L 5 KR 223/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 4 KR 218/98
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 223/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 23.07.2002 geändert. Unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin wird die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig sind Ansprüche auf Schadensersatz für die Zeit vom 01.07.1989 bis 31.05.1998 wegen verspäteter Weiterleitung von Beiträgen im Rahmen des zentralen Beitragseinzugs in Höhe von rund 10,2 Mio. DM.

Im fraglichen Zeitraum konnten Arbeitgeber mit zentraler Lohn- und Gehaltsabrechnung, die Beiträge zu mehreren Kassen abführen mussten, bei dem Bundesverband der jeweiligen Kassenart beantragen, die Beitragsnachweise bei diesem Verband einzureichen. Der Bundesverband erhielt in diesem Fall auch den Gesamtsozialversicherungsbeitrag, den er dann an die jeweilige Einzugsstelle weiterzuleiten hatte. Diese leitete wiederum an den zuständigen Träger der Rentenversicherung und die Bundesanstalt (jetzt Bundesagentur) für Arbeit die für diese gezahlten Beiträge weiter (§ 28k Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV)).

Rechtsgrundlage des zentralen Beitragseinzugs war im fraglichen Zeitraum § 28f Abs. 4 SGB IV (eingefügt mit Wirkung vom 01.01.1989 durch das Gesetz zur Einordnung der Vorschriften über die Meldepflichten des Arbeitgebers in der Kranken- und Rentenversicherung sowie im Arbeitsförderungsrecht und über den Einzug des Gesamtsozialversicherungsbeitrages in das Vierte Buch Sozialgesetzbuch vom 23.12.1988, BGBl. I, 2330). Diese Vorschrift galt mit geringfügigen, hier nicht relevanten Änderungen, im gesamten streitigen Zeitraum. Seit dem 01.06.2001 gilt § 28f Abs. 4 SGB IV in wesentlich veränderter Form in der Fassung des 4. Euro-Einführungsgesetzes vom 21.12.2000 (BGBl. I, 1983). Die Vorschrift sieht jetzt vor, dass die Beiträge entweder an den Bundesverband oder an eine einzelne Orts- oder Innungskrankenkasse (beauftragte Stelle) gezahlt werden können, wobei die beauftragte Stelle nunmehr die Beiträge an die Träger der Rentenversicherung bzw. an die Bundesagentur für Arbeit unmittelbar weiterzuleiten hat.

Die nach § 28n Satz 1 Nr. 1 - 4 SGB IV erlassene Beitragseinzugs-Verordnung (BZVO) vom 22.05.1989 (BGBl. I, 990), in Kraft ab 01.07.1989, schrieb seinerzeit in § 3 Abs. 1 BZVO vor, dass die Einzugsstelle an jedem Arbeitstag Aufträge zur Überweisung der nach § 28k Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch weiterzuleitenden Beträge zu erteilen hatte. Nach § 3 Abs. 2 Satz 3 BZVO konnte der Zahlungsempfänger eine beschleunigte Überweisung verlangen. § 1 Abs. 3 BZVO in der ursprünglichen Fassung bestimmte, dass im Falle des § 28f Abs. 4 SGB IV u.a. in § 3 Abs. 1 BZVO an die Stelle der Einzugsstelle der Verband trete. Mit Wirkung vom 18.06.1994 wurde durch das 2. Gesetz zur Änderung des Sozialgesetzbuchs (BGBl. I, 1229) diese Verweisung in § 1 Abs. 3 BZVO auf § 3 Abs. 2 BZVO erweitert.

Der Beklagte erhielt im Rahmen des zentralen Beitragseinzugs im streitigen Zeitraum Beiträge in Höhe von rund 31 Milliarden DM. Die auf die einzelnen Einzugsstellen entfallenden Beträge leitete er durch (Order)Scheck per Briefpost an diese weiter. Durch die Anlage der bis zur Einlösung der Schecks auf den Konten verbleibenden Gelder erzielte er jährlich erhebliche Zinsgewinne.

Die Bundesanstalt für Arbeit und die Rentenversicherungsträger (Fremdversicherungsträger) führten im Oktober 1990 gemäß § 28f Abs. 4 Satz 5 SGB IV (damalige Fassung) eine Prüfung der zentralen Abrechnung der Beiträge durch. In der Schlussbesprechung am 25.10.1990 rügten sie u.a., das Verfahren der Weiterleitung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen werde den gesetzlichen Vorschriften nicht gerecht. Dies gelte auch für die Zahlung per Orderscheck, denn diese sei keine Überweisung im Sinne der BZVO. Im Bericht vom 21.04.1992 machten sie (auch wegen anderer Weiterleitungsverzögerungen) unter Bezugnahme auf eine Besprechung über den zentralen Beitragseinzug vom 12.02.1991 einen "Vorteilsausgleich" für die verspätete Weiterleitung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 299.341,- DM geltend.

Im Oktober 1992 fand eine weitere Prüfung des Beklagten für den Zeitraum 01.09.1990 bis 31.08.1992 statt. In dem Bericht vom 26.01.1993 wurde nochmals die Weiterleitung der Beiträge per Orderscheck gerügt, die keine Überweisung im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 BZVO sei. Eine Prüfung, in welchem Umfang Weiterleitungsverzögerungen durch das Orderscheckverfahren einträten, habe nicht abschließend vorgenommen werden können, da insoweit keine konkreten Erkenntnisse vorlägen. Außerdem bestünden zum Orderscheckverfahren unterschiedliche Rechtsauffassungen zwischen den Beteiligten. Es habe aber Einvernehmen zwischen dem AOK-Bundesverband und den Fremdversicherungsträgern bestanden, dass Letztere an den Zinsgewinnen beteiligt würden, wenn das Orderscheckverfahren bei den Fremdversicherungsträgern zu Zinsverlusten führe.

Aufgrund einer Prüfmitteilung des Bundesrechnungshofes (BRH) nach einer Prüfung der Bundesanstalt für Arbeit an den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (Schreiben des BRH vom 27.04.1992), in dem die Weiterleitung der Beiträge durch Orderscheck als unzulässig und für die Bundesanstalt für Arbeit nachteilig bezeichnet wurde, teilte das Ministerium den Spitzenorganisationen der Sozialversicherung mit Schreiben vom 26.06.1992 mit, dass er der Auffassung des BRH zustimme, dass Zahlungen durch Orderscheck nicht dem in § 3 Abs. 1 BZVO vorgeschriebenen Zahlungsweg entsprächen. In der Folgezeit bestritt der Beklagte weiter seine Verpflichtung, die Beiträge durch Überweisung weiterleiten zu müssen und verteidigte das Orderscheckverfahren als wirtschaftlich vorteilhafter. Anlässlich einer Besprechung am 12.01.1994 vereinbarte er mit den Fremdversicherungsträgern eine Stichprobenuntersuchung zu den Laufzeiten im Rahmen des Orderscheckverfahrens und einigte sich mit ihnen auf ein bestimmtes Überprüfungsverfahren (Protokoll vom 29.03.1994). Im Rahmen der im Oktober 1994 anstehenden Prüfung des zentralen Beitragseinzugs sollte dann eine Einigung über einen eventuellen Vorteilsausgleich erfolgen.

