L 12 (9) AL 243/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 4 AL 70/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 (9) AL 243/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 10.11.2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosenhilfe vom 08.01. bis 03.08.2003.

Die 1960 geborene Klägerin stand bei der Beklagten mit Unterbrechungen seit Jahren im Leistungsbezug. Sie bezog u. a. ab 03.10.2001 Arbeitslosenhilfe. In ihrem Fortzahlungsantrag auf Arbeitslosenhilfe vom 06.12.2002 zum 08.01.2003 gab die Klägerin den Kontostand ihres Girokontos mit 582,62 Euro und den ihres Sparbuchs mit 1.575,89 Euro an. Zudem verfügte sie nach ihren Angaben über eine Kapitallebensversicherung mit einem Rückkaufswert von 13.688,00 Euro. Mit Bescheid vom 13.01.2003 lehnte die Beklagte die Gewährung von Arbeitslosenhilfe ab 08.01.2003 ab, weil die Klägerin über ein zumutbar verwertbares Vermögen in Höhe 15.263,89 Euro verfüge. Unter Berücksichtigung eines Freibetrages in Höhe von 8.400 Euro verbliebe noch ein Betrag von 6.863,89 Euro, der bei der Prüfung der Bedürftigkeit zu berücksichtigen sei.

In ihrem dagegen am 16.01.2003 erhobenen Widerspruch machte die Klägerin im Wesentlichen geltend, seit mehreren Jahren durchgehend Arbeitslosenhilfeempfängern gewesen zu sein, wobei die Lebensversicherung nicht als verwertbares Vermögen angesehen worden sei, weil sie einer angemessenen Alterssicherung diene. Hieran habe sich nichts geändert.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.03.2003 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück und verblieb bei ihrer Auffassung, dass das Vermögen der Klägerin zu berücksichtigen sei. Für den neuen Bewilligungsabschnitt ab 08.01.2003 sei die Arbeitslosenhilfeverordnung in der ab 01.01.2003 gültigen Fassung anzuwenden gewesen.

Am 17.04.2003 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht (SG) Detmold Klage erhoben. Sie hat im Wesentlichen geltend gemacht. Der Lebensversicherungsbetrag sei bereits vorher bei der Arbeitslosenhilfe berücksichtigt worden und deshalb nicht mehr in voller, sondern allenfalls in Höhe einer maximalen Differenz von 1.259,00 Euro zu berücksichtigen, so dass sich mit dem Sparguthaben ein unterhalb des Freibetrages liegender Betrag ergebe. Zudem sei in ihrem Fall altes Recht anzuwenden und in Folge ihres längeren Arbeitslosenhilfebezugs genieße sie einen aus Art. 14 Grundgesetz (GG) folgenden Vertrauensschutz. Die Arbeitslosenhilfeverordnung sei ihrer Auffassung nach in dem maßgebenden Punkt verfassungswidrig.

Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.01.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2003 zu verurteilen, ihr Arbeitslosenhilfe nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften ab 08.01.2003 zu gewähren sowie die Berufung zuzulassen.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat in ihrer in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Auffassung festgehalten und ergänzend vorgetragen, § 9 der nicht mehr gültigen Arbeitslosenhilfeverordnung vom 07.08.1974 sei in die seit dem 01.01.2002 geltende Arbeitslosenhilfeverordnung vom 13.12.2001 nicht übernommen worden. Seitdem sei tatsächlich vorhandenes Vermögen bei der Feststellung der Bedürftigkeit entsprechend zu berücksichtigen. Die Übergangsvorschriften griffen im Falle der Klägerin nicht ein.

Mit Gerichtsbescheid vom 10.11.2003 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides verwiesen sowie zur Ergänzung folgendes ausgeführt: Der Umstand, dass die Klägerin schon seit längerem Arbeitslosenhilfe bezogen habe, führe nicht zu einem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz dahingehend, dass auch weiterhin ihr Lebensunterhalt durch Arbeitslosenhilfebezug sicher gestellt werden müsse. Arbeitslosenhilfeleistungen seien anders als die beitragserworbenen Arbeitslosengeldansprüche steuerfinanziert. Eine Arbeitslosenhilfegewährung über Art. 14 GG scheide aus. Die Regelungen der seit 01.01.2003 geltenden Arbeitslosenhilfeverordnung seien nicht verfassungswidrig.

