L 14 RA 141/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 14 RA 138/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 RA 141/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 10. Mai 2001, der Bescheid der Beklagten vom 29. Oktober 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2000 und der Bescheid vom 12. September 2000 werden dahingehend abgeändert, dass die Beklagte eine glaubhaft gemachte Beitragszeit vom 1. März bis 31. Dezember 1971 und vom 27. März bis 31. Dezember 1972 bei einem monatlichen Entgelt von 500,00 DM ab 1. März 1971 und 1.800,00 DM ab 1. Oktober 1972 festzustellen und Altersrente ab 1. November 2000 unter Anrechnung dieser Zeiten zu zahlen hat. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist im Berufungsverfahren nur noch die Feststellung einer Beitragszeit vom 15.09.1970 bis 31.12.1972 und die Zahlung einer höheren Altersrente ab 01.11. 2000 unter Anrechnung dieser Zeit.

Für die im Jahre 1940 geborene Klägerin führte die Beklagte im Jahre 1987 ein Kontenklärungsverfahren durch, das mit bindend gewordenem Bescheid vom 07.01.1988 endete. Hierbei wurden folgende Zeiten festgestellt: 02.08.1954 - 10.09.1960: Erstattung von Beiträgen zur Arbeiterrentenversicherung wegen Heirat 24.12.1961 - 01.04.1962: Ausfallzeit (Schwangerschaft/Mutterschutz, bezogen auf das 1962 geborene Kind S.) 01.03.1962 - 28.02.1963: Kindererziehungszeit 12.12.1971 - 19.03.1972: Ausfallzeit (Schwangerschaft/Mutterschutz, bezogen auf das 1972 geborene Kind T.) 01.02.1972 - 31.01.1973: Kindererziehungszeit ab 01.01.1973: Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung der Angestellten (Jahresentgelt von 21.600,00 DM für 1973 = 1.800,00 DM monatlich).

In dem dazugehörenden Kontospiegel war ein Hinweis auf die Vergabe einer Versicherungsnummer in der Rentenversicherung der Angestellten am 15.05.1973 enthalten. Aus verfilmten Aktenteilen war ersichtlich, dass nach dem Jahre 1960 auch bei der ehemals zuständigen Landesversicherungsanstalt (LVA) Mittel- und Oberfranken kein Versicherungskonto für die Klägerin geführt wurde; die LVA gab vielmehr die noch vorhandene Beitragserstattungsakte und zwei entwertete Versicherungskarten der Arbeiterrentenversicherung am 18.08.1988 an die Beklagte ab.

Anlässlich weiterer Verwaltungsverfahren bei der Beklagten in den Jahren 1995/96 wegen Nachentrichtung freiwilliger Beiträge für die Zeit von August 1954 bis September 1960 und wegen Kindererziehungszeiten/Berücksichtigungszeiten gab die Klägerin nebenbei an, sie sei vom 04.02.1962 bis 14.09.1970 im Betrieb ihres selbständigen Ehegatten in Teilzeit (ca. 15 Stunden) tätig gewesen. Im Jahre 1998 übersandte die Beklagte der Klägerin den Versicherungsverlauf vom 06.04.1998, der bereits wie der frühere keine Pflichtbeiträge für eine Beschäftigung nach September 1960 bis zum 31.12.1972 enthielt; die Klägerin bestätigte mit Schreiben vom 24.07.1998 die Richtigkeit dieses Versicherungsverlaufs und bat um Rentenauskunft.

Zugleich mit Rentenauskunft erging der streitgegenständliche Bescheid vom 29.10.1998, mit dem gemäß § 149 Abs.5 Sozialgesetzbuch Teil VI (SGB VI) rentenerhebliche Zeiten bis zum 31.12.1991 verbindlich festgestellt werden sollten. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und machte nach Aktenlage erstmals Beitragszeiten als Bürohilfe vom 01.10.1960 bis 14.09.1970 in der Einzelfirma ihres Ehemannes K. H. sowie vom 15.09.1970 bis 31.12.1972 im Betrieb Auto H. GmbH geltend mit der Äußerung: "Sollten die Arbeitszeiten vor 1971 nicht mehr zur Anrechnung kommen können, so wird um eingehende Klärung des Sachstandes hierzu, also eventuell um Übersendung einer Kopie eines Befreiungsantrages oder Bescheides gebeten. Ansonsten wird auf die Erklärungen des Steuerberaters und der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) hingewiesen". Laut beigelegtem Schreiben des Steuerberaters Dr.F. vom 31.01.1991 soll von ca. 1960 an eine Beschäftigung der Klägerin als kaufmännische Angestellte im Betrieb des Ehemanns bestanden haben und eine Abmeldung der Klägerin bei der AOK zum 14.09.1970 (Einzelfirma) und eine Anmeldung zum 15.09.1970 (GmbH) vorliegen; während der gesamten Zeit seien Gehalt bezahlt und die gesetzlichen Abzüge an die AOK E. abgeführt worden. Nach einem weiterhin vorgelegten Schreiben der AOK Mittelfranken vom 22.04.1991 mit einer Kopie der dortigen Karteikarte als angeblich allein noch vorhandene Unterlage ist zum Arbeitgeber K. H. GmbH (später korrigiert auf Auto H. GmbH) vermerkt, dass die Klägerin erst am 12.09.1972 rückwirkend zum 15.09.1970 mit der Beschäftigung "Mithilfe" angemeldet worden war. Unter dem 22.09.1972 erfolgte eine Berichtigung dieser Anmeldung erst zum 01.03.1971 als "Bürohilfe" und gleichzeitig eine Abmeldung zum 31.12.1971, weiterhin unter gleichem Datum eine Anmeldung zum 27.03.1972. Die Abmeldung zum 31.12.1972 erfolgte dann am 07.05.1973. Vermerkt ist weiterhin auf der Rückseite der Karteikarte, dass ein Mutterschaftsgeld (Pauschale von 100,00 DM sowie 14,88 DM kalendertäglich für die Zeit vom 01.01. bis 20.03.1972) geleistet worden ist.