Nach der im Juni 1994 erfolgten Änderung des § 1 Abs. 3 BZVO forderten die Fremdversicherungsträger den Beklagten auf, das Orderscheckverfahren aufzugeben, wobei in den Schreiben wegen der Frage, ob ein Vorteilsausgleich aufgrund des in der Vergangenheit praktizierten Weiterleitungsverfahrens zu gewähren sei, auf die im Oktober 1994 anstehende Prüfung verwiesen wurde. Der Beklagte erkannte mit Schreiben vom 23.08.1994 bzw. 29.08.1994 "die geänderte Rechtslage grundsätzlich an", bat aber im Hinblick auf die vereinbarte Überprüfung darum, bis dahin den Umstieg auf das Überweisungsverfahren zurückstellen zu dürfen. Zugleich erklärte er ausdrücklich, dass ab 20.06.1994 Anspruch auf einen Vorteilsausgleich bestehe, wenn sich bestätige, dass das Orderscheckverfahren zu Weiterleitungsverzögerungen führe.

Nach der Prüfung im Oktober 1994 für den Zeitraum 01.09.1992 bis 31.08.1994 stellten die Fremdversicherungsträger in dem Bericht vom 16.12.1994 zum Orderscheckverfahren fest, der AOK-Bundesverband beabsichtige, den zentralen Beitragseinzug bis voraussichtlich Ende 1995 einzustellen. Für die Zwischenzeit wolle er an der Weiterleitung durch Orderscheck festhalten. Die Prüfung habe ergeben, dass das Orderscheckverfahren im Durchschnitt zu geringfügigen Verzögerungen der Weiterleitung führe. Für die verspätete Weiterleitung gestehe der AOK-Bundesverband den Fremdversicherungsträgern für die Zeit ab 20.06.1994 einen Vorteilsausgleich zu. Zur Vermeidung eines Rechtsstreits sei für die Zeit vor dem 20.06.1994 Einigkeit über eine Ausgleichszahlung ab dem 01.09.1992 erzielt worden, hierdurch würden die Prüfbemerkungen der letzten Prüfberichte als erledigt angesehen. Einvernehmlich wurden eine Laufzeitverzögerung von 0,33 Tagen (durchschnittliche Laufzeit Orderscheckverfahren 4,75 Tage, durchschnittliche Laufzeit Überweisungsverfahren 4,42 Tage) und ein Anlagezinssatz festgelegt. Für die Zeit ab 01.01.1995 sollten die Fremdversicherungsträger jeweils einen entsprechend ermittelten Vorteilsausgleich für den Vormonat erhalten. Zwischen den Beteiligten war zum damaligen Zeitpunkt noch streitig, inwieweit grundsätzlich Zinsen aus Terminanlagen an die Fremdversicherungsträger auszukehren waren und ob der Beklagte insoweit zur Rechnungslegung verpflichtet war. Wegen dieser Frage hatten die Fremdversicherungsträger Klage gegen den Beklagten erhoben (u.a. SG Düsseldorf - S 1 KR 112/94).

Im Oktober 1996 fand eine weitere Prüfung des Beklagten für den Zeitraum 01.09.1994 bis 31.08.1996 statt. Entgegen seiner Ankündigung, das Orderscheckverfahren zum 31.12.1995 einzustellen, weil der zentrale Beitragseinzug aufgegeben und auf ein sogenanntes Hauskasssenverfahren umgestellt werden sollte, waren der Beitragseinzug über den Beklagten sowie das Orderscheckverfahren fortgeführt worden. Im Hinblick auf eine zwischenzeitlich durchgeführte Prüfung durch den BRH erklärten die Fremdversicherungsträger insoweit, dass sie zunächst den Prüfbericht des BRH abwarten würden.

Der BRH hatte zwischenzeitlich bei der Klägerin und der BfA die Einziehung der Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung, insbesondere das Beitragseinzugsverfahren über den Beklagten geprüft. In seinem Bericht vom 04.12.1996 stellte er fest, der Beklagte habe das Orderscheckverfahren praktiziert, obwohl dieses seit Dezember 1990 mehrfach als unzulässig beanstandet worden sei. § 3 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 3 BZVO schreibe eine Überweisung vor, die gegenteilige Auffassung des Beklagten sei nicht nachvollziehbar. Die Ermittlungen des BRH zu den Laufzeiten, die bei Zahlung mit Orderscheck entstanden waren und den Zeiten, die bei beschleunigter Überweisung angefallen wären, ergaben durchschnittliche Geldlaufzeiten beim Orderscheckverfahren von 7,0 Kalendertagen und von 2,9 Kalendertagen bei beschleunigter Überweisung. Der BRH errechnete insoweit für die Zeit vom 01.07.1989 bis 31.12.1995 einen Zinsausfall der Fremdversicherungsträger in Höhe von 15 bis 20 Mio. DM. In dem Bericht meinte der BRH, der Beklagte werde künftig Gesamtsozialversicherungsbeiträge mit Aufträgen zur beschleunigten Überweisung weiterzuleiten haben. Beträge über 100.000,- DM seien grundsätzlich taggleich zu überweisen, von einer solchen taggleichen Überweisung seien nur 20 % der Weiterleitungsvorgänge, aber über 90 % der insgesamt weiterzuleitenden Beiträge erfasst. Die von den Fremdversicherungsträgern und dem Beklagten vorgenommene Ermittlung zu den Laufzeiten, bei der sie eine Laufzeitverzögerung von 0,33 Tagen festgestellt hätten, enthalte grundsätzliche Mängel. Außerdem werde unzutreffend den ermittelten Durchschnittswerten für Laufzeiten im Orderscheckverfahren die Werte von normalen Banküberweisungen gegenübergestellt. Ferner seien die vereinbarten Zinssätze mit geltendem Recht nicht vereinbar, denn es handele sich um Schadensersatz wegen entgangener Zinsen, so dass gemäß § 28r Abs. 1 Satz 2 SGB IV Zinsen in Höhe von 2 % über dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank zu zahlen seien. Die Rentenversicherungsträger und die Bundesanstalt für Arbeit hätten die zu wenig erhaltenen Zinsausgleichszahlungen beim Beklagten einzufordern.

