L 12 AL 286/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 30 AL 472/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AL 286/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 10.11.2003 abgeändert. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 06.11.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.11.2002 und des Änderungsbescheides vom 17.01.2003 sowie des Bescheides vom 21.11.2003 und des Änderungsbescheides aus Januar 2004 verurteilt, dem Kläger Arbeitslosenhilfe zu gewähren und dabei bei dem anzurechnenden monatlichen Bruttoeinkommen der Ehefrau ab 28.10.2003 weitere 37,25 Euro und ab 28.10.2003 weitere 37,85 Euro als Versicherungsbeiträge zu berücksichtigen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte hat die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Instanzen zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten ist die Höhe der Arbeitslosenhilfe des Klägers für die Zeit ab dem 28.10.2002.

Der am 00.00.1949 geborene Kläger ist seit längerer Zeit arbeitslos. Zuletzt bezog er Arbeitslosenhilfe.

Der Kläger ist verheiratet und Vater von 2 Kindern, die aus erster Ehe stammen. Seine Ehefrau ist seit dem 01.06.2001 bei der Firma Möbel A in G halbtags beschäftigt. Bis zum 27.10.2002 wurde dem Kläger die Arbeitslosenhilfe ohne Berücksichtigung vom Einkommen der Ehefrau in Höhe von wöchentlich 157,64 Euro gewährt (A/1).

Am 07.10.2002 beantragte der Kläger die Fortzahlung von Arbeitslosenhilfe für den nächsten Bewilligungsabschnitt ab 28.10.2002. Seine Ehefrau war weiterhin beschäftigt und bezog ein durchschnittliches Bruttoeinkommen in Höhe von 1.539,70 Euro. Der Kläger machte monatliche Aufwendungen für Versicherungen in Höhe von 143,16 Euro geltend (Hausratsversicherung 9,87 Euro, private Haftpflichtversicherung 7,51 Euro, Kfz-Versicherung 110 Euro und Unfallversicherung 15,78 Euro).

Mit Bescheid vom 06.11.2002 gewährte die Beklagte dem Kläger ab dem 28.10.2002 nur noch Arbeitslosenhilfe in Höhe von wöchentlich 97,65 Euro. Der wöchentliche Leistungssatz nach Leistungsgruppe A/1 (erhöhter Leistungssatz) betrug weiterhin 157,64 Euro. Es wurde jedoch nunmehr aus dem Einkommen der Ehefrau ein Betrag in Höhe von 59,99 Euro wöchentlich angerechnet. Von den geltend gemachten Aufwendungen für den privaten Versicherungsschutz hatte die Beklagte unter Heranziehung der Vorschrift des § 3 Abs. 2 AlhiVO 2002 monatlich lediglich 46,25 Euro statt der geltend gemachten 143,16 Euro berücksichtigt. Der Betrag von 46,25 Euro entspricht 3 % des durchschnittlichen Bruttoentgelts der Ehefrau von 1.539,70 Euro. Gegen den Bewilligungsbescheid legte der Kläger fristgerecht Widerspruch ein und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, seine Arbeitslosenhilfe sei von 675,60 Euro auf 418,50 Euro monatlich gekürzt worden. Diese Kürzung sei nicht gerechtfertigt, weil sich in den Verhältnissen nichts geändert habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.11.2002 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Dabei wies sie unter anderem darauf hin, dass sich die Anrechnungsvorschriften gegenüber dem Jahr 2001 geändert hätten. Es seien nicht mehr alle privaten Versicherung anzuerkennen, sondern nur noch in Anwendung der Vorschrift des § 3 Abs. 2 AlhiVO 2002 ein Betrag in Höhe von 3 % des zu berücksichtigenden Bruttoeinkommens.

Hiergegen hat der Kläger am 13.12.2002 Klage vor dem Sozialgericht Dortmund erhoben. Unter Wiederholung seiner Ausführungen im Widerspruchsverfahren hat er ergänzend vorgetragen, die Aufwendungen für die Kfz-Versicherung seien gegenüber dem früheren Leistungsantrag höher, weil Versicherungen für zwei PKW aufzubringen gewesen seien und eine Höherstufung aufgrund eines Unfalles erfolgt sei.

