichs bereit erklärt, dem Kläger im Falle des rechtskräftigen Obsiegens des Klägers DM 1.919,88 (abzüglich eines eventuellen Eigenanteils) zuzüglich Zinsen nach § 44 SGB I zu erstatten. Über das Erstattungsbegehren war danach hier nicht mehr zu befinden. Der Bescheid der Beklagten vom 23. Oktober 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. November 1998 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit es die Beklagte darin sinngemäß auch abgelehnt hat, künftig, und damit ebenso für die hier streitige Zeit ab November 2001, die Kosten für drei Tabletten Viagra monatlich gegen ärztliche Verordnung zu übernehmen. Dies hat das SG zutreffend vor allem auch unter Bezugnahme auf die im Urteil des BSG vom 30. September 1999 aufgestellten Grundsätze entschieden. Der Senat verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des SG. Ergänzend ist im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beteiligten000B auszuführen: Zutreffend hat das SG dargelegt, dass der Anspruch des Klägers auf Übernahme der Kosten für drei Viagra-Tabletten sich aus § 27 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 SGB V ergibt. Danach haben Versicherte, wie der Kläger, Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst, worum es hier geht, die Versorgung mit Arzneimitteln. Zu beachten ist ferner die Grundnorm des § 12 Abs. 1 SGB V. Nach dessen Abs. 1 gilt: Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken. Verfahrensrechtlich steht dem Anspruch des Klägers, wie das SG zu Recht ausgeführt hat, nicht entgegen, dass wegen der künftigen Inanspruchnahme von Viagra, d.h. auch noch für die hier streitige Zeit ab November 2001 kein besonderes Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren durchgeführt worden ist. Dies war hier nicht geboten. Der Kläger leidet, wie der Senat dem vom Kläger auf Anforderung des SG vorgelegten Attest des Dr. S vom 25. Juli 2000 entnimmt, an einer erektilen Dysfunktion. Diese stellt unabhängig von der Ursache, bezüglich der Dr. S am wahrscheinlichsten von einer Nervenschädigung als Folge einer im November 1992 durchgeführten Prostataoperation ausgeht, eine Krankheit im Sinne der GKV dar. Insoweit schließt sich auch der Senat aufgrund eigener Überprüfung der Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 30. September 1999, SozR 3-2500 § 27 Nr. 11 Bl. 38 ff. an. Auch der Beigeladene verneint im übrigen zwischenzeitlich nicht mehr das Vorliegen einer Krankheit, ebensowenig wie generell die Behandlungsbedürftigkeit, zumal er seinem Vortrag zufolge mit der AMRL nicht generell jegliche Behandlung wegen erektiler Dysfunktion zu Lasten der GKV schließen wollen. Das BSG hat auch überzeigend dargelegt, dass § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V in seiner derzeitigen Fassung keinen Raum für Erwägungen lasse, dass nämlich der begrenzte Versorgungsbereich der GKV dort ende, wo der private Lebensbereich prägend in den Vordergrund trete und damit die Überwindung der erektilen Dysfunktion, die für den einzelnen Versicherten subjektiv von unterschiedlichem Gewicht sei, der selbstverantwortlichen Entscheidung außerhalb der GKV überlassen werden müsse. Die erektile Dysfunktion ist beim Kläger auch behandlungsbedürftig (vgl. auch BSG a.a.O., SozR 3-2500 § 27 Nr. 11 Bl. 41), und zwar - entgegen der Ansicht vor allem des Beigeladenen - auch mittels Viagra. Auch insoweit entnimmt der Senat nämlich dem oben genannten Attest des Dr. S vom 25. Juli 2000, dass beim Kläger die Viagra-Medikation, also die Verordnung und das Einnehmen des zugelassenen Arzneimittels, ein geeignetes, verträgliches und nicht invasives Behandlungsmittel zur Therapie der Impotenz ist. Dem Attest des Dr. S entnimmt der Senat ebenfalls, dass beim Kläger ausreichend erfolgreiche operative Maßnahmen zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, unabhängig davon, ob eine Nervenschädigung vorliegt oder eine arterielle Durchblutungsstörung bzw. ein nervöses Leck, ausscheiden. Darauf, ob sich der verheiratete Kläger für die Notwendigkeit der Viagra-Medikation auch auf Grundrechte berufen kann, kommt es nicht an. Die Notwendigkeit der Viagra-Medikation und deren Wirtschaftlichkeit kann auch nicht deswegen verneint werden, weil der Kläger seit 