Bei einer Besprechung zwischen dem Beklagten und den Fremdversicherungsträgern am 28.04.1997 wiesen diese darauf hin, dass nach der zwischenzeitlich ergangenen Entscheidung des BSG vom 13.03.1997 (SozR 3-2400 § 281 Nr. 1 SGB IV) davon auszugehen sei, dass der Beklagte die aus der Anlage der Fremdgelder erzielten Zinsen auszukehren habe. Sie erklärten sich bereit, auch mit dem Beklagten auf der Grundlage einer von den Spitzenorganisationen der Sozialversicherung beschlossenen Mustervereinbarung eine Vereinbarung nach § 281 Abs. 2 SGB IV zu treffen. Der Beklagte bekräftigte zwar seine Auffassung, dass diese Rechtsprechung für ihn nicht einschlägig sei, weil er keine Einzugsstelle sei, war aber gleichwohl zum Abschluss einer Vereinbarung bereit. Abweichend von der vorbereiteten Mustervereinbarung forderte er allerdings, dass die in der Zeit vom 01.09.1992 bis 31.12.196 bereits gezahlten Ausgleichsbeträge anzurechnen seien. Ferner wurde zur Kündigungsklausel festgelegt, dass bei Wegfall des Orderscheckverfahrens die Kündigungsregelung zugunsten des Beklagten geändert werden könne.

Mit Wirkung vom 01.01.1997 schlossen die Beteiligten eine Vereinbarung mit (auszugsweise) folgendem Inhalt:

§ 1 Sofern bei der Verwaltung von Fremdbeiträgen Gewinne erzielt werden, wird der an die Fremdversicherungsträger abzuführende Anteil nach §§ 2 bis 4 ermittelt.

§ 2 Grundlage für die Berechnung der den einzelnen Fremdversicherungsträgern zustehenden Gewinne aus erzielten Zinsen sind 90 % der Summen der tatsächlich an die Einzugsstellen weitergeleiteten Beiträge.

§ 3 Der Zinsberechnung werden 2,3 Tage zugrunde gelegt.

§ 6 Die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Vereinbarung anhängigen Rechtsstreitigkeiten werden beendet. Zum Ausgleich der Forderung für die Zeit seit 01.01.1989 zahlt der AOK- Bundesverband für die Kalenderjahre 1993 bis 1995 jeweils 40 v.H. des für das Kalenderjahr 1996 ermittelten Betrages, für 1996 erfolgt die Zinsberechnung gemäß §§ 2 - 4 dieser Vereinbarung. Anzurechnen sind die in der Zeit vom 01.09.1992 bis 30.11.1996 schon gezahlten Ausgleichsbeträge in Höhe von 748.804,11 DM.

§ 7 Diese Vereinbarung tritt am 01.01.1997 in Kraft. Sie kann mit einer Frist von 6 Monaten zum Ende des Kalenderjahres, frühestens zum 31.12.1999, gekündigt werden.

Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) als Aufsichtsbehörde des Beklagten vertrat nach der Vereinbarung vom 30.04.1997 die Auffassung, dass damit Nachteile, die aus dem Orderscheckverfahren erwüchsen, ausgeschlossen seien, so dass der Anlass für eine aufsichtsrechtliche Weisung entfallen sei. Dagegen meinte der BRH in seinem Bericht vom 14.10.1997, die Vereinbarung regele nur die Aufteilung der Zinsgewinne, die der Beklagte bei ordnungsgemäßer Abführung der Beiträge in der Zeit bis zur Weiterleitung erwirtschafte. Dagegen regele die Vereinbarung nicht, wem die Zinsgewinne zustünden, die durch die rechtswidrige Zahlung der Orderschecks dem Beklagten zuflössen. Außerdem widersprach er der Auffassung der Rentenversicherungsträger und der Bundesanstalt für Arbeit zur Berechnung der Zinsausgleichszahlungen und kündigte insoweit das Einschalten der Aufsichtsbehörden an. Er forderte außerdem, dass das BMG als Aufsichtsbehörde gegenüber dem Beklagten tätig werden müsse. Der Rechnungsprüfungsausschuss des Deutschen Bundestages schloss sich der Auffassung des BRH an (Beschluss vom 14.11.1977) und forderte vom BMG einen Bericht auch zu den Maßnahmen des Schadensausgleichs, einschließlich einer eventuellen Amtshaftung. Das BMG führte daraufhin am 16.01.1998 mit dem Beklagten ein aufsichtsrechtliches Beratungsgespräch und schloss sich nun ebenfalls der Auffassung an, dass das Orderscheckverfahren rechtswidrig sei. Es gebe keine Möglichkeit mehr, das Verfahren weiter zu tolerieren. Der Beklagte teilte daraufhin mit, das Verfahren werde im Laufe des Monats Mai 1998 eingestellt.

Mit Schreiben vom 31.03.1998 forderte das BMG den Beklagten auf, mit den übrigen Vertragsparteien den Vorteilsausgleich neu zu verhandeln und durchzuführen. Dabei meinte er, dass bei einem Vergleich zwischen den Laufzeiten durch das Orderscheckverfahren und Überweisungen die Laufzeiten bei beschleunigter Überweisung heranzuziehen seien. Insoweit sollten die Parteien des Vertrages vom 30.04.1997 den fiktiven Vorteil neu berechnen und ausgleichen. Bei der Besprechung am 29.06.1998 konnten sich die Vertragsparteien nicht auf eine neue Regelung einigen. Die Fremdversicherungsträger forderten Ausgleichszahlungen entsprechend den Feststellungen des BRH und lehnten die vom Beklagten vorgeschlagene nochmalige Verifizierung der bei der früheren Vereinbarung zugrunde gelegten Ausgangsdaten ab. Mit Schreiben vom 05.08.1998 teilte der Beklagte dem BMG mit, da die Fremdversicherer ausschließlich von den Ausgangsdaten des BRH hätten ausgehen wollen, habe man keinen Spielraum für Verhandlungen gesehen.

Mit Schreiben vom 25.05.1998 hatte der Beklagte die Vereinbarung vom 30.04.1997 unter Hinweis auf den Wegfall des Orderscheckverfahrens zum 31.05.1998 gekündigt. Die Rentenversicherungsträger bestätigten diese Kündigung und schlugen den Abschluss einer neuen Zinsvereinbarung vor. Mit Wirkung vom 01.06.1998 wurde insoweit eine neue Vereinbarung getroffen, wobei in § 3 der Zinsberechnung 1,4 Tage zugrunde gelegt wurden.

Mit der am 14.10.1998 erhobenen Klage hat die Klägerin von dem Beklagten einen Betrag von rund 10,2 Mio. DM als Verzugszinsen nach § 28r Abs. 2 SGB IV gefordert. Zeitgleich haben auch die BfA und die Bundesagentur für Arbeit entsprechende Klagen erhoben.

