L 10 U 2815/99

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 2347/97
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 2815/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 33/01 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
8-jähriges Kind zu Besuch bei Großvater in Landwirtschaft nicht unfallversichert. Besucht ein 8-jähriges kind seinen Großvater und betätigt sich bei diesem mit landwirtschaftlichen Arbeiten, wie Heu holeb und Mist aufladen mit, steht das Kind regelmäßig nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 12. Mai 1999 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Anerkennung und Entschädigung eines Unfalls als Arbeitsunfall.

Der 1988 geborene (sprachbehinderte) Kläger Sch. hielt sich während der Sommerferien 1996 auf dem Bauernhof seines Großvaters, des Beigeladenen Ziff. 1, zu Besuch auf. Am 30. August 1996 begleitete er den Beigeladenen Ziff. 1 zunächst zum Grasholen auf eine Wiese. Danach wollte dieser noch eine Fuhre Mist ausbringen. Dafür stellte er einen Miststreuer, auf dem ein Mistkran aufgebaut und der über eine Zapfwelle mit einem Traktor verbunden war, unmittelbar an die Mistgrube, um den Mist aus der Grube in den daneben stehenden Anhänger zu befördern. Als die Grube fast leer war, stieg der Beigeladene Ziff. 1 bei laufendem Motor und sich drehender Zapfwelle in die Grube hinunter und kehrte Mistreste zusammen. Unterdessen kam eine Nachbarin auf den Hof und verwickelte ihn in ein Gespräch über einen Todesfall. Nachdem die Nachbarin den Hof wieder verlassen hatte, ging der Beigeladene Ziff. 1, der aus der Mistgrube herausgestiegen war, damit er die Nachbarin trotz des Motorlärms verstehen könne, um den Mistlader herum. Dabei sah er den Kläger direkt an der Zapfwelle zwischen dem Mistlader und dem Traktor hängen; der rechte Arm war abgerissen und lag neben dem Kläger auf dem Boden. Nach dem Bericht der Chirurgischen Universitätsklinik W. (Kinderchirurgie) vom 22. Januar 1997 erlitt der Kläger bei dem Unfall eine traumatische Oberarmamputation mit subkapitaler Oberarmfraktur rechts, Verbrennungen 3. bis 4. Grades im Bereich des rechten Thorax und Verbrennungen 2. Grades an der rechten Gesichtshälfte und am linken Unterarm (insgesamt ca. 15 v.H. der Körperoberfläche), außerdem eine Rippenserienfraktur 5-7 rechts, eine Osteomyelitissequestrierung im Rippenbereich 7-11 rechts, einen Hämatopneumothrax sowie eine Lungencontusion rechts.

Die Beklagte leitete das Feststellungsverfahren ein; sie erforschte mit Hilfe ihres Technischen Aufsichtsdienstes den Unfallhergang, ließ den Beigeladenen Ziff. 1 befragen und zog die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Ellwangen bei. Zum Hergang des Unfalls stellte der Technische Aufsichtsdienst im Bericht vom 02. Oktober 1996 fest, der Kläger sei offenbar an der Kordel seines Anoraks in die Schlepperzapfwelle gezogen worden. Nach Angaben des Beigeladenen Ziff. 1 habe der Kläger vor dem Unfall keinerlei landwirtschaftliche Tätigkeiten ausgeübt. Bei seiner kriminalpolizeilichen Vernehmung gab der Beigeladene Ziff. 1 am 02. September 1996 an, der Kläger habe ihn schon öfters in den Schulferien besucht; er sei gern auf dem Hof gewesen. Auch am Unfalltag hätten ihn seine Eltern gebracht. In den Morgenstunden habe er zusammen mit dem Kläger Gras von einer Wiese geholt; der Kläger habe ihn begleitet. Danach habe man etwas gegessen und sei sodann nach draußen gegangen, um noch eine Fuhre Mist aufs Feld zu bringen. Am Vortag hätten sie bereits mehrere Fuhren Mist ausgebracht; der Kläger sei immer dabei gewesen. Während des Gesprächs mit der Nachbarin habe sich der Kläger irgendwo im Bereich des Mistladers oder eines der Traktoren aufgehalten. Zu diesem Zeitpunkt habe er sich nicht um den Kläger gekümmert. Auf ihn sei er erst wieder aufmerksam geworden, als er auf den Mistlader habe steigen wollen; dann habe er gesehen, dass der Kläger an der Zapfwelle hänge. Auf einem Fragebogen der Beklagten, den der Beigeladene Ziff. 1 zusammen mit einem Mitarbeiter der Ortsbehörde für die Arbeiter- und Angestelltenversicherung am 05. Dezember 1996 ausfüllte, ist auf die Frage nach der (ausführlich zu schildernden) Betätigung des Klägers angegeben, an der Zugdeichsel habe ein Besen gelehnt. Vermutlich habe der Kläger diesen Besen nehmen wollen, nachdem er schon bei der vorherigen Mistfuhre den Hof mit dem Besen zusammengekehrt habe. Dazu sei er nach seinem Alter und seiner körperlichen und geistigen Verfassung auch in der Lage gewesen; er habe schon öfters den Hof gefegt.