Nach den im Jahre 1989 verfilmten Unterlagen der Beklagten, die diese dann in Kopie zur Versichertenakte nahm, war eine Versicherungskarte Nr.2 der Arbeiterrentenversicherung mit Erstattungsvermerk vorhanden, weiterhin eine Schriftwechselkarte mit zwei Einträgen:

1. Eingang: Schriftstück vom 04.06.1967 betreffend Befreiungsantrag Art.2 § 1 Abs.2 RVÄndG Ausgang: Befreit 02.08.1967 2. Eingang: Ersuchen der AOK Mittelfranken vom 19.08.1972 Ausgang: Widerruf entfällt, da Befreiung nur unter ihren Voraussetzungen gilt 14.09.1972.

Auf eine Anforderung der Beklagten bei der Klägerin wegen Vorlage des Befreiungsbescheides vom 02.08.1967 äußerte diese, es sei schon ungewöhnlich, dass man sich auf Fakten stütze, die man gar nicht besitze. Nach den vorgelegten Unterlagen seien die Versicherungszeiten von 1960 bis 1972 anzuerkennen. Zum Nachweis ihrer Krankenversicherung legte sie eine Bescheinigung des M. Vereins Krankenversicherung a.G. vom 02.06.1999 vor, aus der sich ergibt, dass eine private Krankheitskostenversicherung im Sinne einer Vollversicherung seit 01.12.1960 und weiterhin bestand. Eine Anfrage der Beklagten bei der AOK Mittelfranken beantwortete diese mit Schreiben vom 11.11.1999 dahingehend, dass nach der ihr vorliegenden Mitgliederkarte die Klägerin vom 01.03. 1971 bis 31.12.1972 bei der Auto H. GmbH beschäftigt und als kranken-, renten- und arbeitslosenversicherungspflichtig gemeldet gewesen sei; Entgelte lägen nicht vor. Ob in der Zeit vom 01.10.1960 bis 28.02.1971 Rentenversicherungsbeiträge abgeführt worden seien, könne von hier aus nicht beurteilt werden. Hierzu sei zu bemerken, dass nach der seinerzeitigen Rechtslage Krankenversicherungspflicht bei der Beschäftigung beim Ehemann nicht bestanden habe (§ 175 der Reichsversicherungsordnung - RVO -). In Fällen, in denen nur Renten- und Arbeitslosenversicherungspflicht bestanden habe, seien keine Aufzeichnungen geführt worden.

Der von der Klägerin eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 09.02.2000 zurückgewiesen, weil keine Beitragszeiten vorlägen. Gemäß § 4 Abs.1 Nr.2 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) habe bei Beschäftigung beim Ehegatten bis zum 31.12.1966 Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung bestanden. Ab 01.01.1967 hätten sich mitarbeitende Ehegatten von der nunmehr bestehenden Rentenversicherungspflicht befreien lassen können. Die Klägerin habe am 04.06.1967 einen Befreiungsantrag gestellt, dem mit Bescheid vom 02.08.1967 stattgegeben worden sei. Demnach habe in der Zeit vom 01.01.1967 bis 31.12.1972 Befreiung in der Rentenversicherungspflicht vorgelegen.

Im anschließenden Klageverfahren machte die Klägerin die Zeit vom 01.10.1960 bis 31.12.1972 als Beitragszeit geltend und trug vor, ihr sei eine Befreiung unbekannt. Sie könne nicht nachvollziehen, warum eine Streichung der Anmeldung bei der AOK zum 15.09.1970 erfolgt sei bzw. auf den 01.03.1971 umgeändert worden sei. Ab 15.09.1970 sei sie im Übrigen nicht bei ihrem Ehemann, sondern bei der GmbH beschäftigt gewesen. Sie legte u.a. einen Handelsregisterauszug vor, aus dem ersichtlich ist, dass eine K. H. GmbH am 15.09. 1970 und eine Auto H. GmbH am 02.10.1972 eingetragen worden ist, weiterhin eine Anmeldebestätigung der AOK Mittelfranken vom 12.09.1972, dass die Klägerin heute als Arbeitnehmerin und Pflichtmitglied zur AOK mit Eintrittsdatum 15.09.1970 angemeldet worden ist, weiterhin eine (nicht vollständig kopierte) Bestätigung der AOK vom 12.09.1972, dass "der umseitig genannte Arbeitnehmer heute als beitragspflichtig zur Arbeitslosen- und zur Rentenversicherung oder nur zur Rentenversicherung oder nur zur Arbeitslosenversicherung abgemeldet worden ist".

Die Beklagte legte den Rentenbescheid vom 12.09.2000 vor, aus der die Gewährung einer Altersrente für Frauen an die Klägerin ab 01.11.2000 ersichtlich ist.