Zur Begründung hat die Klägerin vorgetragen, der Beklagte sei zwar nicht durch die Aufgabenstellung per se Einzugsstelle geworden, habe aber den für die Einzugsstellen geltenden Vorschriften unterlegen. Insbesondere habe die Pflicht zur Überweisung der weiterzuleitenden Beträge nach § 3 Abs. 1 BZVO auch für ihn seit Inkrafttreten der BZVO gegolten. Die Ergänzungen in § 1 Abs. 3 BZVO im Jahre 1994 hätten nur klarstellende Bedeutung gehabt. Die Pflicht des Beklagten, dafür Sorge zu tragen, dass die Fremdversicherungsträger möglichst schnell über die Beiträge verfügen könnten, ergebe sich auch daraus, dass er wie die eigentlichen Einzugsstellen zu der Klägerin in einem fremdnützigen Treuhandverhältnis stehe. Unter Darstellung des Geschehensablaufs hat der Beklagte dargelegt, dass die Fremdversicherungsträger immer die Unzulässigkeit des Orderscheckverfahrens zu vertreten hätten, so dass der Beklagte schuldhaft gehandelt habe, indem er an der Weiterleitung durch Orderscheck festgehalten habe. Hinsichtlich der Höhe der Schadensersatzforderung sei von den Feststellungen des BRH auszugehen, wobei auch auf die Differenz der Laufzeit im Rahmen des Orderscheckverfahrens gegenüber den Laufzeiten bei beschleunigten Überweisungen abzustellen sei. Aufgrund der Ermittlungen des BRH sei somit davon auszugehen, dass 90 % der weitergeleiteten Beträge über 100.000,- DM gelegen hätten und somit beschleunigt weiterzuleiten gewesen wären. Insoweit betrage die Laufzeitverzögerung 4,1 Tage, hinsichtlich der nur durch einfache Überweisung weiterzuleitenden 10 % der Beiträge sei von einer Laufzeitverzögerung von 2,58 Kalendertagen auszugehen.

Der Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, jedenfalls bis zur Änderung der BZVO im Juni 1994 sei er nicht zur Überweisung der Beiträge verpflichtet gewesen. § 3 Abs. 1 BZVO regele nur die Überweisung der nach § 28k Abs. 1 SGB IV weiterzuleitenden Beträge. Da er selbst aber keine Beiträge an die einzelnen Rentenversicherungsträger weiterzuleiten gehabt habe, sondern den Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Einzugsstelle weitergeleitet habe, enthalte die BZVO keine ausdrückliche Bestimmung über diese Zahlung und stehe daher der Praktizierung des Orderscheckverfahrens nicht entgegen. Selbst nach der Neufassung des § 1 Abs. 3 BZVO habe sich daran nichts geändert, der Gesetzgeber habe lediglich die Verweisung auf Vorschriften ausgedehnt, die systematisch auf das in § 3 Abs. 1 BZVO geregelte Überweisungsverfahren anknüpften, explizit jedoch nicht das gewählte Verfahren ausschlössen. Auf keinen Fall könne ihm ein Schuldvorwurf gemacht werden. Zum einen sei das gewählte Orderscheckverfahren gegenüber Überweisungen wirtschaftlich vorteilhaft gewesen, zum anderen hätten die Fremdversicherungsträger das Orderscheckverfahren ausweislich des Besprechungsprotokolls bei der Prüfung im Jahr 1994 toleriert. Im Übrigen sei der Klaganspruch untergegangen, da auch die Laufzeitverzögerung aufgrund der Anwendung des Orderscheckverfahrens Gegenstand der Vereinbarung vom 30.04.1997 gewesen sei. Damit seien alle weitergehenden Schadensersatzansprüche untergegangen, denn nach § 6 Abs. 2 der Vereinbarung hätten im Wege des Vergleichs alle in der Vergangenheit begründeten Ansprüche der Fremdversicherungsträger erledigt werden sollen. Hilfsweise hat sich der Beklagte auf Verwirkung berufen, weil die Klägerin das Verfahren im streitigen Verfahren toleriert habe und außerdem hinsichtlich der Ansprüche für die Zeit vor dem 01.01.1994 die Verjährungseinrede erhoben. Zur Höhe der Schadensersatzforderung hat der Beklagte die Ermittlungen des BRH zu den Laufzeiten kritisiert und darauf hingewiesen, dass eine exemplarische Auswertung der Schecklaufzeiten für die Monate März 1997 und März 1998 deutlich kürzere Laufzeiten ergeben habe.

Mit Urteil vom 23.07.2002 hat das Sozialgericht unter Abweisung der weitergehenden Klage den Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz für den Zeitraum vom 01.01.1997 bis 31.05.1998 verurteilt. Es ist davon ausgegangen, dass ein Anspruch auf Zahlung eines Schadensersatzanspruches für den Zeitraum bis 31.12.1996 aufgrund der Vereinbarung vom 30.04.1997 ausgeschlossen sei. Diese Vereinbarung erfasse alle vom Beklagten in der Zeit vom 01.01.1989 bis 31.12.1996 erwirtschafteten Zinsgewinne. Somit verbleibe kein Raum für einen Schadensersatzanspruch nach § 28r SGB IV, der tatbestandlich voraussetze, dass überhaupt Zinsen entgangen seien. Hinsichtlich der Zeit ab 01.01.1997 habe jedoch der Beklagte gegen seine Pflicht zur Überweisung im beschleunigten Verfahren verstoßen. Insoweit sei unerheblich, dass die unmittelbaren Zahlungsempfänger, also die Einzugsstellen, ihn nicht zur Zahlung im beschleunigten Verfahren aufgefordert hätten, da mehrfache und eindeutige Aufforderungen der Fremdversicherungsträger vorgelegen hätten, die Beiträge im beschleunigten Überweisungsverfahren weiterzuleiten. Hinsichtlich der Laufzeitdifferenz sei von den Feststellungen des BRH auszugehen.

Beide Beteiligte haben fristgerecht Berufung eingelegt.