Mit Bescheid vom 20. Mai 1997 lehnte es die Beklagte ab, den Unfall des Klägers als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen. Der Beigeladene Ziff. 1 habe weder bei den Ermittlungen an Ort und Stelle (am 02. September 1996) noch vor der Kriminalpolizei über Hilfeleistungen des Klägers berichtet, dem Technischen Aufsichtsbeamten vielmehr gesagt, der Kläger habe vor dem Unfall keinerlei landwirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt, sondern sich aus Neugier bzw. kindlichem Interesse dem Stalldunglader genähert. Es führe auch nicht weiter, wenn der Kläger, späteren Bekundungen zufolge, schon öfters den Hof gekehrt haben sollte.

Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs wurde vorgetragen, der Kläger habe dem Beigeladenen Ziff. 1 beim Mistladen geholfen, indem er mit dem Besen Mistreste zusammengekehrt habe. Der Besen sei unmittelbar neben der Unfallstelle gestanden. Mit Widerspruchsbescheid vom 03. September 1997 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch zurück. Der Kläger habe keine versicherte Tätigkeit verrichtet; das Widerspruchsvorbringen gehe mit den ursprünglichen Angaben im Verwaltungsverfahren nicht zusammen.

Am 02. Oktober 1997 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Heilbronn. Zur Begründung wurde das Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft und ergänzend vorgetragen, der Beigeladene Ziff. 1 habe deshalb vor der Polizei und im Feststellungsverfahren keine Angaben über die Tätigkeit des Klägers gemacht, weil er gemeint habe, er dürfe den Kläger nicht mithelfen lassen und man werde ihm das als Verschulden anrechnen.

Das Sozialgericht hörte den Kläger und vernahm den Beigeladenen Ziff. 1 in der mündlichen Verhandlung vom 12. Mai 1999 als Zeugen. Dieser gab an, der Kläger habe, während er, der Zeuge, den Mist für die einzige Fuhre an diesem Tag geladen habe, auf der Haustreppe gesessen. Als er zum Gespräch mit der Nachbarin aus der Grube gestiegen sei, habe er nicht gewusst, wo sich der Kläger aufhalte. Es könne sein, dass der Kläger einen Besen habe nehmen wollen, um den Hof zu fegen; das sei aber nur eine Vermutung. Am Vortag habe der Kläger sich auch mal den Besen genommen und mitgekehrt, weil er das so bei ihm gesehen habe. Auch beim Heumachen (in der Scheune) oder beim Füttern habe der Kläger manchmal geholfen, beim Füttern etwa, indem er immer wieder mit der Heugabel Mist und Heu gegabelt habe. Der Kläger erklärte, als der Beigeladene Ziff. 1 in die Grube gestiegen sei, habe er auf der Treppe im Hauseingang gesessen und dann mitgehäckselt. Er sei an den Wagen hingelaufen und habe dann geweint; dann sei er in die Welle gekommen. Weshalb er hingelaufen sei, wisse er nicht mehr. Danach gefragt, gab der Kläger an, er habe auf den Traktor steigen wollen.