Vor dem Sozialgericht hat der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 06.11.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.11.2002 zu verurteilen, ihm ab dem 28.10.2002 Arbeitslosenhilfe unter Berücksichtigung der tatsächlich angefallenen Versicherungsbeiträge zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat an ihrer im Verwaltungsverfahren vertretenen Rechtsauffassung festgehalten.

Mit Urteil vom 10.11.2003 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab dem 28.10.2002 Arbeitslosenhilfe unter Berücksichtigung der tatsächlich angefallenen Versicherungsbeiträge zu gewähren. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, das Einkommen der Ehefrau sei auf die Arbeitslosenhilfe des Klägers anzurechnen. Es seien aber nicht nur 3 % des durchschnittlichen monatlichen Bruttoeinkommens für Versicherungsleistungen abzusetzen, sondern die tatsächlich nachgewiesenen Beträge. Die Regelung des § 3 Abs. 2 AlhiVO 2002 sei von der Ermächtigung des § 206 Nr. 4 SGB III nicht gedeckt. Unter Zugrundelegung eines Pauschbetrages in Höhe von 3 % des Einkommens sei es in der überwiegenden Anzahl der Fälle nicht möglich, die vom Gesetz nach § 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III absetzbaren Beiträge zu Versicherungen, die gesetzlich vorgeschrieben seien, in Abzug zu bringen und zugleich noch sämtliche Versicherungen abzudecken, die nach Grund und Höhe angemessen seien. Das Gericht verkenne nicht, dass die Festsetzung von Pauschalbeträgen auch Raum lasse für eine Unterschreitung der tatsächlichen Prämienaufwendungen. Die Grenzen einer zulässigen Pauschalisierung seien jedoch unterschritten, wenn hierdurch eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt werde, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiebe von solcher Art oder solchen Gewicht bestünden, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könne. Des weiteren setze eine zulässige Pauschalierung voraus, dass die durch sie eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten nur eine verhältnismäßige kleine Zahl von Personen betreffe und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv sei. Diesen Anforderungen werde § 3 Abs. 2 AlhiVO nicht gerecht. Die Vorschrift stelle eine von der Ermächtigung nicht gedeckte Benachteiligung der sozialversicherungspflichtigen Arbeitslosen dar. Der privat oder freiwillig Kranken- oder Pflegeversicherte, aber gesetzlich Rentenversicherte könne nach Abs. 3 Abs. 2 AlhiVO in größerem Umfang Versicherungsbeiträge geltend machen als der in allen Zweigen Versicherungspflichtige, ohne dass sich aus der Regelung eine Beschränkung auf die Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung ergebe. Eine Benachteilung der sozialversicherten Arbeitslosen und ihrer Partner gegenüber den sozialversicherungsfreien Personen sei in § 194 Abs. 2 Nr. 2 SGB III nicht vorgesehen und deshalb von der Ermächtigung des § 206 SGB III nicht gedeckt.