Die Klägerin meint, entgegen der Annahme des Sozialgerichts sei der Beklagte schon seit dem 01.07.1989 verpflichtet gewesen, die Beiträge im beschleunigten Überweisungsverfahren weiterzuleiten. Der Beklagte habe im Rahmen des zentralen Beitragseinzugsverfahrens die entsprechenden Rechte und Pflichten einer Einzugsstelle gehabt, so dass ihn ebenso wie die Einzugsstellen die Verpflichtung getroffen habe, Beiträge im Rahmen des bestehenden Treuhandverhältnisses unverzüglich an die zuständigen Träger weiterzuleiten. Zu Unrecht gehe auch das Sozialgericht davon aus, dass die Vereinbarung vom 30.04.1997 mögliche Schadensersatzansprüche betroffen habe. Sie sei aufgrund der am 01.01.1996 in Kraft getretenen Regelung in § 281 Abs. 2 SGB IV geschlossen worden, so dass mit dieser Vereinbarung Schadensersatzansprüche nach § 28r SGB IV wegen der verspäteten Weiterleitung der Beiträge aufgrund des Orderscheckverfahrens nicht abgegolten seien.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 23.07.2002 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie weitere 4.827.022,95 Euro nebst 2 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab Eingang der Klage zu zahlen und die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 23.07.2002 zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Er vertritt die Auffassung, dass § 28r Abs. 1 SGB IV einen Verstoß gegen die BZVO nicht sanktioniere, da er nach seinem Wortlaut nur bei Verletzung einer nach "diesem Abschnitt" auferlegten Pflicht eingreife. Soweit die Klägerin bestreite, dass mit der Vereinbarung vom 30.04.1997 auch die Nachteile wegen der Praktizierung des Orderscheckverfahrens hätten ausgeglichen werden sollen, sei auf das von allen Beteiligten unterschriebene Besprechungsprotokoll vom 28.04.1997 zu verweisen, in der hinsichtlich der Kündigungsregelung ausdrücklich auf einen Zusammenhang mit einer Beendigung des Orderscheckverfahrens Bezug genommen werde. Der Beklagte hält an seiner Auffassung fest, dass ihm auch hinsichtlich der Zeit ab 01.01.1997 keine schuldhafte Verletzung seiner Verpflichtung vorgeworfen werden könne, denn die mit der Thematik betrauten Mitarbeiter hätten mit Abschluss der Vereinbarung vom 30.04.1997 davon ausgehen müssen, dass die Vorgehensweise bei der Weiterleitung von Beiträgen rechtmäßig sei. Auch was den Schadensumfang anbelange, sei die Entscheidung des Sozialgerichts fehlerhaft, weil sie sich mit der Kritik an den Ermittlungen des BRH zu den Laufzeitdifferenzen nicht auseinandersetze und nicht beachtet habe, dass die vor der Vereinbarung vom 30.04.1997 durchgeführten Überprüfungen im Zusammenwirken mit den Fremdversicherungsträgern angestellt worden seien. Außerdem dürfe nicht von der Differenz gegenüber dem beschleunigten Überweisungsverfahren ausgegangen werden, denn eine Erklärung i.S.d. § 3 Abs. 2 Satz 3 BZVO sei gegenüber ihm - dem Beklagten - von den Fremdversicherungsträgern nicht abgegeben worden.

Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der Beratung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen sind zulässig. Die Berufung des Beklagten ist auch begründet, denn das Sozialgericht hat ihn zu Unrecht zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt. Demgemäß ist die auf die Verurteilung zu weitergehenden Schadensersatzzahlungen gerichtete Berufung der Klägerin unbegründet.

I. Anspruchsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruch ist § 28f Abs. 4 Satz 6 (Fassung bis 31.05.1990) bzw. Satz 7 (Fassung ab 01.06.1990) SGB IV i.V.m. § 28r Abs. 1 SGB IV. Da es hier um Schadensersatz wegen entgangener Zinsen geht, ergibt sich der Umfang des insoweit zu leistenden Schadensersatzanspruchs aus § 28r Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 SGB IV.

1.) Die für das zentrale Beitragseinzugsverfahren entsprechend geltende Vorschrift des § 28r Abs. 1 SGB IV setzt voraus, dass ein Bediensteter der Einzugsstelle (also hier der Beklagten) schuldhaft gegen eine nach dem 3. Abschnitt auferlegte Pflicht verstoßen und dadurch einem anderen Träger einen Schaden zugefügt hat.

a) Die Vorschrift erfasst entgegen der Ansicht des Beklagten auch Verstöße gegen Pflichten, die in den nach § 28n SGB IV erlassenen Verordnungen geregelt werden. In diesen Verordnungen wird lediglich in Ausfüllung der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage das Nähere zu dem im 3. Abschnitt geregelten Beitragseinzug festgelegt.

b) Mit der Klägerin ist auch davon auszugehen, dass die Verpflichtung aus § 3 Abs. 1 BZVO zur Weiterleitung der Beiträge durch Überweisung schon seit Inkrafttreten dieser Vorschrift auch für den Beklagten galt. Soweit dieser seine Verpflichtung deshalb bestreitet, weil § 3 Abs. 1 BZVO nur die Überweisungen der nach § 28k SGB IV weiterzuleitenden Beiträge, also der auf die einzelnen Versicherungsträger entfallenden Beitragsanteile regele, während er im Rahmen des zentralen Beitragseinzugs den Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Einzugsstelle weitergeleitet habe, ist diese Argumentation gekünstelt. Die in § 1 Abs. 3 BZVO angeordnete entsprechende Geltung des § 3 Abs. 1 BZVO für den Verband im Rahmen des § 28f Abs. 4 SGB IV konnte sich nur auf die in § 28f Abs. 4 Satz 4 (Fassung bis 31.05.1990) bzw. Satz 5 (Fassung ab 01.06.1990) SGB IV angeordnete Weiterleitung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags an die Einzugsstelle beziehen. Des vom Beklagten vermißten ausdrücklichen Ausschlusses des Orderscheckverfahrens bedurfte es angesichts der eindeutigen Vorschrift, die Beiträge durch Überweisung weiterzuleiten, nicht, denn offenkundig handelt es sich bei Überweisungen und Scheckübersendungen um unterschiedliche Zahlungsmodi. Die Erweiterung der Verweisung in § 1 Abs. 3 BZVO auf § 3 Abs. 2 BZVO im Jahre 1994 setzte auch die bestehende Überweisungspflicht voraus, von der auch der Gesetzgeber ausgegangen ist (s. die Gesetzesbegründung in BT-Drucksache 12/6334, S. 13). Die Bezugnahme auf § 3 Abs. 2 BZVO wäre sonst leergelaufen, denn wenn auch Zahlungen per Scheck erlaubt gewesen wären, hätte die Forderung nach einer beschleunigten Überweisung keine Grundlage. Dass der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 28f Abs. 4 SGB IV im Jahre 2001 nunmehr ausdrücklich vorgeschrieben hat, dass die Beträge von der beauftragten Stelle durch Überweisung weiterzuleiten sind und in der Gesetzesbegründung darauf hingewiesen wird, eine andere Art der Weiterleitung, z.B. per Orderscheck, sei nicht zulässig (BT-Drucksache 14/4375, 51), war angesichts der eindeutigen Regelung in der BZVO überflüssig.

