L 12 RA 48/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 11 RA 6140/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 12 RA 48/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. Juni 2002 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand: 3.6.04

Tatbestand:

Der Kläger begehrt eine höhere Altersrente auf Grund seiner zwischen 1972 und 1990 geleisteten Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR).

Der 1929 geborene Kläger absolvierte ein Fachschulstudium an der Fachschule für Maschinenbau und Elektrotechnik C, das er am 5. Juli 1952 mit Erfolg abschloss. Ihm wurde durch staatliche Urkunde das Recht verliehen, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen. In der Zeit vom 15. Juli 1952 bis zum 30. Juni 1990 arbeitete er als Ingenieur in unterschiedlichen volkseigenen Betrieben, zuletzt langjährig im VEB F K in B-K. Ab dem 1. März 1971 entrichtete der Kläger Beiträge zur FZR zunächst bis 1.200,00 Mark, ab 1980 für sein gesamtes Einkommen. Eine Versorgungszusage für die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) wurde nicht erteilt. Ab dem 1. Juli 1990 bezog er Vorruhestandsgeld.

Mit Bescheid vom 27. Juli 1994 bewilligte die Beklagte dem Kläger Regelaltersrente ab dem 1. September 1994. Für die Berechnung der Altersrente nach dem Sechsten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB VI) berücksichtigte sie u.a. die FZR-Beiträge ab März 1971, für die Zeit davor wurden zusätzliche Arbeitsverdienste ausgehend vom tatsächlich erzielten Einkommen ermittelt. Eine Beschränkung der in die Berechnung einfließenden Entgelte erfolgte jeweils durch die allgemeine Beitragsbemessungsgrenze. Mit Bescheid vom 28. Juni 1995 lehnte die Beklagte einen Rentenzuschlag nach §§ 319a, b SGB VI ab, da eine Vergleichsberechnung der Rente nach dem Rentenüberleitungsgesetz (RÜG), bestehend aus der Sozialversicherungspflichtrente und der Rente aus der FZR, von Anfang an einen niedrigeren Betrag als die nach dem SGB VI berechnete Altersrente ergeben hätte. Beide Bescheide wurden bestandskräftig.

Am 23. November 1999 beantragte der Kläger die Überprüfung der Höhe seiner Altersrente im Hinblick auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts zur Einbeziehung von Ingenieuren ohne Versorgungszusage in die zusätzliche AVItech. Er machte geltend, dass ihm die tatsächlich geleisteten Beiträge zur FZR rentensteigernd angerechnet werden müssten, weil er andernfalls gegenüber den Kollegen benachteiligt werde, die nicht der FZR beigetreten waren.

Mit Bescheid vom 17. Mai 2001 stellte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in ihrer Eigenschaft als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme für Beschäftigungszeiten des Klägers Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech vom 21. September 1953 bis 30. Juni 1990 und die entsprechenden Arbeitsverdienste fest.

Mit Bescheid vom 19. Juni 2001 berechnete die Beklagte auf dieser Grundlage die Regelaltersrente ab dem 1. Januar 1995 neu und errechnete für die Zeit vom 1. Januar 1995 bis 31. Juli 2001 eine Nachzahlung von 1.889,51 DM und eine Rente in Höhe von 3.044,89 DM ab dem 1. August 2001.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 17. Juli 2001 Widerspruch, da seine tatsächlich zur FZR entrichteten Beiträge nicht als zusätzliche Pflichtbeiträge neben den Zeiten für die AVItech berücksichtigt worden seien. Mit Schreiben vom 13. August 2001 wies die Beklagte darauf hin, dass eine zusätzliche Anrechnung von zur FZR gezahlten Beiträgen nicht in Betracht komme, da ein aus einem Beschäftigungsverhältnis erzielter Arbeitsverdienst rentenrechtlich nur einmal berücksichtigt werden könne.