Ermittlungen des Sozialgerichts bei der AOK Mittelfranken ergaben, dass in deren Archiv noch der dort am 20.08.1969 eingegangene Bescheid der Beklagten vom 02.08.1967 über die Befreiung von der Versicherungspflicht während der Beschäftigung bei dem Ehegatten mit Wirkung ab 01.01.1967 vorhanden war. Die AOK bemerkte hierzu, diese Befreiung habe nur für die Beschäftigung bei dem Ehegatten gegolten und nicht für das Beschäftigungsverhältnis bei der Auto H. GmbH; warum das Eintrittsdatum bei der Auto H. GmbH vom 15.09.1970 auf den 01.03.1971 berichtigt worden sei, könne von hier aus nicht geklärt werden; denkbar wäre es z.B., dass die GmbH erst zum 01.03.1971 eingetragen worden sei.

Die Klägerin legte an neu aufgefundenen Unterlagen Folgendes vor:

1. Eine Bescheinigung der AOK Mittelfranken vom 15.03.1973 "für Zwecke der Rentenversicherung" darüber, dass eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit durch Schwangerschaft/Wochenbett (nicht durch Krankheit, Unfall, Arbeitsunfähigkeit) vom 01.01. bis 20.03.1972 unterbrochen worden sei.

2. Eine Mitgliedsbescheinigung der AOK Mittelfranken vom 20.01. 1988 über eine Mitgliedszeit vom 01.03. bis 31.12.1971, eine Zeit der Schwangerschaft vom 01.01. bis 20.03.1972 und eine Mitgliedszeit vom 27.03.bis 31.12.1972 mit dem Vermerk, dass Unterlagen vor dem 01.03.1971 nicht vorlägen und Angaben über Beitragshöhe bzw. Beitragszeiträume nicht mehr gemacht werden könnten.

3. Ein Schreiben der AOK Mittelfranken vom 03.05.1973 mit dem Inhalt, dass die Klägerin wegen Anhebung der monatlichen Vergütung auf 1.800,00 DM seit 01.10.1972 ab dem 01.01.1973 nicht mehr krankenversicherungspflichtig sei und nach Ankündigung des Steuerbevollmächtigten Dr.F. eine Ummeldung von der Gruppe "D" nach "0" mit Wirkung ab 01.01.1973 erfolgen werde.

In der mündlichen Verhandlung am 10.05.2001 erklärte die Klägerin, sie könne sich nicht erinnern, dass sie im Dezember 1995 angegeben habe, in der Zeit vom 04.02.1962 bis 14.09.1970 ca. 15 Stunden in Teilzeit gearbeitet zu haben. Ebenso wenig könne sie sich daran erinnern, ob ihre Vollzeitbeschäftigung auf eine Teilzeitbeschäftigung reduziert worden sei. Lohnunterlagen oder Versicherungsunterlagen habe sie nicht mehr. Der als Zeuge einvernommene Ehemann gab an, die Ehefrau sei vom 01.10.1960 bis 14.09.1970 in der Einzelfirma als "Mädchen für alles" beschäftigt gewesen, anschließend in der GmbH, hier im kaufmännischen Bereich. Er könne nicht sagen, ob im streitigen Zeitraum Rentenversicherungsbeiträge konkret abgeführt worden seien; Dr.F. sei mit der ordnungsgemäßen Abwicklung beauftragt gewesen. Der als Zeuge einvernommene Dr.F. gab an, die Klägerin sei bei ihrem Ehemann ca. von 1960 bis 1995 als kaufmännische Angestellte beschäftigt gewesen. Seiner Erinnerung nach seien die notwendigen Sozialversicherungsbeiträge abgezogen worden, er könne aber nicht sagen, ob dies im streitigen Zeitraum auch der Fall gewesen sei. Er wisse auch nicht, warum das Datum des Eintritts in die AOK zum 15.09.1970 auf den 01.03.1971 berichtigt worden sei. Er verfüge über keine Unterlagen aus dieser Zeit wie Lohnunterlagen, Steuerunterlagen, Versicherungsunterlagen mehr. Er wisse auch nicht, ob bezüglich des fraglichen Zeitraums die Ausstellung einer Versicherungskarte beantragt worden sei.

Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 10.05.2001 ab, weil die geltend gemachten Beitragszeiten weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden seien. Die Vorschrift des § 199 Satz 1 SGB VI (Vermutung der wirksamen Entrichtung für Beiträge bei ordnungsgemäßer Meldung von Beschäftigungszeiten beim Rentenversicherungsträger) komme vorliegend schon deswegen nicht zur Anwendung, weil dies nur für die Zeit ab 01.01.1973 (Meldungen nach der 2. DEVO/2. DÜVO) gelte. Ebenso scheide die Anerkennung der streitigen Zeit als Beitragszeit gemäß § 203 Abs.1 und Abs.2 SGB VI (Glaubhaftmachung der Beitragszahlung) aus, weil diese Vorschrift ebenfalls nur für die Zeiten ab 01.01.1973 mit Einführung des Meldeverfahrens gelte. Das Klagebegehren sei auch nicht gemäß § 286 Abs.5 SGB VI oder § 286 Abs.6 SGB VI i.V.m. § 203 Abs.2 SGB VI begründet. Danach könne für Zeiten vor dem 01.01.1973 eine versicherungspflichtige Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt und die Zahlung entsprechender Beiträge für diese Beschäftigung glaubhaft gemacht werden; es sei jedoch nicht überwiegend wahrscheinlich, dass Beiträge für die Beschäftigung der Klägerin im Zeitraum 01.10.1960 bis 31.12.1972 entrichtet worden seien. Bis zum 31.12.1966 sei die Klägerin wegen Beschäftigung bei ihrem Ehegatten versicherungsfrei, für die Zeit danach bis zum 14.09.1970 versicherungsfrei aufgrund der von der Beklagten ausgesprochenen Befreiung gewesen. Vom 15.09.1970 bis 31.12.1972 habe während der Zeit der Beschäftigung der Klägerin bei der GmbH zwar Rentenversicherungspflicht bestanden, die tatsächliche Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen sei jedoch nicht überwiegend wahrscheinlich. Die Mitgliedskarte der AOK Mittelfranken lasse keine Rückschlüsse auf die tatsächliche Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen zu, die einvernommenen Zeugen hätten keine sachdienlichen Angaben mehr machen können. Versicherungsunterlagen wie eine Versicherungskarte oder eine Lohnsteuerkarte seien ebenfalls nicht mehr vorhanden.