Auf der anderen Seite bestand allerdings entgegen der Auffassung der Klägerin keine Verpflichtung des Beklagten zu beschleunigten Überweisungen. Für den Beklagten war ohnehin erst seit dem 18.06.1994 § 3 Abs. 2 BZVO anwendbar. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Norm konnten aber nur die Einzugsstellen als Zahlungsempfänger des nach § 28f Abs. 4 Satz 5 SGB IV weiterzuleitenden Gesamtsozialversicherungsbeitrages vom Beklagten beschleunigte Überweisungen verlangen. Hiervon ist auch der Gesetzgeber ausgegangen (BT-Drucksache 12/6334, S. 13). Unabhängig davon, dass ohnehin die Fremdversicherungsträger auch nach der Änderung des § 1 Abs. 3 BZVO nie explizit den Beklagten zur beschleunigten Überweisung aufgefordert haben, hätte somit diese Befugnis für sie auch nicht bestanden. Die Argumentation, der Beklagte habe im Rahmen des zentralen Beitragseinzugsverfahrens grundsätzlich die Rechte und Pflichten einer Einzugsstelle gehabt und habe wie diese dafür Sorge tragen müssen, dass die Fremdversicherungsträger die für sie bestimmten Beitragsanteile möglichst rasch erhielten, kann vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelung nicht zur Annahme einer Verpflichtung zur beschleunigten Überweisung führen. Der Gesetzgeber hat bei der Regelung des zentralen Beitragseinzugs nicht pauschal die Anwendung der für die Einzugsstellen geltenden Vorschriften angeordnet, sondern differenziert eine Verweisung auf einzelne Normen vorgenommen. Die Stellung des Beklagten im Rahmen des zentralen Beitragseinzugs beschränkte sich auf die Funktion einer Zahlstelle für die AOK, mit den weiteren Aufgaben einer Einzugsstelle (wie etwa der Beitreibung von Beiträgen, § 28h Abs. 1 Satz 2 SGB IV oder der Festsetzung von Säumniszuschlägen, § 24 Abs. 1 SGB IV) hatte er nichts zu tun, ebensowenig war (und ist) er in die Vergütungsregelung für die Einzugsstelle (§ 281 SGB IV) einbezogen. Von daher kann ohne gesetzliche Grundlage nicht angenommen werden, der Beklagte sei im Verhältnis zu den Fremdversicherungsträgern zu beschleunigten Überweisungen verpflichtet gewesen. Der BRH geht somit in seinem Prüfbericht vom 04.12.1996 von der unzutreffenden Annahme aus, dass 90 % der Beträge hätten im beschleunigten Verfahren weitergeleitet werden müssen. Da es unstreitig keine entsprechende Aufforderung der Einzugsstellen gab und das Gesetz eindeutig die Pflicht zur beschleunigten Überweisung von einer Aufforderung des Zahlungsempfängers abhängig macht (mit der Folge, dass dieser die Mehrkosten zu tragen hat), kann dem Beklagten jedenfalls nicht vorgehalten werden, er habe sich pflichtwidrig nicht der beschleunigten Überweisungen bedient.

2. Ob den Bediensteten der Beklagten wegen des Verstoßes gegen die Pflicht zur Überweisung ein Schuldvorwurf zu machen ist oder ob es sie etwa entschuldigt, dass sie das Orderscheckverfahren als für die Sozialversicherung insgesamt wirtschaftlicher angesehen haben, weil bis zur Einlösung der Schecks das Geld gewinnbringend auf den Konten der Versicherungsträger verblieb, während bei Überweisungen die Zinsgewinne aus der Zeit zwischen der Belastung auf dem Zahlerkonto und der Wertstellung auf dem Empfängerkonto den Banken zugeflossen wären (wobei freilich diese Vorteile allein der AOK zugute gekommen sind), kann dahinstehen. Der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs wegen des Orderscheckverfahrens steht nämlich die Vereinbarung vom 30.04.1997 entgegen, mit der die Vertragsparteien abschließend auch die Folgen dieses Zahlungsverfahrens geregelt hatten.

a) Die Argumentation der Klägerin (die sich insoweit wohl nachträglich die Auffassung des BRH zu eigen gemacht hat), mit der Vereinbarung sei allein die Aufteilung der bei ordnungsgemäßem Verfahren anfallenden Zinsen geregelt worden, überzeugt nicht. Zwar wird in der Präambel der Vereinbarung die Aufteilung der bei der Verwaltung von Fremdbeiträgen erzielten Gewinne nach § 281 Abs. 2 SGB IV angesprochen, also scheinbar nur die bei ordnungsgemäßer Weiterleitung der Beiträge erzielten Zinsen geregelt. Davon abgesehen, dass § 281 Abs. 2 SGB IV zum damaligen Zeitpunkt gar nicht für den Beklagten galt (erst im Zusammenhang mit der Neuregelung des zentralen Beitragseinzugs ist § 281 Abs. 2 SGB IV durch Art. 4 Nr.16 des 4. Euro-Einführungsgesetzes entsprechend ergänzt worden), hatte der Beklagte bei der Besprechung am 28.04.1997 an seiner Auffassung festgehalten, dass die zum Verhältnis zwischen Einzugsstellen und den Rentenversicherungsträgern ergangene Rechtsprechung des BSG für ihn nicht gelte. Seine Bereitschaft, gleichwohl eine Vereinbarung über die Zinsaufteilung zu treffen, hat er mit der Forderung verknüpft, dass die in der Vergangenheit bereits geleisteten Vorteilsausgleichszahlungen angerechnet werden müssten. Diese Zahlungen waren aber (auch) wegen der Laufzeitverzögerungen aufgrund des Orderscheckverfahrens geleistet worden. In dem Bericht vom 16.12.1994 über die Prüfung vom Oktober 1994 war ausdrücklich festgestellt worden, dass wegen der einvernehmlich ermittelten Laufzeitverzögerung von 0,33 Tagen der Beklagte nicht nur für die Zeit ab 20.06.1994 einen Vorteilsausgleich zugestehe, sondern dass zur Vermeidung eines Rechtsstreites eine Ausgleichszahlung schon ab dem 01.09.1992 vereinbart worden sei. Außerdem verpflichtete sich der Beklagte ab dem 01.01.1995 zu monatlich nachträglichen Ausgleichszahlungen, die er auch laufend erbracht hat. Vor diesem Hintergrund ist die Regelung in § 6 Abs. 2 Satz 3 der Vereinbarung vom 30.04.1997 getroffen worden, die nur verständlich ist, wenn die Laufzeitverzögerung durch das Orderscheckverfahren bei der Vereinbarung berücksichtigt worden ist. Gegen diese Auslegung spricht nicht, dass die Regelung von 2,3 Zinstagen in § 3 der "Mustervereinbarung" der Spitzenorganisationen zu § 281 Abs. 2 SGB IV entsprach. Die Vereinbarungen mit den Einzugsstellen sahen nämlich durchaus auch von der Mustervereinbarung abweichende Regelungen der Zinstage vor. So hatten etwa im AOK-Bereich ausweislich der Akten des Beklagten die AOK Niedersachsen 1,95 Zinstage und die AOK Hessen sogar nur 1,4 Tage vereinbart. Der Umstand, dass in der nach der Aufgabe des Orderscheckverfahrens mit Wirkung vom 01.06.1998 getroffenen Vereinbarung nur noch 1,4 Zinstage vereinbart wurden, bestätigt, dass in der Vereinbarung vom 30.04.1997 auch die Laufzeitverzögerung mit erfasst werden sollte. Anders ist die Neuregelung nicht zu erklären, denn sonstige Gründe für eine Verringerung der bei ordnungsgemäßer Weiterleitung der Beiträge anfallenden Zinstage sind nicht ersichtlich. Der Wille der Vertragsparteien auch zur Regelung der Laufzeitverzögerung ergibt sich schließlich vor allem aus dem von allen Besprechungsteilnehmern unterzeichneten Vermerk vom 28.04.1997. Die Vertragsparteien hatten insoweit festgehalten, dass bei Wegfall des Orderscheckverfahrens bzw. einer Änderung des § 28f Abs. 4 SGB IV die Kündigungsregelung zugunsten des Beklagten geändert werden könne. Der Beklagte hat dementsprechend nach Aufgabe des Orderscheckverfahrens unter Berufung auf sein Sonderkündigungsrecht mit Schreiben vom 25.05.1998 die Vereinbarung gekündigt, was die Fremdversicherungsträger einschließlich der Klägerin auch akzeptiert haben. Das ist nur verständlich, wenn sie davon ausgingen, dass in der Vereinbarung auch die Folgen des Orderscheckverfahrens mit geregelt waren, denn ansonsten wäre die Vereinbarung frühestens zum 31.12.1999 kündbar gewesen.