Gegen dieses ihr am 17.11.2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 17.12.2003 eingegangene Berufung der Beklagten. Zur Begründung trägt sie vor: Das SG verkenne den Stellenwert der Arbeitslosenhilfe im System der Sozialversicherung. Nur das Arbeitslosengeld habe auch die Sicherung des Lebensstandards zur Voraussetzung. Die Arbeitslosenhilfe werde demgegenüber als eine aus Steuermitteln des Bundes finanzierte Fürsorgeleistung nur erbracht, wenn und soweit der Arbeitslose außer Stande sei, seinen Lebensunterhalt durch eigene Mittel einschließlich der zu berücksichtigenden finanziellen Mittel seines Partners zu bestreiten. Die Änderungen, die mit der AlhiVO 2002 vorgenommen worden seien, stellten zwar einen Eingriff in die Rechtsposition des Klägers dar, dieser sei jedoch zulässig. Mit der AlhiVO 2002 habe der Verordnungsgeber Konsequenzen aus der Entwicklung der Empfängerzahl von Arbeitslosenhilfe gezogen. Die Arbeitslosenhilfe sei zu einer Massenleistung geworden, die nur zügig gewährt werden könne, wenn durch Pauschalierungen zeitraubende Ermittlungen zur Klärung einzelner Anspruchsvoraussetzungen vermieden würden. Im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung seien vom Einkommen Vorsorgeaufwendungen abzuziehen, so auch gewisse Versicherungsaufwendungen, § 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III. Mit der Neukonzeption der AlhiVO 2002 sei von den für die Beträge bestehenden Pauschalierungsmöglichkeiten, wie sie der Gesetzgeber in § 206 Nr. 4 SGB III vorgesehen habe, Gebrauch gemacht worden. Für die Beträge der vom Einkommen abzusetzenden, nach Grund und Höhe angemessenen Beiträge zu privaten und öffentlichen Versicherungen, die gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen seien, habe der Verordnungsgeber einen Pauschbetrag in Höhe von 3 % des zu berücksichtigenden Einkommens festgesetzt, wenn der Arbeitslose und sein Partner in der gesetzlichen Sozialversicherung versicherungspflichtig sei. Wegen dieser 3%-Regelung bestünden keine grundsätzliche Bedenken. Die Höhe der Pauschale beruhe auf praktischen Erfahrungen der Beklagten und Erhebungen des Bundesrechnungshofs aus dem Jahr 1998. Auch im Jahr 2002 sei davon auszugehen, dass sich die Verhältnisse gegenüber 1998 noch nicht wesentlich geändert hätten. Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden ebenfalls nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts brauche der Gesetzgeber bei der Ordnung von Massenerscheinungen nicht um die differenzierte Berücksichtigung aller denkbaren Fälle besorgt zu sein. Er sei vielmehr berechtigt, von einem Gesamtbild auszugehen, das sich aus den ihm vorliegenden Erfahrungen ergebe. Auf dieser Grundlage dürfe er generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen verwenden, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz zu verstoßen. Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes aufgrund der Ungleichbehandlung von sozialversicherten und sozialversicherungsfreien Personen in § 3 Abs. 2 letzter Halbsatz AlhiVO 2002 sei ebenfalls nicht gegeben. Sachlicher Grund für die Differenzierung sei, dass bei den sozialversicherungsfreien Personen bereits § 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III die Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung im tatsächlichen Umfang abgesetzt seien, während bei den sozialversicherungsfreien Personen nur privater Versicherungsschutz, wie er sonst bei der Pauschalierung in § 3 AlhiVO 2002 erfasst werde, durch die Beiträge sichergestellt werden könne. Soweit es sich daher um Versicherungen handele, die dieselben Risiken abdeckten wie die Sozialversicherung, verbiete sich daher eine Pauschalisierung und sei das Abstellen auf die tatsächlichen Aufwendungen sachgerecht.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 10.11.2003 zu ändern und die Klage abzuweisen sowie die Zulassung der Revision.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 10.11.2003 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 06.11.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.11.2002 und des Änderungsbescheides vom 17.01.2003 sowie des Bescheides vom 21.11.2003 und des Änderungsbescheides aus Januar 2004 zu verurteilen, ihm Arbeitslosenhilfe zu gewähren und dabei bei dem anzurechnenden monatlichen Bruttoeinkommen der Ehefrau ab 28.10.2002 weitere 37,25 Euro und ab 28.10.2003 weitere 37,85 Euro als private Versicherungsbeiträge in Abzug zu bringen und im Übrigen die Berufung zurückzuweisen.

Während des Berufungsverfahren sind weitere Bescheide ergangen. Mit Bescheid vom 17.01.2003 hat die Beklagte die Arbeitslosenhilfe des Klägers an die Leistungsverordnung 2003 angepasst. Der Anrechnungsbetrag betrug unverändert 59,99 Euro. Mit Bescheid vom 21.11.2003 hat die Beklagte dem Kläger Arbeitslosenhilfe für ein weiteres Jahr bis zum 27.10.2004 bewilligt. Der Anrechnungsbetrag betrug nunmehr 87,08 Euro. Die Beklagte ging von einem Bruttoeinkommen der Ehefrau des Klägers in Höhe von 1.609,85 Euro aus und errechnete hiervon 3 % = 48,36 Euro als von ihrem Einkommen absetzbare Versicherungsbeiträge. Vom Kläger wurden dagegen 86,21 Euro geltend gemacht. Mit Bescheid aus Januar 2004 passte die Beklagte die Arbeitslosenhilfe an die Leistungsverordnung 2004 an. Der Zahlbetrag betrug nunmehr 68,88 Euro pro Woche, der Anrechnungsbetrag änderte sich nicht.

