L 7 U 2949/01 KO-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 196/01 KO-A
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 U 2949/01 KO-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Gutachtensauftrag durch mehrere Spruchköper.

Zur Kostenübernahme auf die Staatskasse und zur Rückzahlung des Vorschusses, wenn das gemäß § 109 SGG erstattete Gutachten von mehreren Spruchköpern in Auftrag gegeben worden ist.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 06. März 2001 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I Der Antragsteller (Ast) begehrt die Übernahme von Kosten und Auslagen, die ihm durch die Einholung eines Gutachtens nach seinem Antrag gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entstanden sind.

Der Ast erlitt am 29.09.1995 einen Unfall, der von der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (Verw-BG) als Versicherungsfall anerkannt wurde. Die Gewährung einer Rente hatte sie aber abgelehnt (Bescheide vom 04.03.1998/23.07.1998). Im Rahmen des vom Kläger deswegen angestrengten Klageverfahrens (S 2 U 2223/98) vor dem Sozialgericht Mannheim (SG) war ein Gutachten von Amts wegen von Prof. Dr. M. vom 24.08.1999 eingeholt worden, worauf die Verw-BG mit Bescheid vom 14.02.2001 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v.H. vom 05.08. bis 30.09.1996 gewährte. Der Ast hielt an seiner weitergehenden Klage fest und beantragte, nach § 109 SGG von Dr. S. ein Gutachten einzuholen. Das SG forderte einen Kostenvorschuss in Höhe von 1.800,- DM an und holte daraufhin von Dr. S. das Gutachten vom 29.05.2000 sowie die ergänzende Stellungnahme vom 11.09.2000 ein. Darin wurden auf nervenärztlichem Gebiet Folgen des Unfalls vom 29.05.1995 verneint. Mit Urteil vom 18.12.2000 wies das SG die Klage ab. Die hiergegen eingelegte Berufung blieb erfolglos (Beschluss des Senats vom 26.11.2001, Az. L 7 U 749/01).

Im Rahmen des beim SG anhängigen Schwerbehindertenverfahrens (Az. S 7 SB 3355/97) hatte der Kläger bei der 7. Kammer des SG ebenfalls nach § 109 SGG beantragt, zur Frage der Feststellung des bei ihm vorliegenden Grades der Behinderung (GdB) von Dr. S. ein Gutachten einzuholen. Die 2. Kammer des SG hatte daraufhin den Gutachtensauftrag vom 04.01.2000 unter den Aktenzeichen der Verfahren der 2. und 7. Kammer erteilt. Der Gutachtensauftrag enthielt Beweisfragen zu beiden Verfahren und den Hinweis, zur Abdeckung aller Gerichtskosten sei ein etwaig zu erhöhender Kostenvorschuss in Höhe von 1.800,- DM eingeholt worden. Die 7. Kammer selbst hatte keinen Kostenvorschuss erhoben. In ihrem Gutachten vom 29.05.2000 beantwortete Dr. S. auch die das Verfahren der 7. Kammer des SG betreffenden Beweisfragen ... Das Schwerbehindertenverfahren erledigte sich aufgrund der Einholung des Gutachtens von Dr. S. durch Vergleich.

Zugleich war vor dem Landessozialgericht (LSG) die Berufung wegen eines Rentenverfahrens des Klägers anhängig (L 8 RJ 1902/98). Auch in diesem Verfahren hatte der Kläger nach § 109 SGG die Einholung eines Gutachtens von Dr. S. beantragt. Entsprechend dem hierauf ebenfalls erteilten Gutachtensauftrag des LSG vom 03.03.2000 enthält das Gutachten vom 29.05.2000 diesbezügliche Ausführungen. Das LSG forderte in diesem Berufungsverfahren einen Kostenvorschuss in Höhe von 1.000,- DM an. Nachdem sich das Verfahren durch Teil-Anerkenntnis des beklagten Rentenversicherungsträgers auf dem Vergleichswege erledigt hatte, wurde dieser Kostenvorschuss dem Ast zurückgezahlt.

Die Sachverständige hat beim SG als Entschädigung 1392,50 DM (für das Gutachten vom 29.05.2000 ) und 126,50 DM (für die ergänzende Stellungnahme vom 11.09.2000) geltend gemacht und auch erhalten.

Am 18.01.2001 beantragte der Ast beim SG im Rahmen des unfallversicherungsrechtlichen Verfahrens die Erstattung der Kosten für das Gutachten von Dr. S. mit der Begründung, im Schwerbehindertenverfahren sei auf entsprechenden Hinweis des SG (7. Kammer) der Kostenantrag zurückgenommen worden, weil dort kein erstattungsfähiger Kostenvorschuss angefordert worden sei. In diesem Verfahren sei aber das Gutachten vom 29.05.2000 Grundlage für das verfahrensbeendende Vergleichsangebot des Beklagten gewesen. Wegen der real entstandenen Kosten, die in der Kostennote der Sachverständigen Dr. S. nicht aufgeschlüsselt seien, müsse ihm in diesem Verfahren Kostenerstattung gewährt werden. Auch in dem Rentenverfahren habe das Gutachten von Dr. S. zur Prozessbeendigung durch weitere Sachverhaltsaufklärung beigetragen.