b) Die Vereinbarung vom 30.04.1997 ist als öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne des § 53 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu qualifizieren. Er ist formgerecht schriftlich geschlossen worden (§ 56 SGB X). Seiner Wirksamkeit steht nicht entgegen, dass er unter Umständen materiell rechtswidrige Regelungen (etwa zur Berücksichtigung der Folgen der Laufzeitverzögerungen durch das Orderscheckverfahren) enthält. Auch ein wegen Rechtswidrigkeit an sich unzulässiger Vertrag ist wirksam, wenn er nicht nichtig ist (ganz herschende Meinung, s. etwa Engelmann in: von Wulffen, SGB X, 4. Auflage, § 58 Rdn. 2 mwN; Hennecke in: Knack, VwVfG, 8. Auflage, § 59 Rdn. 4). Nichtigkeitsgründe im Sinne des § 58 Abs. 1 SGB X liegen nicht vor. Soweit ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) in Frage steht (zur grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 134 BGB in diesem Zusammenhang s. etwa BSG SozR 3-2500 § 109 Nr. 7), ist Nichtigkeit nicht bereits dann anzunehmen, wenn mit dem öffentlich-rechtlichen Vertrag gegen das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstoßen wird (vgl. Engelmann, a.a.O., Rdn. 6 m.w.N.). Nur bei qualifizierten Rechtsverstößen ist Nichtigkeit zu bejahen. Maßgeblich ist insoweit, ob eine zwingende Rechtsnorm besteht, die nach ihrem Sinn und Zweck die Herbeiführung eines bestimmten Erfolges verbietet oder einen bestimmten Inhalt des Vertrages ausschließt (s. Hennecke, a.a.O., Rdn. 8f). Insoweit könnte sich allenfalls die Frage stellen, ob insbesondere die Zinsregelung in § 4 der Vereinbarung nicht gegen § 28r Abs. 2 SGB IV verstößt, der unabhängig von dem im konkreten Fall eingetretenen Zinsverlust einen Schadensersatz in Höhe von 2 % über dem Basiszinssatz (damals noch: Diskontsatz der Deutschen Bundesbank) einräumt (s. dazu Krauskopf-Baier, Soziale Krankenversicherung, Soziale Pflegeversicherung, § 28r SGB IV Rdn. 6). Es kann aber nicht angenommen werden, dass aus § 28r SGB IV ein zwingendes Verbot für eine Regelung wie die hier getroffene folgt. Die Vertragsparteien wollten mit der Vereinbarung die Folgen des Orderscheckverfahrens regeln. Nach ihrer Vorstellung bedeutete dessen Praktizierung bei einem entsprechenden Ausgleich der Laufzeitverzögerung für die Fremdversicherungsträger keinen Nachteil, so dass sie hingenommen werden konnte. Die Fremdversicherungsträger gingen (ebenso wie das BMG in seiner ersten Reaktion auf die Vereinbarung) davon aus, dass bei Zahlung eines Vorteilsausgleichs sich aus dem Orderscheckverfahren kein Nachteil ergab und damit ebenso hingenommen werden konnte, wie von vornherein dieses Zahlungsverfahren nicht zu beanstanden gewesen wäre, wenn es nicht zu einer zeitlichen Verzögerung bei der Weiterleitung der Beiträge geführt hätte. Von daher spricht nichts dafür, dass die Beteiligten bewusst die Schadensersatzregelung in § 28r Abs. 2 SGB IV unterlaufen wollten, was unter Umständen zur Nichtigkeit der Vereinbarung hätte führen können. Eine andere Frage ist, auf welcher tatsächlichen und rechnerischen Grundlage die Ausgleichszahlungen festgelegt worden sind. Insoweit haben die Vertragsparteien sich auf eine bestimmte Berechnung geeinigt. Zur Laufzeitverzögerung ist darauf hinzuweisen, dass die Vertragsparteien bereits 1994 gemeinsam nur eine geringfügige Verzögerung ermittelt hatten. Ob diese Ermittlung entsprechend der Kritik des BRH fehlerhaft war, ist hier nicht zu entscheiden. Ebenso wenig steht der Wirksamkeit der Vereinbarung entgegen, dass der Beklagte im Rahmen des zentralen Beitragseinzugsverfahrens deutlich über den vereinbarten Zahlungen liegende Zinsen erwirtschaftet hat. Wenn die Fremdversicherungsträger, wie von der Klägerin behauptet, im Wesentlichen von den Angaben des Beklagten ausgegangen sind und darauf verzichtet haben, dessen tatsächlich erzielte Zinsen zu überprüfen, müssen sie dies jetzt hinnehmen.