Mit dem Rechtsmittel der Berufung macht die Klägerin nur noch geltend, die Zeit vom 15.09.1970 bis 31.12.1972 sei als Beitragszeit "anzuerkennen", d.h. festzustellen und bei der Rentengewährung anzurechnen. Sie ist der Auffassung, diese Zeit sei aufgrund der bisher vorgelegten Unterlagen und Zeugenerklärungen glaubhaft, und legt weiterhin Folgendes vor:

1. Schreiben der AOK Mittelfranken an die Firma K. H. GmbH vom 24.07.1972: Hierin wird das Ergebnis der Prüfung der Versicherungsverhältnisse der beiden GmbH-Gesellschafter, K. H. (Anteil 51 %, zugleich Geschäftsführer) und I. H. (Anteil 49 % und Angestellte), mitgeteilt. Versicherungspflicht des beherrschenden Gesellschafters K. H. bestehe nicht; demgegenüber unterliege dessen Ehefrau ab dem 15.09.1970 für die Dauer der entlohnten Beschäftigung der Arbeitslosen- und auch Krankenversicherungs- pflicht. Für sie komme die Beitragsgruppe "G, M" in Betracht; die entsprechenden Formulare für die Ummeldung seien beigefügt mit der Bitte um Ausfüllung und Zurücksendung.

2. Schreiben der AOK Mittelfranken an die Kurt H. GmbH vom 14.08.1972: Unter Bezugnahme auf ein Telefonat mit Dr.F. ergeht der Hinweis, dass der von der Beklagten ergangene Befreiungsbeschluss vom 02.08.1967 mit der Gründung der GmbH gegenstandslos geworden sei. Neben den Beiträgen zur Kranken- und Arbeitslosenversicherung seien ab 15.09.1970 auch Beiträge zur Angestellten-Rentenversicherung nachzuentrichten.

3. Schreiben der AOK Mittelfranken vom 12.09.1972: Die AOK beanstandet, dass die angeforderten Ummeldungen für die Klägerin noch nicht eingereicht worden seien, und teilt mit, dass deswegen heute Meldungen von Amts wegen erstellt worden seien; die Rechnung über die Beitragsnachforderung gehe in den nächsten Tagen zu.

4. Ehegatten-Arbeitsvertrag vom 01.12.1966 über die Beschäftigung der Klägerin ab 01.12.1966 mit Buchführungs- und Büroarbeiten sowie Verkauf im Geschäft bei einem Gehalt von 500,00 DM.

5. Änderungsvertrag ("Ergänzung zu § 2 Gehalt") vom 29.09.1972 zum Arbeitsvertrag vom 01.12.1966: Ab 01.10.1972 betrage das Gehalt 1.800,00 DM, damit seien auch Überstunden abgegolten.

Die Beklagte vertritt hierzu die Ansicht, die tatsächliche Abführung von Beiträgen zur Rentenversicherung sei nicht glaubhaft gemacht worden. Die Ankündung einer Beitragsforderung reiche vorliegend nicht aus, weil die Klägerin zwar die dementsprechenden Schriftstücke vorgelegt habe, nicht aber die erheblich bedeutsameren Unterlagen wie z.B. die Beitragsrechnung der AOK oder den Nachweis für die tatsächliche Zahlung der Beiträge, die nicht mehr existent oder auffindbar sein sollen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 10.05.2001, den Bescheid der Beklagten vom 29.10.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.02.2000 sowie den Bescheid vom 12.09.2000 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Zeit vom 15.09.1970 bis 31.12.1972 als Beitragszeit festzustellen und höhere Altersrente unter Anrechnung dieser Zeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Dem Senat lagen zur Entscheidung die Streitakten beider Rechtszüge vor. Zur Ergänzung des Tatbestandes, insbesondere hinsichtlich des Vortrags der Klägerin und der von ihr vorgelegten sowie bei der Beklagten vorhandenen Unterlagen für die Zeit von 1970 bis 1972, wird auf die Prozessakten und auf die von der Beklagten beigezogene Rentenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143 ff., 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig und überwiegend begründet.

Der Senat sah es aufgrund der Unterlagen im Rentenverfahren und erstinstanzlichen Rechtsstreit bei Berücksichtigung der zusätzlichen, in der Berufungsinstanz beigebrachten Unterlagen für wahrscheinlich an, dass die Klägerin vom 01.03. bis 31.12.1971 und vom 27.03.1972 bis 31.12.1972 eine versicherungspflichtige Tätigkeit ausübte und entsprechend einem monatlichen Entgelt von 500,00 DM (Zeitraum 01.03. bis 31.12.1971 und 27.03. bis 30.09.1972) bzw. 1.800,00 DM (Zeitraum 01.10. bis 31.12.1972) Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung der Angestellten abgeführt worden sind. Allein diese Zeiten sind nach Prüfung durch die Einzugsstelle - AOK Mittelfranken - in die Mitgliedskartei eingetragen.