1994 mit einem von der Beklagten zur Verfügung gestellten Erektionshilfegerät (Vakuumpumpe) versorgt ist und dieses Hilfsmittel offensichtlich auch bis zur Zulassung von Viagra in Deutschland ab 01. Oktober 1998 verwendet hat. Dies hat das SG zutreffend dargelegt. Es erweist sich nämlich die Viagra-Medikation im Vergleich zur (weiteren) Verwendung der Vakuumpumpe als die weniger belastende Behandlungsmethode. Mit der Zulassung von Viagra erscheint jedenfalls beim Kläger die Verwendung der Vakuumpumpe nicht mehr als geeignete Behandlungsmethode. Auch sonst erscheint die erstrebte Viagra-Medikation als wirtschaftlich. Es ist für den Senat nicht erkennbar, was im übrigen auch von der Beklagten und dem Beigeladenen nicht substantiiert geltend gemacht wird, dass es derzeit eine andere, weniger belastende und zudem auch kostengünstigere Behandlungsmethode hinsichtlich der erektilen Dysfunktion gibt. Insoweit wollen beispielsweise auch die Beklagte und der Beigeladene den Kläger nicht etwa auf die SKAT-Methode als Schwellkörperautoinjektionstherapie oder auf das vom Kläger erwähnte Arzneimittel IXENSE verweisen. Die mangelnde Wirtschaftlichkeit der Viagra-Medikation vermag der Senat auch nicht der begrenzten Wirkungsdauer von Viagra zu entnehmen. Aus der vom Kläger auszugsweise vorgelegten Veröffentlichung von Kolster "Chancen und Risiken eines neuen Potenzmittels (Was Männer und Frauen über Viagra wissen sollten)" ergibt sich, dass die Wirkung des Medikaments nach dem Einnehmen der Tablette innerhalb von 30 Minuten einsetzt; etwa eine Stunde nach Einnahme wird die maximale erektionsfördernde Wirkung erreicht; danach wird der Wirkstoff Sildenafil im Körper wieder langsam abgebaut; seine Wirkungsdauer beträgt danach bis zu vier Stunden. Daraus, dass eine Viagra-Tablette nur eine jeweils zeitlich begrenzte Wirkungsdauer hat, folgt nicht die Unwirtschaftlichkeit der Verwendung des Arzneimittels. Ein Grundsatz, dass nur kausal wirkende Arzneimittel verordnungsfähig sind und nicht auch solche, die am Krankheitssymptom ansetzen, besteht nicht. Das SG hat weiter zutreffend dargelegt, dass auch die vom Kläger begehrte Dosierung von höchstens drei Tabletten pro Monat, wobei der behandelnde Arzt offensichtlich jeweils nur die Gesamtmenge von jeweils zwölf Tabletten für einen längeren Zeitraum als einen Monat verordnet hat, nicht unwirtschaftlich ist. Darüber, mit welcher Häufigkeit der Kläger Viagra maximal beanspruchen könnte, besteht auch zwischen den Beteiligten kein Streit. Darauf, wie hoch im Durchschnitt bei der Altersgruppe des Klägers die Kohabitationsfrequenz pro Monat ist (vgl. dazu allgemein BSG, a.a.O., Bl. 39 mit Nachweisen), kommt es hier daher nicht an. Der Viagra-Medikation beim Kläger stehen auch sonstige gesetzliche Vorschriften nicht entgegen. Insbesondere ergibt sich der Ausschluss nicht aus § 34 SGB V (vgl. BSG, a.a.O., Bl. 43). Viagra zur Behandlung einer erektilen Dysfunktion im Sinne der Linderung der Krankheitsäußerung (Beschwerden) gehört nicht zu den in § 34 Abs 1 SGB V genannten Bagatellarzneimitteln, für die die Versorgung gemäß § 31 SGB V bereits von Gesetzes wegen ausgeschlossen ist. Eine Verordnung (VO) nach § 34 Abs 2 SGB V (erweiterte Bagatellarzneimittelliste) ist bisher nicht ergangen. Auch ist § 34 Abs 2 SGB V bisher nicht durch eine auf der Grundlage des § 33 a SGB V (in der Fassung des Gesetzes vom 22. Dezember 1999, BGBl. I S. 2626) erlassene Rechtsverordnung außer Kraft gesetzt worden. Die auf der Ermächtigungsgrundlage des § 34 Abs. 3 SGB V erlassene Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der GKV vom 21. Februar 1990, BGBl. I S. 301, zuletzt geändert durch die Verordnung vom 16. November 2000, BGBl. I S. 1593, enthält ebenfalls keinen Ausschluss von Viagra. Schließlich hat das SG zutreffend entschieden, dass dem Anspruch des Klägers auf Kostenübernahme von Viagra auch nicht die Regelung der Nr. 17.1 Buchstabe f der auf der Grundlage des § 92 Abs. 1 Nr. 6 SGB V geschlossenen AMRL in der ab 30. September 1998 geltenden Fassung des Beschlusses des BA vom 03. August 1998, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 03. Juli 2000, Bundesanzeiger Nr. 179 S. 18864, entgegensteht. Zu Recht hat das SG, worauf verwiesen