L 4 AL 52/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 63 AL 4534/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 AL 52/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Juni 2002 sowie der Bescheid der Beklagten vom 8. Oktober 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. November 2001 werden geändert. Die Beklagte wird verurteilt, den Rücknahme- und Erstattungs- bescheid vom 12. August 1998 in der Fassung des Widerspruchs- bescheides vom 18. November 1998 zurückzunehmen, soweit er sich auf die Zeit ab 11. März 1997 erstreckt. Im übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten für das gesamte Verfahren zur Hälfte zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Wege des Überprüfungsverfahrens um den Anspruch des Klägers auf Arbeitslosenhilfe ab dem 30. Mai 1995.

Der 1947 geborene Kläger ist verheiratet und Vater einer 1974 geborenen Tochter. Er war langjährig Flugnavigator bei der I. Seine Beschäftigung verlor er mit der Liquidation dieser Fluggesellschaft im Jahre 1991. Vom 1. November 1991 bis zum 31. Januar 1992 war er in seinem erlernten Beruf auf dem Flughafen in Ftätig, gab jedoch diese Beschäftigung aus familienbedingten Gründen auf.

Vom 1. Februar 1992 bis zum 31. März 1994 bezog der Kläger Arbeitslosengeld, unterbrochen durch mehrmonatigen Bezug von Unterhaltsgeld im Jahre 1992. Vom 16. Juli 1994 bis zur Erschöpfung des Anspruches am 29. Mai 1995 erhielt er erneut Arbeitslosengeld.

Vom 30. Mai 1995 bis zum 30. März 1996 und vom 15. Oktober 1996 bis einschließlich 19. Juni 1998 erhielt der Kläger Arbeitslosenhilfe. Das Bemessungsentgelt betrug ab 30. Mai 1995 1.080 DM, ab 17. Juli 1995 1.150 DM und ab 15. Oktober 1996 1.120 DM. Für den Zeitraum 1. April 1996 bis 14. Oktober 1996 hatte der Kläger sich aus dem Leistungsbezug abgemeldet, um (erfolglos) im Ausland auf Arbeitsuche zu gehen. Dem Bezug von Arbeitslosenhilfe lagen Anträge vom 16. Mai 1995, 15. Oktober 1996, 7. Juni 1997 und 5. Mai 1998 zugrunde. Bei seiner ersten Vorsprache am 16. Mai 1995 gab er für sich und seine Ehefrau in der entsprechenden Rubrik auf dem Antragsformular an, jeweils 7.500,- DM an Vermögen zu besitzen. Im Übrigen erklärte er bei allen weiteren Vorsprachen hinsichtlich der Fragen zur Bedürftigkeit, über kein Vermögen zu verfügen.

Im Zuge eines Datenabgleichs wurde der Beklagten im Mai 1998 bekannt, dass der Kläger und seine Ehefrau einen Freistellungsauftrag mit Geltung ab 1. Januar 1995 bei dem Bankhaus L erteilt hatten. Hierauf gab der Kläger an, über ein Bankguthaben in Höhe von 132.000,- DM zu verfügen. Es handele sich um ein Festgeldkonto für den Notfall. Anfangs habe es der Altersvorsorge dienen sollen, doch nun solle es in erster Linie dem im September 1996 begonnenen Studium seiner Tochter in England dienen. In dem Festgeld seien u.a. erhaltene Abfindungen sowie der Erlös aus einem Autoverkauf enthalten. Er müsse sich zusammen mit seiner Ehefrau finanziell erheblich einschränken, der soziale Abstieg sei schon sehr groß. Falls die Tochter doch nicht alles Geld für sich benötige, solle der Rest als Altersvorsorge dienen.

Auf Anforderung der Beklagten legte der Kläger sodann Belege für Überweisungen an seine in England lebende Tochter vor. Aus den vom Kläger außerdem vorgelegten Unterlagen ergibt sich folgende Vermögensentwicklung:

Festgeldkonto: 17. März 1995: 101.648,38 DM 4. Oktober 1996: 123.026,22 DM 7. Februar 1997: 114.159,89 DM

Girokonto: 25. April 1995: 3.176,61 DM 11. Oktober 1996: 6,88 DM 20. Februar 1997: 11.003,51 DM