Der Antragsgegner ist dem Antrag entgegen getreten, denn gemessen am Prozessziel im unfallversicherungsrechtlichen Verfahren habe das Gutachten keinen wesentlichen Beitrag zur Sachverhaltsaufklärung geleistet.

Mit Beschluss vom 06.03.2001 entschied das SG (2. Kammer): "Die im Zusammenhang mit der auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG erfolgten Beauftragung von hat Dr. S. entstandenen Kosten für die Expertisen im Verfahren S 2 U 2223/98 und die baren Auslagen des Antragstellers hat dieser endgültig selbst zu tragen".

Gegen den ihm am 07.03.2001 zugestellten Beschluss hat der Ast am 06.04.2001 per Telefax beim SG Beschwerde erhoben mit der Begründung, das SG habe keine Entscheidung über die abscheidbaren Kosten für das im Auftrag des LSG erstattete Gutachten getroffen. Über einen entsprechenden Antrag beim LSG im Kostenverfahren L 8 RJ 2264/01 KO-A sei noch nicht ent- schieden. Es sei auch noch keine Klarheit darüber herbeigeführt, welches Verfahren vorgreiflich zu entscheiden sei ... Wegen des Schwerbehindertenverfahrens habe das SG bereits entschieden, dass 89,50 DM von der Staatskasse zu tragen seien. Es sei daher zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die verbliebenen Kosten in Höhe von 1.429,50 DM ganz oder teilweise zu übernehmen seien.

Das SG (2. Kammer) hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Beschluss vom 06.07.2001) und sie dem LSG zur Entscheidung vorgelegt.

Der Antragsgegner hat die Zurückweisung der Beschwerde beantragt mit der Begründung, die Ablehnung der Kostenübernahme auf die Staatskasse sei durch den vorinstanzlichen Richter im Rahmen seines Ermessensspielraums zutreffend erfolgt.

Im Übrigen wird auf die beigezogenen Akten des SG und die angefallene Akte des Senats verwiesen.

II.

Die Beschwerde des Ast ist zulässig, aber im Ergebnis nicht begründet.

Die nach § 109 SGG beantragte gutachtliche Anhörung eines bestimmten Arztes kann davon abhängig gemacht werden, dass der Antragsteller die Kosten vorschießt und diese vorbehaltlich einer Entscheidung des Gerichts endgültig trägt. Die danach zu treffende Entscheidung steht im Ermessen des Gerichts (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl. § 109 Rdnr. 18). Das vom Sozialgericht ausgeübte Ermessen ist vom Senat im Beschwerdeverfahren voll nachprüfbar, da die Befugnis zur Ausübung des Ermessens durch die Beschwerde auf das Beschwerdegericht überge-gangen ist (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. stellvertretend Beschluss vom 30.03.2001 - L 7 U 4631/00 KO-B - m.w.N.).

Bei der Ermessensbetätigung ist zu berücksichtigen, ob das Gutachten für die gerichtliche Entscheidung bzw. für die Verfahrensbeendigung bedeutend geworden bzw. die Aufklärung objektiv gefördert hat. Nicht zwingend ist darauf abzustellen, wer den Prozess gewonnen hat. Eine Kostenübernahme auf die Staatskasse entfällt, wenn das Gutachten für das Verfahren nichts Neues erbracht und die Klage im Ergebnis erfolglos geblieben ist (vgl. Meyer-Ladewig a.a.O. Rdnr. 16a).

Nach diesen Grundsätzen hat das SG die Übernahme der Kosten der Gutachten von Dr. S. vom 29.05. und 11.09.2000, soweit sie durch das Verfahren der 2. Kammer betreffend den Arbeitsunfall am 29.09.1995 verursacht sind, ohne Ermessensfehler abgelehnt. Für dieses Verfahren hat das Gutachten weder wesentlich zur Sachaufklärung noch zu einem Prozesserfolg des Klägers beigetragen, denn Dr. S. hat im Wesentlichen die gutachtliche Einschätzung von Prof. Dr. F., dass kein wahrscheinlicher Zusammenhang der psychischen Erkrankung des Klägers mit dem Unfall besteht, bestätigt. Soweit sie abweichend von Dr. B. in dessen im Schwerbehindertenverfahren vom SG eingeholten Gutachten vom 28.05.1999 eine schwere neurotische Depression mit Somatisierungstendenz auf dem Boden einer asthenischen Persönlichkeitsstruktur diagnostiziert, ist dies kein für das Verfahren der 2. Kammer wesentlicher Beitrag zur Sachverhaltsaufklärung. Die von ihr auf die von Beginn bis Mitte 1999 eingetretenen, belastenden Ereignisse bezogene Verschlimmerung des psychischen Zustands des Ast, die zu der genannten Diagnose führte, war nach ihrer Einschätzung nicht von dem streitigen Versicherungsfall am 29.09.1995 mitverursacht. Einen wesentlichen, von den bisherigen Erkenntnissen abweichenden Beitrag zur Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts hat das Gutachten von Dr. S. somit nicht geleistet. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn im Rahmen des vom Gericht auszuübenden Ermessens die durch das Gutachten auf unfallversicherungsrechtlichem Gebiet entstandenen Kosten nicht auf die Staatskasse übernommen werden und vom Ast zu tragen sind.