Mit Urteil vom 12. Mai 1999 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, man könne offenlassen, ob es überhaupt als Arbeit anzusehen sei, wenn ein (seinerzeit) acht Jahre alter Junge den Hof zusammenkehre. Jedenfalls sei nicht nachgewiesen, dass der Kläger im Zeitpunkt des Unfalls eine versicherte Tätigkeit verrichtet habe. Der als Zeuge vernommene Großvater des Klägers habe zum Unfallhergang keine Angaben machen können. Gleiches gelte für den Kläger selbst, der sich möglicherweise wegen seiner Sprachbehinderung nicht mehr daran erinnern könne, was er im Unfallzeitpunkt habe tun wollen. Es könne durchaus sein, dass er beabsichtigt habe, den Besen zu ergreifen, um den vom Mistladen verschmutzten Hof zu fegen. Objektive Anhaltspunkte dafür gebe es aber nicht. Genausogut könne der Kläger aus kindlichem Interesse an der sich bewegenden Maschine oder in der Absicht, den Traktor zu besteigen, zu der Deichsel hingegangen sein. Es führe auch nicht weiter, wenn der Kläger, wie sein Großvater vorbringe vorbringe, ab und an zur Hand gegangen sei und mitunter auch den Besen genommen und mitgekehrt habe. Das Urteil wurde dem Kläger am 23. Juni 1999 zugestellt.

Am 15. Juli 1999 hat der Kläger Berufung eingelegt. Der Senat hat mit Beschluss vom 11. September 2001 den Großvater des Klägers (Beigeladener Ziff. 1) und dessen Haftpflichtversicherer (Beigeladene Ziff. 2) beigeladen. Zur Begründung der Berufung wird eine erneute Anhörung des Beigeladenen Ziff. 1 sowie des Klägers, der sich jetzt besser an den Unfall erinnern könne, angeregt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 12. Mai 1999 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20. Mai 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. September 1997 zu verurteilen, den Unfall vom 30. August 1996 als Arbeitsunfall anzuerkennen und ihm wegen dessen Folgen die gesetzliche Entschädigung zu gewähren,

hilfsweise, ihn nochmals anzuhören sowie den Beigeladenen Ziff. 1 erneut zu vernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, den Unfall vom 30. August 1996 als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen. Der Kläger hat darauf keinen Anspruch.

Das Sozialgericht hat den entscheidungserheblichen Sachverhalt festgestellt und in seinem Urteil vom 12. Mai 1999 rechtsfehlerfrei dargelegt, nach welchen Vorschriften (insbesondere nach §§ 548, 539 Reichsversicherungsordnung, RVO) der geltend gemachte Anspruch zu beurteilen ist und weshalb deren Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Der Senat macht sich die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils nach Überprüfung zu eigen und sieht von einer weiteren Begründung weitgehend ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beteiligten anzumerken:

Versicherungsschutz kommt hier nur gemäß § 539 Abs. 2 i.V.m. § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO in Betracht. Nach diesen Vorschriften sind gegen Arbeitsunfall (auch) Personen versichert, die wie ein Arbeitnehmer tätig werden. Das Gesetz (jetzt: § 2 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch, SGB VII) unterstellt das regelmäßig fremdnützige, arbeitnehmerähnliche Verhalten dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, weil es die Ähnlichkeit zur Arbeitnehmertätigkeit (§ 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO; jetzt: § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) rechtfertigt, das Handlungsrisiko dem nutznießenden Unternehmen zuzurechnen. Um eine Versicherung aus Billigkeit oder eine Art Volksversicherung für sonstige nützliche Tätigkeiten, wenn einzelne Merkmale des § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO bzw. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII fehlen, geht es nicht. Arbeitnehmerähnliches Verhalten ist deshalb nur unter einschränkenden Voraussetzungen gesetzlich versichert: Die jeweilige Tätigkeit muss einen wirtschaftlichen Wert haben und einem Unternehmen dienen, in dem der Handelnde nicht bereits als Beschäftigter (Arbeitnehmer) versichert ist; sie muss weiter dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechen und ihrer Art nach von Arbeitnehmern verrichtet werden können und außerdem konkret unter arbeitnehmerähnlichen Umständen vorgenommen worden sein (BSG, Urt. v. 01. Juli 1997, - 2 RU 32/96 -, HVBG-Info 1997, 2728; Kass-Komm-Ricke, SGB VII § 2 Rdnr. 104). Maßgeblich ist das Gesamtbild, das die Tätigkeit abgibt.