Nach vorheriger Anhörung des Klägers hob die Beklagte mit Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 12. August 1998 die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe ab dem 30. Mai 1995 (Leistungsbeginn) auf. Der Kläger habe bei der Antragstellung über ein Vermögen von 104.824,99 DM verfügt (101.648,38 DM Festgeld zzgl. 3.176,61 DM Girokonto). Nach Abzug des Freibetrages in Höhe von 16.000,- DM verbleibe ein Vermögen in Höhe von 88.824,99 DM, welches durch das wöchentliche Bemessungsentgelt von 1.080,- DM zu teilen sei, woraus sich ein Zeitraum fehlender Bedürftigkeit von 82 Wochen ergebe. Für die nachfolgenden Zeiträume ab 15. Oktober 1996 sei die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe ebenfalls zurückzunehmen, weil sich das Vermögen während des Arbeitslosenhilfebezuges auf 132.560,97 DM erhöht habe und der Kläger seinen Lebensunterhalt auf andere Weise als durch den Bezug von Arbeitslosenhilfe habe bestreiten können. Die insgesamt an Arbeitslosenhilfe erhaltenen 38.609,59 DM habe der Kläger ebenso zu erstatten wie die im betreffenden Zeitraum entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 16.758,54 DM. Insgesamt ergebe sich damit eine Erstattungsforderung in Höhe von 55.368,13 DM. Wegen der Berechnung wird auf Bl. 171, 172 der Leistungsakte der Beklagten Bezug genommen. In seinem hiergegen erhobenen Widerspruch trug der Kläger im Wesentlichen vor, die Angaben im Hinblick auf sein Vermögen auf Anraten der beiden Mitarbeiterinnen der Beklagten gemacht zu haben, bei denen er die Arbeitslosenhilfe beantragt habe und denen er auch die betreffenden Kontoauszüge vorgelegt habe. Er fühle sich als Sozialbetrüger abgestempelt und in seiner Ehre stark verletzt.

Im Zuge der weiteren Bearbeitung wurde die Widerspruchsstelle des Arbeitsamtes Berlin Ost darauf aufmerksam, dass der mit dem Widerspruch angegriffene Bescheid vom 12. August 1998 das gesamte Vermögen doppelt zur Anrechnung bringe. Dieser Gedanke wurde jedoch nicht weiter verfolgt, weil der Kläger von Anfang an falsche Angaben gemacht habe und die Angelegenheit zum Zeitpunkt der "neuen Rechtslage" überprüft worden sei, weshalb diese auch anzuwenden sei.

Mit Bescheid vom 18. November 1998 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid zurück. Seine hiergegen am 30. November 1998 erhobene Klage hat das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 5. Juli 1999 abgewiesen (S 59 AL 4442/98). Zur Begründung heißt es in diesem Urteil im Wesentlichen: Der Kläger sei für den gesamten Zeitraum ab 30. Mai 1995 nicht bedürftig gewesen, weshalb er keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe gehabt habe und die Bewilligung habe rückgängig gemacht werden dürfen. Er habe während dieses Zeitraums über ein Vermögen verfügt, das sogar noch angestiegen sei. Eine nachvollziehbare Zweckbindung sei im Hinblick auf das Vermögen nicht erkennbar geworden, weder im Hinblick auf die Unterstützung der Tochter noch im Hinblick auf die Altersvorsorge.

Dieses Urteil ist rechtskräftig geworden, Berufung hat der Kläger nicht eingelegt. Den Rückforderungsbetrag in Höhe von 55.368,13 DM beglich er. Mit Schreiben vom 25. Oktober 1999 meldete der Kläger sich bei der Beklagten ab.

Am 21. August 2001 wandte der Kläger sich erneut an die Beklagte und beantragte, den Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 12. August 1998 für nichtig zu erklären oder zurückzunehmen und mit neuem Bescheid die Auszahlung der 55.368,13 DM an ihn zu bewirken. Zur Begründung für sein Begehren bezog der Kläger sich auf ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 22. Oktober 1998 (B 7 AL 118/97 R). Im Vergleich zu dem Kläger in dem besagtem BSG-Verfahren erweise sich, dass er erst recht einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe ab 30. Mai 1995 habe. Sein Sparvermögen müsse in voller Höhe als der Altersvorsorge dienend anerkannt werden.

Mit Überprüfungsbescheid vom 8. Oktober 2001 lehnte die Beklagte eine Aufhebung des Rücknahme- und Erstattungsbescheides vom 12. August 1998 ab. Die Verwaltungsentscheidung sei vom Sozialgericht bestätigt worden, sei seit 1999 rechtskräftig und auch heute noch mit der Rechtslage übereinstimmend. Das vom Kläger genannte Urteil des Bundessozialgerichts vom 22. Oktober 1998 sei nicht einschlägig und könne kein anderes Ergebnis bewirken. In seinem hiergegen erhobenen Widerspruch beharrte der Kläger darauf, eine neue Verwaltungsentscheidung herbeiführen zu wollen. Mit Bescheid vom 15. November 2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Er sei zulässig, jedoch nicht begründet. Es sei nicht erkennbar, dass das Recht im Falle des Klägers unrichtig angewandt worden sei.