Eine Beschäftigung war damals bei einem monatlichen Entgelt von 500,00 DM (und auch 1.800,00 DM) versicherungspflichtig nach § 3 Abs.1 Nr.3 AVG ("Angestellte ..., insbesondere auch Büroangestellte, soweit nicht ausschließlich Botengänge, Reinigungs- und Aufräumungsarbeiten"). Versicherungsfreiheit wegen geringfügiger Nebenbeschäftigung gemäß § 4 Abs.2 AVG lag nicht vor, weil ein monatliches Entgelt von 500,00 DM die maßgebende Grenze, ein Achtel der für Monatsbezüge geltenden Beitragsbemessungsgrenze (§ 112 Abs.2 AVG - Beitragsbemessungsgrenze 1970 bei 1.800,00 DM, 1971 bei 1.900,00 DM und 1972 bei 2.100,00 DM) überstieg.

Ein ab 01.01.1967 möglicher Befreiungstatbestand, die Beschäftigung bei einem Ehegatten, war während der Beschäftigung bei der GmbH als juristische Person nicht gegeben. Die von der Klägerin bestrittene und durch den von der AOK im Jahre 1969 oder später archivierten Befreiungsbescheid der Beklagten vom 02.08. 1967 nachgewiesene Befreiung von der Versicherungspflicht in der Angestelltenversicherung während einer Beschäftigung beim Ehegatten (Art.2 § 1 Zweites Rentenversicherungs-Änderungsgesetz) bestand nur bis zum 14.09.1970. Ein Widerruf der Befreiung durch die Beklagte ist nicht erfolgt, war aber auch nicht notwendig. Der Widerruf der Befreiung bei Wegfall der Voraussetzungen war damals vom Gesetz nur bei vorausgehender Befreiung von Beamten sowie Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst mit Recht auf lebenslängliche Versorgung vorgesehen (§ 7 Abs.4 AVG); im Übrigen galt die Befreiung nicht generell und war von vornherein beschränkt auf den umschriebenen konkreten Tatbestand, hier die Beschäftigung beim Ehegatten.

Ein versicherungspflichtiges monatliches Entgelt von 500,00 DM bis 30.09.1972 und 1.800,00 DM ab 01.10.1972 erscheint aufgrund des von der Klägerin vorgelegten Arbeitsvertrags und des Änderungsvertrags glaubhaft. Das ab 01.10.1972 auf 1.800,00 DM monatlich erhöhte Arbeitsentgelt ergibt sich auch aus dem Schreiben der AOK vom 03.05.1973 und wurde dort vom Arbeitgeber zur Festsetzung der Beitragshöhe in der Rentenversicherung und zum Zwecke der Befreiung von der Krankenversicherungspflicht angegeben. Vorausgehend war von einem glaubhaften Entgelt von 500,00 DM auszugehen. Für die Behauptung der Klägerin von einem sukzessiv im Laufe der Jahre seit 1966 erhöhten Entgelt sind nicht die geringsten Anhaltspunkte vorhanden; insbesondere konnte sie nicht einen zwischenzeitlichen Änderungsvertrag vorlegen. Außerdem ergibt die aus der Mitgliedskarte der AOK ersichtliche Berechnung des Mutterschaftsgeldes für Januar bis März 1972 mit einem Pauschbetrag von 100,00 DM und einem weiteren Betrag von 1.190,40 DM (14,88 DM kalendertäglich für 80 Tage) ein mutmaßliches monatliches Bruttoentgelt von 500,00 DM. Das Mutterschaftsgeld wurde nach einem Hinweis in der Mitgliedskartei gemäß § 200 RVO a.F. bemessen. Gemäß § 200 Abs.2 Satz 1 RVO a.F. war das Mutterschaftsgeld, wenn bei Beginn der Schutzfrist ein Arbeitsverhältnis bestand, zu berechnen nach dem um die gesetzlichen Abzüge verminderten durchschnittlichen kalendertäglichen Arbeitsentgelt (30 Tage pro Monat) der letzten drei abgerechneten Kalendermonate. Dies ergibt einen monatlichen Nettobezug von ca. 446,40 DM (14,88 DM x 30 Tage) und bei den damaligen geringen Sozialversicherungsbeiträgen einen Lohn von ca. 500,00 DM.

Eine versicherungspflichtige Beschäftigung vom 01.03. bis 31.12.1971 und 27.03. bis 31.12.1972 ist glaubhaft, ebenso die nachträgliche Entrichtung von Pflichtbeiträgen für diese Zeit. Hierbei stützt sich der Senat auf die Tatsache, dass die Einzugsstelle im Jahre 1972 ein Prüfungsverfahren durchführte und mit Nachdruck betrieb, dass eine versicherungspflichtige Beschäftigung mit Korrekturen in die Mitgliedskartei eingetragen war und dass die AOK (nachträglich) auch Leistungen (Mutterschaftsgeld) zahlte, wie sie nur bei versicherungspflichtiger Tätigkeit gewährt werden; außerdem hat die AOK in der Zeit nach 1973 eine entsprechende rentenversicherungspflichtige Beschäftigung 1971/72 mehrmals bescheinigt. Ein Grund, von der Beitragsforderung abzusehen, z.B. Zahlungsunfähigkeit der GmbH (Konkurs) usw., war nicht vorhanden. Der weitere Gang der Angelegenheit zeigt auch auf, dass der Arbeitgeber von sich aus in der Folgezeit - ab 01.01.1973 galt das DEVO/DÜVO-Verfahren - die Rentenversicherungsbeiträge für seine Ehefrau abgeführt hat.