Der Berichterstatter des Senats hat die Beteiligten mit Verfügungen vom 03.05.2004 und 11.08.2004 darauf hingewiesen, dass der Senat mit Urteil vom 28.01.2004 - L 12 AL 104/03 einen vergleichbaren Fall entschieden und sich dabei im Grund der Argumentation des Sozialgerichts angeschlossen hat. Gleichwohl könne das Urteil in dieses Form nicht bestätigt werden, weil das Sozialgericht von unzutreffenden Beiträgen ausgegangen sei und die Folgebescheide nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in das Verfahren einzubeziehen seien. Der Berichterstatter hat ausführlich aufgeschlüsselt, welche Beiträge für welche Versicherungen er für die Zeit ab 28.10.2002 und ab 28.10.2003 jeweils für nachgewiesen und angemessen ansehe. Auf die Aufstellung in der Verfügung vom 11.08.2004 (Bl. 74 der Gerichtsakte) wird Bezug genommen. Die Beteiligten haben hierzu übereinstimmend zu Protokoll erklärt, dass sie diese Aufstellung von den Zahlen her für zutreffend halten und hiergegen keine Beanstandungen erheben. Der Kläger hat ferner keine Einwendungen dagegen erhoben, dass ein zweiter PKW bei den absetzbaren Versicherungsbeiträgen nicht zu berücksichtigen sei. Er hat sich den Ausführungen des Berichterstatters in der Verfügung vom 11.08.2004 angeschlossen und sein Klagebegehren auf die volle Anerkennung der aufgelisteten Versicherungsbeiträge beschränkt. In rechtlicher Hinsicht hält er das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten mit der Kundennummer 000 Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Begründet ist die Berufung insoweit, als das Sozialgericht zu hohe Beiträge für Versicherungen in Abzug gebracht hat. Berücksichtigungsfähig sind ab 28.10.2002 nur 83,50 Euro und ab 28.10.2003 nur 86,21 Euro pro Monat und nicht 143,16 Euro. Unbegründet ist die Berufung insoweit, als sich die Beklagte gegen die Nichtanwendung der 3%-Regelung des § 3 Abs. 2 AlhiVO 2002 wendet. In diesem Punkt war das Urteil des Sozialgerichts zu bestätigen.

Die Berufung ist unbegründet, soweit sich die Beklagte gegen die Nichtanwendung der 3%-Regelung des § 3 Abs. 2 AlhiVO 2002 wendet. Mit dem SG ist der Senat der Auffassung, dass der streitbefangene Bescheid der Beklagten insoweit rechtswidrig ist, als er die absetzbaren Versicherungsbeiträge der Ehefrau des Klägers auf 3 % des Einkommens begrenzt. § 3 Abs. 2 AlhiVO 2002 ist insoweit rechtswidrig und nicht anzuwenden. Nach § 190 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - SGB III - hat Anspruch auf Arbeitslosenhilfe, wer arbeitslos ist, sich beim Arbeitsamt gemeldet hat, einen Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht hat, weil er die Anwartschaftszeit nicht erfüllt hat, in der Vorfrist Arbeitslosengeld bezogen hat, ohne dass der Anspruch wegen des Eintritts von Sperrzeiten mit einer Dauer von insgesamt 24 Wochen erloschen ist und bedürftig ist.

Nach § 193 Abs. 1 SGB III ist ein Arbeitsloser bedürftig, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Arbeitslosenhilfe bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Arbeitslosenhilfe nicht erreicht.