Hiergegen hat der Kläger am 4. Dezember 2001 Klage erhoben. Er wiederholt sein Vorbringen aus dem Überprüfungsantrag und meint, aus dem von ihm angeführten Urteil des Bundessozialgerichts müsse sich eine andere Betrachtungsweise ergeben.

Mit Urteil vom 19. Januar 2002 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Kammer schließe sich nach eigener Überprüfung den zutreffenden Gründen in dem Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 5. Juli 1999 an. Der Kläger habe grundsätzlich auch die Substanz seines Vermögens zu verwerten, bevor er Leistungen der Arbeitslosenhilfe in Anspruch nehme. Ein Ausnahmetatbestand liege nicht vor.

Mit seiner am 15. Juli 2002 erhobenen Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Weil das Sozialgericht mit seinem Ergebnis erheblich von vorangegangenen Urteilen des Bundessozialgerichts aber auch des Landessozialgerichts Berlin abweiche, werde angeregt, die Angelegenheit dem Bundesverfassungsgericht oder dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen. Der Kläger legt Nachdruck darauf, dass das Vermögen für die Alterssicherung bestimmt sei. Es sei seit 1991, zunächst bei der Sparkasse, ab November 1994 beim Bankhaus L angespart worden. Vom Sparkassenkonto, das im Dezember 1991 mit 30.000,- DM eröffnet und im November 1994 bei einem Kontostand von 100.000,- DM aufgelöst worden sei, seien keine Abhebungen erfolgt. Vom Festgeldkonto seien nur geringe Beträge entnommen worden, die der Unterstützung der von September 1996 bis Juni 2000 in England studierenden Tochter gedient hätten, nämlich 5.000,- DM am 1. März 1996 und 10.000,- DM am 9. Dezember 1996. Auch die Barauszahlung von 5.000,- DM im März 1996 sei der Tochter zugute gekommen; diese habe seinerzeit in Zypern gelebt, um ihre Englischkenntnisse zu vertiefen. Von Januar 1997 bis Dezember 1999 seien der Tochter etwa 30.000,- DM nach England überwiesen worden.

Aus einem vom Kläger zu den Akten gereichten Kontoverlauf für das Festgeldkonto beim Bankhaus L, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 82 der Gerichtsakte Bezug genommen wird, ergibt sich eine Steigerung von 101.648,38 DM am 17. März 1995 auf 133.086,58 DM am 20. Juli 1998. Abgesehen von den schrittweisen zinsbedingten Steigerungen sind folgende besondere Buchungen ersichtlich: Erhöhung um 20.000,- DM im November 1995, Abhebung von 5.000,- DM im Februar 1996, Abhebung von 10.000,- DM im Dezember 1996, Einzahlung von 14.000,- DM im November 1997.

Der Kläger hat außerdem erklärt, seine Ehefrau habe ihre im Januar 1995 verstorbene Mutter zu einem Drittel beerbt, wobei ihr insgesamt 27.554,90 DM zugeflossen seien. Davon seien 23.804,64 DM auf das Festgeldkonto überwiesen worden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Juni 2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 12. August 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. November 1998 zurückzunehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das mit der Berufung angegriffene Urteil des Sozialgerichts Berlin für zutreffend. Das Vermögen sei schon deshalb nicht für den Zweck einer alsbaldigen Berufsausbildung privilegiert, weil es in der Zeit der behaupteten Berufsausbildung der Tochter noch erhöht worden sei. Zur Frage, ob im Falle des Klägers das Verbot der erneuten Berücksichtigung von Vermögen gelte, das zuvor bereits bei der Bedürftigkeitsprüfung einbezogen worden sei, hat die Beklagte erklärt: Zu beachten sei hier § 330 Abs. 1 SGB III. Das Bundessozialgericht habe in zwei Urteilen vom 9. August 2001 (B 11 AL 9/01 R und B 11 AL 11/01 R) das Verbot der wiederholten Berücksichtigung noch vorhandenen Vermögens formuliert und diese Auffassung wiederholt in einem Urteil vom 19. Dezember 2001 (B 11 AL 49/01 R, zugestellt am 29. Januar 2002). Von diesem Zeitpunkt an sei von einer ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Sinne von § 330 Abs. 1 SGB III auszugehen, so dass eine Korrektur nach § 44 SGB X erst ab dem 30. Januar 2002 statthaft sei.

