L 4 KR 48/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 KR 300/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 48/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 93/04 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 14. Januar 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Heilbehandlungskosten in Höhe von insgesamt 2.444,51 EUR zu erstatten.

Die 1970 geborene Klägerin war Pflichtmitglied der Beklagten. Sie hat am 16.07.2002 mit der Praxisklinik für ambulante Operationen (Dr.P. , Dr.S.) einen privatärztlichen Behandlungsvertrag geschlossen. Der Vertrag enthält den Hinweis, ein Kostenerstattungsanspruch für Privatpatienten bestehe grundsätzlich nicht. Am 17.07.2002 hat die Klägerin der Beklagten per Fax einen Kostenvoranschlag in Form einer fingierten Rechnung der Tagesklinik über eine organerhaltende Myomentfernung des Uterus in Höhe von 2.027,48 EUR sowie ein Schreiben des Dr.P. zukommen lassen, wonach bei ihr eine Uterusvergrößerung durch Myomwachstum vorliege. Der Befund könne endoskopisch-organerhaltend operiert werden. Es wird "gegebenenfalls um Vorlage des Kausus beim MDK" gebeten. Am 18.07.2002 wandte sich dann die Klägerin an die Beklagte und gab an, für sie komme nur die laparoskopische Myomnukleation in Frage. Sie habe sich für den 24.07.2002 zur ambulanten Operation entschlossen und hoffe, dass es keine Einwände vonseiten der Beklagten gebe. Der bereits am 17.07.2001 eingeschaltete MDK regte am 19.07.2002 eine Anfrage an, weshalb die Operation nicht als Vertragsleistung möglich sei oder ob drei Tage stationäre Krankenhausbehandlung sinnvoller sei.

Die Tagesklinik (Dr.P.) teilte im Schreiben vom 26.07.2002 mit, eine Abrechnung einer Myomentfernung auf endoskopischem Weg sei grundsätzlich nicht als Vertragsleistung über EBM abrechenbar, der EBM-Katalog sehe eine kostendeckende Abrechnung nicht vor.

Laut Liquidation fand die Operation am 24.07.2002 statt, insgesamt wurden 2.444,51 EUR in Rechnung gestellt (die Klägerin hat die Rechnung bezahlt).

Mit Schreiben vom 04.09.2002 informierte die Klägerin die Beklagte darüber, dass die Operation bereits stattgefunden habe. Die Unterleibsschmerzen seien vier Tage vor dem OP-Termin immer stärker geworden, Grund dafür sei eine Eileiterschwangerschaft gewesen. Die Klägerin denke auch, sie habe mit ihrer ambulanten Operation der Kasse geholfen, Kosten zu sparen.

Der von der Beklagten angehörte Medizinische Dienst der Krankenversicherung in Bayern (Frauenärztin Dr.V.) stellte fest, zweifellos habe eine medizinische Notwendigkeit für die Operation bestanden, jedoch hätte der Eingriff an jeder anderen gynäkologischen Klinik mit Kassenzulassung gemacht werden können. Auch Lasereinsatz, wie im Fall der Versicherten, sei an vielen Vertragskliniken (z.B. Frauenklinik Klinikum Großhadern) möglich.

Die Beklagte hat daraufhin mit Bescheid vom 25.09.2002 den Antrag auf Kostenübernahme abgelehnt. Dr.P. habe grundsätzlich eine Kassenzulassung, d.h. er könne alle medizinisch notwendigen Behandlungen direkt über die Krankenversichertenkarte abrechnen. Dr.P. habe die Myomentfernung privat abgerechnet. Der Eingriff sei zweifellos medizinisch notwendig gewesen, hätte jedoch an jeder gynäkologischen Klinik mit Kassenzulassung durchgeführt werden können, auch mit Laserbehandlung. Zur Begründung des hiergegen eingelegten Widerspruchs gaben die Bevollmächtigten der Klägerin an, die Klägerin habe bei anderen Vertragsärzten eine endoskopische Behandlung nicht erhalten können. Erst dann habe sie sich an die Tagesklinik gewendet. Es wäre außerdem Pflicht der Beklagten gewesen, Einwände gegen die Operation zu erheben, die Klägerin habe sich am 18.07.2002 an die Beklagte gewendet. Außerdem sei sie unstreitig kurz vor dem OP-Termin an einer Eileiterschwangerschaft erkrankt, die eine sofortige Operation erforderlich gemacht hätte.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 24.09.2003 zurückgewiesen.