Ist die Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen für bestimmte Zeiträume in den Jahren 1971/72 glaubhaft, so ergibt sich andererseits, dass eine solche vom 15.09.1970 bis 28.02. 1971 und 01.01. bis 26.03.1972 nicht wahrscheinlich ist. Nach anfänglich von der AOK mehr oder minder erzwungener Meldung der Klägerin als Arbeitnehmerin am 12.09.1972 zum 15.09.1970 (ohne Endzeitpunkt) erfolgte nämlich nach vorausgehenden Telefonaten und Korrespondenz zwischen der Einzugsstelle und dem Arbeitgeber sowie dessen Steuerbevollmächtigten eine weitere Meldung des Arbeitgebers vom 22.09.1972 mit den Arbeitsverhältnissen nur mehr vom 01.03. bis 31.12.1971 und ab 27.03.1972. Die AOK, die eine Prüfung der Versicherungsverhältnisse ab Eintrag der GmbH in das Handelsregister am 15.09.1970 vornahm, hat die berichtigten Angaben des Arbeitgebers schließlich auch akzeptiert, worauf die nachträglich geänderten Daten in der Mitgliedsdatei eingetragen wurden; demnach muss auch davon ausgegangen werden, dass die AOK ihre Beitragsforderung reduzierte und der Arbeitgeber nur in dem nachträglich zeitlich beschränkten Umfang Beiträge nachzahlte. Eine weitere Änderung in der Mitgliedskartei ist dann nämlich erst am 07.05.1973 (Ende der Krankenversicherungspflicht ab 01.01.1973 mit Gruppe "0") eingetragen worden.

Bestand möglicherweise durchgehend vom 15.09.1970 bis 31.12. 1972 ein versicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis, so ist dieses jedenfalls vom Arbeitgeber für bestimmte Zeitabschnitte verneint worden, möglicherweise ziel- und zweckgerichtet im Hinblick darauf, möglichst wenige Beiträge zur Rentenversicherung (und Krankenversicherung) nachzuzahlen und dennoch das Mutterschaftsgeld in Anspruch zu nehmen. Jedenfalls lassen die am 22.09.1972 der AOK vom Arbeitgeber nachträglich gemeldeten Daten erkennen, dass der Zeitraum des Bezugs von Mutterschaftsgeld (das damals noch nicht gezahlt sein konnte) ausgespart wurde und präzise Daten vorgegeben wurden, die bewirkten, dass die Beitragsforderung für 1970 bis 1972 geringer ausfiel, ab 01.01.1973 bei (erhöhten) Rentenversicherungsbeiträgen wenigstens die Krankenversicherungsbeiträge entfielen und eine Kompensation auch durch Begründung von Rentenanwartschaften und steuerliche Vorteile eintrat. Der Sachverhalt weist deutlich auf die Möglichkeit eines "wirtschaftlich ertragsgerichteten Vorgehens" hin, wobei die Klägerin ab 1960 kein Interesse an einer Versicherungspflicht in der Renten- und Krankenversicherung hatte und - bei Prüfung der AOK aus gegebenem Anlass - mehr oder minder gezwungenermaßen "einschwenkte" und sich dann erst notgedrungen ab 1971 eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung aufbaute, aber wenigstens durch günstige Gestaltung des Arbeitsverhältnisses aus der im Jahre 1972 bekannt gewordenen Pflichtversicherung in der Krankenversicherung wieder ausschied.

Die Wahrscheinlichkeit der Entrichtung von Pflichtbeiträgen (in der Kranken- und Rentenversicherung) im Zeitraum von 1960 bis 1972 bestand nur vom 01.03. bis 31.12.1971 und 27.03. bis 31.12.1972 und ergibt sich aus einer chronologischen Übersicht der Geschehnisse:

1. 14.11.1961: Erstattung der vom 01.08.1954 bis 30.09.1960 entrichteten Arbeitnehmeranteile der Rentenversicherung wegen Heirat. (Anmerkung: Vorrangiges Interesse an späterer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bestand nicht. Möglicherweise wurde der Erstattungsbetrag für den Aufbau des Betriebs des Ehemannes benötigt.)

2. Ab ca. 1962 (laut früheren Angaben der Klägerin) Beschäftigung in Einzelfirma des Ehemannes. (Anmerkung: Es bestand Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung nach § 4 Abs.1 Nr.2 AVG und im Übrigen auch in der Krankenversicherung nach § 175 RVO. Die Klägerin verfügte bereits über eine private Krankenvollversicherung seit 1960. Beitragsvorgänge bei der kontoführenden Landesversicherungsanstalt, der Beklagten und der AOK wurden nicht vermerkt, ebenso wenig hinweisende Vorgänge wie Vergabe einer neuen Versicherungsnummer, Ausstellung einer neuen Versicherungskarte usw.)