Der Senat hat vom Amtsgericht Tiergarten die Strafakte 238 Cs 315/99 beigezogen. Daraus ergibt sich, dass der Kläger mit Strafbefehl vom 7. Juni 1999, rechtskräftig seit 20. Juli 1999, wegen Betruges in drei Fällen (Anträge auf Arbeitslosenhilfe vom 16. Mai 1995, 15. Oktober 1996 und 7. Juni 1997) zu einer Gesamtgeldstrafe von 100 Tagessätzen verurteilt wurde. Auf den Inhalt der Strafakte wird Bezug genommen.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Streitakte, der Gerichtsakte zum Aktenzeichen S 59 AL 4442/98 sowie der Leistungsakten der Beklagten (zwei Bände) Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig und hat teilweise Erfolg. Der Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 12. August 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. November 1998 ist rechtswidrig, soweit er sich auf die Zeit ab 11. März 1997 erstreckt. Insoweit hat die Beklagte ihr Verwaltungshandeln zu korrigieren.

1. Mit seinem Überprüfungsantrag vom 21. August 2001 begehrt der Kläger die Aufhebung des bestandskräftigen Rücknahme- und Erstattungsbescheides vom 12. August 1998 gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X, der besagt: Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt worden ist und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Zu beachten bleibt von Anfang an die zeitliche Grenze aus § 44 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB X: Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Für den Überprüfungsantrag des Klägers folgt hieraus, dass Arbeitslosenhilfe frühestens ab dem 1. Januar 1997 geleistet werden könnte, was – gemessen am Tenor dieses Berufungsurteils – nicht weiter ins Gewicht fällt, da ein Leistungsanspruch erst ab 11. März 1997 besteht (dazu, wie auch zu § 330 Abs. 1 SGB III, weiter unten).

2. Die Voraussetzungen von § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X liegen für die Zeit ab 11. März 1997 vor. Mit Erlass des Rücknahme- und Erstattungsbescheides vom 12. August 1998 hat die Beklagte das Recht insoweit unzutreffend angewandt und die geleistete Arbeitslosenhilfe zu Unrecht zurückgefordert. Mit diesem Bescheid wurde die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe ab 30. Mai 1995 – also für die Zeit bis 19. Juni 1998 und auch darüber hinaus – wegen fehlender Bedürftigkeit aufgehoben. Rechtsgrundlage konnte nur § 45 Abs. 1 SGB X sein: Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. § 45 Abs. 2 SGB X: Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit (2.) der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder (3.) er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

3. Unabhängig davon, ob der Kläger Anspruch auf Bewilligung von Arbeitslosenhilfe hatte, kann er sich zur Überzeugung des Senats jedenfalls nicht auf Vertrauensschutz berufen, denn es liegen die Voraussetzungen von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und Nr. 3 SGB X vor. Der Kläger behauptet, von verschiedenen Mitarbeiterinnen der Beklagten bei Antragstellung dazu angehalten worden zu sein, unzutreffende Angaben zu seinen Vermögensverhältnissen zu machen. Diese Einlassung ist einerseits unglaubhaft, andererseits durch entsprechende aktenkundige Erklärungen der fraglichen Sachbearbeiterinnen entkräftet und auch nicht erheblich, denn es bliebe dabei, dass der Kläger aufgrund eigener Willkür falsche Angaben gemacht hat und auch – wahrscheinlich – von der Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung wusste. Anders ist auch nicht zu erklären, warum der Kläger den ihm Betrug vorwerfenden Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vom 7. Juni 1999 ohne weiteres hat rechtskräftig werden lassen. Vor diesem Hintergrund hatte die Beklagte hinsichtlich der rückwirkenden Aufhebung der Leistungsbewilligung kein Ermessen, sondern war gebunden (§ 330 Abs. 2 SGB III).

4. (Nur) für die Zeit vom 30. Mai 1995 bis zum 10. März 1997 hatte der Kläger mangels Bedürftigkeit keinen Anspruch auf Bewilligung von Arbeitslosenhilfe.

a) Voraussetzung für die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe war nach § 134 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AFG unter anderem – die übrigen Anspruchsvoraussetzungen waren unstreitig gegeben –, dass Bedürftigkeit vorliegt. Gemäß § 137 Abs. 1 AFG ist der Arbeitslose bedürftig, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Arbeitslosenhilfe bestreiten kann. Nach § 137 Abs. 2 AFG ist der Arbeitslose nicht bedürftig, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen die Gewährung von Arbeitslosenhilfe offenbar nicht gerechtfertigt ist. Näheres bestimmt die aufgrund von § 137 Abs. 3 AFG erlassene und in dieser Form bis zum 31. Dezember 2001 geltende AlhiV 1974 (vgl. zum unveränderten Fortbestehen der AlhiV auch nach dem seit 1. Januar 1998 geltenden SGB III: BSG, Urteil vom 9. August 2001, B 11 AL 11/01 R, SozR 3-4300 § 193 Nr. 2; Urteil vom 19. Dezember 2001, B 11 AL 49/01 R, zitiert nach juris).