Die hiergegen zum Sozialgericht Augsburg erhobene Klage begründete der Bevollmächtigte der Klägerin damit, sie sei am 22.07. 2002 schwer erkrankt und habe sofort behandelt werden müssen. Es habe sich also bei der Operation um eine Notfallbehandlung gehandelt. Vertragsärzte hätten sich geweigert, die Myomentfernung endoskopisch vorzunehmen.

Das Sozialgericht hat nach Anhörung des Klägerbevollmächtigten die Klage mit Gerichtsbescheid vom 14.01.2004 abgewiesen. Die Klägerin habe sich mit dem Behandlungsvertrag vom 16.07.2002 außerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung gestellt, indem sie eine Privatbehandlung vereinbart hat. Sie sei hierbei von der Tagesklinik ausdrücklich belehrt worden, dass ein Rechtsanspruch auf Kostenerstattung durch die Krankenkasse grundsätzlich nicht bestehe. Die Voraussetzungen des § 13 Abs.3 SGB V zur Kostenerstattung seien nicht gegeben. Selbst wenn aufgrund der am 22.07.2002 diagnostizierten Eileiterschwangerschaft am 24.07.2002 in der V.-Tagesklinik eine notfallmäßige (Mit-) Versorgung erfolgt sein sollte, hätte dann der Leis-tungserbringer nicht mit der Klägerin abrechnen dürfen, sondern seine Kosten gegenüber der Beklagten geltend machen müssen. Im Übrigen habe die Beklagte die Kostenerstattung nicht zu Unrecht abgelehnt. Die Klägerin gehöre nicht zum Kreis der freiwilligen Mitglieder, die gemäß § 13 Abs.2 Satz 1 SGB V Kostenerstattung wählen können. Die Klägerin müsse sich an ihrer privatärztlichen Vereinbarung festhalten lassen. Es könne der Beklagten nicht angelastet werden, dass sie in Kenntnis des Operationstermins nicht sofort reagiert habe. Es sei vielmehr die Klägerin gewesen, die vorab am 16.07.2002 einen privaten Behandlungsvertrag abgeschlossen und sich erst anschließend mit Telefax am 18.07.2002 an die Beklagte gewandt habe.

Gegen diesen Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung. Die Bevollmächtigten der Klägerin sind der Auffassung, das Sozialgericht habe den entscheidenden Sachverhalt übergangen. Keine der Klägerin bekannten Ärzte seien zu einer vertragsärztlichen Leistung bereit gewesen. Die über Internetrecherche erreichbaren Kliniken hätten mit Ausnahme der Tagesklinik abgelehnt oder einen inakzeptablen OP-Termin genannt. Außerdem übersehe das Sozialgericht, dass die Beklagte sechs Tage, nämlich vom 18.07. 2002 bis 24.07.2002 Zeit gehabt hätte, der Klägerin einen Vertragsarzt zu benennen. Außerdem sei das Sozialgericht von der unzutreffenden Annahme ausgegangen, die Klägerin sei von der Tagesklinik über die Nichterstattungsfähigkeit der Kosten aufgeklärt worden sei. Das Gegenteil sei der Fall, der Klägerin sei ausdrücklich gesagt worden, eine Erstattung der Kosten durch die Krankenkasse erfolge problemlos. Die Klägerin habe das Schweigen der Beklagten auf ihre Anfrage als Zustimmung zur Operation interpretieren dürfen. Schließlich verkenne das Sozialgericht auch die Bedeutung des am 22.07.2002 eingetretenen Notfalls. Eine geplante Operation schließe das Vorliegen eines Notfalls gerade auch in diesem Fall nicht aus. Ob die Klinik vertragsärztlich hätte abrechnen müssen, sei nicht entscheidend. Die Klägerin hatte hierauf keinen Einfluss.

Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 14.01.2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25.09.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 2.444,51 EUR für die Behandlung Dr.P. zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie beruft sich auf den Gerichtsbescheid und ihren Widerspruchsbescheid.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung, die wegen der Höhe des Beschwerdewertes nicht der Zulassung nach § 144 SGG bedarf, ist zulässig, sie erweist sich aber als unbegründet.

Der angefochtene Gerichtsbescheid und die Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der von ihr geleisteten Zahlungen für die privatärztliche Behandlung.

Die bei ihr bestehende Versicherung räumt ihr einen Anspruch auf kostenfreie ärztliche Behandlung in Form von Sach- und Dienstleistungen gemäß §§ 2 Abs.2 Satz 1, 27 Abs.1 Satz 2 Nr.1, 28 Abs.1 Satz 1 SGB V - abzüglich geringer Zuzahlungen- ein. Inhaltlicher Maßstab der Sachleistungen der Krankenkassen sind der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse und die Wirtschaftlichkeitsgebote bzw. die Regeln der ärztlichen Kunst (§§ 2 Abs.1 Satz 3, 12, 28 Abs.1 Satz 1 SBG V).