Nach § 194 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB III ist zu berücksichtigen das Einkommen des vom Arbeitslosen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten, soweit es den Freibetrag übersteigt. Der Freibetrag ist gemäß Abs. 1 S. 2 dieser Vorschrift ein Betrag in Höhe der Arbeitslosenhilfe, die dem Einkommen des vom Arbeitslosen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners oder der Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, entspricht, mindestens aber in Höhe des Betrags, bis zu dem auf Erwerbsbezüge eines Alleinstehenden Einkommenssteuer nicht festzusetzen wäre (§ 32 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Einkommenssteuergesetzes). Nach § 194 Abs. 2 Satz 2 SGB III sind vom Einkommen abzusetzen (Nr. 1) die auf das Einkommen entfallenden Steuern, (Nr. 2) Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung sowie Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind, (Nr. 3) die notwendigen Aufwendungen für Erwerb, zur Sicherung und Erhaltung der Einnahmen und (Nr. 4 a.F.) ein Betrag in angemessener Höhe von den Erwerbsbezügen des vom Arbeitslosen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners oder der Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt.

Nach § 206 Nr. 4 SGB III wird das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung zu bestimmen, ob und welche Pauschbeträge für die von dem Einkommen abzusetzen Beträge zu berücksichtigen sind. Auf dieser Verordnungsermächtigung des § 206 SGB III beruht die AlhiVO 2002 vom 13.12.2001 (BGBl I S 3734), welche zum 01.01.2002 mit folgender Neuregelung in Kraft getreten ist: § 3 Abs. 2: Als Pauschbetrag für die nach § 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch vom Einkommen abzusetzenden Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, die gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind, ist ein Betrag in Höhe von 3 % des Einkommens abzusetzen, wenn der Arbeitslose und sein Partner in der gesetzlichen Sozialversicherung versicherungspflichtig sind, in den übrigen Fällen die tatsächlichen Aufwendungen.

Diese Vorschrift ist zur Überzeugung des Senats wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht rechtswidrig und daher nicht anzuwenden.

Mit der Differenzierung im Gesetz zwischen Pflicht- und gesetzlich vorgeschriebenen Beiträgen einerseits und "angemessenen" Privatversicherungsbeiträgen andererseits hat der Gesetzgeber den Rahmen für eine ermächtigungskonforme Festlegung von Pauschbeträgen vorgegeben: Während Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung im Umfang der Beitragspflicht abzusetzen sind ebenso wie gesetzlich vorgeschriebene Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, gibt es nur für die übrigen freiwilligen Privatversicherungen einen Anwendungsbereich zur Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit, welcher in Form von Pauschalen auch Raum lässt für eine Unterschreitung der tatsächlichen Prämienaufwendungen (SG Berlin, Info also 2003, 23 ff). Diesen Rahmen hat der Verordnungsgeber mit § 3 Abs. 2 AlhiVO 2002 überschritten, denn er bezieht auch gesetzlich vorgeschriebene Beiträge in die Pauschalierung mit ein. Der Senat hält eine Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 3 Abs. 2 AlhiVO 2002 auf angemessene, nicht gesetzlich vorgeschriebenen Versicherungen angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 3 Abs. 2 AlhiVO 2002 nicht für möglich.

Im Übrigen ist es unter Zugrundelegung eines generellen Pauschbetrags in Höhe von 3 % des Einkommens gerade bei geringen Einkommen in der Regel nicht mehr möglich, die vom Gesetz nach § 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III in Abzug zu bringenden Beiträge vollständig zu berücksichtigen, so dass auch die Grenzen zulässiger Pauschalierung überschritten sind.

Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verbietet es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nämlich, dass eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Die rechtliche Unterscheidung muss in sachlichen Unterschieden eine ausreichende Stütze finden. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen braucht der Gesetzgeber allerdings nicht um die differenzierende Berücksichtigung aller denkbaren Fälle besorgt zu sein. Er ist vielmehr berechtigt, von einem Gesamtbild auszugehen, das sich aus den ihm vorliegenden Erfahrungen ergibt. Auf dieser Grundlage darf er generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen verwenden, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Die Typisierung setzt allerdings voraus, dass die durch sie eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (so BVerfGE 87, 234 ff., ebenfalls zur Arbeitslosenhilfe).