Nach § 6 Abs. 1 AlhiV 1974 ist Vermögen des Arbeitslosen und seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten zu berücksichtigen, soweit es verwertbar ist, die Verwertung zumutbar ist und der Wert des Vermögens, dessen Verwertung zumutbar ist, jeweils achttausend DM übersteigt. Mit dieser Regelung bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass der Arbeitslose grundsätzlich auch die Substanz seines Vermögens zu verwerten hat, bevor er Leistungen der Arbeitslosenhilfe in Anspruch nimmt (vgl. BSG, Urteil vom 5. Dezember 2001, B 7 AL 68/00 R, zitiert nach juris).

Bei erster Beantragung der Arbeitslosenhilfe im Mai 1995 belief sich das Vermögen des Klägers und seiner Ehefrau auf 104.824,99 DM (101.648,38 DM Festgeldkonto zzgl. 3.176,61 DM Girokonto). An der Verwertbarkeit dieses im Wesentlichen auf einem Festgeldkonto im Zweimonatsrhythmus angelegten Vermögens besteht kein Zweifel. Zutreffend hat die Beklagte auch zweimal 8.000,- DM als Freibetrag in Abzug gebracht, womit 88.824,99 DM in die Bedürftigkeitsprüfung einzustellen waren.

Die Verwertung dieses Vermögens war aber nur teilweise zumutbar. Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 AlhiV 1974 ist die Verwertung zumutbar, wenn sie nicht offensichtlich unwirtschaftlich ist und wenn sie unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebenshaltung des Inhabers des Vermögens und seiner Angehörigen billigerweise erwartet werden kann. Nicht zumutbar ist nach § 6 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 AlhiV 1974 insbesondere die Verwertung von Vermögen, das für eine alsbaldige Berufsausbildung oder zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung bestimmt ist.

b) "Zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung" war das Vermögen zur Überzeugung des Senats allerdings nicht bestimmt. Unter welchen Voraussetzungen diese Zweckbestimmung zu bejahen ist, lässt sich nicht abstrakt, sondern nur unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles sowie von Sinn und Zweck des Regelungszusammenhangs beantworten. Ausgangspunkt der Prüfung sind danach die vom Arbeitslosen (subjektiv) getroffene Zweckbestimmung und die objektiven Begleitumstände wie etwa Vertragsgestaltung, Alter des Versicherten oder Familienverhältnisse; jedoch darf hinsichtlich der Vertragsgestaltung nicht eine besondere, vor Eintritt in den Ruhestand nur unter erschwerten Voraussetzungen und Verlusten kündbare Anlageform verlangt werden, denn eine Anknüpfung an rein formale Aspekte ließe für eine individuelle Prüfung der Zumutbarkeit so gut wie keinen Raum (vgl. BSG, Urteil vom 17. Oktober 1996, 7 RAr 2/96, SozR 3-4100 § 137 AFG Nr. 7, S. 63; Urteil vom 24. April 1997, 11 RAr 23/96, SozR 3-4100 § 137 AFG Nr. 9, S. 72). Insgesamt dürfen die Anforderungen an die Glaubhaftmachung der subjektiven Zweckbestimmung nicht überspitzt werden, denn das Konzept der Eigenvorsorge als "dritte Säule" neben der gesetzlichen Rentenversicherung und der betrieblichen Alterssicherung genießt rechtspolitisch verbreitete Anerkennung. Dem würde es widersprechen, den Arbeitslosen durch die erzwungene Verwertung seines Vermögens bei der Arbeitslosenhilfe-Bewilligung in die Lage zu bringen, irgendwann einmal staatliche Hilfe zur Aufrechterhaltung seines Unterhalts in Anspruch nehmen zu müssen (vgl. BSG, Urteil vom 29. Januar 1997, 11 RAr 21/96, SozR 3-4100 § 6 AlhiV Nr. 4, S. 7 f.; Urteil vom 22. Oktober 1998, B 7 AL 118/97 R, SozR 3-4100 § 6 AlhiV Nr. 6, S. 14).