Ob eine in diesem Sinne arbeitnehmerähnliche Tätigkeit, im Besonderen eine einem Unternehmen dienende Tätigkeit, vorliegt, richtet sich nach der Handlungstendenz des Verletzten. Diese entscheidet allgemein über die Reichweite des gesetzlichen Versicherungsschutzes. Handelt der Verletzte als Arbeitnehmer (Beschäftigter), geht es also um die Anwendung des § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO (bzw. jetzt des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII), bestimmt sich nach der Handlungstendenz, ob ein innerer Zusammenhang zwischen dem Verhalten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, und der versicherten Tätigkeit besteht, mithin, ob der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung das unfallverursachende Verhalten im jeweiligen Schadensfall (noch) einschließt oder als dem privaten Lebensbereich zugehörend dem Schutz (etwaiger) privater Unfallversicherungen anheimstellt. Nichts anderes gilt, wenn der Verletzte nicht als, sondern wie ein Arbeitnehmer (Beschäftigter) handelt, also § 539 Abs. 2 RVO (bzw. jetzt: § 2 Abs. 2 SGB VII) anzuwenden ist. Auch dann trennt die - im Merkmal der dem Unternehmen dienenden Tätigkeit angelegte - Handlungstendenz den versicherten (fremdwirtschaftlichen) vom unversicherten (eigenwirtschaftlichen) Bereich. Der Senat stützt sich hierfür auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. etwa Urt. v. 02. Februar 1999, - B 2 U 7/98 R -, HVBG-Info 1999, 1057; Urt. v. 01. Juli 1997, aaO, Beschl. v. 26. Juli 1993, - 2 BU 177/92 -, HV-Info 1993, 2301; Urt. v. 30. Juni 1993, - 2 RU 40/92 -, HV- Info 1993, 2215; Urt. v. 25. November 1992, - 2 RU 48/91 -, HV-Info 1993, 305; Urt. v. 20. Januar 1987, - 2 RU 15/86, SozR 2200 § 539 Nr. 119). Dass es auf die Beweggründe des Handelns nicht ankommt (BSG, Urt. v. 01. Juli 1997, - 2 RU 32/96 -, wo freilich gleichwohl auf die Handlungstendenz abgestellt ist), stellt die Maßgeblichkeit der Handlungstendenz nicht in Frage (BSG, Urt. v. 19. März 1996, - 2 RU 15/95 -, SozSich 1997, 358; zweifelnd insoweit offenbar: LSG SH, Urt. v. 15. Januar 1998, - L 5 U 124/96 -, HVBG-Info 1998, 1956). Zu ermitteln ist die Handlungstendenz in erster Linie nach den aufgrund objektiver Anhaltspunkte nachvollziehbaren

subjektiven Vorstellungen des Verunglückten. Beurteilungsmaßstab und Beurteilungszeitpunkt ist die Sicht des objektiven Beobachters zur Zeit, als die betreffende Handlung vorgenommen wurde. Die tatsächlichen Grundlagen hierfür müssen erwiesen sein; (hinreichende) Wahrscheinlichkeit genügt nicht. Es muss sicher feststehen, dass im Unfallzeitpunkt eine versicherte Tätigkeit ausgeübt wurde (vgl. etwa: BSG, Urt. v. 01. Juli 1997, aaO; BSGE 58,76,77; 61,127,128).