Diesen Vorgaben wird § 3 Abs. 2 Alhi VO 2002 nicht gerecht. Der Verordnungsgeber hat nämlich verkannt, dass die Höhe zu entrichtender Beiträge für Privatversicherungen sich am versicherten Risiko und nicht - wie im Falle der Sozialversicherungen - am Einkommen orientiert. Sein Ansatzpunkt, zur sachlichen Unterscheidung am anzurechnenden Einkommen anzuknüpfen, ist daher von vornherein verfehlt. Dieser Anknüpfungspunkt führt allein dazu, dass insbesondere Bezieher von niedrigen Einkommen durch die Begrenzung auf 3% nur noch Beiträge geltend machen können, die unter den tatsächlichen Aufwendungen liegen. Dies widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz.

Weil die Höhe der für Privatversicherungen zu entrichtenden Beiträge sich nicht am Einkommen orientiert, muss letztlich auch in Frage gestellt werden, ob - wie die Beklagte vorträgt - die Höhe der gewählten Pauschale auf praktischen Erfahrungen oder Erhebungen beruhen kann (vgl. SG Berlin, Info also 2003, 23 ff, das auf andere Erhebungen mit anderen Ergebnissen verweist). § 3 Abs. 2 AlhiVO 2002 ist demnach, wie bereits das SG zutreffend erkannt hat, rechtswidrig. Da hinsichtlich Rechtsverordnungen eine Verwerfungskompetenz der Gerichte besteht (vgl. BSG Urteil vom 24.11.1998 - B 1 A 1/96 R -), ist diese Vorschrift zu verwerfen mit der Folge, dass § 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III unmittelbar anzuwenden ist. Dies hat der Senat bereits mit Urteilen vom 28.01.2004 - L 12 AL 104 und 175/03 - und vom 04.02.2004 - L 12 AL 216/03 - entschieden. Er hält an dieser Rechtsauffassung fest.

Der Senat sieht sich jedenfalls in der Tendenz in seiner Ansicht bestätigt durch den Entwurf einer Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld, die zum 01.01.2005 in Kraft treten könnte. Hier wird nunmehr nach gesetzlich vorgeschriebenen und privaten Versicherungen sonstiger Art differenziert. Die gesetzlich vorgeschriebene Versicherungen sollen danach voll absetzbar sein, während die sonstigen privaten Versicherungen nach § 3 Nr. 1 des Entwurfes nur mit einen Pauschalbetrag von 30 Euro zu berücksichtigen sein sollen. Damit wird zumindest deutlich, dass der Verordnungsgeber jedenfalls für die Zukunft den vom Senat erkannten Wertungswiderspruch ebenfalls gesehen hat und ihn beheben will.

Der Senat hält an seiner Auffassung auch in Kenntnis des inzwischen bekannt gewordenen Urteils des Landessozialgerichts Berlin vom 25.06.2004 - L 10 AL 79/02 - fest. Im Gegensatz zur Auffassung des erkennenden Senats hat das LSG Berlin § 3 Abs. 2 AlhiVO 2002 für ermächtigungskonform und verfassungsgemäß gehalten. Das LSG Berlin hat sich mit der Auffassung des erkennenden Senates auseinandergesetzt und die gegenteilige Auffassung vertreten, die der der Beklagten entspricht. Der Senat ist auch in Kenntnis der Argumente des LSG Berlin weiterhin der Auffassung, dass es fragwürdig ist, eine statistische Erhebung aus dem Jahre 1998 ohne nähere Erkenntnisse auf das Jahr 2002 zu übertragen.

Auch bleibt es bei der Kritik des Senats, dass sich die Höhe zu entrichtender Beiträge für Privatversicherungen am versicherten Risiko und nicht am Einkommen orientieren.

Ob die 3%-Regelung noch aus anderen Gründen zu verwerfen gewesen wäre, braucht hier nicht entschieden zu werden. Ob eine Verwerfung auch deshalb geboten gewesen wäre, weil eine Ungleichbehandlung gegenüber sozialversicherungsfreien Personen gegeben ist oder weil ab 01.01.2002 den Steuervergünstigungen im Zusammenhang mit der Absenkung des Rentenniveaus und der Einführung der sogenannten Riesterrente nicht Rechnung getragen worden ist, kann daher offen bleiben (vgl. hierzu SG Berlin, Urteil vom 30.08.2002 - S 58 AL 2103/02 -; SG Mannheim, Urteil vom 25.04.2002 - S 11 AL 1260/01 - und Winkler Info also Nr. 2/02 S. 59 ff.). Der Senat hält es jedenfalls für bedenklich, dass ab 01.01.2002 ein Sozialhilfebezieher im Rahmen von § 76 Abs. 2 Nr. 3 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) die Aufwendungen für die "Riester-Vorsorge" im Rahmen von § 82 Einkommenssteuergesetz (EStG) zusätzlich zu den angemessenen Versicherungen absetzen kann, einem Arbeitslosen dies aber nur insgesamt mit 3 % seines Bruttoeinkommens für sämtliche gesetzlich vorgeschriebene und angemessene Versicherungen erlaubt sein soll.