Angesichts der Umstände des Einzelfalles kann der Senat die Zweckbestimmung "Alterssicherung" nicht mit hinreichender Sicherheit erkennen. In seiner ersten Erklärung zur Zweckbestimmung vom 2. Juni 1998 führte der Kläger wörtlich aus: "Wir haben auf unserem Festgeldkonto Geld deponiert, an das wir nur im Notfall gehen würden. Anfangs sollte es nur als Altersvorsorge dienen, doch jetzt soll es in 1. Linie das Studium unserer Tochter in England, für das wir alleine aufkommen müssen, absichern." Die Zweckrichtung "Alterssicherung" lässt sich dem nicht ausreichend deutlich entnehmen, denn im Vordergrund stand offenbar die Verwendung "im Notfall", welcher auch vor Erreichen des Rentenalters eintreten kann. Entwertet wird die nunmehr behauptete Zweckbestimmung auch dadurch, dass sie von der Absicherung des Studiums der Tochter überlagert wurde. Entscheidend fällt aber ins Gewicht, dass der Kläger das Vorhandensein des Vermögens bei all seinen Antragstellungen verschwiegen hat, obwohl auf dem Antragsformular ausdrücklich danach gefragt wird, ob der Alterssicherung dienendes Vermögen vorhanden ist. Hieraus kann nur gefolgert werden, dass die Zweckbestimmung nicht so klar war, dass der Kläger die "gefahrlose" Angabe im Antragsformular gewagt hätte. Vielmehr drängt sich die Annahme auf, dass der Charakter des "Notgroschens" im Vordergrund stand, den der Kläger nicht angeben wollte.

Anders liegt es im Hinblick auf die "alsbaldige Berufsausbildung" der Tochter des Klägers. Die "alsbaldige Berufsausbildung" im Sinne dieser Vorschrift kann nämlich nicht nur die des Arbeitslosen, sondern auch die seines Kindes sein, sofern der Arbeitslose kraft gesetzlicher Unterhaltspflicht für die fragliche Ausbildung aufzukommen hat (vgl. BSG, Urteil vom 5. Dezember 2001, B 7 AL 68/00 R, zitiert nach juris). Von letzterem ist im Hinblick auf das Studium der Tochter (September 1996 bis Juni 2000) auszugehen. Das hier konkret zu beurteilende Bankguthaben war nach dem schlüssigen und belegten Vorbringen des Klägers auch teilweise für diese Berufsausbildung "bestimmt". Im Laufe des Jahres 1996 (Februar und Dezember) kam es zu zwei Abhebungen vom Festgeldkonto in Höhe von insgesamt 15.000,- DM, die – was als erwiesen gelten kann und auch von der Beklagten nicht bestritten wird – unmittelbar der studierenden Tochter zugeflossen sind. Dass der Betrag von 5.000,- DM im Frühjahr 1996 dem Unterhalt der seinerzeit noch auf Zypern lebenden Tochter diente, macht keinen Unterschied, weil dieser Aufenthalt der Vorbereitung des noch im selben Jahr aufgenommenen Studiums galt. Deshalb sind von den oben errechneten und in die Bedürftigkeitsprüfung einzustellenden 88.824,99 DM noch 15.000,- DM abzuziehen, woraus sich ein anzurechnender Betrag von 73.824,99 DM ergibt. Ein höherer Abzug kommt nicht in Betracht, denn nur in Höhe von 15.000,- DM wurde das bei erstmaliger Beantragung von Arbeitslosenhilfe am 16. Mai 1995 vorhandene Vermögen (das Festgeldkonto) später tatsächlich mit Aufwendungen für die Berufsausbildung der Tochter belastet.

Ausgehend von einem zu verwertenden Vermögen in Höhe von 73.824,99 DM fehlte damit Bedürftigkeit für 68 Wochen, denn das Bemessungsentgelt betrug 1080 DM, durch welchen Betrag das Vermögen zu teilen ist (§ 9 AlhiV 1974). Damit fehlte Bedürftigkeit zunächst nur vom 30. Mai 1995 bis einschließlich 16. September 1996.

c) Weil der Kläger vom 31. März 1996 bis zum 14. Oktober 1996 keine Leistungen bezog, muss sich die weitere Beurteilung der Bedürftigkeit am 15. Oktober 1996, dem Tag an dem der Kläger wieder Arbeitslosenhilfe bezog, orientieren.

aa) Grundsätzlich gilt dabei das von der Beklagten wie auch von den beiden hier ergangenen erstinstanzlichen Urteilen des Sozialgerichts verkannte Verbot der Doppelverwertung: Vermögen des Arbeitslosen, das in der Bedürftigkeitsprüfung bereits berücksichtigt worden und nach Ablauf der gemäß § 9 AlhiV 1974 errechneten Dauer fehlender Bedürftigkeit noch vorhanden ist, kann nicht erneut berücksichtigt werden (BSG, Urteil vom 9. August 2001, B 11 AL 11/01 R, SozR 3-4300 § 193 Nr. 2) (hierzu unter bb).

Zum 15. Oktober 1996 betrug das Vermögen des Klägers 123.033,10 DM (123.026,22 DM Festgeldkonto sowie 6,88 DM Girokonto).