Entgegen der Auffassung des Ast ist im Kostenübernahmeverfahren kein Ausspruch über die Höhe der zu übernehmenden Kosten zu treffen. Im vorliegenden Kostenübernahmeverfahren ist nur zu entscheiden, ob und ggfs. mit welchen Anteilen die durch den Rechtsstreit S 2 U 2223/98 verursachten Kosten des nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens dem Grunde nach zu übernehmen sind. Dies folgt schon daraus, dass die betreffenden Kammern des SG bzw. der betreffende Senat des LSG nur jeweils hinsichtlich der in ihrem Verfahren angefallenen Kosten des nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens zuständigkeitshalber entscheiden können, inwiefern diese auf die Staatskasse zu übernehmen sind. Aus dem Umstand, dass die 2. Kammer des SG den Gutachtensauftrag nach § 109 SGG auch bezüglich des Verfahrens vor der 7. Kammer erteilt hat, ergibt sich nichts anderes. Insoweit ist die 2. Kammer nicht in eigener Zuständigkeit, sondern aus Gründen der Vereinfachung für die 7. Kammer in deren Namen tätig geworden. Entgegen der im angefochtenen Beschluss vertretenen Auffassung ist aber auch für dieses Verfahren ein Kostenvorschuss erhoben worden, denn nach dem insoweit unmissverständlichen Wortlaut des Gutachtensauftrages vom 04.01.2000, der auch dem Ast zur Kenntnisnahme zugeleitet worden war, betraf der Vorschuss "alle" Gerichtskosten. Über einen - wiederholbaren - Antrag auf Übernahme der im Schwerbehindertenverfahren angefallenen Kosten des Gutachtens hätte gegebenenfalls die zuständige 7. Kammer zu entscheiden. In diesem Zusammenhang wäre auch zu prüfen, ob nicht abscheidbare Kosten (z. B. Untersuchungs- und Fahrtkosten sowie die baren Auslagen des Klägers anlässlich seiner Untersuchung durch die Sachverständige) - wenigstens anteilig - auf die Staatskasse zu übernehmen sind.

Im Kostenfestsetzungsverfahren hat der Kostenbeamte zu entscheiden, in welcher Höhe die von Dr. S. geltend gemachte Entschädigung zu Recht besteht, inwieweit sich "abscheidbare Kosten" feststellen lassen, die auf die Beantwortung der Beweisfragen im unfallversicherungsrechtlichen, rentenrechtlichen und Schwerbehindertenverfahren bezogen werden können und in welcher Höhe die nicht abscheidbaren Kosten den drei genannten Rechtsstreitigkeiten zuzuordnen sind. Dies setzt allerdings voraus, dass zunächst auch die 7. Kammer des SG Mannheim und der 8. Senat des LSG gemäß § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG darüber entscheiden, ob und ggfs. mit welchem Anteil die auf die betreffenden Rechtsstreitigkeiten entfallenden Kosten des Gutachtens von Dr. S. auf die Staatskasse übernommen werden können. Hiervon wird die endgültige Abrechnung der vom Kläger geleisteten Kostenvorschüsse von 1.800,-DM und 1.000,-DM abhängen. Dabei dürfen die beiden Vorschusszahlungen nicht einzelnen Rechtsstreitigkeiten zugeordnet werden. Sie müssen vielmehr als Einheit behandelt werden, denn mit seiner Anforderung des zusätzlichen Vorschusses von 1.000,-DM verfolgte der 8. Senat nicht das Ziel, speziell den durch die Beantwortung der rentenrechtlichen Beweisfragen bedingten Aufwand abzudecken, sondern sicherzustellen, dass der vom Kläger eingezahlte Vorschuss insgesamt dem Umfang des erweiterten Gutachtensauftrags entsprach. Ebenso wenig darf der Vorschuss von 1.800,- DM anteilmäßig auf die Rechtsstreitigkeiten auf den Gebieten der Unfallversicherung und des Schwerbehindertenrechts bezogen werden.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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