Dabei gibt es ein dichtes System von Vertragsbehandlern, seien es niedergelassene Ärzte oder stationäre Krankenhausversorgung, um diese Behandlungsansprüche zu realisieren.

Nur ausnahmsweise haben Pflichtversicherte einen Anspruch auf Kostenerstattung. Die Voraussetzungen hierzu sind in § 13 Abs.3 SGB V niedergelegt. Danach kommt eine Erstattung nur in Betracht, wenn die Krankenkasse entweder eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hatte und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung, die ihrerseits auch notwendig gewesen sein muss, Kosten entstanden sind. Der Klägerin sind die von ihr verauslagten Kosten nicht dadurch entstanden, dass die Kasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat oder eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte. Bei der am 25.07.2002 in Rechnung gestellten Leistung vom 24.07.2002 hat es sich nicht um eine unaufschiebbare Leistung im Sinne eines Notfalles gehandelt. Die Operation wurde nämlich nicht verursacht durch die Eileiterschwangerschaft, sondern durch die bereits am 16.07.2002 getroffene vertragliche Vereinbarung der Klägerin mit dem Operateur zur Myomentfernung. Das Sozialgericht hat im Übrigen zutreffend darauf hingewiesen, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung eine privatärztliche Notfallbehandlung nicht zu einem Kostenerstattungsanspruch der Versicherten gegen die Krankenkassen führt, sondern zu einem Anspruch der Privatärzte auf Kostenübernahme durch die Krankenkassen. Der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Dr.P. hätte damit eine Notfalloperation unter keinem Aspekt der Klägerin in Rechnung stellen dürfen.

Dass dies auch nicht geplant war, ergibt sich eindeutig aus dem Behandlungsvertrag, in dem darauf hingewiesen wird, ein Rechtsanspruch auf Kostenerstattung bestehe grundsätzlich nicht.

Die Beklagte hat also auch eine Leistung nicht zu Unrecht abgelehnt und dadurch die Klägerin veranlasst, privatärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Reihenfolge war vielmehr umgekehrt. Die Klägerin hat zunächst von sich aus den behandelnden Arzt Dr.P. aufgesucht und mit ihm eine privatärztliche Behandlung vereinbart. Sie hat sich damit außerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung (Sachleistung) begeben und sich eine Leistung selbst beschafft.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind Kosten für eine selbst beschaffte Leistung dann nicht zu erstatten, wenn Versicherte sich die Leistung besorgen, ohne zuvor mit ihrer Krankenkasse Kontakt aufzunehmen und deren Entscheidung abzuwarten. Einer der Beschaffung vorgeschalteten Entscheidung der Krankenkasse bedarf es unabhängig davon, welcher Art die in Anspruch genommene Leistung ist und in welcher Höhe dafür Kosten anfallen. § 13 Abs.3 SGB V schließt eine Kos-tenerstattung für die Zeit vor der Leistungsablehnung generell aus (vgl. z.B. BSG vom 19.06.2001, SGB 2001, S.549 oder BSG vom 20.05.2003, Breithaupt 2400, 182). Die Klägerin hat sich zwar vor der Erbringung der Leistung und nach Vereinbarung des Operationstermins an die Beklagte gewendet. Sie hat in ihrem Schreiben vom 18.07. deutlich zum Ausdruck gebracht, sie habe sich für die Operation am 24.07.2002 entschlossen. Es kann der Beklagten dann nicht vorgehalten werden, dass sie nicht innerhalb weniger Tage entschieden hat. Der sofort von der Beklagten eingeschaltete Medizinische Dienst der Krankenversicherung in Bayern (MDK) hat weitere Ermittlungen für erforderlich gehalten. Ohne Einschaltung des MDK kann von der Beklagten nicht erwartet werden, der Klägerin alternative Behandlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Es wäre vielmehr von der Klägerin zu erwarten gewesen, dass sie vor Abschluss des privatärztlichen Behandlungsvertrages Erkundigungen nicht nur im Internet, sondern auch bei der Beklagten angestellt hätte. Aus der Nichtäußerung der Beklagten vor dem Operationstermin darf eine Zustimmung zur Operation bzw. eine Bereiterklärung zur Kostenübernahme nicht erwartet werden. Die Klägerin hat der Beklagten nicht ausreichend Gelegenheit gegeben, sie zu beraten.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG und entspricht dem Unterliegen der Klägerin.

Im Hinblick auf die gefestigte Rechtsprechung des BSG besteht kein Grund, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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