Der Kläger hat am 22. Oktober 2001 Klage vor dem Sozialgericht Berlin mit dem Ziel der Gewährung einer höheren Altersrente erhoben. Die Beklagte hat daraufhin zunächst mit Widerspruchsbescheid vom 4. Januar 2001 den Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Für Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem werde bei der Rentenberechnung allein der nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) maßgebende Verdienst zu Grunde gelegt; ob und in welchem Umfang Beiträge zur FZR gezahlt worden seien, sei unerheblich.

Durch Urteil vom 14. Juni 2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass § 259 b Abs. 1 SGB VI eine Sonderregelung für Zeiten der Zugehörigkeit in Zusatz- bzw. Sonderversorgungssystemen im Sinne des AAÜG enthalte. Diese Vorschrift verdränge als speziellere Norm § 256a SGB VI, von der Zeiten erfasst würden, in denen eine Alterssicherung in der DDR über die Sozialpflichtversicherung und die FZR erfolgt sei. Eine mehrfache Berücksichtigung eines einmalig erzielten Entgelts werde dadurch ausgeschlossen. In diesen Regelungen liege weder ein Verstoß gegen den Eigentumsschutz nach Artikel 14 des Grundgesetzes (GG) noch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikel 3 GG.

Gegen das ihm am 20. August 2002 zugestellte Urteil richtet sich die am 18. September 2002 eingelegte Berufung des Klägers. Er wiederholt und vertieft sein bisheriges Vorbringen und trägt vor, ihm müsse eine zusätzliche oder höhere Rente gewährt werden, um so den Abstand im Rentenzahlbetrag wieder herzustellen, der bis März 1998 zwischen ihm und einer versicherungsbiographisch gleichgestellten Person in der DDR, die keine Beiträge zur FZR geleistet habe, bestanden habe. Die Beklagte dürfe nicht die von der DDR praktizierte Willkür bei den Versorgungszusagen durch eine andere Willkür bei der nachträglichen Einbeziehung bisher nicht versorgter Personen ersetzen. Er selbst habe 1960 vergeblich in einem Gerichtsverfahren vor dem Stadtbezirksgericht K versucht, eine "Altersversorgung einzuklagen". Er habe sich daher bei Einführung der FZR 1971 darauf verlassen, künftig eine höhere Rente zu erhalten als diejenigen ohne FZR-Beiträge. Durch das jetzige Verfahren würden seine Beiträge entwertet, was Artikel 3 und 14 GG widerspreche.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. Juli 2002 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 19. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 2002 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine höhere Altersrente unter zusätzlicher Berücksichtigung seiner zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung entrichteten Beiträge zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Für Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem werde bei der Rentenberechnung allein der vom Versorgungsträger festgestellte Verdienst zu Grunde gelegt. Für die Höhe dieses tatsächlich erzielten Arbeitsverdienstes sei nicht maßgeblich, ob und in welchem Umfang Beiträge zur FZR gezahlt worden seien. Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers teile sie nicht.

Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte mit Bescheid vom 23. April 2003 die Gewährung einer höheren Regelaltersrente auf Grund einer Vergleichsberechnung nach § 4 Abs. 4 AAÜG abgelehnt, weil der Versorgungsträger einen Anspruch auf Versorgung zum Zeitpunkt des Rentenbeginns nicht bestätigt habe. Sie hat ihre Rechtsauffassung damit begründet, dass "Voraussetzung für einen Anspruch auf Nutzung aus der Zusatzversorgung" das Vorliegen einer positiven Versorgungszusage eines Zusatzversorgungssystems, welches am 30. Juni 1990 fortbestanden habe, gewesen sei. Die Entscheidungen des Bundessozialgerichts beträfen allein die Bewertung von Zusatzversorgungszeiten nach dem AAÜG, stellten jedoch keine "Leistungsentscheidungen" dar. Auf Anforderung des Senats hat die Beklagte unter dem 12. Februar 2004 eine (korrigierte) Probeberechnung vorgelegt, wonach auch bei einer Vergleichsberechnung nach § 4 Abs. 4 AAÜG im maßgeblichen Zeitraum ab dem 1. Januar 1995 keine höhere Regelaltersrente zu ermitteln wäre, weil die nach dem SGB VI ermittelte monatliche Rente höher sei als die um 6,84 % erhöhte Summe aus Rente und Leistung der Zusatzversorgung. So betrug die Rente nach dem SGB VI bereits ab Januar 1995 2.727,95 DM monatlich, während die Vergleichsberechnung nach § 4 Abs. 4 AAÜG nur einen Betrag von 1.295,97 DM ergab.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze und den übrigen Akteninhalt sowie auf die von der Beklagten vorgelegte Rentenakte verwiesen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige (§§ 143, 144 Abs. 1, 151 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine höhere Regelaltersrente ab dem 1. Januar 1995. Dabei kann offen bleiben, ob eine Vergleichsberechnung zwischen der nach dem SGB VI berechneten Rente und dem jeweiligen Monatsbetrag, der sich als Summe aus Rente und Versorgung ergeben würde, auf der Grundlage von § 4 Abs. 4 AAÜG vorzunehmen wäre, da auch eine solche Vergleichsberechnung keine höhere Regelaltersrente ab dem 1. Januar 1995 ergäbe.

Das Begehren des Klägers auf eine höhere Altersrente unter zusätzlicher Berücksichtigung seiner zur FZR entrichteten Beiträge entbehrt jeder Rechtsgrundlage.

Das SGB VI enthält in Verbindung mit dem AAÜG ein umfassendes System zur Rentenberechnung für im Beitrittsgebiet zurückgelegte Zeiten. Im Rahmen der erforderlichen Sonderregelungen für nicht nach dem SGB VI und den Reichsversicherungsgesetzen zurückgelegte Beitragszeiten bestimmt das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung zunächst in §§ 248, 256a SGB VI die gleichgestellten Beitragszeiten und die Verdienste, die für Versicherte der Sozialpflichtversicherung der DDR und der FZR anstelle originär versicherten Einkommens im Nachhinein fiktiv sowie allein leistungsrechtlich zu berücksichtigen sind. Obwohl keine Beiträge zum bundesdeutschen System der gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet wurden, wird so fiktiv das Einkommen, das Grundlage für die Sozialpflichtversicherung und die FZR war, als "durch Beiträge versichert" geltendes Individualeinkommen aus Beschäftigung oder Erwerbseinkommen für die Rentenberechnung berücksichtigt (§ 256a SGB VI). Für Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem ist demgegenüber nach § 259b Abs. 1 SGB VI ausschließlich der Verdienst zu Grunde zu legen, der nach dem AAÜG auf der Grundlage von dessen Zwecken und der dort verankerten Maßstäbe eigenständig ermittelt und bundesrechtlich nach Gleichstellung (fiktiver) Zugehörigkeitszeiten mit Beitragszeiten im Sinne des SGB VI als berücksichtigungsfähig anerkannt wird (BSG, Urteil vom 12. Juni 2001 -B 4 RA 117/00 R- SozR 3-8570 § 5 Nr. 6).

Die Regelaltersrente des Klägers war zunächst allein auf der Grundlage seiner versicherten Entgelte zur Sozialversicherung der DDR und der FZR ab März 1971 sowie zusätzlicher Arbeitsverdienste für die Zeit davor ermittelt worden, wobei eine Beschränkung der in die Berechnung einfließenden Entgelte durch die allgemeine Beitragsbemessungsgrenze erfolgt ist. Im Rahmen des Überprüfungsverfahrens und nach Vorlage des "Feststellungsbescheides" vom 17. Mai 2001, den die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme erlassen hat, hat die Beklagte dann auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur nachträglichen Einbeziehung vor allem von Ingenieuren in die AVItech (ständige Rechtsprechung des BSG, Urteil vom 12. Juni 2001 - B 4 RA 117/00 R, SozR 3-8570 § 5 Nr. 6; Urteil vom 24. März 1998 - B 4 RA 27/97 R, SozR 3-8570 § 5 Nr. 3 jeweils m.w.N.) die Regelaltersrente des Klägers nach § 259b Abs. 1 SGB VI neu berechnet und dabei eine höhere Rente ermittelt.