Gegen den ihr am 11.11.2003 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 28.11.2003 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, ihre Kapitallebensversicherung mit der Fälligkeit zum 01.02.2025 sei für eine angemessene Alterssicherung bestimmt gewesen. Die Verwertung dieses Vermögens sei offensichtlich unwirtschaftlich. Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG und der Vertrauensschutz aus Art. 20 GG gebiete, dass auch ein solches Vermögen wie das des § 1 Abs. 3 Arbeitslosenhilfeverordnung anrechnungsfrei bleibe, und zwar hier im Rahmen des § 1 Abs. 3 Nr. 6 Arbeitslosenhilfeverordnung. Zumindest sei weiterhin ein Freibetrag in Höhe von 520,00 Euro je vollendetem Lebensjahr der Arbeitslosen zu Grunde zu legen, weil die drastische Absenkung auf 200,00 Euro ohne Differenzierung nach der Art des Vermögens jedenfalls eine sog. unechte Rückwirkung beinhalte.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 10.11.2003 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.01.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2003 zu verurteilen, ihr Arbeitslosenhilfe nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen vom 08.01. bis 03.08.2003 zu gewähren und die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte, die der Klägerin durch Bescheid vom 15.09.2003 Arbeitslosenhilfe ab 04.08.2003 gewährt, weil zu berücksichtigendes Vermögen bei der Klägerin nicht mehr vorhanden ist, hält den Gerichtsbescheid für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen. Auf den Inhalt der die Klägerin betreffenden Verwaltungsakte, der ebenfalls Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Es besteht kein Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosenhilfe vom 08.01. bis 03.08.2003.

Gemäß § 190 Abs. 1 Nr. 5 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) hat Anspruch auf Arbeitslosenhilfe, wer - neben weiteren Voraussetzungen - bedürftig ist. Nach § 193 Abs. 2 SGB III ist der Arbeitslose nicht bedürftig im Sinne des § 190 Abs. 1 Nr. 5 SGB III, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen, das Vermögen seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder das Vermögen einer Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, die Erbringung von Arbeitslosenhilfe nicht gerechtfertigt ist. Unter welchen gesetzlichen Voraussetzungen dies der Fall ist, konkretisieren im Einzelnen die aufgrund der Ermächtigung in § 206 Nr. 1 SGB III erlassenen Vorschriften der Arbeitslosenhilfeverordnung 2002 vom 13.12.2001 (BGBl. I S. 3734), die hier in der am 01.01.2003 in Kraft getretenen Fassung anzuwenden ist, die sie durch Art. 11 des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 (BGBl. I S. 4607) erhalten hat. Gemäß § 1 Abs. 1 Arbeitslosenhilfeverordnung 2002 ist das gesamte verwertbare Vermögen des Arbeitslosen und seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten, seines Lebenspartners oder einer Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt (Partner), zu berücksichtigen, soweit der Wert des Vermögens den Freibetrag übersteigt. Nach Absatz 2 dieser Vorschrift ist Freibetrag ein Betrag von 200,00 Euro je vollendetem Lebensjahr des Arbeitslosen und seines Partners. Dieser darf für den Arbeitslosen und seinen Partner jeweils 13.000,00 Euro nicht übersteigen. Der in Absatz 1 ermittelte Betrag mindert sich zu Beginn eines neuen Bewilligungsabschnitts in Höhe

1. des durch die Bescheinigung des Vorjahres nach § 92 Nr. 5 des Einkommenssteuergesetzes nachgewiesenen Altersvorsorgevermögens,

2. der nach Abs. 3 Nr. 4 für die Alterssicherung bestimmten Sachen und Rechte, höchstens jedoch in der Höhe, dass ein Betrag von jeweils 4.100,00 Euro nicht unterschritten wird.