Nach diesen Rechtsgrundsätzen richtet sich auch der Unfallversicherungsschutz von Kindern, sofern eine (möglicherweise) arbeitnehmerähnliche Tätigkeit in Rede steht. Das bedeutet, dass es insoweit ein Mindestalter zwar nicht gibt und bspw. auch ein 4 1/2- jähriges Kind arbeitnehmerähnlich tätig sein kann (vgl. etwa Bay LSG, Urt. v. 11. März 1997, - L 17 U 39/96 -, HVBG-Info 1997, 3111; auch LSG Nds. Urt. v. 16. Juni 1994, - L 6 U 158/93 -, HVBG-Info 1995, 389; Urt. v. 20. November 1980, - L 3 U 54/80 -). Jedoch bleibt stets zu prüfen, ob die Handlungstendenz des Kindes nicht wesentlich (oder gar ausschließlich) darauf gerichtet war, sich spielerisch zu beschäftigen oder das Verhalten Erwachsener aus seinem Spieltrieb heraus nachzuahmen (vgl. LSG Bad.- Württ., Urt. v. 10. März 1998, - L 10 U 3126/97 -, HVBG-Info 1998, 2129; auch Bay LSG, Urt. v. 22. Oktober 1986, - L 2 U 198/84 -, HV-Info 1987, 343; Bay LSG, Urt. v. 06. Juni 1984, - L 2 U 262/83 -, HV-Info 1984 Nr. 17, 12 - 14). Dann steht nämlich ein Verhalten in Rede, das dem privaten, gesetzlich nicht gegen Unfallgefahr versicherten Lebensbereich (des Kindes) zugeordnet ist.

Hiervon ausgehend kann der Kläger den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nicht beanspruchen. Denn der vom Sozialgericht als entscheidungserheblich festgestellte und durch zusätzliche Ermittlungsbemühungen nicht mehr weiter zu erhellende Sachverhalt gibt für die Annahme, der Kläger habe bei dem Unfall nach seiner Handlungstendenz wie ein Arbeitnehmer für den Beigeladenen Ziff. 1 tätig sein wollen, keine tragfähigen objektiven Anhaltspunkte. Vielmehr weist alles darauf hin, dass er aus kindlichem Spieltrieb heraus das Verhalten Erwachsener nachzuahmen trachtete.

So spricht nach Ansicht des Senats bereits eine Vermutung regelmäßig dafür, dass die Betätigungen eines Schulkindes der (seinerzeitigen) Altersgruppe des Klägers während eines Ferienaufenthalts im landwirtschaftlichen Betrieb eines (nahen) Verwandten wesentlich nicht von fremdwirtschaftlicher arbeitnehmerähnlicher, sondern von spielerischer, außerdem verwandtschaftlicher, Handlungstendenz geprägt sind. Das Vorbringen der Beigeladenen (in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat), der Kläger sei nach Angaben des Beigeladenen Ziff. 1 auf dem Bauernhof "tätig" gewesen, führt deshalb für sich allein genommen nicht weiter. Wenn ein Kind "Ferien auf dem Bauernhof" verbringt, wird (und soll) es sich (selbstverständlich) betätigen und seine Ferientage nicht mit untätigem Herumsitzen verbringen, sondern (wie hier mit dem Großvater) auch aufs Feld gehen oder in den Stall und hierbei auch einmal Hand anlegen. Bei allen Betätigungen dieser Art geht es gemäß der nach außen hervortretenden - allein maßgeblichen - Handlungstendenz des Kindes jedoch regelmäßig nicht um einen Einsatz als Arbeitnehmer, als eine Art Landarbeiter, sondern um kindliches Spiel, unbeschadet dessen, dass dabei das eine oder andere Brauchbare für den landwirtschaftlichen Unternehmer herauskommen mag. Diese Regelvermutung, die der Senat als gewichtiges Indiz und nicht im (strengen) Sinne des Anscheinsbeweises versteht, braucht naturgemäß nicht in jedem Falle zuzutreffen. Freilich müssen dann aber hinreichend gewichtige objektive Anhaltspunkte festzustellen sein, die das kindliche Verhalten in Fällen der vorliegenden Art dem gesetzlich gegen Unfallgefahren versicherten Bereich arbeitnehmerähnlicher Tätigkeit zuweisen. Daran fehlt es hier.