Der bereits berücksichtigte Vermögenswert in Höhe von 89.824,99 DM (104.824,99 DM abzüglich der Privilegierung in Höhe von 15.000,-DM) ist von diesem am 15. Oktober 1996 noch vorhandenen Vermögen (123.033,10 DM) in Abzug zu bringen, wobei es keine erneute Berücksichtigung der schon verbrauchten Freibeträge gibt (BSG, a.a.O.). Allerdings müssen nach wie vor die privilegierten und erst Anfang Dezember 1996 abgehobenen 10.000,- DM außer Betracht bleiben, so dass sich ein neu anzurechnendes Vermögen von 23.208,11 DM errechnet (113.033,10 DM minus 89.824,99 DM).

Zum maßgeblichen Stichtag 15. Oktober 1996 war mithin aufgrund der eingetretenen Vermögenssteigerung noch ein Vermögenswert von 23.208,11 DM zu berücksichtigen. Geteilt durch das nun geltende Bemessungsentgelt von 1120 DM ergibt sich fehlende Bedürftigkeit für weitere 20 Wochen, also bis einschließlich 3. März 1997.

Zu diesem Zeitpunkt wies das Festgeldkonto einen Bestand von 114.159,89 DM auf, das Girokonto ein Guthaben in Höhe von 11.003,51 DM. Der Kläger hat allerdings nachgewiesen, seiner Tochter am 29. April 1997 4.974,68 DM und am 4. November 1997 4.955,20 DM vom Girokonto überwiesen zu haben. Es spricht daher alles dafür, dass in dieser Höhe – zusammen 9.929,88 DM – das auf dem Girokonto am 3. März 1997 vorhandene Vermögen für die Berufsausbildung der Tochter bestimmt und daher, gemessen an den oben dargestellten Maßstäben, privilegiert war. Aus alledem ergeben sich folgende Werte für das am 3. März 1997 in die erneute Bedürftigkeitsprüfung einzusetzende Vermögen: Vom Festgeldvermögen wurden bei der Berechnung für den 15. Oktober 1996 bereits 113.026,22 DM eingesetzt, deren nochmalige Verwertung unterbleiben muss. Damit verbleibt insoweit ein einzusetzender Betrag in Höhe von 1.133,67 DM. Vom Girokontoguthaben sind 9.929,88 DM abzusetzen, so dass insoweit 1.073,63 DM verbleiben. Insgesamt ist damit ein Vermögen von 2.207,30 DM in die neuerliche Bedürftigkeitsprüfung einzustellen, welches durch das Bemessungsentgelt von 1120 DM zu teilen ist. Auf diesem Berechnungswege ergibt sich fehlende Bedürftigkeit von nochmals einer Woche bis einschließlich 10. März 1997.

bb) Nichts anderes ergibt sich, entgegen der Auffassung der Beklagten, aus § 330 Abs. 1 SGB III, einer Sonderregelung zu § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Die Vorschrift lautet:

Liegen die in § 44 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil er auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt oder in ständiger Rechtsprechung anders als durch das Arbeitsamt ausgelegt worden ist, so ist der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder nach dem Entstehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen.

Diese Regelung muss im Falle des Klägers aus mehreren Gründen außer Betracht bleiben. Die Beklagte meint, mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur wiederholten Berücksichtigung bereits angerechneten Vermögens vom 9. August 2001 (B 11 AL 9/01 R und B 11 AL 11/01 R) und vom 19. Dezember 2001 (B 11 AL 49/01 R) sei eine ständige Rechtsprechung im Sinne von § 330 Abs. 1 SGB III entstanden, die die Auslegung der Bedürftigkeitsvorschriften durch das Arbeitsamt korrigiert habe. Diese Auffassung ist insoweit zutreffend, als das Bundessozialgericht sich in den genannten Entscheidungen zu der Frage geäußert hat, ob die wiederholte Anrechnung desselben bereits berücksichtigten Vermögens unter Geltung des SGB III (seit dem 1. Januar 1998) statthaft ist oder nicht. Das Bundessozialgericht hat in den genannten Entscheidungen aber lediglich entschieden, dass sich auch mit Inkrafttreten des SGB III nichts daran geändert habe, dass die unverändert gebliebene und fortgeltende AlhiV 1974 die wiederholte Anrechnung von Vermögen verbiete. Insoweit hat sich nach Inkrafttreten des SGB III keine neue, eine Rechtsauffassung des Arbeitsamtes korrigierende Rechtsprechung ergeben; vielmehr ist das Arbeitsamt in eigener Willkür trotz Gleichbleibens der AlhiV von der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts abgewichen, was mit den genannten Entscheidungen wieder korrigiert wurde. Auf einen solchen Ablauf ist § 330 Abs. 1 SGB III nicht anwendbar, denn ansonsten hätte die Beklagte es in der Hand, durch willkürliche Abweichung von geltender BSG-Rechtsprechung Zeiträume der Rechtsunsicherheit zu schaffen, bis diese Abweichung später wieder vom Bundessozialgericht korrigiert wird. Insoweit hat das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 9. August 2001 (B 11 AL 11/01 R, SozR 3-4300 § 193 Nr. 2) ausgeführt:

"Das BSG hat schon zum Recht des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) entschieden, dass § 9 der AlhiVO (vom 7. August 1974, BGBl. I 1929, im November 1998 in der zuletzt durch die 5. Änderungsverordnung vom 25. September 1998, BGBl. I 3112, geänderten Fassung geltend) besagt, von welchem Zeitpunkt an der Arbeitslose jedenfalls (wieder) Anspruch auf Alhi hat (SozR 4100 § 134 Nr. 16 S. 58), und der Arbeitslose im Rahmen der Alhi zur Bestreitung seines Lebensunterhalts (mithin) nur einmal auf das gleiche Vermögen verwiesen werden kann (SozR 4100 § 138 Nr. 25 S. 135; SozR 3-4100 § 137 Nr 12 S 86). An dieser Auffassung, die im Schrifttum sowohl für die AlhiVO ( ...), wie für die Vorläuferregelung der 12. Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vom 25. April 1961 (BGBl. I 478) vertreten wird ( ...) und von der Beklagten bis 1997 praktiziert worden ist (vgl. Durchführungsanweisungen 3.6 [5] zu § 137 AFG, Stand ErgLfg. 8/96), ist festzuhalten; das seit dem 1. Januar 1998 geltende Recht des SGB III hat insoweit keine Änderungen bewirkt."

Anders ausgedrückt, orientiert am Wortlaut des § 330 Abs. 1 SGB III: Nicht erst nach Erlass des Verwaltungsakts (des Rücknahme- und Erstattungsbescheides vom 12. August 1998) ist eine ständige Rechtsprechung entstanden, sondern bei gleicher Rechtslage gab es schon vor Erlass des Verwaltungsakts eine ständige Rechtsprechung – und eine dieser Rechtsprechung Rechnung tragende Verwaltungspraxis –, die die wiederholte Anrechnung desselben Vermögens untersagte (vgl. nur BSG, Urteil vom 8. Juni 1989, 7 RAr 34/88, SozR 4100 § 138 Nr. 25).

Für den Fall des Klägers tritt folgende Besonderheit hinzu: Ob es zu einer wiederholten Anrechnung von Vermögen kommen darf, ist hier für den Zeitpunkt 15. Oktober 1996 zu beurteilen. Dienstanweisungen, Verwaltungspraxis und Rechtsprechung gingen – wie bereits angedeutet – unter Geltung des AFG und der AlhiV 1974 davon aus, dass dasselbe Vermögen im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung nicht wiederholt angerechnet werden dürfe. Hinter diese bis Ende 1997 von ihr selbst vertretene Auffassung darf die Beklagte im Rahmen des Überprüfungsverfahrens nach § 44 Abs. 1 SGB X nicht zurückfallen; vielmehr muss gefragt werden, ob die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe nach der seinerzeitigen Rechtslage und Verwaltungspraxis rechtmäßig war oder nicht. Die Antwort kann insoweit nur lauten, dass auch das Vermögen des Klägers bei der für den 15. Oktober 1996 (bzw. 3. März 1997) vorzunehmenden Beurteilung nicht wiederholt angerechnet werden darf.

cc) Aus alledem folgt, dass der Kläger ab dem 11. März 1997 infolge eingetretener Bedürftigkeit Anspruch auf Anschluss-Arbeitslosenhilfe gemäß § 134 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 Nr. 1 AFG in der seit dem 1. April 1996 geltenden Fassung des Gesetzes vom 24. Juni 1996 (BGBl. I S. 878) hatte. Die Aufhebung der Bewilligung nach § 45 Abs. 1 SGB X war daher insoweit rechtswidrig.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger in den Zeiträumen 30. Mai 1995 bis 30. März 1996 und 15. Oktober 1996 bis 19. Juni 1998 Arbeitslosenhilfe über rund 30 Monate bezog, während ihm für die Zeit ab 11. März 1997 Arbeitslosenhilfe für rund 15 Monate zusteht, er also zur Hälfte obsiegt hat.

Gründe für die Zulassung der Revision, § 160 Abs. 2 SGG, bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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