Gemäß § 1 Abs. 3 Arbeitslosenhilfeverordnung 2002 ist als Vermögen u.a. nicht zu berücksichtigen das nach § 10 a oder dem XI. Abschnitt des Einkommenssteuergesetzes geförderte Altersvorsorgevermögen einschließlich seiner Erträge und der geförderten laufenden Altersvorsorgebeiträge, soweit der Inhaber das Altersvorsorgevermögen nicht vorzeitig steuerschädlich verwendet (Nr. 3), ferner Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist (Nr. 6). Nach Abs. 4 dieser Vorschrift ist das Vermögen ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften mit seinem Verkehrswert zu berücksichtigen. Für die Bewertung ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Antrag auf Bewilligung oder erneute Bewilligung der Arbeitslosenhilfe gestellt wird, bei späterem Erwerb von Vermögen der Zeitpunkt des Erwerbs.

Mit der Beklagten und dem SG ist vorliegend von einem verwertbaren Vermögen der Klägerin in Höhe von mindestens 15.263,89 Euro am Beginn des neuen Bewilligungsabschnitts (08.01.2003) auszugehen, das sich aus dem Rückkaufswert der Kapitallebensversicherung (13.688,00 Euro), dem Guthaben auf dem Sparkonto (1.575,89 Euro) sowie dem Guthaben auf dem Girokonto (582,62 Euro) ergibt. Unter Berücksichtigung der Lebensjahre der Klägerin (42) am 08.01.2003 ergibt sich ein Freibetrag in Höhe von 8.400,00 Euro (42 x 200,00 Euro), so dass ein zumutbar verwertbares Vermögen in Höhe von 6.863,89 Euro vorhanden war. Dieses Vermögen hat die Klägerin nach ihren Angaben bis zum 03.08.2003 verbraucht.

Der Freibetrag ist nicht nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Arbeitslosenhilfeverordnung 2002 zu mindern, denn der Berücksichtigung des oben genannten Vermögens stehen keine Tatbestände des § 1 Abs. 3 Arbeitslosenhilfeverordnung 2002 entgegen. Insbesondere handelt es sich bei dem berücksichtigten Vermögen nicht um Altersvorsorgevermögen i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 3 Arbeitslosenhilfeverordnung 2002 oder um für die Alterssicherung bestimmte Sachen und Rechte i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 4 Arbeitslosenhilfeverordnung 2002. Die Klägerin ist nicht von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit (vgl. § 231 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - [SGB VI]), wie es von § 1 Abs. 3 Nr. 4 Arbeitslosenhilfeverordnung 2002 vorausgesetzt wird.

Die Verwertung des berücksichtigten Vermögens ist nicht offensichtlich unwirtschaftlich im Sinne von § 1 Abs. 3 Nr. 6 Arbeitslosenhilfeverordnung 2002. Offensichtlich unwirtschaftlich ist eine Verwertung nämlich nur dann, wenn der dadurch erlangte bzw. zu erzielende Gegenwert in einem (deutlichen) Mißverhältnis zum wirklichen Wert des verwerteten bzw. zu verwertenden Vermögensgegenstandes steht oder stehen würde (BSG, Urteil vom 17.10.1990 - 11 RAr 133/88 - DBlR Nr. 3785 a zu § 137 AFG). Umgekehrt ist offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Vermögensverwertung nicht gegeben, wenn das Ergebnis der Verwertung vom wirklichen Wert nur geringfügig abweicht (BSG SozR 3 - 4100 § 137 Nr. 7). Vorliegend hat die Summe der in der Lebensversicherung der Klägerin eingezahlten Beiträge am 08.01.2003 11.051,51 Euro betragen. Damit liegt der Rückkaufswert noch über den eingezahlten Beträgen, deren Höhe als der "wirkliche Wert" im Sinne der Rechtsprechung des BSG angesehen werden kann. Eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Verwertung der Lebensversicherung folgt auch nicht daraus, dass sie zur Alterssicherung bestimmt war und diese durch die Verwertung erschwert werden könnte. Dies ausreichen zu lassen, würde nämlich bedeuten, dass in § 1 Abs. 3 Nr. 6 Arbeitslosenhilfeverordnung 2002 auch die Bedeutung einer Angemessenheits- oder Billigkeitsklausel hätte, obwohl die Vorschrift eine solche Billigkeitsklausel nicht enthält. Den Tatbestand der Berücksichtigungsfreiheit derjenigen Vermögenswerte, die der Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung dienen (§ 6 Abs. 3 Nr. 3 Arbeitslosenhilfeverordnung vom 07.08.1974), hat der Gesetzgeber aufgegeben, den "Unwirtschaftlichkeits"-Tatbetand dagegen in der Arbeitslosenhilfeverordnung 2002 übernommen. Der Begriff der Unwirtschaftlichkeit ist damit in dem Sinne verobjektiviert worden, dass Erwägungen zur individuellen Zumutbarkeit der Verwertung und zur Billigkeit des Ansinnens, vorhandenes Vermögen zur Abwendung der Bedürftigkeit einzusetzen, bei der Anwendung der Arbeitslosenhilfeverordnung 2002 nicht mehr anzustellen sind (vgl. LSG Berlin, Urteil vom 02.09.2003 - L 6 AL 16/03 -; Spellbrink in Eicher/Spelbrink, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 13 Randnr. 207 f.).

Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber der Arbeitslosenhilfeverordnung 2002 bestehen entgegen der Auffassung der Klägerin nicht (so bereits Urteile des Senats vom 10.03.2004 - L 12 AL 156/03 -; 07.04.2004 - L 12 (9) AL 265/03; 22.09.2004 - L 12 AL 109/04 -).

Der allgemeine Gleichheitssatz (Artikel 3 Abs. 1 GG) wird verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können (BVerfGE 87, 234, 255 = SozR 3 - 4100 § 137 Nr. 3). Auf dem Gebiet des Sozialrechts ist wegen der fortwährenden schnellen Veränderungen des Arbeits-, Wirtschafts- und Soziallebens eine besonders weite Gestaltungsfreiheit eingeräumt (vgl. BVerfGE 81, 156, 204). Dies bedeutet, dass nicht zu überprüfen ist, ob im Einzelnen die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung gefunden worden ist.

Aus der Regelung des § 1 Abs. 3 Nr. 3 Arbeitslosenhilfeverordnung 2002 ("Riester-Renten") resultiert derzeit bereits deshalb kein Verstoss gegen den Gleichheitssatz des Artikel 3 Abs. 1 GG, weil keine Ungleichbehandlung der Arbeitslosen, die Altersvorsorgevermögen unter Inanspruchnahme einer Förderung nach § 10 a oder dem XI. Abschnitt des EStG ansparen, im Vergleich zu denjenigen besteht, die bereits über Vorsorgekapital verfügen. In beiden Fällen findet eine Anrechnung auf den Freibetrag nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Arbeitslosenhilfeverordnung 2002 statt. Zu einem Privileg entwickelt sich die Freistellung der "Riester-Renten" erst, wenn das angesparte Kapital den Freibetrag übersteigt. Was die zukünftige unterschiedliche Anrechnung angeht, bestehen zwischen staatlich gefördertem Vermögen zur zusätzlichen Altersvorsorge und ausschließlich aus privaten Mitteln angespartem Vermögen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen. Bei den in § 1 Abs. 3 Nr. 3 Arbeitslosenhilfeverordnung 2002 vom Einsatz ausgenommenen "Riester-Renten" handelt es sich um anerkannte Versorgungsvereinbarungen, bei denen die Zweckbestimmung durch die Zertifizierung sichergestellt wird. Dagegen sind private Lebensversicherungen nicht an den Zweck der Altersvorsorge gebunden. Sie versichern zunächst das Risiko des Todesfalles. Dienen sie darüber hinaus - wie hier - der Vermögensbildung, können sie zwar vom Arbeitslosen zu einer angemessenen Altersvorsorge verwandt werden. Diese Verwendung zur Altersvorsorge ist aber nicht zwingend. Der Arbeitslose kann sich die Lebensversicherung auch bereits vorher auszahlen lassen oder nach Versicherungsende die ausgezahlte Versicherungssumme anderweitig verwenden. Mit der Freistellung der "Riester-Rente" von der Verwertung wird darüber hinaus im Sinne einer sachlich gebotenen Ausnahme die Zweckbestimmung der staatlichen Fördermittel abgesichert (vgl. zum Ganzen LSG Berlin a.a.O. unter 5.).