So gab der Kläger selbst in der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts an, er wisse nicht mehr, weshalb er zu dem Wagen hingelaufen sei, bzw. er habe auf den Traktor aufsteigen wollen; Letzteres bestätigte er auf Nachfrage ausdrücklich. Für die (vom Beigeladenen Ziff. 1) behauptete Hilfstätigkeit beim Mistladen (Hofkehren) bzw. eine entsprechende arbeitnehmerähnliche Handlungstendenz des Klägers gibt dieses Vorbringen nichts her; es weist vielmehr auf kindlich spielerisches Verhalten hin. Hierzu passen die Erklärungen des Beigeladenen Ziff. 1 gegenüber dem Technischen Aufsichtsbeamten der Beklagten wenige Tage nach dem Unfall (am 02. September 1996). Im Unfallbericht über die Erhebungen an Ort und Stelle vom 02. Oktober 1996 heißt es dazu nämlich, der Kläger habe nach Angaben des Beigeladenen Ziff. 1 vor dem Unfall keinerlei landwirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt, sich vielmehr aus Neugier bzw. kindlichem Interesse dem Stalldunglader genähert.

Die Schilderung des Unfalltages, die der Beigeladene Ziff. 1 bei seiner polizeilichen Vernehmung gegeben hat, weist in die gleiche Richtung. Wiederum ist von landwirtschaftlichen Hilfstätigkeiten keine Rede: Beim Grasholen habe der Kläger ihn, den Beigeladenen Ziff. 1, "begleitet", bei den Mistfuhren am Tag vor dem Unfall sei der Kläger immer "dabeigewesen". Dies passt in das Gesamtbild eines Ferienaufenthalts auf dem Bauernhof des Großvaters, bei dem es (auch am Unfalltag) nicht darum ging, das Ferienkind wie einen Arbeitnehmer zu landwirtschaftlichen Hilfstätigkeiten heranzuziehen. Eine anderweitige Handlungstendenz des Klägers beim zum Unfall führenden Verhalten konnte der Beigeladene Ziff. 1, der dem Kläger keinerlei (Arbeits)weisungen erteilt hatte, im Verwaltungsverfahren (Fragebogen vom 05. Dezember 1996) wie im Gerichtsverfahren (mündliche Verhandlung des Sozialgerichts vom 12. Mai 1999) auch nur vermuten; es könne sein, dass der Kläger einen Besen habe nehmen und kehren wollen. Greifbare objektive Anhaltspunkte für eine (wesentlich auch) auf arbeitnehmerähnliches Mithelfen gerichtete Handlungstendenz bei der zum Unfall führenden Tätigkeit gibt das freilich nicht her. Selbst wenn der Kläger, was ebenfalls nur zu mutmaßen ist, mit dem Besen gefegt habe sollte, so ließe sich nicht feststellen, dass er diese Tätigkeit konkret unter arbeitnehmerähnlichen Umständen vorgenommen hätte. Das Fegen wäre viel eher als das Verhalten Erwachsener nachahmendes Spiel zu begreifen. Der Beigeladene Ziff. 1 selbst schätzte das offenbar so ein, wenn er vor dem Sozialgericht angab, der Kläger habe sich am Tag vor dem Unfall den Besen genommen und mitgekehrt, weil er das so bei ihm gesehen habe. Deshalb kann es auch nicht weiterführen, dass der Kläger, wie der Beigeladene Ziff. 1 angab, beim Heumachen oder Füttern dabei gewesen sei und manchmal in der Scheune geholfen oder immer wieder Mist und Heu gegabelt habe. Auch dabei ginge es nämlich nicht um arbeitnehmerähnliche Hilfstätigkeiten in einem landwirtschaftlichen Betrieb (bspw. durch ein mitarbeitendes Familienmitglied), sondern um das spielerische Nachahmungsverhalten eines sich zum Ferienvergnügen auf dem Hof des Großvaters aufhaltenden Kindes. Das zum Unfall führende Verhalten des Klägers erhielt seine Prägung durch das Verwandtschaftsverhältnis Großvater - Enkel (vgl. zuletzt BSG, SozR 3 - 2200 § 548 Nr. 37).