Nach den vorstehenden Ausführungen ist die streitige Problematik, welche Versicherungsbeiträge in welcher Höhe vom Einkommen der Ehefrau des Klägers abzusetzen sind, nach § 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III zu beurteilen. Dies führt dazu, dass neben den bereits von der Beklagten berücksichtigten Pflichtbeiträgen zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung noch folgende Versicherungsbeiträge vom Einkommen der Ehefrau des Klägers in Abzug zu bringen:

2002

Hausrat 9,87 Euro
private Haftpflicht 7,51 Euro
Unfall 15,78 Euro
Kfz - Ehefrau 50,34
------------------------------------
83,50 Euro

bereits anerkannt 46,25 Euro

Differenz 37,25 Euro

2003

Hausrat 9,87 Euro
private Haftpflich 7,50 Euro
Unfall 18,50 Euro
Kfz - Ehefrau 50,34 Euro
-------------------------------------
86,21 Euro

bereits anerkannt 48,36 Euro

Differenz 37,85 Euro

Der Unterschied zur Rechnung des SG liegt darin, dass der 2. PKW nicht als angemessener Abzug beim Einkommen der Ehefrau angesehen wird.

Der Senat hält die - für diese sinnvolle Risiken abdeckende und üblicherweise abgeschlossene Versicherungen - aufgewendeten Beiträge in Höhe von 83,50 Euro ab 28.10.2002 und 86,21 Euro ab 28.10.2003 für angemessen und damit für absetzbar, nicht aber in Höhe von 143,16 Euro, wie es das Sozialgericht nach dem Tenor in Zusammenschau mit dem Tatbestand und den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils für angemessen gehalten hat.

Die Berufung der Beklagten musste somit in diesem Punkt Erfolg haben. Dies bedeutet, dass vom Bruttoeinkommen der Ehefrau des Klägers in Höhe von 1.539,70 Euro für die Zeit ab 28.10.2002 Versicherungsbeiträge in Höhe von 83,50 Euro monatlich in Abzug zu bringen waren. Da die Beklagte bereits einen Betrag in Höhe von 46,25 Euro anerkannt hat, war sie unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung zu verurteilen, weitere 37,25 Euro pro Monat zu berücksichtigen und hiervon die Arbeitslosenhilfe des Klägers zu berechnen. Im Übrigen war die Berufung zurückzuweisen. Ähnliches gilt für die nach § 96 SGG zu berücksichtigende Entscheidung der Beklagten für die Zeit ab 28.10.2003. Hier waren zusätzliche Versicherungsbeiträge in Höhe von 86,21 Euro zu berücksichtigen. Unter Beachtung eines bereits anerkannten Betrages von 48,36 Euro war die Beklagte zu verurteilen, weitere 37,85 Euro zu berücksichtigen. Der Senat nimmt nochmals Bezug auf die Berechnung des Berichterstatters vom 11.08.2004.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG. Sie berücksichtigt, dass die Beklagte gegenüber der Entscheidung des SG rechnerisch etwa zur Hälfte obsiegt hat.

Der Senat hat die Revision gem. § 160 Abs. 2 Ziffern 1 SGG zugelassen, weil er der Frage grundsätzliche Bedeutung zugemessen hat, ob der Pauschbetrag von 3 % des Einkommens in § 3 Abs. 2 AlhiVO rechtswidrig ist oder nicht. Dies gilt auch im Hinblick auf die gegenteilige Auffassung des Landessozialgerichts Berlin.
Rechtskraft
Aus
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