Der Gleichheitssatz ist auch nicht dadurch verletzt, dass die Arbeitslosenhilfeverordnung 2002 keine dem § 88 Abs. 3 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) entsprechende Härteklausel enthält, obwohl auf der Tatbestandsseite keine sachlichen Unterschiede zwischen der Vermögensanrechnung im Rahmen der Sozialhilfe und der Arbeitslosenhilfe vorliegen, die begründen könnten, dass in dem einen Regelungszusammenhang eine Härteklausel verzichtbar ist, im anderen dagegen nicht. Mit dem LSG Berlin (a.a.O. unter 3.) ist davon auszugehen, dass dieses "strukturelle Defizit" dadurch gerechtfertigt ist, dass die Freibeträge nach der Arbeitslosenhilfeverordnung 2002 höher sind als die Freibeträge nach dem BSHG und dies einen hinreichenden Ausgleich darstellt. Zwar hatte das LSG Berlin noch über die bis zum 31.12.2002 geltende Fassung der Arbeitslosenhilfeverordnung 2002 zu befinden, in der mit 520,00 Euro pro Lebensjahr noch höhere Freibeträge vorgesehen waren, als im vorliegenden Fall berücksichtigt werden konnten. Nach Auffassung des Senats gilt das Argument aber ebenso für die Regelung ab 01.01.2003 mit den niedrigeren Freibeträgen von nur noch 200,00 Euro pro Lebensjahr. Denn im Vergleich zu den durch Rechtsverordnung festgelegten Freibeträgen nach § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSGH (aktuell 1.279,00 Euro für den Hilfebedürften und 614,00 Euro für den Ehegatten; vgl. Spellbrink in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 13 Randnr. 29) sind diese Vermögensfreibeträge noch immer deutlich höher.

Würde man dies anders beurteilen, wäre eine verfassungskonforme Rechtsanwendung durch analoges Heranziehen der Härteklausel im BSHG bzw. durch eine allgemeine Billigkeitsprüfung entsprechend der Rechtslage nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Arbeitslosenhilfeverordnung 1974 zu erwägen. Zu einer Unzumutbarkeit der Vermögensverwertung würde dies vorliegend jedoch nicht führen, da bei der Klägerin wesentliche Lücken in der Alterssicherung nicht ersichtlich sind. Entgegen der Auffassung des SG verletzt die Arbeitslosenhilfeverordnung 2002 auch nicht das Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs. 3 GG). Die Arbeitslosenhilfeverordnung 2002 erfüllt die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen, unter denen eine unechte Rückwirkung in Fällen zulässig ist, in denen auf den noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt für die Zukunft zum Nachteil des Betroffenen eingewirkt wird. Denn eine unechte Rückwirkung ist grundsätzlich auch unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes verfassungsrechtlich zulässig, da es keinen allgemeinen Anspruch auf den Fortbestand einer bestimmten Regelung gibt, es sei denn, dass der Betroffene mit dem gesetzlichen Eingriff nicht zu rechnen brauchte und diesen nicht bei seinen Dispositionen berücksichtigen konnte oder sein Vertrauen schutzwürdiger als das mit dem Erlass der Regelung verfolgte Anliegen ist (ausführlich dazu LSG Berlin a.a.O. unter 4. m.w.N.). Gemessen an diesen Kriterien kann sich die Klägerin nicht erfolgreich auf Vertrauen in den Fortbestand der Arbeitslosenhilfeverordnung 1974 berufen. Ebensowenig ist erkennbar, dass das Vertrauen der Klägerin schutzwürdiger ist als das Anliegen des Verordnungsgebers, durch Pauschalierungen sowohl Zeitraum der Ermittlungen zur Frage der Vermögensanrechnung als auch Streitfragen bei der Auslegung der Billigkeitsklausel zu vermeiden und damit das Verwaltungsverfahren zu vereinfachen und zu straffen (vgl. auch LSG Berlin a.a.O. unter 4.).

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.

Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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