Somit sind mit der Vereinbarung vom 30.04.1997 wirksam die Folgen der Laufzeitverzögerung infolge des Orderscheckverfahrens geregelt worden. Damit ist für die Annahme eines Schadens kein Raum mehr. § 28r Abs. 2 SGB IV regelt nur abstrakt die Schadenshöhe unabhängig von dem konkreten Zinsverlust, knüpft aber tatbestandlich an § 28r Abs. 1 Satz 1 SGB IV an und setzt damit einen durch die Pflichtverletzung verursachten Schaden voraus.

c) Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts gilt die abschließende Regelung der Vereinbarung auch für die Zeit nach dem 01.01.1997. Der Regelungswille der Vertragsparteien kann nicht für die Zeit bis 31.12.1996 und ab 01.01.1997 unterschiedlich beurteilt werden. Wenn sie mit der Vereinbarung auch die Folgen des Orderscheckverfahrens regeln wollten, gilt dies für die gesamte Laufzeit der Vereinbarung. Das zeigt vor allem die (zukunftsgerichtete) Vereinbarung des Sonderkündigungsrechts bei Aufgabe des Orderscheckverfahrens und dessen Inanspruchnahme im Mai 1998 durch den Beklagten.

3.) Selbst wenn man nicht annehmen würde, dass wegen der in der Vereinbarung vom 30.04.1997 getroffenen Regelung kein Raum mehr für eine darüber hinausgehende Schadensersatzforderung ist, scheidet ein Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 28r Abs. 1 SGB IV aus.

a) Hinsichtlich des Zeitraums vom 01.07.1989 bis November 1994 wären unabhängig davon, ob insoweit Verjährung eingetreten ist und sich der Beklagte auf Verjährung berufen darf, diese Ansprüche verwirkt. Anlässlich der Prüfung im Oktober 1994 ist von den Fremdversicherungsträgern mit dem Beklagten eine umfassende Regelung zum Ausgleich der durch das Orderscheckverfahren auftretenden Lautzeitverzögerung getroffen worden. Sie hatten einvernehmlich eine Laufzeitverzögerung von 0,33 Tagen ermittelt und haben auf dieser Grundlage nicht nur für die Zukunft, sondern auch für die Vergangenheit Ausgleichszahlungen vereinbart. Zwar wurden insoweit nur Ansprüche für die Zeit ab 01.09.1992 eingeräumt. Im Prüfbericht werden aber aufgrund dieser Vereinbarung ausdrücklich die Prüffeststellungen zum Orderscheckverfahren aus den vorangegangenen Prüfberichten für erledigt erklärt, also auch für die Zeit vor dem 01.09.1992. Die in den früheren Prüfberichten enthaltenen Rügen des Orderscheckverfahrens waren damit gegenstandslos geworden. Gegen Zahlung einer gewissen Summe haben die Fremdversicherungsträger darauf verzichtet, für die Zeit vor dem 01.09.1992 Sanktionen zu verhängen. Der Beklagte durfte somit billigerweise darauf vertrauen, dass mit der im Dezember 1994 getroffenen Regelung alle Ansprüche bis zu diesem Zeitpunkt erledigt seien und dass die Fremdversicherungsträger nicht knapp vier Jahre später weitere Ansprüche erheben würden.

b) Für den Zeitraum ab 01.01.1995 dürfte es sogar am Vorwurf der Pflichtverletzung fehlen, da die Fremdversicherungsträger gegen Zahlung eines festgelegten Ausgleichsbetrages das Orderscheckverfahren hingenommen hatten. Wenn die durch das Orderscheckverfahren eintretenden Nachteile ausgeglichen wurden, also die Weiterleitung der Beiträge durch Überweisung oder durch Schecks sich wirtschaftlich gleich auswirkte, erscheint der Vorwurf einer Verletzung der Pflicht zur Zahlung durch Überweisung kaum gerechtfertigt. Jedenfalls könnte insoweit den Bediensteten des Beklagten kein Schuldvorwurf gemacht werden, wenn sie im Einverständnis mit den Fremdversicherungsträgern die Zahlung durch Scheckübersendung vornahmen. Dies gilt mindestens für den Zeitraum, für den die weitere Fortsetzung des Orderscheckverfahrens bekannt war, also bis Dezember 1995. Da aber der Beklagte offensichtlich auch über diesen Zeitpunkt hinaus Ausgleichszahlungen geleistet hat, konnten die Fremdversicherungsträger erkennen, dass die beabsichtigte Umstellung auf das sogenannte Hauskassenverfahren noch nicht erfolgt war und der Beklagte weiter die Beiträge erhielt und durch Scheck weiterleitete. Die Behauptung der Fremdversicherungsträger anlässlich der Prüfung im Oktober 1996, ihnen sei die Fortsetzung des Orderscheckverfahrens nicht bekannt gewesen, ist vor dem Hintergrund der laufend erbrachten Zahlungen nicht nachvollziehbar. Wenn die Fremdversicherungsträger trotz Erkennbarkeit der Fortsetzung des Orderscheckverfahrens nicht intervenierten und weiter die Ausgleichszahlung entgegennahmen, konnten die Mitarbeiter des Beklagten davon ausgehen, dass sie auch weiterhin das Orderscheckverfahren akzeptierten, so dass ein Schuldvorwurf entfallen würde. Erst recht gilt dies für den Zeitraum nach dem Abschluss der Vereinbarung vom 30.04.1997. Da, wie dargelegt, mit dieser Vereinbarung die Folgen des Orderscheckverfahrens geregelt (und nach Vorstellung der Vertragsparteien die Nachteile für die Fremdversicherungsträger ausgeglichen) wurden, kann den Mitarbeitern des Beklagten kein Schuldvorwurf gemacht werden, wenn sie weiterhin dieses Zahlungsverfahren praktizierten.

II. Da somit schon dem Grunde nach kein Schadensersatzanspruch der Klägerin besteht, braucht den Einwendungen des Beklagten gegen die Höhe des Anspruchs nicht nachgegangen werden. Sie wären zumindest insoweit begründet, als der Zinsberechnung nicht die Differenz der Laufzeiten von Scheckübersendung und beschleunigten Überweisung zugrunde gelegt werden könnte, weil, wie ausgeführt, für den Beklagten eine solche Pflicht, Beträge über 100.000,- DM beschleunigt zu überweisen, nicht bestand. Ob auch die vom Beklagten gegen die vom BRH ermittelten Laufzeiten der Schecks erhobenen Einwände berechtigt wären, kann, wie gesagt, offen bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für die Revision liegen nicht vor, insbesondere hat der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG), da nur auf den konkreten Fall bezogene Fragen zu entscheiden und die Interessen der Allgemeinheit nicht berührt sind.
Rechtskraft
Aus
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