wird, dargelegt, dass der BA nicht berechtigt war, unterschiedslos und ohne eine Differenzierung jegliche notwendige Behandlung einer erektilen Dysfunktion mit Arzneimitteln, also auch mittels Viagra, auszuschließen. Die Rechtfertigung für die weitgehende Beschlussregelung in den AMRL läßt sich nicht damit begründen, dass sich der Beigeladene, wie er selbst vorträgt, nicht in der Lage gesehen hat, eine differenzierte Lösung des von ihm bei der Viagra-Medikation in den Vordergrund gerückten Problems der Wirtschaftlichkeit ärztlicher Verordnung zu finden. Auch das BSG hat - entgegen der Ansicht des Beigeladenen - unter eingehender Würdigung der vom SG gleichfalls beigezogenen Materialien zum Beschluss des BA vom 03. August 1998 entschieden, dass dem BA die von ihm beanspruchte Kompetenz für den generellen Ausschluß der Behandlung einer erektilen Dysfunktion mittels Arzneimitteln gefehlt hat. Es obliegt nämlich danach derzeit nur dem Gesetzgeber zu entscheiden, ob er die Behandlung von Gesundheitsstörungen, die nach der herkömmlichen Begriffsbestimmung als "Krankheit" im Sinne des § 27 Abs. 1 SGB V zu verstehen sind, auf Kosten der solidarisch haftenden Versichertengemeinschaft deshalb untersagen will, weil die Wirtschaftlichkeit der Verordnung nicht überprüfbar ist (a.a.O., Bl. 49). Damit hätte es auch bezüglich Viagra dem Gesetzgeber oblegen, die finanziellen Auswirkungen der Verordnung von Viagra bei Vorliegen einer erektilen Dysfunktion als Sachleistung, denen hier aufgrund des Vortrags des Klägers und des Beigeladenen nicht weiter nachzugehen war, ins Blickfeld zu nehmen. Dieser Ansicht hat sich im übrigen auch das SG Lüneburg in den rechtskräftig gewordenen Urteilen vom 28. Februar 2000 (S 9 KR 94/99 und S 9 KR 77/99) angeschlossen, wobei die Rechtskraft des zuletzt genannten Urteils eingetreten ist, nachdem die dortige Beklagte die beim BSG unter dem Aktenzeichen B 1 KR 19/00 R anhängig gewesene Revision zurückgenommen hat. Der Senat vermag auch entgegen der Ansicht des Beigeladenen die von ihm beanspruchte Kompetenz, Viagra als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung auszuschließen, nicht etwa daraus herzuleiten, dass der Text des § 31 Abs. 1 SGB V durch das Gesetz vom 22. Dezember 1999 (BGBl. I S. 2626) geändert worden ist. § 31 Abs. 1 SGB V in der bis zur Neufassung durch das Gesetz vom 22. Dezember 1999 maßgebenden Fassung lautet: Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht durch § 34 SGB V ausgeschlossen sind, und auf Versorgung mit Verbandsmitteln, Harn- und Blutteststreifen. Durch das Gesetz vom 22. Dezember 1999 erhielt Abs. 1 der genannten Vorschrift zwar folgende Fassung: Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel in der vertragsärztlichen Versorgung verordnungsfähig sind, und auf Versorgung mit Verbandsmitteln, Harn- und Blutteststreifen. Der BA hat in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V festzulegen, in welchen medizinisch notwendigen Fällen Aminosäuremischungen, Eiweißhydrolysate, Elementardiäten und Sondernahrung ausnahmsweise in die Versorgung mit Arzneimitteln einbezogen werden. Damit soll klargestellt werden, dass nach Inkraftreten der Rechtsverordnung nach § 33 a SGB V grundsätzlich nur noch die in dieser Rechtsverordnung enthaltenen Arzneimittel zu Lasten der GKV verordnet werden dürfen (vgl. BT-Drucksache 14/1245 S. 34b zu Nr. 17 [§ 31]). Aus dieser Gesetzesänderung vermag der Senat, abgesehen davon, dass die für das Inkrafttreten des § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V n.F. maßgebende Verkündung der Rechtsverordnung zu § 33a Abs. 1 SGB V bisher noch nicht erfolgt ist, nicht zu entnehmen, dass nunmehr der BA die Kompetenz hat, die Behandlung einer erektilen Dysfunktion mit Viagra auf Kosten der Versichertengemeinschaft deshalb generell zu untersagen, weil die Wirtschaftlichkeit der Verordnung nicht zu überprüfen sei. Da der Kläger einen Anspruch auf Kostenübernahme für höchstens drei Viagra-Tabletten monatlich gegen ärztliche Verordnung ab November 2001 hat, war die Berufung der Beklagten mit der im Hinblick auf den Teilvergleich klarstellenden Maßgabe (Neufassung des Tenors des sozialgerichtlichen Urteils) zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
Saved