3. Nach Beginn der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für mitarbeitende Ehegatten (01.01.1967) stellte die Klägerin am 04.06.1967 Antrag auf Befreiung und wurde mit Bescheid vom 02.08.1967 befreit. Dieser Vorgang, der am 20.08.1969 zur Einzugsstelle, der AOK, gelangte, wurde archiviert. (Anmerkung: Weiterhin ist kein Interesse der Klägerin an einer Renten- und Krankenversicherung in der gesetzlichen Sozialversicherung erkennbar. Eine Mitgliedskartei wurde von der AOK höchstwahrscheinlich deswegen nicht angelegt, weil Versicherungsfreiheit in der Krankenversicherung gemäß § 175 RVO a.F. weiterhin bestand; § 175 RVO a.F. wurde erst mit Wirkung ab 01.01.1971 durch Art.1 Nr.3 des Zweiten Krankenversicherungs-Änderungsgesetzes vom 21.12.1970 gestrichen mit der Möglichkeit, Befreiung in der gesetzlichen Krankenversicherung ab 01.01.1971 zu beantragen. Der Vortrag der Klägerin, dass eine Befreiung von der Rentenversicherung nicht erfolgt sei und dass ihr Ehemann Interesse an der Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen für sie ab 1960 gehabt habe, ist widerlegt.)

4. Keinerlei Vorgänge sind bei den Rentenversicherungs- und Krankenversicherungsträgern von 1969 bis Mitte 1972 feststellbar.

5. Mitte des Jahres 1972 erfolgte eine Überprüfung der ab 15.09.1970 bestehenden GmbH durch die AOK, die ergab, dass Versicherungspflicht der Gesellschafterin (Klägerin) ab 15.09.1970 zumindest in der Arbeitslosen- und Krankenversicherung bestehen müsste. Der Arbeitgeber wurde zur Meldung aufgefordert (Schreiben der AOK vom 24.07.1972). Mit weiterem Schreiben der AOK vom 14.08.1972 an den Arbeitgeber wurde auch Rentenversicherungspflicht ab 15.09.1970 festgestellt mit dem Hinweis, dass der vom Arbeitgeber vorgebrachte Befreiungsbeschluss der BfA vom 02.08.1967 gegenstandslos sei, und der Arbeitgeber aufgefordert, alle Beiträge zur Sozialversicherung ab 15.09.1970 nachzuzahlen. Gleichzeitig fragte die AOK bei der Beklagten vorsorglich wegen eines Widerrufs des Befreiungsbescheides vom 02.08.1967 an (vgl. Vermerk in der Schriftwechselkarte der Beklagten über das Ersuchen der AOK vom 19.08.1972) und erhielt von dort unter dem 14.09. 1972 die Mitteilung, dass ein Widerruf nicht erforderlich sei.

6. Dem Arbeitgeber wurde von der AOK mit Schreiben vom 12.09. 1972 mitgeteilt, dass die angeforderten Meldungen der Arbeitnehmerin nicht eingereicht und daher von Amts wegen erstellt worden seien; die Rechnung über die Beitragsnachforderung (wohl für die Zeit ab 15.09.1970) gehe in den nächsten Tagen gesondert zu. Am 12.09.1972 kamen auch bei der AOK ein Abmeldezettel (Abmeldung der Klägerin zum 14.09.1970) und ein Anmeldezettel (zum 15.09.1970 betreffend die Beschäftigung bei der GmbH) ein. Die AOK legte eine Mitgliedskarte mit Anmeldung der Klägerin ("Mithilfe") vom 12.09.1972 zum 15.09.1970 an. Am 22.09.1972 gingen bei der AOK drei Vorgänge ein, eine Anmeldung der Klägerin als "Bürohilfe" erst zum 01.03.1971 (Berichtigung), eine Abmeldung zum 31.12.1971 und eine Anmeldung zum 27.03.1972. (Anmerkung: Die Vorgänge belegen eindrucksvoll, dass die ehemaligen pauschal gehaltenen Erklärungen der Klägerin und des Steuerberaters Dr.F. , ab 1960 seien ordnungsgemäß Sozialversicherungsbeiträge entrichtet worden, unwahr sind. Vielmehr ist erst anlässlich eines Prüfungsvorgangs der AOK aufgedeckt worden, dass nur bis 1970 Versicherungsfreiheit bzw. Befreiung von der Versicherungspflicht vorgelegen haben und der neue Arbeitgeber pflichtwidrig keine Beiträge abgeführt hatte.)

Zur Erklärung der Änderung des Eintrittsdatums in die Versicherung vom 15.09.1970 in 01.03.1971 und der Aussparung der Zeit vom 01.01. bis 26.03.1972 bietet sich in erster Linie die Überlegung an, dass eine versicherungspflichtige Beschäftigung nicht bestritten werden konnte, aber die nachgeforderten Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung gemindert werden sollten und ein sich aus der neuen Lage ergebender Vorteil, ein möglicher Anspruch auf Mutterschaftsgeld gewahrt werden sollte. Statt des einmaligen Mutterschaftsgeldes von 150,00 DM (§ 200b RVO a.F.) war neben einem Pauschbetrag für Aufwendungen im Zusammenhang mit der Entbindung (§ 198 RVO a.F.: 50,00 DM bis 100,00 DM) ein Mutterschaftsgeld in Höhe des vor Entbindung bezogenen Nettolohns (Oktober bis Dezember 1971) zu zahlen, wenn eine Versicherte bei Beginn der Schutzfrist (sechs Wochen vor Geburt am 23.01.1972) in einem Arbeitsverhältnis stand und in der Zeit zwischen dem zehnten Monat und dem vierten Monat vor Geburt mindestens zwölf Wochen Versicherungspflicht oder ein Arbeitsverhältnis bestanden hat (§ 200 Abs.1 RVO a.F.). Bei einer Beschäftigung vom 01.03. bis 31.12.1971 waren die Rahmenfristen gewahrt und konnte das Mutterschaftsgeld nach dem von Oktober bis Dezember 1971 gezahlten Entgelt berechnet werden. Gleichzeitig war eine Lohnfortzahlung (bis 31.12.1971) dargelegt; ein Arbeitsentgelt ab 01.01.1972 hätte den Anspruch auf Mutterschaftsgeld ruhen lassen (§ 200c Abs.2 Satz 1 RVO a.F.) und zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in dieser Zeit geführt.