Welche Gedanken, etwa Ängste vor Strafverfolgung, den Beigeladenen Ziff. 1 seinerzeit bei den Aussagen im Verwaltungsverfahren oder vor dem Sozialgericht umgetrieben haben, mag dahinstehen und ist nicht weiter aufzuklären. Für den vom Kläger beanspruchten Unfallversicherungsschutz kommt es nämlich, wie bereits ausgeführt wurde, einzig und allein darauf an, dass er beim zum Unfall führenden Verhalten rechtlich wesentlich und nach außen objektiv hervortretend wie ein Arbeitnehmer und nicht wie ein das Verhalten Erwachsener spielerisch nachahmendes Kind tätig sein wollte. Die Motivationslage und die Vorstellungen des Beigeladenen Ziff. 1 geben dafür nichts her; dass dem Kläger Arbeitsweisungen erteilt worden seien, wird im Übrigen nicht behauptet; mit dem bisherigen Verfahrensvorbringen ginge das auch nicht zusammen, ohne dass dafür (auch nur ansatzweise plausible) Erklärungsversuche ersichtlich sein könnten. Insoweit kann der Senat auch nicht recht nachvollziehen, weshalb und inwiefern der Beigeladene Ziff. 1 seinerzeit (auch noch bei seiner Vernehmung vor dem Sozialgericht am 12. Mai 1999) Angst vor dem Vorwurf gehabt haben soll, er habe sich vom Kläger zu Unrecht auf seinem Hof helfen lassen. Darum ging es im Kern nicht, sondern allenfalls um den Vorwurf, dass er auf den Kläger möglicherweise nicht ausreichend geachtet habe, als er sich - bei laufendem Motor des Mistladers - mit der Nachbarin unterhielt.

Weitere Ermittlungen sind nicht anzustellen; den in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisantrag lehnt der Senat ab. Er braucht den Beigeladenen Ziff. 1 nicht erneut als Zeugen zu vernehmen, auch wenn er darauf beharren mag, der Kläger habe ihm am Unfalltag Hilfestellung im landwirtschaftlichen Betrieb, beim Zusammenkehren von Mist, geleistet. Abgesehen davon, dass der Beigeladene Ziff. 1 das Geschehen unmittelbar vor und beim Unfall gar nicht gesehen hat, ist es für sich genommen unerheblich, ob der Kläger (etwa) den Hof (mit)gefegt hat oder dies tun wollte. Wie bereits ausgeführt wurde, fehlte diesem (unterstellten) Verhalten nämlich die allein ausschlaggebende auf arbeitnehmerähnliches Tun gerichtete und nach außen objektiv hervortretende, den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung begründende, Handlungstendenz. Deshalb ist auch der Kläger nicht erneut anzuhören. Es führt insoweit nicht weiter, dass er sich nach Angaben seiner Mutter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat jetzt (freilich auch nicht an jedem Tag) besser an den Unfall erinnern und über seine Absichten berichten könne und wisse, was er sagen solle. Auch dann, wenn er seinerzeit tatsächlich einen Besen nehmen und fegen wollte bzw. dies getan hätte, begründete dieses Verhalten den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nach den vorstehenden Ausführungen nicht.

Das Sozialgericht hat die Klage danach zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung des Klägers erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Der Senat lässt die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu, weil er es für grundsätzlich klärungsbedürftig erachtet, nach welchen Maßstäben die Handlungstendenz in (landwirtschaftlichen) Betrieben verunglückender Kinder im Einzelnen festzustellen ist.
Rechtskraft
Aus
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