Gegen diese Berechnung im Einzelnen wendet sich der Kläger nicht, er meint jedoch, dass er besser gestellt werden müsse als Personen, die allein (ohne FZR-Beiträge) auf Grund der fiktiven nachträglichen Einbeziehung in die AVItech eine ebenso hohe Rente wie er erhielten. Ein solches "Rentenabstandsgebot" ist dem SGB VI jedoch fremd. Die Höhe der Altersrenten wird aus den Entgeltpunkten ermittelt, in die das versicherte oder das als versichert geltende Entgelt einfließt. Eine doppelte Berücksichtigung des einmal erzielten Entgelts, wie sie dem Kläger vorzuschweben scheint, ist weder gesetzlich vorgesehen, noch entspräche sie dem Zweck der Rentenversicherung, im Alter einen Einkommensersatz für das früher erzielte Einkommen zu leisten.

Der Kläger verkennt einerseits, dass er niemals Beiträge zur Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland entrichtet hat, sondern seine Rente allein auf der Erfüllung gesetzlicher Ersatztatbestände beruht, die auch bei mehrfacher Erfüllung der Voraussetzungen für eine Erwerbsbiographie nur eine - die jeweils höchste - Leistung vorsehen, andererseits, dass er auf Grund der Rechtsprechung des BSG so behandelt wird, als hätte er in der DDR noch eine Vorsorgungszusage erhalten. Wäre ihm aber gegebenenfalls noch im Juni 1990 eine derartige Zusage erteilt worden, hätte er auch nach DDR-Recht nur eine Leistung - die höhere (vermutlich aus der AVItech und bei Wirkungslosigkeit der FZR-Beiträge) - erhalten.

Eine Verletzung von Artikel 14 GG scheidet von vornherein aus, da die erzielten Arbeitsentgelte im Rahmen der Beitragsbemessungsgrenzen in vollem Umfang in die Rentenberechnung eingehen.

Auch ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz liegt nicht vor. Artikel 3 Abs. 1 und 3 GG gebieten nicht, von jenen historischen Fakten, aus denen sich die vorgetragenen Ungleichheiten ergeben, abzusehen und sie "rückwirkend" zu Lasten der heutigen Beitrags- und Steuerzahler auszugleichen, da der Deutsche Bundestag die Unterschiede im Rentensystem der DDR einschließlich der Begünstigungen der damals Einbezogenen als ein Teilergebnis der Verhandlungen im Einigungsvertrag angesichts der historischen Bedingungen hat hinnehmen dürfen (vgl. BSG, Urteil vom 9. April 2002, Az: B 4 RA 31/01 R, SozR 3-8570 § 1 Nr. 2; BVerfG, Urteil vom 28. April 1999, Az: 1 BvL 11/94, 1 BvL 33/95, 1 BvR 1560/97, BVerfGE 100, 190 f). Durch die Rechtsprechung des BSG zu der nachträglichen Einbeziehung von Ingenieuren, die nach der Versorgungsordnung in das Zusatzversorgungssystem hätten einbezogen werden müssen, ist bereits ein gewisser Ausgleich einer willkürlichen Handhabung von Versorgungszusagen in der DDR vorgenommen worden. Ein verfassungsrechtlicher Anspruch gegen die heutigen Beitrags- und Steuerzahler darauf, dass diejenigen, die sich durch die Zahlung von FZR-Beiträgen darauf eingestellt haben, keine Versorgungszusage zu erhalten, nun zusätzlich besser gestellt werden, indem ihnen eine weitere oder höhere Rente aus den FZR-Beiträgen gezahlt wird oder ihnen die an ein anderes System gezahlten Beiträge jetzt zurückerstattet werden, besteht offenkundig nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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