Eine solche Erklärung der am 22.09.1972 gemeldeten Beschäftigungsdaten liegt auf der Hand. Jedenfalls hat die AOK durch Berichtigung ihrer Einträge in der Mitgliedskartei von einem ab 15.09.1970 (ununterbrochen bestehenden) Versicherungsverhältnis Abstand genommen und ist lediglich von einer Beitragspflicht zur Kranken- und Rentenversicherung vom 01.03. bis 31.12.1971 und 27.03. bis 31.12.1972 ausgegangen. Dementsprechend muss die Beitragsberechnung und -zahlung erfolgt sein, worauf auch die Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen ab 01.01.1973 (im Mai 1973 erfolgte die Anforderung eines Sozialversicherungsnachweisheftes) hinweist.

7. Die AOK bescheinigte der Klägerin am 15.03.1973 zu Rentenzwecken, dass eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit in der Zeit vom 01.01. bis 20.03.1972 durch Schwangerschaft unterbrochen gewesen sei, und- Klägerin seit 01.01. 1973 bei einem ab 01.10.1972 bezahlten höheren Entgelt von 1.800,00 DM nicht bestehe. (Anmerkung: Wer die Jahresarbeitsverdienstgrenze überschritt, schied erst mit Ablauf des Kalenderjahres aus der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 165 Abs.5 RVO a.F. aus.) Anzunehmen ist ferner, dass die AOK erst in der Zeit nach September 1972 das Mutterschaftsgeld berechnete und zahlte, da das - versicherungspflichtige - Entgelt, die Abzüge und die Zeiträume der Entgeltzahlung anfangs nicht feststanden und Mutterschaftsgeld nicht nach § 200b RVO a.F., sondern nach § 200 RVO a.F. berechnet wurde.)

Gegen die nachträgliche Beitragszahlung für die Jahre 1971/72 sprechen nicht die geringsten Anhaltspunkte, zumal die GmbH Fortbestand hatte und der Prüfvorgang und das Verhalten der AOK aufzeigt, dass sie ernsthaft und nachhaltig um Beitreibung bemüht gewesen ist. Der Einwand der Beklagten, es fehle der Beleg für eine Einzahlung der Beiträge, erscheint dem Senat überzogen. Denn es geht vorliegend um die Glaubhaftmachung und nicht um den Nachweis.

8. Unter dem 20.01.1988 stellte die AOK (offenbar im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens der Beklagten) die Bescheinigung aus, dass die Klägerin vom 01.03. bis 31.12.1971 und 27.03. bis 31.12.1972 Mitglied gewesen sei und vom 01.01. bis 20.03.1972 Schwangerschaft bestanden habe. Das ehemalige und berichtigte Eintrittsdatum 15.09.1970 wurde hier nicht erwähnt, also eine versicherungspflichtige Tätigkeit vom 15.09.1970 bis 28.02.1971 (bei Vorhandensein der Mitgliedskarte) von der Einzugsstelle nicht mehr angenommen. Der in der Bescheinigung vom 20.01.1988 enthaltene Hinweis, dass aufgrund der gesetzlichen Aufbewahrungspflicht Unterlagen vor dem 01.03.1971 nicht mehr vorlägen, erscheint jedoch nicht korrekt. Zum einen war bei Vorhandensein der Mitgliedskarte die Streichung eines Eintrittsdatums vom 15.09.1970 bekannt. Zum zweiten befand sich im Archiv der AOK der später aufgefundene Befreiungsbescheid vom 02.08.1967. Weiterhin ist aus den von der Klägerin eingereichten Schreiben der AOK bekannt, dass eine Beschäftigung der Klägerin vor dem 15.09.1970 sehr wohl von der Einzugsstelle gesehen wurde, aber Versicherungspflicht in der Renten- und Krankenversicherung bis zu diesem Zeitpunkt verneint wurde. Zudem wäre bei einer durchgehend versicherungspflichtigen Beschäftigung von 1960 oder 1970 bis 1972 ein vor dem 01.03.1971 liegendes Eintrittsdatum in der Kartei vermerkt worden. Aus allem ist zu schließen, dass Unterlagen bis zum Jahre 1960 wahrscheinlich vernichtet worden waren. Wenn aber Daten von 1960 bis 1970/71 fehlten, lag dies nicht an der Vernichtung von Unterlagen bei Ablauf des Aufbewahrungszeitraums, sondern daran, dass es an der Versicherungspflicht in der Renten- und Krankenversicherung fehlte und deswegen keine Mitgliedsdaten, die vermerkt werden müssten, vorhanden gewesen sind.

Entsprechend Erfolg und Misserfolg der Berufung wurden die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens, die der Klägerin zu erstatten sind, bemessen (§ 193 SGG). Von einer Quotelung der außergerichtlichen Kosten des erstinstanziellen Verfahrens hat der Senat abgesehen, weil sie bei den geltend gemachten Beitragszeiten von 1960 bis 1972 nur zu einem geringen Erfolg des Rechtsstreits in erster Instanz hätte führen müssen; zudem hatte die Klägerin unwahre Angaben gemacht und mit sehr großer Verspätung - in zweiter Instanz - weitere Beweismittel vorgelegt.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved